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Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - Druckversion

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RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - lor-olli - 16.01.2015

Zitat:Icheinfachmal schrieb:

Du meinst also, dass, wenn man durch externe Hilfen (Bergab oder die sehr kurze Belastungsdauer bei den Ins) eine schnellere Frequenz (ohne Verringerung der Schrittlänge) erreicht und dadurch besagte motorische Barrieren bricht? Das klingt interessant und verfolgt einen Ansatz, der Schnellkraft übersteigt und autogene Hemmungen mitberücksichtigt. In diesem Zusammenhang habe ich mal von einem amerikanischen Sprinter gehört, der aus diesem Grund Übergeschwindigkeitsläufe mit Zugseil am Bauch gemacht hat. Seine wirre Erklärung dazu verstehe ich erst jetzt.
Der Film "The Price Of Gold" ist bekannt? (kann man online schauen > http://vimeo.com/51345348 es geht um schwedische Spitzensportler und ganz bewusst in Kauf genommene Verletzungen durch den Leistungssport ) Dort gibt es eine Übung (ab Minute 17), in der hängt S. Kallur in einem Bauchgeschirr auf einem Laufband um die Geschwindigkeit stetig, auf eine über der ihr "normal" möglichen zu erhöhen. (hier über 40 km/h)

Hintergrund ist natürlich genau das Prinzip des "Trainings des motorischen Gedächtnisses" auf kürzeste Bodenkontaktzeiten und den damit erzwungenen Bewegungsgeschwindigkeiten - im Großen und Ganzen geht es aber im Film vor allem um die Konsequenzen dieser Art von Training.

Auch Carolina Klüft wird bei Bergläufen gezeigt (ab Minute 10) bei denen nicht nur recht steil bergauf gelaufen wird, sondern bei denen auch durch die schnellen Intervalle und Häufigkeit bewusst eine Laktoseverträglichkeit antrainiert werden soll - zum einen wird das am Ende SEHR schmerzhaft (fühlt sich an wie ein Krampf in der GESAMTEN Beinmuskulatur, wie ich bestätigen kann…), zum anderen sind die Muskeln, aber auch das System extrem anfällig für Verletzungen, Infekte etc. Man geht hier bewusst in die Bereiche, die der Körper eigentlich für "Notfälle" bereithält, Panik oder Fluchtreaktionen etwa…

Kurz, es gibt eine Reihe von Möglichkeiten zu trainieren und Reize zu setzen, die "schnell wirken", dabei wurde aber auch schon viel "Murks" gemacht und die meisten Verletzungen sind genau hierauf zurückzuführen. Meiner Einschätzung nach braucht der menschliche Organismus einfach Zeit um sich anzupassen, viel mehr Zeit als einem Spitzensportler in seiner besten Zeit zur Verfügung steht, weswegen einige Trainer (aber auch Ahtleten!) zu Methoden greifen die effektiv sind, aber eigentlich eher als "schleichende Körperverletzung" gelten sollten. (Ein Leben nach der Karriere wird völlig ausgeblendet, als gälte das Training nur für den Moment, maximal bis zum Wettkampfhöhepunkt.)

Worauf ich hinaus will - ein Trainer, besonders aber ein Athlet ist gut beraten genau in den Körper hineinzuhören und insbesondere die feinen Reaktionen zu registrieren. Nicht nur Bodenkontaktzeiten messen, sondern auch auftretende Schmerzen schon im Ansatz mit "einzubeziehen" (= zu reagieren). Ich kenne genug Kollegen, die bei Schmerzen Pillen einwarfen, statt das Konzept / die Ausführung zu überdenken (Experimente am lebenden Objekt…Angel ). Niemand überprüft bisher die Gesundheit der ehemaligen Spitzensportler mit 40 und oder 50 Jahren um eventuelle Rückschlüsse auf ein bestimmtes Training zu ziehen, aber jedes Training hat neben den gewünschten Spezifika eben auch potentielle Nebenwirkungen.

Insofern begrüße ich immer einen mündigen Athleten, der die "Experimente am eigenen Körper" - nichts anderes ist Hochleistungstraining - kritisch, am besten wissend, begleitet. Um icheinfachmal mache ich mir also weniger Gedanken Smile. Die Frage des Thread-Titels impliziert, es gäbe eine Lösung für ein / dieses Paradoxon (Oxymoron?), meist zeigt sich aber bei Paradoxien später, dass einfach unsere Kenntnisse noch unzureichend waren. Konsequenzen aus einer Unkenntnis ziehen? Doch wohl vor allem der Ansatz, genauer zu verstehen…


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Gertrud - 16.01.2015

(16.01.2015, 08:52)lor-olli schrieb: Worauf ich hinaus will - ein Trainer, besonders aber ein Athlet ist gut beraten genau in den Körper hineinzuhören und insbesondere die feinen Reaktionen zu registrieren. Nicht nur Bodenkontaktzeiten messen, sondern auch auftretende Schmerzen schon im Ansatz mit "einzubeziehen" (= zu reagieren). Ich kenne genug Kollegen, die bei Schmerzen Pillen einwarfen, statt das Konzept / die Ausführung zu überdenken (Experimente am lebenden Objekt…Angel ). Niemand überprüft bisher die Gesundheit der ehemaligen Spitzensportler mit 40 und oder 50 Jahren um eventuelle Rückschlüsse auf ein bestimmtes Training zu ziehen, aber jedes Training hat neben den gewünschten Spezifika eben auch potentielle Nebenwirkungen.

Sehr gut!!! Wenn ich höre, dass man z. B. im Mehrkampfbereich 13 Einheiten fährt, fasse ich mir an den Kopf, weil ein Körper überhaupt keine Chance der Regeneration hat. Wenn eine/r Pillen einfährt, ist das natürlich machbar; aber die Langzeitwirkungen stehen auf Thumb_down. Da bin ich mir ganz sicher. Bei Sabine hat immer die Trainingsqualität an erster Stelle gestanden, vor allem die korrekte Ausführung in jeglicher Form. Wenn man nur noch im Unterbewusstsein Programme abspult, ist der Sinn für mich nicht mehr ersichtlich. Die Verletzungsträchtigkeit steigt ins Unüberschaubare. Bei ihr haben daher die Kraftgewinne immer im richtigen Verhältnis zum disziplinären Leistungsgewinn gestanden.

Gertrud


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 16.01.2015

(16.01.2015, 08:52)lor-olli schrieb:
Zitat:Icheinfachmal schrieb:

Du meinst also, dass, wenn man durch externe Hilfen (Bergab oder die sehr kurze Belastungsdauer bei den Ins) eine schnellere Frequenz (ohne Verringerung der Schrittlänge) erreicht und dadurch besagte motorische Barrieren bricht? Das klingt interessant und verfolgt einen Ansatz, der Schnellkraft übersteigt und autogene Hemmungen mitberücksichtigt. In diesem Zusammenhang habe ich mal von einem amerikanischen Sprinter gehört, der aus diesem Grund Übergeschwindigkeitsläufe mit Zugseil am Bauch gemacht hat. Seine wirre Erklärung dazu verstehe ich erst jetzt.
....meist zeigt sich aber bei Paradoxien später, dass einfach unsere Kenntnisse noch unzureichend waren. Konsequenzen aus einer Unkenntnis ziehen? Doch wohl vor allem der Ansatz, genauer zu verstehen…
@Lor-Olli: genau das meinte ich.
Warum sollen wir etwas, das wir (noch) nicht (ganz) verstehen,
Paradoxon oder Mysterium nennen und daraus paradoxe oder mysteriöse Trainingsmittel ableiten?

@icheinfachma: Nicht nur mittels externer Hilfen - auch da muss der Athlet immer die Kontrolle behalten können -,
sondern vor allem durch Übungsformen, die der Athlet selbst an- und aussteuern kann.
Das betrifft auch Übungen zur Schrittverlängerung, die ich nicht erwähnt hatte.
Alles Sachen, die sich nahe um die Zielübung herum bewegen.

In jedem Fall dürfen die Reize nicht über die Schmerzgrenze gehen und die Koordination muss gewährleistet sein.
Beim Sprint muss immer die Lockerheit gewahrt sein,
es kommt entscheidend auf das In-sich-Hineinfühlen, die Kinästhetik an
- oberstes Sprint-Gesetz.
Ich würde daher besser nicht von Barriere-brechen sprechen, eher von -schieben.

Die Gymnastik wird immer wichtiger, umso höher der Tonus durch Training entwickelt ist,
als Prophylaxe und um höhere Belastungen fahren zu können.
Vor nicht allzu langer Zeit meinten einige, dass Gymnastik Tonus-herabsetzend wirke und man sie daher minimieren oder lassen sollte.
Es geht um das optimal ausgereizte Verhältnis von Flexibilität und Reaktivität.

Hier wird klar, dass das einen bewussten, mündigen Athleten erfordert,
der mit dem Trainer sehr gut kommunizieren kann.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 16.01.2015

Ja, das Dehnen den Muskeltonus langfristig nicht herabsetzten kann, sondern nur die Dehntoleranz erhöht, weiß ich natürlich. (Bei mir wäre zum Beispiel Wadendehnung vollkommen fehl am Platze.) Aber was meint ihr, wie dehnfähig sollten zum Beispiel die ischiocruralen Muskeln eines Sprinters sein? Einen Querspagat zu beherrschen, würde möglicherweise die reaktiven Eigenschaften zu sehr hemmen, aber bei gestreckten Beinen nicht mal per Abbücken nach vorn auf den Boden fassen zu können, ist auch recht wenig. Was meint ihr?

Die Doku und auch diese hier https://www.youtube.com/watch?v=VvKQ2kVBwTU habe ich letzten Winter etwa um diese Jahreszeit gesehen. Daraufhin hatte ich überlegt, mit Leichtathetik aufzuhören, auch angesichts meiner Verletzungsmisere. Ich bin auch erst im Frühjahr wieder zum Training gekommen, wenn auch nicht aus leistungsmäßigen Ambitionen, sondern um die Vereinsmitglieder zu sehen. Erst im Sommer hat sich das Wettkampffeuer in mir wieder entfacht. Mittlerweile glaube ich an einen Leistungssport ohne gesundheitliche Folgen und ohne Doping unterhalb der internationalen Wettkämpfe. Zum Glück werde ich nie in die Verlegenheit kommen, international anzutreten, ich weiß nicht, ob ich das auch wöllte angesichts der Tatsache, dass die halbe Weltelite zugestofft ist. Ich kann mich mit dem Leistungssport auf Weltklasseebene nicht wirklich identifizieren, gerade auch nach der letzten Doping-Doku aus Russland.

Aber noch eine Frage: Setzt den Dehnen wirlich die Reaktivität herab? Fakt ist ja, dass Dehnen
-die Toleranz der Muskeln gegen Dehnbelastungen erhöht, sodass diese auf eine Dehnung nicht so schnell mit einer Kontraktion reagieren
-nichts an der Ruhe-Innervierung ändert
-nichts an der (funktionellen) Muskellänge ändert, gemessen an der Zahl hintereinander geschalteter Sarkomere.

Bei der Reaktivkraft kommt es ja zu einer schnellen Dehnung mit einer Kontraktion als Reaktion. Hat das Dehnen dann darauf einen mindernden Effekt? Immerhin sind die Muskeln ja bei Dehnübungen nicht vorgespannt, bei reaktiven Belastungen aber schon. Macht das einen wesentlichen Unterschied?


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 16.01.2015

(16.01.2015, 18:48)icheinfachma schrieb: Ja, das Dehnen den Muskeltonus langfristig nicht herabsetzten kann, sondern nur die Dehntoleranz erhöht, weiß ich natürlich. .... bei gestreckten Beinen nicht mal per Abbücken nach vorn auf den Boden fassen zu können, ist auch recht wenig. Was meint ihr?

Aber noch eine Frage: Setzt den Dehnen wirlich die Reaktivität herab? Fakt ist ja, dass Dehnen
-die Toleranz der Muskeln gegen Dehnbelastungen erhöht, sodass diese auf eine Dehnung nicht so schnell mit einer Kontraktion reagieren
-nichts an der Ruhe-Innervierung ändert
-nichts an der (funktionellen) Muskellänge ändert, gemessen an der Zahl hintereinander geschalteter Sarkomere.

Bei der Reaktivkraft kommt es ja zu einer schnellen Dehnung mit einer Kontraktion als Reaktion. Hat das Dehnen dann darauf einen mindernden Effekt? Immerhin sind die Muskeln ja bei Dehnübungen nicht vorgespannt, bei reaktiven Belastungen aber schon. Macht das einen wesentlichen Unterschied?
Du hat es eigentlich schon beantwortet.

Es ist kein Drama, wenn man bei der Vorbeuge mit gestreckten Knien nicht mit flachen Händen auf den Boden kommt.
Das kann auch mit den Hebelverhältnissen zu tun haben.
Bewegungseinschränkungen können ihre Ursache nicht nur in wenig dehnfähigen Muskeln haben,
sondern können auch mit Knochenbauhemmnissen, Sehnen und deren Ansätzen und Hypertrophien(Muskeln sind im Weg) zusammenhängen.

Beispiel Arnold Schwarzenegger: der hatte viele Dysbalancen, Muskelverkürzungen und Hypertrophie-bedingte Bewegungseinschränkungen.
Das kam auch in seinen Filmen zum Ausdruck, er lief wie ein Roboter. Geschmeidigkeit sieht anders aus.

Leichtathleten brauchen Muskeln, die über lange Wege und Winkel wirken können,
in bestimmten disziplinspezifischen Winkelphasen besonders, auf den Punkt.
Das kann bei hochtrainerter, hypertrophierter Muskulatur nur mit begleitender Dehnung funktionieren, sonst entstehen Verkürzungen und Verletzungen.

Dehnen macht Muskeln nicht schlaff und reaktionsschwach, sondern ist eine wesentliche, unabdingbare Voraussetzung, ein sehr hohes energetisches Potential unbeschadet aufbauen zu können und um sich dabei auch sensomotorisch immer noch locker und koordiniert bewegen zu können.
Keine Sorge, der Tonus und die Reaktivität werden dann auch umso besser. Smile
Eine Nur-Gymnastik wirkt übrigens auch trophierend und tonuserhöhend.

Ich habe mir zu dem Thema vor einem halben Jahr mal eine VL reingetan, wo auch Näheres zur Physiologie gesagt wurde.
Das könnte ich, da ich keine Aufzeichnungen mehr habe, nur ungenügend wiedergeben.

Man kann es sich auch als ying und yang-Spiel veranschaulichen:
ying ist Dehnen/yang ist Schnellkraft - und beide schaukeln sich hoch.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Hellmuth K l i m m e r - 16.01.2015

(16.01.2015, 08:52)lor-olli schrieb: Worauf ich hinaus will - ein Trainer, besonders aber ein Athlet ist gut beraten, genau in den Körper hineinzuhören und insbesondere die feinen Reaktionen zu registrieren. Nicht nur Bodenkontaktzeiten messen,...

Niemand überprüft bisher die Gesundheit der ehemaligen Spitzensportler mit 40 und oder 50 Jahren um eventuelle Rückschlüsse auf ein bestimmtes Training zu ziehen,

Insofern begrüße ich immer einen mündigen Athleten, der die "Experimente am eigenen Körper" - nichts anderes ist Hochleistungstraining - kritisch, am besten wissend, begleitet. Um icheinfachma mache ich mir also weniger Gedanken Smile.

Wenn hier (auch v. MZPKLT ) schon so viel über das "In-sich-Hineinfühlen, die Kinästhetik" gesagt wird, möchte ich doch folgendes anmerken:
Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein sehr junger Sportler (wie icheinfachma) schon die Signale aus seinem Körper schlüssig deuten kann. Die Erfahrung z. B. über die Wirkung von Zugwiderstandsläufen, Bergansprints; reaktiven Sprüngen, Hürdensprüngen, Tiefkniebeugen, ... stellt sich erst nach Jahren ein - manchmal auch nach negativen Erfahrungen (M.zerrungen, M.kater, Übertraining, ...).
Hier sollten alle aufmerksam die Ratschläge der langjährig Aktiven und der alten Trainer befolgen. Nur selten ist das leichtathletische Wissen von  gestern veraltet; und nur manchmal sind die "Alten" in ihren Kenntnissen "stehen geblieben".Sad

Ergo: "Mit den Augen mausen", sich ständig weiterbilden - aber auch nicht zu jeder unwichtigen Nebensache ...Wink


H. Klimmer /sen.


P.S.: Zur nachträglichen Kontrolle der Gesundheit ehem. HLS kenne ich wenigstens zwei Veröffentlichungen. Ca. 1980 hatte eine Ungarin die bekannten Sportler ihres Landes untersucht - mit beängstigenden Ergebnissen.
Eine 2. Untersuchung las ich zu Verfassung ehem. deutscher Springer der 60er ... 80er Jahre - auch nicht gerade beruhigend. Sad

hek 


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - T-Willy - 16.01.2015

(16.01.2015, 18:48)icheinfachma schrieb: Ja, das Dehnen den Muskeltonus langfristig nicht herabsetzten kann, sondern nur die Dehntoleranz erhöht, weiß ich natürlich. (Bei mir wäre zum Beispiel Wadendehnung vollkommen fehl am Platze.) Aber was meint ihr, wie dehnfähig sollten zum Beispiel die ischiocruralen Muskeln eines Sprinters sein? Einen Querspagat zu beherrschen, würde möglicherweise die reaktiven Eigenschaften zu sehr hemmen, aber bei gestreckten Beinen nicht mal per Abbücken nach vorn auf den Boden fassen zu können, ist auch recht wenig. Was meint ihr?

Die Doku und auch diese hier https://www.youtube.com/watch?v=VvKQ2kVBwTU habe ich letzten Winter etwa um diese Jahreszeit gesehen. Daraufhin hatte ich überlegt, mit Leichtathetik aufzuhören, auch angesichts meiner Verletzungsmisere. Ich bin auch erst im Frühjahr wieder zum Training gekommen, wenn auch nicht aus leistungsmäßigen Ambitionen, sondern um die Vereinsmitglieder zu sehen. Erst im Sommer hat sich das Wettkampffeuer in mir wieder entfacht. Mittlerweile glaube ich an einen Leistungssport ohne gesundheitliche Folgen und ohne Doping unterhalb der internationalen Wettkämpfe. Zum Glück werde ich nie in die Verlegenheit kommen, international anzutreten, ich weiß nicht, ob ich das auch wöllte angesichts der Tatsache, dass die halbe Weltelite zugestofft ist. Ich kann mich mit dem Leistungssport auf Weltklasseebene nicht wirklich identifizieren, gerade auch nach der letzten Doping-Doku aus Russland.

Aber noch eine Frage: Setzt den Dehnen wirlich die Reaktivität herab? Fakt ist ja, dass Dehnen
-die Toleranz der Muskeln gegen Dehnbelastungen erhöht, sodass diese auf eine Dehnung nicht so schnell mit einer Kontraktion reagieren
-nichts an der Ruhe-Innervierung ändert
-nichts an der (funktionellen) Muskellänge ändert, gemessen an der Zahl hintereinander geschalteter Sarkomere.

Bei der Reaktivkraft kommt es ja zu einer schnellen Dehnung mit einer Kontraktion als Reaktion. Hat das Dehnen dann darauf einen mindernden Effekt? Immerhin sind die Muskeln ja bei Dehnübungen nicht vorgespannt, bei reaktiven Belastungen aber schon. Macht das einen wesentlichen Unterschied?

beziehst du die Frage eigentlich auf akute Effekte des Dehnens(welche Form des Dehnens meinst du genau?),oder auf die kumulativen Effekte längerfristigen Dehnens?Ich denke Letzteres,oder?


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 16.01.2015

(16.01.2015, 21:23)T-Willy schrieb:
(16.01.2015, 18:48)icheinfachma schrieb: Ja, das Dehnen den Muskeltonus langfristig nicht herabsetzten kann, sondern nur die Dehntoleranz erhöht, weiß ich natürlich.

Setzt den Dehnen wirlich die Reaktivität herab?
beziehst du die Frage eigentlich auf akute Effekte des Dehnens(welche Form des Dehnens meinst du genau?),oder auf die kumulativen Effekte längerfristigen Dehnens?Ich denke Letzteres,oder?
Gute Klarstellungsfrage.
Icheinfachma hatte sie eigentlich schon selbst beantwortet.

Zu unterscheiden sind Tonus und Reaktivität.
Ich hatte geschrieben, dass durch richtig gestaltete gymnastische Begleitung des (Hoch-)Leistungstrainings
ein Höchstniveau überhaupt nur möglich, bzw. gesund möglich wird.
Dazu gehört natürlich auch die Verbesserung der Sensomotorik(s.o.), dazu gehört die Reaktivität.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 16.01.2015

(16.01.2015, 20:42)Hellmuth K l i m m e r schrieb:
(16.01.2015, 08:52)lor-olli schrieb: Niemand überprüft bisher die Gesundheit der ehemaligen Spitzensportler mit 40 und oder 50 Jahren um eventuelle Rückschlüsse auf ein bestimmtes Training zu ziehen,
Hier sollten alle aufmerksam die Ratschläge der langjährig Aktiven und der alten Trainer befolgen. Nur selten ist das leichtathletische Wissen von  gestern veraltet; und nur manchmal sind die "Alten" in ihren Kenntnissen "stehen geblieben".Sad

P.S.: Zur nachträglichen Kontrolle der Gesundheit ehem. HLS kenne ich wenigstens zwei Veröffentlichungen. Ca. 1980 hatte eine Ungarin die bekannten Sportler ihres Landes untersucht - mit beängstigenden Ergebnissen.
Eine 2. Untersuchung las ich zu Verfassung ehem. deutscher Springer der 60er ... 80er Jahre - auch nicht gerade beruhigend. Sad
Genau richtig.
Gerade darum ist es von überragender Bedeutung, wie Gertrud immer sagt: 'Dinge auf den Prüfstand zu stellen'.

Die Forscher und Trainer sitzen warm und trocken und oft mit Staatsgarantie finanziell gepolstert auf ihren Posten.
Viele AthletInnen sehen sie kommen und gehen, nicht wenige unfreiwillig aufgrund von Schäden.

Warum gibt es keine aktuelle, wirklich systematische Untersuchung darüber?
Weil das wohl kaum flächendeckend und systematisch möglich ist,
es wird zuviel Versteckspiel, Heuchelei und Obstruktion im Spiel sein.

Was man aber tun kann, ist die auch schlechten Erfahrungen langjähriger Protagonisten und Beobachter der Szene ernst zu nehmen,
um die Fehler nicht zu wiederholen.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - decathlonitis - 16.01.2015

(16.01.2015, 19:21)MZPTLK schrieb: Leichtathleten brauchen Muskeln, die über lange Wege und Winkel wirken können,
in bestimmten disziplinspezifischen Winkelphasen besonders, auf den Punkt.
Das kann bei hochtrainerter, hypertrophierter Muskulatur nur mit begleitender Dehnung funktionieren, sonst entstehen Verkürzungen und Verletzungen.

Dehnen macht Muskeln nicht schlaff und reaktionsschwach, sondern ist eine wesentliche, unabdingbare Voraussetzung, ein sehr hohes energetisches Potential unbeschadet aufbauen zu können und um sich dabei auch sensomotorisch immer noch locker und koordiniert bewegen zu können.
Keine Sorge, der Tonus und die Reaktivität werden dann auch umso besser. Smile
Mein prächtiger Hund (Golden Retriever-Schäferhundmischung) mit seinem enormen Bewegungs-und Jagddrang (Wühlmäuse, Karnickel, Vögel) beschäftigt mich tagtäglich.
Erstaunt bin ich stets über seine Dehnübungen, wenn er geruht hat. Zunächst die lange Streckung der Vorderbeine, dann die Streckung der Hinterläufe mit Hohlkreuzdehnung. Voller Bewunderung bin ich dann, wenn er irgendwo etwas endeckt, dann reaktionsschnell, fast aus dem Stand mit explosiven, federleichten, raumgreifenden Sprüngen der vermeintlichen Entdeckung, dem Geräusch, mit sich noch steigernder Geschwindigkeit nachsetzt. Im freien Felde, über Stock und Stein, oft über 100-200m. Verletzt sich nie dabei. Kann das X-Mal wieder holen. Wow!
Dieses geschmeidige Muskel-Sehnenspiel in ganzheitlicher Form ist ein faszinierendes Naturschauspiel.

Meine Konsequenz daraus, meine Trainingsmethoden sind nach diesem Vorbild angepasst.
Bellen aber kann ich noch nicht.Big Grin
deca