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Weitsprung Coaching - Druckversion

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Weitsprung Coaching - MZPTLK - 12.04.2014

Von Sebastian Bayers 8,71 m Hallen-Europarekord gibt es Aufnahmen direkt von vorn, wo man deutlich sehen kann, dass er keine Seitabweichungen hatte und während des Fluges stabil 'in der Luft 'hing'.

Von der Seite hätte ein Trainer das niemals so genau wahrnehmen können.

Bevor Nadja Käther Ende Januar ihr 6,68 m Sprung gelang, hatte sie mehrere Sprünge mit zum Teil erheblicher Abdrift. Ich hatte bewusst die entsprechende Perspektive gewählt, um das genau registrieren zu können. Eiinsame Position, es war viel Platz, alle Trainer befanden sich seitlich der Anlage.

Als Nadja das gleiche Flugbild zeigte wie Sebastian, war mir klar, dass der über 6,50 sein musste. Sie war selber überrascht, dass ihr solch eine Bewegung gelungen war, und als sie die Weite registrierte, fassungslos und voller Euphorie.

Warum nimmt ein (Co-)Trainer nicht mal eine entsprechende Position ein? Das ist oftmals zwar nicht möglich, man kann aber Kameras positionieren, auf die alle Trainer und Athleten zwecks sofortigen Feedbacks zurückgreifen können sollten.
Und ich habe den Verdacht, dass auch im Training diese Perspektive sträflich vernachlässigt wird. Sprünge sind dreidimensional, und den Athleten werden wichtige Informationen vorenthalten. Angry


RE: Weitsprung Coaching - MZPTLK - 12.04.2014

Vielleicht noch was zu Sebastians ER:
Er hatte seine Anlaufgeschwindigkeit in den Monaten vorher um einiges erhöht, sein Bestzeit über 60 m um 2/10 verbessert.

Vor dem letzten Sprung war der Druck weg:
'Als ich dann als Sieger feststand, bin ich einfach gesprungen'.
'Ich habe gemerkt, dass ich ihn optimal getroffen habe'.
'Es hat sich perfekt angefühlt'.


RE: Weitsprung Coaching - Hellmuth K l i m m e r - 12.04.2014

Diese kritische Feststellung zu den Beobachtungspositionen zur Fehlererkennung beim Weitsprung ist richtig, und auch ich kann das häufig feststellen.
Bei der Ausbildung von Trainern wird mehr oder wenige oft von den Lehrern das Bewegungssehen/-beobachten (und der Standort dafür) durchs eigne Vorbild gezeigt.

Generell gibt es vor allem zwei bevorzugte Standorte bei der technischen Einschätzung des Weitsprungs:

- Wichtigste Position: In Balkenhöhe (rechtwinklig) relativ weit entfernt (ca. 20...30m), leicht erhöht (auf der Tribüne/Traverse), um AL-Gestaltung, Tempo, Rhythmus, "Absprunggestalt" (Stemmen?, Trippeln?, Vorlage?) und Laufbewegung (in der Luft) sowie Landung zu beurteilen.
(Den akkreditierten Trainern wird das in der sog. Coaching-Zone ermöglicht.)

- Hinter der Grube: Um die letzten drei Schritte zu beobachten (Seitstep? Fersenausatz?, gerader F.aufsatz?, Seitneigung? ...)

Die letzte Position wir tatsächlich im Training und Wettkampf (dort nicht immer möglich!) zu selten eingenommen.

(Bei einem Forschungsvorhaben zum Fußaufsatz der WS hatte ich so die aussagekräftigesten Hfq.aufnahmen gemacht.)

Wenn dann die Fehler richtig gesehen wurden, bleibt nur noch "das Leichte, was schwer zu machen ist" (BRECHT): die richtigen Übungen zur Korrektur finden. Huh

H. Klimmer / sen.


RE: Weitsprung Coaching - ThomZach - 12.04.2014

In meinen stundenlagen Gesprächen mit Dieter Köhl zum Thema lernen und Trainieren,
fragt er mich auch immer wieder nach Übungen, mit denen man dieses oder jenes
technische Detail erwerben könnte. Und obwohl ich mich lang und breit mit methodischen
Techniken beschäftigt habe, ist meine spontane Reaktion heute immer das Abwinken. 
Der Sportler soll sich und seine Bewegung selber studieren, per Video, von Versuch 
zu Versuch, dabei feststellen was es zu verbessern gilt, und es dann einfach machen. 
Wenn das schwerfällt, also die Bilder zeigen, dass es nicht klappt, dann muss man 
nicht nach Trockenübungen suchen sondern herausfinden, welche vorausgehenden
Teilbewegungen für die angestrebte Teilbewegung sorgen müssen. 

Als Beispiel kann der Austausch über die Rotation beim Hochsprung im anderen Thread
dienen, wo die viertel Wende um den Rücken zur Latte zu wenden nicht mit Pirouettensprüngen 
erlernt werden kann. Das führt nur zur Verschlimmerung der Fehler, ja soar zu neuen. 
Man muss wissen, welche vorlaufenden oder zeitpassenden Bewegungen oder
Maßnahmen die technisch richtige Wende herbeiführen. Und das sind oft nur unklar
definierte Steuerungsimpulse. In einem anderen Beispiel kommt die erwünschte
Rotation über der Latte erst zustande, wenn man im vorletzten Schritt den Fuß anders
aufsetzt oder den Rumpf anders positioniert.

Oft ist eine betrachtete Bewegung die Folge von Bewegungen, die mehrere Zehntelsekunden
vorher ausgeführt oder unterdürckt worden sind. Dieses Wissen unterscheidet den
Supertrainer vom Durchschnitt und dieses unwissende Können den Superathleten vom
Zweiten Glied. Womit ich nicht gesagt haben will, dass ich dieses Wissen oder Können
besitze. Aber ich bin ständig auf der Suche danach, weil ich weiß dass es das Einzige
ist, was mich weiterbringt.


RE: Weitsprung Coaching - MZPTLK - 12.04.2014

(12.04.2014, 21:03)ThomZach schrieb: Oft ist eine betrachtete Bewegung die Folge von Bewegungen, die mehrere Zehntelsekunden
vorher ausgeführt oder unterdürckt worden sind.

Das werde ich demnächst radikalst am Beispiel des Hammerwurfs zeigen, wobei meistens mehrere Fehlbewegungen aus einer Ursache resultieren, und viele Trainer ewig an der Ursache vorbei vergeblich, jedenfalls nicht nachhaltig, an den Wirkungen rumdoktern.
Typisches Beispiel Weitsprung: Da wird oft gemeckert, was der Athlet in der Luft alles falsch macht, dabei ist das ausschliesslich die Folge der Missetaten vor dem Abheben.


RE: Weitsprung Coaching - ThomZach - 13.04.2014

(12.04.2014, 21:45)MZPTLK schrieb:
(12.04.2014, 21:03)ThomZach schrieb: Oft ist eine betrachtete Bewegung die Folge von Bewegungen, die mehrere Zehntelsekunden
vorher ausgeführt oder unterdürckt worden sind.

Das werde ich demnächst radikalst am Beispiel des Hammerwurfs zeigen, wobei meistens mehrere Fehlbewegungen aus einer Ursache resultieren, und viele Trainer ewig an der Ursache vorbei vergeblich, jedenfalls nicht nachhaltig, an den Wirkungen rumdoktern.
Typisches Beispiel Weitsprung: Da wird oft gemeckert, was der Athlet in der Luft alles falsch macht, dabei ist das ausschliesslich die Folge der Missetaten vor dem Abheben.
Da geht's lang! Bin schon gespannt. Dieses radikale Kausaldenken
ist der Schlüssel und leider nicht jedermans Sache.


RE: Weitsprung Coaching - MZPTLK - 13.04.2014

(13.04.2014, 08:30)ThomZach schrieb: Da geht's lang! Bin schon gespannt. Dieses radikale Kausaldenken
ist der Schlüssel und leider nicht jedermans Sache.

''Na sehn se, da sind wir uns ja schon wieder mal einig''
(Rudolf Platte, 1959)

Dann muss man eben darauf hinwirken, dass das jedermanns Sache wird.

'I'd love to change the world.
But i don't know what to do.
So i leave it up to you.....

(Alvin Lee, 1969)


RE: Weitsprung Coaching - ThomZach - 13.04.2014

Jedermans Sache bedeutet (leider) nicht, dass jederman die Wahl hat,
ob er will oder kann. Das ist wie mit den Schulfächern. Der eine ist gut
in Latein, der andere in Mathe. Und ein engagierter Pädagoge ist so auch 
selten ein guter Biomechaniker. Wie gesagt: Die Talente sind verteilt,
damit der Mensch im Team arbeite. Das geht schon mit den Geschlechtern los.
Dummerweise nur ist das Talent zur Teamarbeit auch sehr verteilt...Big Grin
Aber Du hast schon Recht: Das Gute und Wahre verdient jede Chance.