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World Athletics Hyperandrogenismus- und Transgenderregeln - Druckversion

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RE: CAS bestätigt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus - Atanvarno - 19.06.2019

Der CAS hat jetzt die komplette 163-seitige Urteilsbegründung veröffentlicht (einige die Privatsphäre von Athleten betreffende Details wurden herauseditiert)

https://www.tas-cas.org/fileadmin/user_upload/CAS_Award_-_redacted_-_Semenya_ASA_IAAF.pdf

Ross Tucker hat eine gute Zusammenfassung veröffentlicht, wie es die IAAF geschafft hat, den CAS zu überzeugen

The Semenya Decision: Full CAS report brief thoughts

Kernpunkt war, dass die IAAF die Argumentation weg von dem konkreten Nachweis von T als leistungsbestimmendem Faktor bekommen hat (da ihnen das mit der Bermon-Studie nicht überzeugend gelungen ist) und sie stattdessen argumentiert haben, dass Semenya biologisch gesehen ein Mann ist. Dem hat sich der CAS weitgehend angeschlossen (s. Punkte 285-292 der Urteilsbegründung).


RE: CAS bestätigt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus - Astra - 19.06.2019

(19.06.2019, 20:55)Atanvarno schrieb: Der CAS hat jetzt die komplette 163-seitige Urteilsbegründung veröffentlicht (einige die Privatsphäre von Athleten betreffende Details wurden herauseditiert)

https://www.tas-cas.org/fileadmin/user_upload/CAS_Award_-_redacted_-_Semenya_ASA_IAAF.pdf

Ross Tucker hat eine gute Zusammenfassung veröffentlicht, wie es die IAAF geschafft hat, den CAS zu überzeugen

The Semenya Decision: Full CAS report brief thoughts

Kernpunkt war, dass die IAAF die Argumentation weg von dem konkreten Nachweis von T als leistungsbestimmendem Faktor bekommen hat (da ihnen das mit der Bermon-Studie nicht überzeugend gelungen ist) und sie stattdessen argumentiert haben, dass Semenya biologisch gesehen ein Mann ist. Dem hat sich der CAS weitgehend angeschlossen (s. Punkte 285-292 der Urteilsbegründung).

Wenn die Gerichte Semenya jetzt noch Recht geben, wird jede Transperson klagen, auch wenn sie nicht "natürlich" zum anderen Geschlecht gehören. Denn dann können sie auf Gleichbehandlung klagen. Ich frage mich, wann die Frauen LA endlich kaputt ist.
Es geht nicht nur um Semenya, wenn man sich umsieht, würde ich wetten, dass es mehr solcher Frauen gibt, die evtl. nicht xy sind, aber trotzdem einen deutlich erhöhten Testosteron-Wert haben.


RE: CAS bestätigt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus - lor-olli - 20.06.2019

Zitat:…würde ich wetten, dass es mehr solcher Frauen gibt…
Es gibt für D einigermaßen zuverlässige Abschätzungen über die Zahl der Betroffenen xy-Frauen (und speziell um die geht es hier, da Testosteron allein bei Frauen ohne die xy Abweichung, in den geringen Dosen über die wir sprechen, nicht so wirkt)
Die Quote liegt bei 1:80000, nimmt man den Anteil der Frauen in D dürften es etwa 500-510 Betroffene geben (> in D!)

Die Quote variiert weltweit, in einigen Regionen ist der Anteil höher in anderen niedriger, aber bei einer Weltbevölkerung von 7-8 Millarden dürften es irgendwo zwischen 45000 und 50000 dieser Anomalie bei Frauen geben. Als Zahl allein klingt das dramatisch, nimmt man aber das Alter, die Zahl der Sportlerinnen die LA betreiben und jene die auch noch Talent haben dazu… relativiert sich das "Drama". Letzlich kann aber auch schon EIN Fall einen erheblich Frust auslösen, es gilt abzuwägen welches Gut wir als schützenswerter betrachten, das Recht auf freie Entfaltung oder das Recht auf sportliche Chancengleichheit. "Wir" sind für die sportliche Chancengleichheit, "Wir" müssen aber auch erkennen, dass wir nicht die Weisheit der Welt darstellen und letztlich in der Gesamtheit der Bevölkerung vielleicht nur eine Minderheit darstellen. (immer eingedenk, dass "wir" keine Athletin dieses Typus haben, in Südafrika sieht man das ganz anders…)

Es ist ein Thema welches ganz sicher nicht einfach mit einer "leichtathletischen" Regel oder einem Gesetz zu klären sein wird! Außerdem gibt es nur nicht nur diese Anomalie, eine weitere betrifft z.B. eine kleinkindliche Störung der Wachtumshormonbildung (bis zur Pubertät abnehmend), frühzeitig erkannt kann sie entweder behandelt werden, oder für eine frühe Überlegenheit in vielen sportlichen Diziplinen "genutzt" werden. Gegen eine Therapie sprechen erhebliche Risiken  (wenn die Kinder Talent haben, sind sie Altersgleichen bis zu 4 Jahre voraus. Bei entsprechendem Training wirkt dieser Vorteil bis ins Erwachsenenalter > Muskelbildung, Größenwachstum und mehr)


RE: CAS bestätigt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus - gera - 20.06.2019

richtig,
es gibt noch andere Abweichungen von einem willkürlich festgelegten " Normalmenschen".
Soll für jede eine eigene Klasse geschaffen werden?
Die Einordnung in Frau/Mann sollte sehr weitgreifend erfolgen.


RE: CAS bestätigt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus - Atanvarno - 20.06.2019

Die weitgreifendste Einordnung in die Männer/Frauenklasse wäre über die Geschlechtsidentität, anstelle des biologischen Geschlechts. Dann gibt es keine Diskussionen mehr über Chromosomensätze, Testosteronwerte oder sonstwas. Jeder gehört zu dem Geschlecht, mit dem er sich identifziert.

Das bedeutet aber auch, dass MTF-Transgender als Frauen im Leistungssport zu akzeptieren sind. Und wenn man Semenya keine Senkung des T-Spiegels vorschrieben darf, dann auch MTF-Transgendern nicht.

Ich finde diese Vorstellung unerträglich und sehe es als erheblich kleineres Übel, Frauen wie Semenya im Leistungssport entweder den Start in der Frauenklasse zu verbieten, oder eine T-Senkung zu verlangen.


RE: CAS bestätigt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus - lor-olli - 20.06.2019

@atanvarno,
ich stimme Dir zu, aber um meinen Hahnenkamm zu schonen versuche ich über den Tellerand hinaus zu blicken - und da sind die "leichtathletischen Probleme" eben eine sehr kleine Randnotiz, wenn auch nicht in der publizistischen Betrachtung. Anhand der von mir genannten Zahlen kann aber auch sehr schnell erkennen, dass dieses Problem eigentlich ein relativ kleines ist, Semenja dominiert die Diziplin letztlich auch nicht stärker als Bolt es tat. Das soll kein Vergleich sein, sondern nur ein kurzes Umreißen der Dimension!

In der gesamtgesellschaftlichen Diskussion dominieren auch nicht die an sportlicher Gleichbehandlung interessierten (also namentlich wir LA-Enthusiasten), sondern viel größere Gruppen deren Interessensfokus einen Dreck auf die Fairness in der LA gibt. Die LA hat gegenüber anderen Sportarten auch das Problem, dass hier 1cm oder 1/10 Sekunde über "winner or looser" entscheiden und dies ist dann auch für den Nichtfachmann sofort erkennbar - die Hintergründe wie Doping, xy-Frauen etc. interessieren den Gelegenheitszuschauer nur wenig und die in die Genderdiskussion Involvierten aus ganz anderen Motiven eher überhaupt nicht.

Ich finde die Situation ebenfalls unerträglich, sehe aber kaum einen Ausweg aus dem Dilemma. JEDE Regelung die die LA versuchen wird, wird juristisch vor "ordentlichen" Gerichten angefochten werden und wie wir lernen, fast immer erfolgreich. Inklusion heißt die Illusion "Gleichheit" zu schaffen, der Kampf gegen Prothesenspringer konnte erst entschieden werden, als der Vorteil eben nicht mehr zu verbergen war. Solange "Frau Semenja" das Spiel immer mit einem knappen Sieg gewinnt, wird es schwer so einen deutlichen Vorteil zu beweisen. Würde sie einen WR aufstellen, ständen ihre Karten viel schlechter, denn der WR war definitiv auch nicht mit sauberen Mitteln möglich… Wie schwer sich Sportmedizin und Leistungsdiagnostik mit einem unwiderlegbaren Beweis tun beobachten wir ja nun schon "länger" und vermutlich auch noch bis zum Karriereende von C.S. (obwohl ich mir das ganz bestimmt nicht wünsche)


RE: CAS bestätigt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus - RalfM - 20.06.2019

(20.06.2019, 20:08)lor-olli schrieb: ... versuche ich über den Tellerand hinaus zu blicken - und da sind die "leichtathletischen Probleme" eben eine sehr kleine Randnotiz...
Aber eben doch nur um diese Randnotiz Spitzen-Leichtathletik reden wir doch. Dies mit gesamtgesellschaftlichen Diskussionen zu vermengen führt zu nichts außer heißer Luft, und von der haben wir genug. Das ist genau wie bei Doping. Gesamtgesellschaftlich darf jeder alles, aber im Spitzensport gelten sport-interne Regelungen. Die Eingriffe ins Privatleben von Spitzensportlern, wie sie durchs Doping-Kontrollsystem entstehen, wären in unserem Staat für Nicht-Leistungssportler eindeutig verfassungswidrig. Kann denn jeder das Doping-Kontrollsystem wegklagen, weil er von Natur aus nun mal eine "Doping-Mentalität" hat, und sein Psychologe ihm das bescheinigt?

Semenya wird ja nicht diskriminiert. Als Mann darf er bei den Männern starten.


RE: CAS bestätigt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus - mic.now - 20.06.2019

(20.06.2019, 20:36)RalfM schrieb:
(20.06.2019, 20:08)lor-olli schrieb:
Aber eben doch nur um diese Randnotiz Spitzen-Leichtathletik reden wir doch. Dies mit gesamtgesellschaftlichen Diskussionen zu vermengen führt zu nichts außer heißer Luft, und von der haben wir genug. Das ist genau wie bei Doping. Gesamtgesellschaftlich darf jeder alles, aber im Spitzensport gelten sport-interne Regelungen. Die Eingriffe ins Privatleben von Spitzensportlern, wie sie durchs Doping-Kontrollsystem entstehen, wären in unserem Staat für Nicht-Leistungssportler eindeutig verfassungswidrig. Kann denn jeder das Doping-Kontrollsystem wegklagen, weil er von Natur aus nun mal eine "Doping-Mentalität" hat, und sein Psychologe ihm das bescheinigt?

Semenya wird ja nicht diskriminiert. Als Mann darf er bei den Männern starten.
Thumb_up


RE: CAS bestätigt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus - Atanvarno - 20.06.2019

(20.06.2019, 20:36)RalfM schrieb: Die Eingriffe ins Privatleben von Spitzensportlern, wie sie durchs Doping-Kontrollsystem entstehen, wären in unserem Staat für Nicht-Leistungssportler eindeutig verfassungswidrig. Kann denn jeder das Doping-Kontrollsystem wegklagen, weil er von Natur aus nun mal eine "Doping-Mentalität" hat, und sein Psychologe ihm das bescheinigt?

Das hat noch keiner versucht, weil glücklicherweise doch eine ganz überwiegende Mehrheit der Sportler mit diesem System einverstanden ist und die wenigen anderen, um nicht als Dopingbefürworter dazustehen, eine Klage scheuen. Wenn sich aber jemand fände, wäre ich nicht überrascht, wenn Dinge wie die Whereabout-Regelungen von einem Gericht gekippt würden.

Im Falle Semenya ist es nun so, dass die öffentliche Meinung ganz überwiegend auf ihrer Seite steht und sie deswegen ohne Furcht schlecht dazustehen, vor öffentlichen Gerichten gegen sportrechtliche Entscheidungen klagen kann.

Zitat:Aber eben doch nur um diese Randnotiz Spitzen-Leichtathletik reden wir doch. Dies mit gesamtgesellschaftlichen Diskussionen zu vermengen führt zu nichts

Die Vermengung lässt sich aber nicht verhindern. Wenn selbst UN-Unterorganisationen zu den IAAF-Regelungen (negativ) Stellung nehmen (s. oben), wird sich sich die LA von dieser Diskussion nicht abkapseln können.

Wobei es in den USA jetzt ansatzweise auch etwas "pushback" gibt. In Connecticut haben 3 Cis-Frauen eine Klage gegen den Start von MTF-Transgendern in der Frauenklasse eingereicht. Begründung: Verstoß gegen die Title IX Gesetzgebung, die explizit dazu gedacht war, Frauen vor Diskriminierung zu schützen. Bin gespannt, wie das entschieden wird.

High School Athletes File Complaint Over Transgender Policy


RE: CAS bestätigt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus - runner24 - 20.06.2019

Doch, die Whereabout-Regeln habe es sogar bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschrechte gebracht und wurden bestätigt:

https://www.augsburger-allgemeine.de/sport/Hartes-Urteil-fuer-sauberen-Sport-id43884541.html

Generell erscheint es mir so, dass viel zu oft versucht wird, vor irgendeinem ominösen gesellschaftlichen Druck (in Wahrheit sind es oft genug nur Partikularinteressen einer verschwindend geringen, aber um so lauteren Minderheit) vorauseilend einzuknicken, anstatt einen Standpunkt durchzufechten.