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Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - Druckversion

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RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 26.11.2014

(26.11.2014, 10:20)Gertrud schrieb:
(25.11.2014, 15:11)Wlad(Posting von Diskusmann) schrieb: Es gibt wenige Übungen die das Üben. Die besten sind nicht bekannt. Die von V. Bauer ist nicht die Beste, weil ohne Druck ins Bein, im Sprint haben wir aber Druck, sogar enormen manchmal. Besonders im Dreisprung.
Positiv ist erst einmal, dass sich einer Gedanken macht. Das harte Aufschlagen der Hacke empfinde ich als sehr hart für den Fersenbereich. Ich würde mich über Achillessehnenprobleme und Haglundfersen nicht wundern. Für C. Nytra wäre das wahrscheinlich das absolute Aus. Solche Dinge muss man nicht provozieren. Das Gerät an sich ist gut, wenn es anders benutzt wird und ein anderer Fußaufsatz in einer anderen Lage durchgeführt würde. 
Gertrud
Ich beobachte in den letzten Jahren immer mehr, dass bei stationärer Arbeit das Bein/der Fuss vehement zum Boden gebracht wird,
dabei ohne oder mit wenig Druck auf den KSP - logisch, dann würde man sich ja mobilisieren.
Sind derlei Übungsformen nicht eine - unnötige/unverhältnismässige - Gefahrenquelle für die AS?


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Gertrud - 26.11.2014

(26.11.2014, 10:30)MZPTLK schrieb: Ich beobachte in den letzten Jahren immer mehr, dass bei stationärer Arbeit das Bein/der Fuss vehement zum Boden gebracht wird,
dabei ohne oder mit wenig Druck auf den KSP - logisch, dann würde man sich ja mobilisieren.
Sind derlei Übungsformen nicht eine - unnötige/unverhältnismässige - Gefahrenquelle für die AS?

Ich halte es für sehr gefährlich, wenn man nicht modifiziert. Es kommt also immer auf Wie an!!! Im Film hat die Sprinterin noch einen Schuh mit einer überstehenden Kante an, so dass der Druck nicht ganz so stark einwirkt. Wenn aber das Bein fast gestreckt aufgesetzt wird, bleibt der Kontaktpunkt im Achillessehnenbereich unausweichlich. Man bedenke bei fast gestrecktem Bein und dieser Geschwindigkeit zum Boden die Krafteinwirkung auf das Kniegelenk! Meine Bakerzyste würde platzen. Wink 

Gertrud


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Hellmuth K l i m m e r - 26.11.2014

(26.11.2014, 10:06)MZPTLK schrieb: Wlads Bezug zum Dreisprung ist absolut lehrreich.
Die Sprinter können wirklich viel von den Dreispringern lernen,
insbesonders von Jonathan Edwards.
Ein sehr schneller Mann mit sehr schnellem Fussaufsatz bei gleichzeitig sehr hohem Druck.

J. Edwards war in meinen Augen der überhaupt beste Techniker den es in der Leichtathletik gab, der auch den Sprintern als Beispiel gelten kann.Thumb_up
Er imponierte durch Schnelligkeit (auch des Fußaufsatzes), Lockerheit und perfekter (schonender!) Technik.
Wer sich erinnerte, wie er nach dem Sprung die Grube verließ, ohn jegliche Mühe und geradezu lächelnd, war einfach begeistert. Das war möglich auch ob seines idealen Last-Kraft-Verhältnisses (womit ich wieder bei meinen Lieblings-Postulat bin Wink )

H. Klimmer / sen.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 26.11.2014

(26.11.2014, 10:20)Gertrud schrieb: Das zweite Gerät - Ich nenne es mal das Schlittschuhgerät, weil der Fuß/die Füße gleitet/gleiten. - ist aus meiner Sicht mehr für den Startabschnitt, wobei bei der beidbeinigen Version die Füße stark vor dem KSP aufsetzen. Es entspricht insofern nicht der Sprintbewegung, weil der Fuß gleitet und der Oberkörper relativ am "Turm" bleibt. Wir sehen aber im Sprint keinen festen Oberkörper, sondern einen etwas flexiblen vor/ zurück (anatomische Gründe) und vor allem nach lateral, was Michael Johnson bei Bolt in dem Ausmaß moniert (?!). Usain Bolt beherrscht wie kein anderer Sprinter der Weltklasse den dreidimensionalen Sprint!!!

Gertrud

Aber sind nicht gerade die 3-D-Bewegungen des Oberkörpers in der Phase des Starts am ausgeprägtesten?

https://www.youtube.com/watch?v=YWtnLY-GZxM
https://www.youtube.com/watch?v=BWdy6mBSxIY

Meinen Beobachtungen nach wird die LWS überstreckt und bringt dadurch das Becken in eine anteriorere Stellung, wenn der/die Sprinter(in) im Hinterstütz ist. In dem Moment der Flugphase wird das Becken offenbar wieder in eine posteriorere Stellung gebracht, wohl durch den Psoas, der die Hüfte übergeht und gleich den Oberschenkel mitsamt des Beckens in Richtung nach oben führt.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - decathlonitis - 26.11.2014

Leude,
echt ein super Austausch. Ganz hervorragende Argumentationskette. Das ist nicht von Pappe.
Gratulation!
Nun ist das L-Paradoxon fast gelöst. Ich will endlich auf`n Platz und es umsetzen. Wat tun im Training?

Hier noch `n Witz zu Paradox. Damit will ich euren informativen Austausch aber auf keinen Fall abwerten. Nur zum Aufwärmen.

....... ist, wenn ein Trabi-Fahrer ausruft: "Der ist nicht von Pappe"! (Ah, so`n Bart)Smile


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 26.11.2014

(26.11.2014, 14:35)decathlonitis schrieb: Leude,
echt ein super Austausch. Ganz hervorragende Argumentationskette. Das ist nicht von Pappe.
Gratulation!
Nun ist das L-Paradoxon fast gelöst. Ich will endlich auf`n Platz und es umsetzen. Wat tun im Training?

Hier noch `n Witz zu Paradox. Damit will ich euren informativen Austausch aber auf keinen Fall abwerten. Nur zum Aufwärmen.

....... ist, wenn ein Trabi-Fahrer ausruft: "Der ist nicht von Pappe"! (Ah, so`n Bart)Smile
Das ist noch gar nix.
Ich habe soeben in der Waldhütte eine Weltneuheit entdeckt:

Das Lemmy-Pseudo-Paradoxon!

'Ich bin ein fauler Nichtsnutz.
Ich hänge den ganze Tag irgendwo rum
und lasse den ganzen Schwachsinn an mir vorüberziehen.

- Aber meine Musik ist wie der Urknall!'


Was sagt uns das?
Wie kann der abgeschlaffte Abhänger mit atrophierter Muskulatur plötzlich explodieren?
Müssen Physiologie und Traininglehre ganz neu geschrieben werden?
Die Fachwelt ist in Aufruhr...Huh

Oder braucht der alternde Rockstar(Motörhead)
einfach nur eine längere Regnerationsphase Huh

Professor Vitzliputzli von der Geronten-Akademie machte sich mit mehreren LKWs voll mit Hightech auf den Weg zum nächsten Konzert,
um Lemmy zu verkabeln...


...Das EMG sah dem Urknall-EMG zum Verwechseln ähnlich.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 26.11.2014

(25.11.2014, 18:35)Gertrud schrieb:
(25.11.2014, 18:28)MZPTLK schrieb: Wlad:  Ein Muskel, der hinter einem Gelenk den Ursprung und Ansatz hat, kann niemals das Gelenk alleine strecken. Und das haben die zweigelenkige Ischiocrurale Muskeln. Was solche Muskeln aber tatsächlich können, ist, bei der Streckung stabilisierend mitzuwirken.

Exakt. Wie ich mir schon einen Wolf schrob: autonom geht es anatomisch nicht, sondern nur im Muskel-Verbund.
Dagegen stehen eindeutig die EMG-Aufzeichnungen von Wiemann und Tidow!!!

http://thebarbellphysio.com/2014/04/04/muscle-activation-patterns-during-sprinting/

Vergrößert euch die Sache, dann seht ihr, wann welcher am meisten arbeitet und welche Aufgabe die vasti beim Sprint haben! Ich habe das Paper vor mir liegen, habe aber keine Lust, nach dem Original zu suchen.

Ich habe noch einen internationalen Beweis aus dem absoluten Topbereich, der aber in keinem Artikel erscheint. 

Gertrud
Das EMG ist eigentlich unbrauchbar, wie schon gesagt.
Es ist abzuraten, daraus irgendwelche Schlüsse oder gar Konsequenzen zu ziehen.
Aber schau Dir mal Tidow 1995/Figure 11(standardized EMG of 12 Elite Sprinters) an, das ist wesentlich genauer und aussagekräftiger. Da relativiert sich auch einiges, was z.B. zur Bedeutung der Ischios gesagt wurde.

Grundsätzlich bin ich aber wie gehabt der Auffassung, dass man Oberflächen-EMGs, wo die Sensoren nur aussen auf der Haut angebracht werden/können, und wo nur der neuronale Aktivierungs-/Anstrengungsgrad der 'verfügbaren' Muskeln(was ist mit den unverfügbaren?) einigermassen gemessen werden kann, sehr mit Vorsicht geniessen muss.

Hinzu kommen bei Wiemann/Tidow einige Begriffsunklarheiten, man weiss z.B. oft nicht, ob Tonus, Aktivierungsgrad, Anstrengungsgrad oder gar effektive Motorik gemeint sind oder ob alles synonym verwendet wird.

Es gibt viel zu tun, überlassen wir es Anderen.

'I'd love to change the world,
but i don't know what to do.
So i leave it up to you.

(Alvin Lee 1969)


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 26.11.2014

(26.11.2014, 12:24)icheinfachma schrieb: In dem Moment der Flugphase wird das Becken offenbar wieder in eine posteriorere Stellung gebracht, wohl durch den Psoas, der die Hüfte übergeht und gleich den Oberschenkel mitsamt des Beckens in Richtung nach oben führt.

Ich hab nochmal Videomaterial begutachtet und muss korrigieren: Solange der Kniehub stattfindet, geht das Becken noch nicht in eine posteriore Stellung, erst wenn die Restphase des hinteren Beins zuende ist und das vordere Bein nach unten beschleunigt wird, findet diese Beckenkippung statt. Also nicht der Psoas während des Kniehubes, sondern die Hüftstrecker, die nicht nur ihre Ansätze zu ihren Ursprüngen bewegen, sondern auch die Trägheit des Beckens überwinden und somit ihre Ursprünge auch in Richtung ihrer Ansätze führen. Lediglich der Psoas des Beines, dessen Knie von ganz hinten unter den Körperschwerpunkt gezogen wird, könnte unterstützend für diese Beckenbewegung wirken.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Atanvarno - 26.11.2014

(26.11.2014, 15:17)MZPTLK schrieb: Das Lemmy-Pseudo-Paradoxon!
[...]
Wie kann der abgeschlaffte Abhänger mit atrophierter Muskulatur plötzlich explodieren?
Müssen Physiologie und Traininglehre ganz neu geschrieben werden?
Die Fachwelt ist in Aufruhr...Huh
Das Wundermittel, das Lemmy explodieren lässt, heißt Jacky Cola, seit mehr als 50 Jahren Big Grin


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Gertrud - 27.11.2014

Was folgern wir denn aus dieser Diskussion? Bei einer Sprintfortbildung (Buckwitz, Stein) wurde uns gesagt, dass Blake nicht so tief bei der Stützphase absenkt. Das ist ja Fakt; aber warum das so ist, wo die eigentlichen körperlichen Grunde, nicht nur die mechanischen dafür liegen, wurde nicht ergründet oder begründet. Das interessiert mich aber sehr, weil man aus dieser Lage viel besser kommende Schlüsse ziehen kann. Das soll jetzt absolut kein Vorwurf an die DLV-Fortbildungen sein, sondern nur eine Hilfe, ein Wunsch!!! Wie man aus dieser Diskussion hier sieht, bin ich nicht die einzige Person, die so denkt und wissen möchte. Es ist der Wunsch vorhanden, zukünftige Fortbildungen so aufzubereiten. Man kann natürlich auch sagen, dass es so ist und man noch nicht weiß, warum man das so macht. Z.B. gibt es bei Asafa Powell Gründe für den starken Iliopsoas im Vergleich zu anderen. 

Bei der Fülle der Wissenschaftsberichte ist es schwierig, immer total auf dem neuesten Stand zu sein. Ich habe z. B. gestern gelesen, dass es innerhalb einer Bindegewebsfaser unterschiedliche Kollagenstrukturen gibt. Mein Gehirn rattert dann sofort. Gibt es auch innerhalb einer Muskelfaser unterschiedliche Faseranteile, was ich mir vorstellen kann, weil Fasern bei der Endlänge unterschiedlich beansprucht werden? Stellt euch vor, wenn man Beincurls durchführt, die wesentlich zum Gesäß hin kräftigen, (wobei die Muskulatur dafür nicht so stark, aber schnell sein muss, weil nur der Unterschenkel in der Bewegung transportiert wird) dann würde bei adäquaten Kniestreckübungen (Lomb. Paradoxon beachtend) der Kräftigungsbereich in der Muskulatur an einer anderen Stelle liegen. Das würde auch die vielen Verletzungen erklären. Man kräftigt wahrscheinlich durch falsche Übungen nicht den richtigen, eigentlichen Beanspruchungsbereich eines oder mehrere Muskeln. Das ist meine Vermutung. Dann kommt noch dazu, dass man richtig neuronal ansteuern muss. 

So ticke ich!!! Ob das so Thumb_up oder so Thumb_down für euch aus fachlicher Sicht ist, kann jede/r für sich entscheiden. Wink

Gertrud