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Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - Druckversion

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RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - lor-olli - 17.04.2015

Ich hatte es schon erwartet, führen wir das “Lombard-Paradoxon“ also wieder direkt in das “Foren-Paradoxon“ über, also jenes Paradox, dass versucht wird wissenschaftliche Fragen über die sich die Fachwelt lange und ausgiebig beharkt, in einem Online-Forum zu “lösen“. (man kann soziologische Studien, mit und ohne Philosophie, ohne Ende machen…)
 
-       LaVicu merkte richtigerweise an, dass die Mechanik prinzipiell gleich bleibt, egal ob Känguru oder Mensch.
-       MZ wollte das “Paradox“ vor allem im Zusammenhang der gesamten Bewegung beim Sprint verstanden wissen – trainingsmethodisch sicher der einzig gangbare Weg
-       Gertrude hat den Thread gestartet um auf die Besonderheiten des Muskelkomplexes der “Ischios“ beim Menschen / Sprint hinzuweisen und ein gezieltes Training, welches sich daraus ergibt / ergeben sollte.
-       Lor-Olli gibt den “weitsichtigen“ und stellt das Paradoxon als eine Übergangsform in der evolutionären Entwicklung dar (“auf allen Vieren“ gibt es dieses Paradox nicht, z.B. dass etwa auch der sartorius – sorry I’m more familiar with the English denomination in physiology – das Bein nahezu umschlingt und scheinbar widersprüchliche Bewegungen je nach Winkelstellung unterstützt)
 
Reden wir also an der eigentlichen Intention des threads vorbei.
 
Ich wolllte übrigens auch nicht warten bis der Mensch sich zur perfekten “Sprintmaschine“ entwickelt, angesichts unserer überwiegenden Lebensweise wird wohl eher das Gegenteil eintreten, sondern darauf, dass wir den Istzustand konstatieren, aber nicht unbedingt sinnvoll abschließend erklären können. Die “handfeste Naturwissenschaft“, wie etwa die Physik, verliert sich zum Schluss auch gern in Detailaspekten, die so speziell sind, dass wir das eigentliche “Problem“ als verstanden betrachten können – Physiker wollen aber auch von etwas leben…
 
Ob aufgrund unseres Kenntnisstandes “revolutionäre Neuerungen“ im speziellen Training zu erwarten sind, glaube ich eher nicht – dagegen sprechen auch die Verletzungen bei Amis und Jamaikanern. Warum sich z.B. Haie seit mehreren hundert Millionen Jahren kaum verändert haben versuchen wir mit einer “optimalen“ Anpassung zu erklären – die Evolution beweist das auch ohne Erklärung - wir haben Nachholbedarf! Wink


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 17.04.2015

(17.04.2015, 10:57)lor-olli schrieb: LaVicu merkte richtigerweise an, dass die Mechanik prinzipiell gleich bleibt, egal ob Känguru oder Mensch.
So ist es etwas unglücklich formuliert.
Die Mechanik bleibt gleich, die Biomechanik nicht.
Auch von Mensch zu Mensch und von Disziplin zu Disziplin und von schlecher zu guter Kondition nicht.
Sonst bräuchte man keine Biomechanik zu erfinden und zu betreiben.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 17.04.2015

(17.04.2015, 10:57)lor-olli schrieb: “auf allen Vieren“ gibt es dieses Paradox nicht, z.B. dass etwa auch der sartorius – sorry I’m more familiar with the English denomination in physiology – das Bein nahezu umschlingt und scheinbar widersprüchliche Bewegungen je nach Winkelstellung unterstützt
Hmmm, der Sartorius als längster Muskel überhaupt hat mit der OS-Rückseite nix zu tun und schlingt sich auch nicht dahin rum, noch nicht mal zur Hälfte.
Er hilft bei verschiedenen Bewegungen wie zum Beispiel Schneidersitz(Sartorius=Schneidermuskel), indem er vom OS vorn oben quer zum Innenknieansatz verläuft. Er unterstützt die Stabilisation des Knies bei gestreckter oder annähernd gestreckter Haltung.
Von scheinbar widersprüchlichen Bewegungen kann ich weit und breit nix erspähen.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - La Vicu - 17.04.2015

(17.04.2015, 11:35)MZPTLK schrieb: Die Mechanik bleibt gleich, die Biomechanik nicht.
Auch von Mensch zu Mensch und von Disziplin zu Disziplin und von schlecher zu guter Kondition nicht.
Sonst bräuchte man keine Biomechanik zu erfinden und zu betreiben.

Die Biomechanik ist die Mechanik lebender Systeme, angefangen von der Mechanik von Skelettsystemen bis hin zur Mechanik molekularer Systemen, etwa bei der Querbrückenbildung – - - Mechanik eben. Selbst die biologischen Abläufe im Hirn zur Produktion philosophischer Ideen unterliegen der Mechanik (spez. Elektromechanik, Molekularkinetik … u.a.). Nur die Ausprägung des ideellen Endproduktes dieser biomechanischen Prozesse ist von der Mechanik wenig beeinflussbar.
Die Aufgabe der Biomechanik ist es nicht, den Unterschieden von Mensch zu Mensch zu huldigen, sondern diese Unterschiede zu beschreiben, zu erklären und die Konsequenzen bei einer Abweichung von allgemeingültigen biomechanischen Grundregeln zu wichten.

Durch das "Bio..." bleibt die Mechanik Mechanik.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - La Vicu - 17.04.2015

(17.04.2015, 11:50)MZPTLK schrieb: Hmmm, der Sartorius als längster Muskel überhaupt hat mit der OS-Rückseite nix zu tun und schlingt sich auch nicht dahin rum, noch nicht mal zur Hälfte.
Er hilft bei verschiedenen Bewegungen wie zum Beispiel Schneidersitz(Sartorius=Schneidermuskel), indem er vom OS vorn oben quer zum Innenknieansatz verläuft. Er unterstützt die Stabilisation des Knies bei gestreckter oder annähernd gestreckter Haltung.
Von scheinbar widersprüchlichen Bewegungen kann ich weit und breit nix erspähen.

Auch für den Satorius kann eine Situation der äußeren mechanischen Faktoren entstehen, in der die allgemein vom Sartorius erwartete kniebeugende Wirkung in eine kniestreckende übergeht. Und diese Situation ist für den Sartorius nicht mal so entscheidend anders als die für die Ischios. Man mag es widersprüchlich nennen oder paradox, es ist Mechanik.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Gertrud - 17.04.2015

(17.04.2015, 10:57)lor-olli schrieb:  Ob aufgrund unseres Kenntnisstandes “revolutionäre Neuerungen“ im speziellen Training zu erwarten sind, glaube ich eher nicht – dagegen sprechen auch die Verletzungen bei Amis und Jamaikanern. Warum sich z.B. Haie seit mehreren hundert Millionen Jahren kaum verändert haben versuchen wir mit einer “optimalen“ Anpassung zu erklären – die Evolution beweist das auch ohne Erklärung - wir haben Nachholbedarf! Wink

Es sind doch in den letzten Jahren einige Trainingsumstellungen erfolgt. Wenn ich allein das Krafttraining betrachte, dann ist nicht nur modifiziert worden, sondern es sind ganze Komplexe für die LA umgestaltet worden. Mein Krafttraining heute hat mit meinem eigenen durchgeführten Krafttraining der 60er Jahre nichts mehr zu tun.

Der Grund liegt doch weitgehend in einem anderen strukturellen Verständnis des menschlichen Körpers und seiner Handhabung.

Sicherlich sind die Jamaikaner auch nicht vor Fehlern gefeit. Wenn man sich Bolt mit seinen "Klippen" anschaut, dann ist sicherlich nicht immer punktgenau alles getroffen worden (vor allem Füße und LWS)

Gertrud


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 17.04.2015

(17.04.2015, 12:51)La Vicu schrieb: Die Biomechanik ist die Mechanik lebender Systeme..

Selbst die biologischen Abläufe im Hirn zur Produktion philosophischer Ideen unterliegen der Mechanik (spez. Elektromechanik, Molekularkinetik … u.a.). Nur die Ausprägung des ideellen Endproduktes dieser biomechanischen Prozesse ist von der Mechanik wenig beeinflussbar.

Durch das "Bio..." bleibt die Mechanik Mechanik.
So verstanden einverstanden!

Den von mir markierten Satz hätte ich gern noch näher erklärt, besonders, was Du unter ideellem Endprodukt verstehst.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 17.04.2015

(17.04.2015, 13:02)La Vicu schrieb: Auch für den Satorius kann eine Situation der äußeren mechanischen Faktoren entstehen, in der die allgemein vom Sartorius erwartete kniebeugende Wirkung in eine kniestreckende übergeht. Und diese Situation ist für den Sartorius nicht mal so entscheidend anders als die für die Ischios. Man mag es widersprüchlich nennen oder paradox, es ist Mechanik.
o.k., aber der Sartorius ist nicht gerade der prädestinierte Kniebeuger. er übt eben je nach nach Aufgabe verschiedene Funktionen aus, u.a. eben auch die kniestabilisierende. Bei der Kniestreckung ist er auch nicht der Hauptakteur.

Aber egal, ich war vorhin aufm Platz, es hat mal wieder Spass gemacht und die Knochen machen mit.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - La Vicu - 18.04.2015

(17.04.2015, 16:10)MZPTLK schrieb:
(17.04.2015, 12:51)La Vicu schrieb: Die Biomechanik ist die Mechanik lebender Systeme..

Selbst die biologischen Abläufe im Hirn zur Produktion philosophischer Ideen unterliegen der Mechanik (spez. Elektromechanik, Molekularkinetik … u.a.). Nur die Ausprägung des ideellen Endproduktes dieser biomechanischen Prozesse ist von der Mechanik wenig beeinflussbar.

Durch das "Bio..." bleibt die Mechanik Mechanik.
So verstanden einverstanden!

Den von mir markierten Satz hätte ich gern noch näher erklärt, besonders, was Du unter ideellem Endprodukt verstehst.

ideell: durch Introspektion einem Subjekt erfahrbarer (immaterieller) Inhalt des Bewusstseins/Gedankengutes


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 18.04.2015

(17.04.2015, 16:10)MZPTLK schrieb:
(17.04.2015, 12:51)La Vicu schrieb: Die Biomechanik ist die Mechanik lebender Systeme..

Selbst die biologischen Abläufe im Hirn zur Produktion philosophischer Ideen unterliegen der Mechanik (spez. Elektromechanik, Molekularkinetik … u.a.). Nur die Ausprägung des ideellen Endproduktes dieser biomechanischen Prozesse ist von der Mechanik wenig beeinflussbar.

Durch das "Bio..." bleibt die Mechanik Mechanik.
So verstanden einverstanden!

Den von mir markierten Satz hätte ich gern noch näher erklärt, besonders, was Du unter ideellem Endprodukt verstehst.

Eventuell gleiten wir vom Thema im engeren Sinne ab,
und ich schlage vor, einen neuen Thread Mechanik-Biomechanik oder so ähnlich zu eröffnen.

In dem Zusammenhang bin ich gerade auf eine interessante Neuheit im Bereich der Mechatronik gestossen:
Die Firma Wittenstein hat ein völlig neu konzipiertes 'Galaxie'-Getriebe erfunden und serienreif gemacht,
es wird demnächst auch auf der HannoverMesse vorgestellt.
Das dürfte vor allem für die Robotik interessant sein:
www.maschinenmarkt.vogel.de/themenkanaele/konstruktion/antriebstechnik7articles/483900

Der leitende Konstrukteur Thomas Bayer scheint etwas philosophisch angehaucht zu sein,
wenn man liest, wie er die Aufgabenstellung und mögliche Lösungswege analysiert:

'Menschen haben das Problem, durch das erlernte Wissen und Erfahrung vorgeprägt zu sein,
und werden automatisch in bestimmte Denkrichtungen gedrängt.
Wenn aber die ideale Lösung nicht in ihrem Denkmuster vorhanden ist, können sie die ideale Lösung auch niemals finden...

Ich war mir aber sicher, dass - falls es eine ideale Lösung gibt -
diese in den genannten Prinzipien(Segmentierung, Äquipotential, Dynamisierung, örtliche Qualität) zu finden sein müsste...

Die Natur ist schliesslich ein absolutes Vorbild in Bezug auf Effektivität und Design.
Manche Pflanzenarten, Schneckenhäuser und sogar Galaxien sind nach der logarithmischen Spirale geformt.'