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World Athletics Hyperandrogenismus- und Transgenderregeln - Druckversion

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RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - Atanvarno - 03.06.2016

(02.06.2016, 22:33)hkrueger schrieb: Hier wird am deutlichsten der Unsinn sportlicher Wettkämpfe deutlich: Weil eine Frau einen Testosteron-wert hat, den weniger als 1% hat , soll sie ausgeschlossen werden?



a) sie wird nicht ausgeschlossen, sie darf bei den Männern starten
b) die vorgesehene Grenze lag bei weniger als 0,00006%

Wir reden von Frauen, die sich in ihre Geschlechtsidentität legitimerweise als Frau sehen, aber biologisch funktionale Wettbewerbsvorteile von Männern genießen (Caster Semenyas Testosteronüberschuss beispielsweise entsteht nicht durch Zauberei, sondern durch funktionierende Hoden).
Im Gegensatz zu Gewicht, Alter, Größe und Körperzusammensetzung ist Testosteron ein erheblich leistungsbestimmenderer Faktor.
Die absoluten Weltrekorde werden alle von Menschen mit einem Testosteronwert über 10nmol/l gehalten, eine Dominanz von Athleten einer bestimmten Körpergröße oder eines bestimmten Gewichts konnte ich noch nicht feststellen.


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - lor-olli - 03.06.2016

Schon nicht schlecht hier, wir haben einen Großteil der Kriterien schon genannt… Wink

Ich füge mal ein paar Anerkungen hinzu:

Generell produzieren Frauen auch männliche Hormone (Testosteron, DHT, DHEA, DHEA-S > Nebennieren, Eierstöcke, im Körperfett), sie werden im weiblichen Körper überwiegend zu Östrogenen umgebaut, es verbleiben aber “freie“ Androgene, genetisch und altersbedingt unterschiedliche Mengen.

Es gibt eine Reihe von Gründen für Hormonstörungen:
PCOS, Nebennierentumore, Diabetes, Akromegalie, Cushing, Conn's Syndrom, Schilddrüsenüberfunktion und mehr… sie ALLE haben Einfluss auf den Haushalt. Wir kennen die Wirkung der Androgene, aber sie funktionieren und wirken im Wechselspiel.

Eine Rolle auf das Ansprechverhalten für Testosteron hat unter anderem auch das Niveau des Hormons beim vorgeburtlichen Fötus, entscheidend neben dem “wirksamen“ Testosteronlevel ist aber auch das Level an Aromatase (ein Enzym welches Testosteron in Sekundenschnelle in Östradiol umwandelt) - das reine Vorhandensein von Testosteron besagt zu wenig.

Ein “Tretminenfeld“ ist auch die regionale genetische Zuordnung…. In Südamerika weisen bei indigenen Gruppen Männer häufig sehr niedrige Testosteronwerte auf, Frauen dagegen dagegen auffällig hohe, ähnliches gilt für einige Region in Afrika - in Asien sind dagegen die Testosteronwerte bei Frauen meist sehr, sehr niedrig, die der Männer varieren aber…

Fazit: die reinen Messwerte für nur ein Hormon sind problematisch, Östradiol z.B. wird eigentlich gar nicht erforscht (sieht man vom “freiwilligen Großversuch“ Antibabypille einmal ab). z.B. kann auch ein gar nicht so hohes Level an Testosteron virilisierende Wirkung haben wenn zeitgleich wenig Aromatase produziert wird…

Wir können diesem Problem nur näherungsweise gerecht werden, wir brauchen klare Regeln und diese können nur auf nachweislichen Fakten beruhen, wir erkennen aber schon ansatzweise, dass es mit zukünftigem Wissen und dessen Manifestation wohl komplizierter werden wird. Noch in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts reichte die “Fleischbeschau" für eine Entscheidung ob eine Frau bei den Frauen antreten durfte - Wissenschaft als Geschmacksfrage?

@atan: zu Deiner “Nachbohrung" > Testosteronwerte über 10nmol/l kommen bei Frauen in einigen Weltregionen durchaus vor und nicht alle sind krankheitsbedingt erklärbar. Die Aussage (IOK): …durch das Vorliegen eines für Männer typischen Androgenwertes ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Frauen vermutet wird…  (welches eine androgensenkende Behandlung für ein Antrittsrecht erforderlich machte) ließ sich so eindeutig wissenschaftlich (obschon heftig gestritten wird) nicht aufrecht erhalten. Fair / unfair? DAS ist schließlich ein Begriff den wir selbst definieren…


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - Atanvarno - 03.06.2016

Wieder mal ein bißchen bohren

lor-olli: indigene Frauen haben hohe T-Werte, Männer niedrige
Frage: Liegen die Werte der Frauen über denen der Männer?

lor olli: alle Frauen haben Testosteron im Körper
Anmerkung: aber nur 0,00006% aller Frauen haben mehr als 10nmol/l im Körper, die Maximalwerte für PCOS liegen bspw. bei 4,5nmol/l

lor-olli: Testosteronwerte über 10nmol/l kommen bei Frauen in einigen Weltregionen vor
Frage: funktional relevant oder aufgrund von Androgen Insensitivity Syndrome irrelevant?


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - lor-olli - 03.06.2016

@atanvarno: so ist es richtig, immer weiter bohren, denn dieses Thema wird uns vermutlich noch lange beschäftigen, auch und gerade mit den Fragen die Du stellst Wink

Zu 1. Indigene Frauen ist pauschal, genau handelt es sich um eine Gruppe in Bolivien die untersucht wurde (auf Initiative eines indigenen Präsidenten, die Ergebnisse passten aber nicht wohl ganz in sein Weltbild…) Die Werte der Frauen liegen deutlich über dem Weltdurchschnitt, die der Männer deutlich darunter dennoch ergibt sich ein “Zwischenraum", diese Gruppe differenziert selbst interessanter Weise zwar Männer nund Frauen, aber mit ca. 10 Zwischenstufen die sich zum Beispiel in der Sitzordnung bei großen Treffen ergeben…

Zu 2.) die 10nmol/l Grenze ist als Marker gezogen worden weil sie eben genau jene von Dir angesprochenen 0,00006% (ein interessanter Wert, wenn man sich die Größe der zugrunde liegenden Untersuchungszahlen ansieht - Fehlerrechnung ist Dir als Mathematiker bekannt…). Wie sieht es um die Relevanz der Vorteile die sich aus bestimmten Werten ergeben aus? Testosteron macht stark - aber nicht zwangsläufig jeden. Um hier eine unbestreitbare Beweiskraft zu erhalten muss man mit Testo-Gaben operieren, die auch bei Männer so nicht vorkommen… 10nmol/lsind bei Frauen extrem selten, dennoch bedeuten sie nicht eindeutig “Dopingvorteile“, wie auch gibt es doch auch Frauen mit sehr niedrigen T-Werten die auch starken Männern mit hohen T-Werten locker davonlaufen, über kurz UND lang.

Zu 3.) Die entscheidende Frage: funktional relevant oder irrelevant… Zum einen käme hier die 10nmol/l Grenze ins Wanken, denn je nach Veranlagung kann auch ein niedrigerer Weret wohl Relevanz aufweisen, aber durchaus auch höhere Werte nicht (kann man auch bei Männern mit niedrigen T-Werten nachweisen). Ein genaue individuelle Analyse wäre wohl gerechter ist aber durchführungstechnisch utopisch.

In der Summe: Mir geht es gar nicht um diesen einen konkreten Wert sondern eher um die Frage ob bestimmte Werte, bestimmte Regeln noch Gültigkeit haben und wenn ja (immer noch) gerechtfertigt oder nicht. In Bezug auf die T-Werte haben wir zur Zeit einfach kein besseres Maß > ich wage zu behaupten, dass das nicht ewig so bleiben wird. Das ist natürlich bedauerlich, aber ein Maßstab der im alltäglichen Leben kaum eine Rolle spielt (oder eine Geschmackfrage ist…) wird in einem bis ins Detail definierten Sport zum “Problem". Wir werden damit leben, genau wie mit dem Gegenwind oder Regen, aber wir arbeiten daran Wink (in Peking und Moskau hat man z.B. gezielt und erfolgreich “am Regen“ gearbeitet, ha!)

Bin ich glücklich mit der Situation einer Semenja vielleicht beim Olympiasieg zuschauen zu müssen? Emotional eher nicht, intellektuell kann ich die Gründe für die Entscheidung nachvollziehen. Wie heißt es hier des öfteren: besissene Situation…


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - AndyI - 03.06.2016

Super. Danke für die ganzen Erklärungen. Das müsste man sich aufwendig selbst zusammensuchen sonst Smile Sieht man auch mal, wie komplex die ganze Sache zu betrachten ist.


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - dominikk85 - 03.06.2016

(03.06.2016, 06:20)Atanvarno schrieb: Wir reden von Frauen, die sich in ihre Geschlechtsidentität legitimerweise als Frau sehen, aber biologisch funktionale Wettbewerbsvorteile von Männern genießen (Caster Semenyas Testosteronüberschuss beispielsweise entsteht nicht durch Zauberei, sondern durch funktionierende Hoden).

Ist das denn korrekt? Soweit ich weis wird das T der Hyperandrogenen Frauen durch eine Überproduktion aus nebennierenrinde oder Eierstöcken erzeugt. (kann durch verschiedene Störungen auftreten).


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - Atanvarno - 03.06.2016

Zitat:Quoting a source close to the International Association of Athletics Federations, the Sydney Daily Telegraph said Semenya had internal testes [...]
Quelle


RE: [geteilt] Internationale Resultate 2016 - mic.now - 03.06.2016

(31.05.2016, 21:01)mic.now schrieb:
(28.05.2016, 17:03)Atanvarno schrieb: 800m-Spezialistin Margaret Wambui (bisher 53,8 sec) verbessert bei den Kenianischen Meisterschaften in Nairobi den nationalen 400m-Rekord auf 51,39 sec.
http://sportsnewsarena.com/nyairera-breaks-400m-national-record-as-kenya-picks-africa-squad


Sie lief gerade 1:59,54 PB in Huelva.


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - Atanvarno - 04.07.2017

Mit Blick auf die Ende Juli anstehende Neuverhandlung der Hyperandrogenismus-Regelungen der IAAF, die vom CAS für zwei Jahre ausgesetzt wurden, hat die IAAF jetzt eine Studie vorgelegt, die einen 1,5-4,5%igen Leistungszuwachs durch erhöhte Testosteronwerte nachweist (na so eine Überraschung Rolleyes  )

Levelling the playing field in female sport: new research published in the British Journal of Sports Medicine

Ich bezweifele allerdings, dass das Ergebnis ausreichen wird, den CAS davon zu überzeugen, die Regelungen wieder in Kraft zu setzen.

In seiner ursprünglichen Urteilsbegründung sah der CAS einen Ausschluss hyperandrogener Frauen aus der Frauenklasse nur für berechtigt an, wenn sie einen Leistungsvorteil von 10-12% hätten (also im Bereich der Leistungsvorteile, die Männern gegenüber "normalen" Frauen haben).

s. CAS-Entscheidung
http://www.tas-cas.org/fileadmin/user_up...ternet.pdf

Punkt 522 Zur Zeit gibt es keine hinreichenden wissenschaftlichen Beweise für den Grad des Vorteils, den androgen-sensitive hyperandrogene Frauen aus ihren erhöhten T-Werten gegenüber nicht-hyperandrogenen Frauen ziehen. Das Gericht ist der Ansicht, dass das bedeutsam ist. Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Athletin mit einem T-Wert über 10nmol/L einen Wettbewerbsvorteil ähnlich dem eines Mannes genießt, also in der Größenordnung von 10-12% und nicht etwa nur 1% oder 3%

---edit 05.07.
Ross Tucker teilt meine Einschätzung, dass die Studie nicht ausreichen wird, um den CAS zu überzeugen

Testosterone, performance & intersex athletes: Will the IAAF evidence be enough?


RE: CAS hebt IAAF Regeln zum Hyperandrogenismus auf - krebsan - 06.07.2017

Selina Büchel heute dazu: http://www.tagesanzeiger.ch/sport/leichtathletik/sie-sind-so-geboren-sie-fuehlen-sich-als-frauen/story/12558787