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World Athletics Hyperandrogenismus- und Transgenderregeln - Druckversion

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RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - Atanvarno - 27.04.2018

(27.04.2018, 11:31)beity schrieb: Dann könnte ein Traum wahr werden. Keine Geschlechter mehr, nur noch Testosteronklassen Teufel

Wenn ich Recht behalte und auch die neue Regel gekippt wird, könnte es darauf hinauslaufen.

(27.04.2018, 08:01)lor-olli schrieb:
(26.04.2018, 20:48)Atanvarno schrieb: Ansonsten kann ich deinen Optimismus bezüglich der Gerichtsfestigkeit der neuen Regel leider nicht teilen.
Ich wollte hier auch nicht so sehr auf Optimismus machen, aber eine neue Klage gegen die neuen Regeln muss neu begründet werden, wollte das CAS sich nicht lächerlich machen > die neue Regel orientiert sich ziemlich genau am CAS Urteil…

Sehe ich nicht so. Im ursprüngliche CAS-Urteil wird sehr deutlich hervorgehoben, dass für die außergewöhnliche Maßnahme eines Startverbots für hyperandrogene Frauen ein außergewöhnlicher Leistungsvorteil (vergleichbar dem von Männern gegenüber Frauen) vorliegen muss - das ist mit 1,78% noch lange nicht erfüllt.
Der CAS hat nie bestritten, dass Testosteron leistungsfördernd ist, aber sich sehr stark auf die Größe des Leistungsvorteils fokussiert.


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - lor-olli - 28.04.2018

Zitat:Der CAS hat nie bestritten, dass Testosteron leistungsfördernd ist, aber sich sehr stark auf die Größe des Leistungsvorteils fokussiert.
Korrekt, aber man muss da auch sehr ins Detail gehen um das Urteil in Gänze nachvollziehen zu können. Hintergrund der Problematik des damaligen Urteils ist ja auch, dass die Testosteronwerte allein nicht ausschlaggebend sind, die Antagonisten müssen sich ebenfalls in einem bestimmten Verhältnis dazu befinden, damit das "freie" Testosteron seine Wirkung voll entfalten kann. 5 nmol Werte ergeben aber immer einen Wirkungsvorteil bei der Kraft, trotz aller "Sicherheitsreserven", die Wirkung ist durchaus mit einer Testosteronkur zu vergleichen. (und auch bei solchen "Kuren" gibt es Unterschiede zwischen Mann und Frau, für eine vergleichbare Steigerung der Kraft, muss bei Frauen erheblich mehr Testosteron zugeführt werden. Gleiche Testosteronwerte im Blut ergeben kein gleiches Muskelwachstum! Die Pharmakologie spricht bei intravenöser Verabreichung von 100% Bioverfügbarkeit dennoch gibt es immer auch metabolische Indukt- bzw. Inhibitoren)

Die alte Regel beruhte auf einer wissenschaftlich noch neuen Basis, seit dem ist aber durchaus intensiv geforscht worden (z.B. um die Leistungsvorteile faktisch zu belegen, die angeführten 1,78- 5.26% Leistungsvorteil sind durchaus empirisch gewonnen). Wir werden sehen. Ich persönlich bedauere es sehr, dass in solch relevanten und komplexen Fragen die "Nichtsahnenden" am lautesten schreien (Presse- und Onlinemitteilungen zu hauf, aber wenig Fakten in vielen geneigten Medien. Es ist zwar eine schwer zu verstehende Materie, aber wir haben ja ähnliche Phänomene in nahezu allen "interessanten" Themen… Dieselfahrer hier? Angel ‌) Fußballer wählen zum Abwürgen einer Diskussion zum Thema Doping im Fußball gerne die Behauptung "Bringt im Fußball nichts" (sogar Ärzte wie Müller Wohlfahrt erlauben sich diese Dummheit!), dennoch sprechen ALLE Fakten dafür, dass gezieltes Doping in jedem Sport Vorteile bringen kann. (Doping bedeutet ja nicht allein Muskelaufbau mit Testosteron, auch EPO wird im Fußball wohl eingesetzt - es gibt mindestens einen Fall in Italien - aber gar nicht erst untersucht…)

Ich fände es für die Würde der Betroffenen Frauen wichtig und der Bedeutung des Themas angemessen, wenn man sich hier auf die Fakten in angemessener Darstellung beschränken würde,  "Geschrei" (= Schlagzeilensätze) diente schon immer nur dazu im Sinne bestimmter Interessen Fakten zu verschleiern, Entscheidungen zu beeinflussen.


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - Atanvarno - 28.04.2018

Ich zitiere mal direkt aus dem Urteil http://www.tas-cas.org/fileadmin/user_upload/award_internet.pdf

Zitat:[...]is it reasonable to impose a test that excludes her from the female athletes category for the purposes of competition, when she exhibits, naturally, the characteristiscs most closely associated with male competitive advantage? The Panel need to be satisfied on a balance of probabilities that it is
[....]
Excluding athletes from competing at all on the basis of a natural genetic advantage, or conditioning their right to compete on undergoing medical invention which reduces their athletic performance, imposes a significant detriment on the athletes concerned and is therefore only valid if it is clearly established to be a necessary and proportionate means of achieving fair competition.
[...]
The hyperandrogenism regulations are based on an implicit assumption that hyperandrogenic females enjoy a significant performance adavantage over their non hyper androgenic peers, which outranks the influence of any other single genetic or biological factor, and which is of comparable significance (if not identical magnitude) to the performance advantage that males typically enjoy over females. That is, it is the degree of competitive advantage that is said to make for unfair competition and absence of a level playing field

Das ist der Knackpunkt. Ich muss mich da insoweit korrigieren, als dass der CAS für eine Sperre nicht  (wie ich an anderer Stelle geschrieben habe) verlangt, dass die Leistungen hyperandrogener Frauen denen von Männern entsprechen müssen, aber sie müssen so gut sein, dass keine normale Frau sie erreichen kann. Jeder geschickte Anwalt wird da argumentieren, dass Semenya eben nicht so weit überlegen ist, dass keine Frau dass jemals erreichen könnte (das ist ja der Grund, warum sie keine Weltrekordversuche unternimmt).

Weiter

Zitat:It is not self evident that a female athlete with a level of testosterone above 10nmol/l would enjoy a competitive advantage of a male athlete, which performance advantage would be, in the order of 10-12% [...] rather than say 1% (a relatively marginal advantage) [....]

Nota bene - 1% ist für den CAS marginal - ich bezweifele, dass sie 1,78% plötzlich als den für nicht hyperandrogene Frauen unerreichbaren Leistungsvorteil sehen werden.

--edit
Zitat:the panel notes that the performance advantage of 3% suggested by Dr Bermon is significantly smaller that the 10-12% difference between elite male and elite female atheltic performance [...] it does not place great weight on the 3% figure referred to by Dr. Bermon, however it does demonstrate that [...] the performance advantage [...] may be of a different order to the performance advantage that males enjoy over females.

Das war, als die Bermon-Studie noch nicht veröffentlicht war. Da hat er den Wert noch überschätzt und 3% angegeben (gefunden hat er für die 800m dann 1,78%) - und selbst diese 3% wären dem CAS nicht zwingend genug gewesen.


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - aj_runner - 29.04.2018

http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/sperre-fuer-sportlerinnen-was-bedeutet-die-neuregelung-des-iaaf-a-1205033.html#js-article-comments-box-pager

Wenn man das hier liest und dann noch viele der Kommentar dazu, dann weiß man woher der Wind weht.

Ich bin kein Experte auf diesem Gebiet, habe aber ein Gespür für den Sport. Semenya hat ein Vorteil von mind. 6 bis 7 %, wenn sie 800 m mal richtig auslaufen würde. Das verzerrt den Wettbewerb und ihre Rennen mit angezogener Handbremse sind für mich verarsche.

Ich bin mir sicher, dass die ganzen Moralapostel sich noch nie so ein Rennen angeschaut haben.


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - lor-olli - 29.04.2018

Moralapostel…? Interessant hierbei ist, dass es eigentlich und fast nur Frauen sind die in diesem Tenor schreiben und diese mit der LA eigentlich wenig am Hut haben. Weiter ist interessant, dass in diesen Statements vertreten wird "Sie ist doch eine Frau", aber die gleiche Person vehement dagegen sprechen würde, käme eine der "normal benachteiligten" Frauen auf die Idee mit mikrodosierten Testosteron diesen Nachteil auszugleichen. Noch bezeichnender finde ich, dass kaum eine Sportlerin die gegen diese Athletinnen antreten müssen (außer Sharpe z.B.) sich ehrlich, bzw. öffentlch zum Thema "Gerechtigkeit" äußern. (intern sieht das ganz anders aus!)

Wir betreten auch wissenschaftlich Neuland und abseits der Wissenschaft findet in solchen Fällen immer auch eine Interessensvertretung statt. Die Wissenschaft liefert die Fakten, die "Meinungsmacher" kümmern sich einen Dreck darum und spielen sich selbst in den Vordergrund. Im Zeitalter des "body enhancements" (von Schönheits-OP, über Ernährungs-"Spezialitäten" bis hin zu allen Arten von Medikamentenmissbrauch, inkl. Drogen), ist scheibar alles gut was "nicht normal" ist.

Das es physiologische Unterschiede und Grauzonen gibt, bestreitet keiner (außer den Kreationisten vielleicht Wink), auch nicht, dass diese Unterschiede gravierende Vorteile bieten können (2,18m im Basketball), dennoch finde ich es wissenschaftlich korrekt, wenn man den Vorteil den ein Lance Armstrong sich erschlichen hat, mit dem Vorteil einer hormonellen Sonderausstattung vergleicht. Der Unterschied liegt allein in der Betrugsabsicht des LA die man einer Semenja nun gerade nicht andeuten kann. Die Wissenschaft nennt die Fakten, die daraus zu ziehenden Konsequenzen müssen Menschen treffen, im Namen einer wünschenswerten Chancengerechtigkeit manchmal auch mit Härtefällen.

Die meisten mögen nicht soweit denken, aber wie sieht z.B. der Fall aus, dass man gentechnisch ungeborenes Leben zur Leistungssteigerung manipuliert? Gilt dann die Lex Semenya oder die Lex Armstrong? Bereits heute gibt es die ersten genetischen Eingriffe zur Heilung von zwei unheilbaren Erkrankungen / Gendefekten - irgendwelche Prognosen wie lange es bis zum ersten Missbrauch dauert? Wir müssen heute eine Linie ziehen um nicht durch immer neue wissenschaftliche Erkenntnisse gezwungen zu werden, immer wieder erneut zu diskutieren.

Es gab und es wird immer überlegene Athleten geben, teilweise sogar bis zur Langeweile überlegen, dennoch haben sie nicht automatisch einen genetisch unfairen Vorteil. Vielleicht läuft es auf mehr als zwei Geschlechterklassen  hinaus – einen Umstand den sogar das CAS schon angedeutet hat.

Eine Lösung? Ich wüsste keine, die uneingeschränkt Gerechtigkeit walten lassen könnte, dennoch müssen wir im Interesse des Sports zu einer Regelung kommen > die Regel des IAAF ist schon mal ein Anfang.


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - Atanvarno - 30.04.2018

Frau Karkazis hat sich mal wieder zu Wort gemeldet

The Powers of Testosterone: Obscuring Race and Regional Bias in the Regulation of Women Athletes

Aus dem Abstact

Zitat:[...] we show how this supposedly neutral and scientific regulation targets women of color from the Global South. [...]

Die IAAF-Regelung ist also nicht nur frauenfeindlich, sondern auch noch rassistisch Confused


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - Jo498 - 30.04.2018

Es wird halt die breiteste Keule ausgepackt, gegen die niemand ein Gegenmittel hat.

Die einzige Möglichkeit ist mittelfristig m.E. eine behutsame (besonders in den Formulierungen) aber entschlossene "konzertierte" Aktion der normal/niedrigtestosteron-Frauen in den entsprechenden Disziplinen. Ich habe keine Ahnung, wie man das am besten aufzieht, aber es ist klar, dass eine von weißen Männern geführte Institution wie die IAAF, mit einer Geschichte des Wegschauens beim Doping und der für internat. Verbände eh typischen Korruptionsprobleme superleicht angreifbar ist und zu Recht, wenn es nach Lex Semenya aussieht.
Was ich frappierend finde, ist, dass Karkazis u.a. anscheinend nicht sehen, dass die Interessen, die gegen z.B. Semenya stehen, eben nicht die der "Männer" oder der alten männlichen meist weißen Funktionäre (die an Semenya genausogut mitverdienen wie an Bishop oder Wilson!) sind, sondern die der ca. 99% weiblicher Athletinnen (diverser Ethnien und Hautfarben) mit einem Zehntel von Semenyas Testosteronlevel.
Es sagt ja niemand, dass diese Interessenabwägungen nicht schwierig sind und vielleicht keine für alle faire Lösung gefunden werden kann. Aber so zu tun, als wären diese 99% irrelevant bzw. bloß verwöhnte Wohlstandskinder aus dem globalen Norden, die einem schwarzen Underdog die Medaillen nicht gönnen, ist einfach unfair.


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - Robb - 30.04.2018

Was ich an der ganzen Diskussion nicht verstehe: Es handelt sich um einen natürlichen Vorteil, Semenja ist so geboren, sie hat nichts getan, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Natürliche Benachteiligungen gibts aber auch in anderen Disziplinen, könnten sich also kleine Diskuswerfer beschweren, dass sie gegen die 2m Kolosse keine Chance haben, weil ihnen die Hebel fehlen? Können sich europäische Langstreckler beschweren, weil die Kenianer und Äthiopier im Vorteil sind durch die Höhenlage ihrer Heimat?


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - Atanvarno - 30.04.2018

Nein, weil es in der Leichtathletik weder geschützte Größen- noch Gewichtsklassen gibt. Was es aber gibt, ist die geschützte Klasse "Frau". Wenn nun in dieser Klasse jemand antritt, der Leistungsvorteile hat, die von keiner anderen Frau erreichbar sind (weil eben dieser jemand im biologischen Sinne nicht ganz Frau, sondern fast Mann ist), kann man im Sinne eines fairen sportlichen Wettbewerbs überlegen, diese Person vom Wettbewerb in der geschützten Klasse "Frau" auszuschließen.
Es geht nicht darum, dass Semenya einfach besser ist, als die anderen, es geht darum, dass sie so gut ist, dass ihre Leistungen von keiner "normalen" Frau erreicht werden können.
Gerade das wird aber das Problem vor dem CAS werden. Die von aj_runner gemutmaßten 6-7%, die eine Sperre auch in den Augen des CAS rechtfertigen würden, sind wissenschaftlich nicht nachweisbar.

Am einfachsten in dieser ganzen Diskussion hätte es eierluke - der würde einfach sagen, schafft die Frauenklasse ab, Leichtathletik finde nur noch in der offenen Klasse ohne Beschränkungen statt und keiner hat mehr ein Problem WinkTeufel


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - Jo498 - 30.04.2018

Es handelt sich aber um den wesentlichen Vorteil, nach dem die WK-Klassen jetzt schon eingeteilt werden, nämlich das Testosteron-Level, das die performance so stark beeinflusst, dass es eine "geschützte Klasse" gibt, nämlich Frauen.
Es gibt keine Gewichtsklassen im Hammerwerfen und keine Längenklassen im Hochsprung oder Diskus. Aber es gibt eben schon "Testosteronklassen", bloß eben nicht wissenschaftlich exakt, sondern grob, vage nach dem Augenschein (der für 99% oder so hinhaut) eingeteilt. Daher die von Tucker genannte Konsequenz, dass man, wenn man meint, dass Testosteron sei eben irgendein Vorteil wie Höhenlufterbe oder lange Beine, man gleich die Frauenklasse abschaffen kann. Weil der natürliche "Testosteronmangel" von Frauen ggü. Männern der einzige "Nachteil" ist, den wir bisher systematisch in der WK-Einteilung anerkennen.

Es ist daher jedenfalls diskutierbar, ob jemand, auf den der Grund, aus dem es die geschützte Klasse überhaupt gibt (niedriges Testo-lvl) nicht (in dem üblichen Maße) zutrifft, ein Recht hat, ohne Einschränkungen in der geschützten Klasse zu starten.
Es ist schwer, eine gute Analogie zu finden. Es wäre ein bißchen so, wie wenn ich in einem Gewichtsklassensport behauptete, mein Gewicht wären "eigentlich" 64 kg, ich wäre ein Mensch der sub65kg-Gewichtsklasse, aber aufgrund einer von mir nicht verschuldeten medizinischen Besonderheit beträgt mein tatsächliches Gewicht 75 kg. Weil ich für diese Zunahme nichts kann (und ich bin aufgrund der unzuverlässigen Waagen in meiner Gegend in dem Glauben aufgewachsen, ich sei eigentlich noch in der sub65-Klasse), will ich bei den 12 kg leichteren mitboxen dürfen. Ich bin natürlich viel besser als die anderen sub 65er, allerdings nicht konkurrenzfähig mit der nächsten Klasse, weil die bis 90kg geht und ich dafür zu leicht bin.