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Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - Druckversion

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RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Gertrud - 05.01.2015

(05.01.2015, 16:06)runny schrieb:
(05.01.2015, 15:38)MZPTLK schrieb: Macht Euch bitte mal klar, dass bei dem 23fachen, bezogen auf einen Teilsprung(welchen?), mindestens 1,5 Tonnen(!!!!) auf EIN Bein einwirken würden!
Macht Euch mal den Spass und packt Euch 1/10 davon=150 Kilo rauf, stellt Euch auf ein Bein.....TongueBig Grin
- Wie war doch gleich noch mal die Notrufnummer?
Zum 23-fache kann ich keine Quelle nennen, das überlasse ich Frau Schäfer die diese These aufgestellt hat. Aber definitiv ist die Belastung viel höher als im Weitsprung. 

Ich habe mir einen Internetvortrag angehört und angesehen, wo dieser Wert geschrieben stand, den ich gespeichert habe. Es standen darunter als Verfasser Stephanyshyn & Nigg 1998; Amado und Baumann 1990. Der Wert wurde einfach mit Dreisprung ohne irgendeine Differenzierung mit 16922 N und dem 23 fachen des Körpergewichtes angegeben.

Wenn man diese Belastungen hört, darf man das meines Erachtens eh´nicht damit vergleichen, als könne man dann bei einem Körpergewicht von 75 kg eine Viertel-Kniebeuge mit 1725 kg absolvieren. Zudem spielt die Geschwindigkeit eine nicht unerhebliche Rolle. Man löst ja im Sprint und Sprung den Bodenkontakt relativ flott wieder auf. 

Gertrud


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 05.01.2015

Natürlich nicht, aber man kann es sich klarer machen.
Dass kürzestzeitige plyometrische Bewegungen 
höhere Belastungen als beim Sprint ermöglichen, hatte ich gestern ja geschrieben. 
Aber mehr als das 2-2 1/2fache der Kniebeugeleistung(bei gleicher KSP-Absenkung) ist beim Dreisprung nicht drin.
Dies ist eine grobe Schätzung aus der Hüfte, 
die dürfte der Wahrheit aber ziemlich nahe kommen.

Ich denke, der von runny zitierte Wert(als Max-Wert) aus Wikipedia ist korrekt,
dann lägen wir - plausiblerweise - unter der Weitsprungbelastung.
Und dann wären wir bei etwa 450 Kg, was immer noch brutal viel ist, aber wir reden ja auch von Topwerten.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Hellmuth K l i m m e r - 05.01.2015

(05.01.2015, 15:38)MZPTLK schrieb: Bei vernünftiger Vorbereitung stellt der Dreisprung für Frauen kein Problem dar.


Was natürlich abenteuerlich ist: wenn 70jährige Dreihüpferinnen bei einer Senioren-WM aus Gründen des leichteren Medaillenerwerbs in einer Nischendisziplin sich knochenbrecherisch betätigen.
Das erste will ich gern bestätigen. Ich erlebte das bisher in zwei Fällen:

- als ich ca. 1985 einen Praktikanten (Student der DHfK im letzten Studienjahr) im sog. Berufspraktikum in Rostock besuchte, sah ich auch das Training der Weitspringerin Helga Radtke (bei meinem ehem. Leipziger TG-Mitstreiter Heinz Auga). Es zeichnete sich aus durch eine große Vielzahl und Vielfalt der Sprungkraft-Trainingsmittel, u. a. Mehrfachsprünge, Zehner-Sprunglauf, ...
Heinz und ich waren uns schon damals einig, dass H. R. - falls der schon im Gespräch befindliche Frauen-Dreisprung kommt - sie die erste gute TJ werden würde, da sie wirklich vielseitig aufgebaut wurde.

- Bei den Frauen des Seniorenbereiches (W 40+) erlebte ich Ähnliches: Die Studentin am PH Zwickau Petra Hermann hatte dort eine fundierte technische und Kraftausbildung erhalten (u.a. vom Rektor und späteren Prof. Arno Zeuner, ein Leipziger Drei-/Weitspringer nat. Spitzenklasse.)

Bei beiden konnte ich beruhigt und ohne Angst zuschauen.Wink
(Das Gleiche ist auch bei den technisch solide vorbereiteten russischen TJ der Fall!)
In diesen Fällen bin ich auch für Frauen-Dreisprung. A b e r   eben nicht bei erfolgs- und Medaillen-geilen Seniorinnen ohne gründliche Ausbildung. Bestens springende Seniorinnen sah ich aber auch schon: 1993 zur Sen.-WM in Miayzaki ein Australierin, und danach immer wieder Russinnen. Thumb_up

H. Klimmer / sen.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Hellmuth K l i m m e r - 05.01.2015

(05.01.2015, 17:37)MZPTLK schrieb: Ich denke, der von runny zitierte Wert (als Max-Wert) aus Wikipedia ist korrekt, dann lägen wir - plausiblerweise - unter der Weitsprungbelastung.
Und dann wären wir bei etwa 450 Kg, was immer noch brutal viel ist, aber wir reden ja auch von Topwerten.

Mir sind solche Werte (ich glaube aus Untersuchungen von NIGG et. al. ) auch bekannt.

Bei eignen Forschungen zum Absprung-Zeitverlauf von (jugendlichen) Weitspringern, bei der Hfq.-Filmaufnahmen der Spartakiadeteilnehmer in Berlin genau von vorn gemacht worden waren (Großaufnahmen ab Knie abwärts), erkannten wir  bei den Analysen, dass sich das Schienbein des Springers  im Absprungverlauf sogar erkennbar verbiegt; wir kalkulierten: 2 ... 3 mm)Sad
Unsere Anatomen und Sportmediziner überraschte das nicht. Sie erklärten uns, dass Millisekunden vor dem Reagieren der Muskulatur erst der knöcherne Bewegungsapparat den Druck/Bremsstoß abfängt.

H. Klimmer / sen.

 


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 05.01.2015

(05.01.2015, 18:00)Hellmuth K l i m m e r schrieb: Bei eignen Forschungen zum Absprung-Zeitverlauf von (jugendlichen) Weitspringern, bei der Hfq.-Filmaufnahmen der Spartakiadeteilnehmer in Berlin genau von vorn gemacht worden waren (Großaufnahmen ab Knie abwärts), erkannten wir  bei den Analysen, dass sich das Schienbein des Springers  im Absprungverlauf sogar erkennbar verbiegt; wir kalkulierten: 2 ... 3 mm)Sad
Unsere Anatomen und Sportmediziner überraschte das nicht. Sie erklärten uns, dass Millisekunden vor dem Reagieren der Muskulatur erst der knöcherne Bewegungsapparat den Druck/Bremsstoß abfängt.

Damit nichts falsch interpretiert wird: die Verbiegung in dieser Grössenordnung kann nicht allein aus der Landung des knöchernden Bewegungsapparates der unteren Extremität entstehen, dafür ist dessen Trägheitsmoment zu gering.
Der Haupt-Druck wird durch den reaktiven, amortisierenden Einsatz der den KSP voll erwischenden Muskulatur erzeugt.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 05.01.2015

(05.01.2015, 08:18)Gertrud schrieb: ...gibt es Studien, die besagen, dass die Ruptur des ACL gerade im exzentrischen z. B. bei der Basketballlandung und bei zusätzlicher Verdrehung verursacht wird, weil die Ischios bei Streckung die Verantwortung der Gelenkstabilität an die Quadrizepsmuskulatur abgeben. Das will ich genau wissen, weil es von gravierender Bedeutung ist.

Eine Sache ist klar: Auf der einen Seite müssen wir in den diziplinspezifischen Gelenkwinkeln zur Bewegungsadaptation trainieren lassen...

Die EMG-Auswertungen sprechen eindeutig für das LP in der Aktivität bei der Landung kurz vor dem und beim Bodenkontakt. Watt nu? Die Wissenschaftler sollten sich mal einig werden.
Gertrud, lass den Basketball lieber aussen vor, wenn es um die Lombardei geht.
Beim Basketball wird sich völlig anders bewegt, viel auf dem ganzen Fuss mit vielen Seit- und Schrägsteps und Drehungen.
Der gesamte Körper wird zwar bei den Angriffs- und Defensesprüngen gestreckt, landet aber - aus Regel- und Gesundheitsgründen - möglichst und fast immer da, wo er abgesprungen ist.
Die Ischios sind gegenüber dem Sprinter unterentwickelt, die Quadris werden permanent belastet=trainiert.
Daher auch die exorbitanten Hochsprungleistungen, es gibt 1,80 Leute, die krachende Rückwärtsdunkings aus der Drehung machen = KSP-Lifting über 1 m!

Wie sind denn die genauen Wirkungsweisen des sogenannten LPs?
Das kann man doch wohl funktionell am besten(er-)klären.

Eine autonome Mobilisierung kann es aus anatomischen Gründen nicht geben, also muss es ein Wirken im Muskelketten-Verbund sein, das seinen Part sehr schnell erfüllt hat, wenn es in die Hüftstreckung geht.





RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Gertrud - 06.01.2015

(05.01.2015, 21:40)MZPTLK schrieb: Beim Basketball wird sich völlig anders bewegt, viel auf dem ganzen Fuss mit vielen Seit- und Schrägsteps und Drehungen.

Gut, man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, aber man kann sich die gemeinsamen und vergleichbaren Bewegungsausschnitte ansehen und dann folgern. Es gibt beim Dunking einen Bewegungsteil, der mit dem Sprint übereinstimmt. Dann kann man noch vergleichen, was z. B. beim BB und bei der Tiefkniebeuge übereinstimmt.

Gertrud


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 06.01.2015

(06.01.2015, 10:14)Gertrud schrieb:
(05.01.2015, 21:40)MZPTLK schrieb: Beim Basketball wird sich völlig anders bewegt, viel auf dem ganzen Fuss mit vielen Seit- und Schrägsteps und Drehungen.
Gut, man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, aber man kann sich die gemeinsamen und vergleichbaren Bewegungsausschnitte ansehen und dann folgern. Es gibt beim Dunking einen Bewegungsteil, der mit dem Sprint übereinstimmt. Dann kann man noch vergleichen, was z. B. beim BB und bei der Tiefkniebeuge übereinstimmt.
Bei den meisten Dunkings ist die Rückführung bis zur Senkrechten beendet,
ausserdem findet das um den Peak herum, also ohne Bodenkontakt statt.

Ich kenne eigentlich nur eine Situation im BB, wo das Knie manchmal unter 90 Grad gebeugt wird:
beim Defense-Ausfallschritt vorwärts bis seitwärts, um den Ball zu stören, bzw. zu gewinnen.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Gertrud - 11.01.2015

(21.11.2014, 16:34)MZPTL schrieb: Die Ischios haben nicht nur eine beugende Funktion, sondern eine koordinierende (Halte-)Funktion im Muskel-Verbund.
Will man den KSP mit den unteren Extremitäten vom Boden wegdrücken(dies geschieht bei allen leichtathletischen Disziplinen), benötigt man die Hüft-, Knie- und Fuss-Strecker.
Fällt nur eine Komponente aus, ist Ende.

Ich habe letztens einen guten Erklärungsversuch gelesen, wobei die Quadrizepsaktivität nach dem Knieflexionspeak in der Stützphase endet. Die folgende leichte Kniestreckphase erfolgt ohne Einsatz des Quadrizeps. Nach der Landung kontrolliert der Quadrizeps quasi die KSP-Absenkung (also exzentrisch). Die leichte und unvollständige Kniestreckung (<5°) geschieht innerhalb von 30ms.

Anscheinend ist die konzentrische Arbeit des Quadrizeps nicht gegeben, da bei schnellen Zeiten, die EMD (electromechanical delay) beendet ist, bevor die Kraft registriert wird. (Norman & Komi). Die EMD-Zeit zwischen EMG-Aktivität und Kraftproduktion wird mit 40-55 ms angegeben. Man nimmt sogar an, dass die leichte Kniestreckung über die Hüftstrecker erfolgt. Zudem trifft auch für den Gastrocnemius-Bereich eine Kniestreckfunktion zu.

Die Lösungen liegen nicht so einfach auf der Straße, wenn man alles beachten will, was energetisch, muskulär, neuronal und verletzungsprophylaktisch auf den Punkt genau getroffen werden soll. Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir bei der Gemengelage um Jahre zurückhängen. Ich sehe immer wieder enorme Verbindungen im unsachgemäßen Übungspotential zu den vielen Protagonistenverletzungen. 

Gertrud


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 11.01.2015

(11.01.2015, 20:51)Gertrud schrieb:
(21.11.2014, 16:34)MZPTL schrieb: Ich habe letztens einen guten Erklärungsversuch gelesen, wobei die Quadrizepsaktivität nach dem Knieflexionspeak in der Stützphase endet. Die folgende leichte Kniestreckphase erfolgt ohne Einsatz des Quadrizeps. Nach der Landung kontrolliert der Quadrizeps quasi die KSP-Absenkung (also exzentrisch). Die leichte und unvollständige Kniestreckung (<5°) geschieht innerhalb von 30ms.

Anscheinend ist die konzentrische Arbeit des Quadrizeps nicht gegeben, da bei schnellen Zeiten, die EMD (electromechanical delay) beendet ist, bevor die Kraft registriert wird. (Norman & Komi). Die EMD-Zeit zwischen EMG-Aktivität und Kraftproduktion wird mit 40-55 ms angegeben. Man nimmt sogar an, dass die leichte Kniestreckung über die Hüftstrecker erfolgt. Zudem trifft auch für den Gastrocnemius-Bereich eine Kniestreckfunktion zu.
Der Quadri muss sich ja auch fix vom Ago zum Antago wandeln.
Aber dass er nicht oder in nur sehr geringem Masse konzentrisch wirken soll, ist kaum zu glauben.
Eine Kniestreckung in der Bodenkontkt-Druckphase  kann gar nicht ohne Hüftstrecker erfolgen,
aber immer nur, indem die Muskelkette mehr oder weniger involviert wird.
Würden die Hüftstrecker 'ausfallen' oder 'in Urlaub gehen',
gäbe es nur eine geringe Wirkung auf den KSP.