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Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - Druckversion

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RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - La Vicu - 26.04.2015

(26.04.2015, 08:43)Gertrud schrieb: Fragen Sie mich bitte nicht, wo ich folgendes gelesen habe! Es ist schon länger her. Da wurde behauptet und wahrscheinlich auch bewiesen (?), dass es recht unterschiedliche Regionen an Muskelfasern (FT und ST) innerhalb eines Muskels geben könne, so dass man bei Oberflächenbiopsien eigentlich keine richtige Fakten bekommt. Das hat mich lange wegen der Konsequenzen beschäftigt. 

Gertrud
 Was versteht man unter "Oberflächenbiopsien"? Eine Biopsie ist eine Gewebeentnahme aus einem Organ, meist mittels einer Hohlnadel. Eine Oberfläche ist eine zweidimensionale Grenzschicht. Wie kann man daraus Gewebe entnehmen? Ist etwa gemeint: eine Biopsie her aus den oberen Schickten eines Muskels?


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 26.04.2015

(26.04.2015, 16:47)La Vicu schrieb:
(26.04.2015, 08:43)Gertrud schrieb: Fragen Sie mich bitte nicht, wo ich folgendes gelesen habe! Es ist schon länger her. Da wurde behauptet und wahrscheinlich auch bewiesen (?), dass es recht unterschiedliche Regionen an Muskelfasern (FT und ST) innerhalb eines Muskels geben könne, so dass man bei Oberflächenbiopsien eigentlich keine richtige Fakten bekommt. Das hat mich lange wegen der Konsequenzen beschäftigt. 

Gertrud
 Was versteht man unter "Oberflächenbiopsien"? Eine Biopsie ist eine Gewebeentnahme aus einem Organ, meist mittels einer Hohlnadel. Eine Oberfläche ist eine zweidimensionale Grenzschicht. Wie kann man daraus Gewebe entnehmen? Ist etwa gemeint: eine Biopsie her aus den oberen Schickten eines Muskels?

Es geht hier um die stichprobenartige Entnahme von Gewebe aus einer Stelle des Muskels. Dass die Muskelfaserverteilung aber über den Muskelquerschnitt variiert, ist nichts Neues. Man kann die individuelle Verteilung nur am toten Präparat bestimmen, wo man den ganzen Muskel untersuchen kann oder sehr ungenau über Krafttests. Aber es ist am Ende auch nicht relevant für die Talentsichtung, da die Leistungsfähigkeit von einem so multikausalen Bedingungsgefüge hervorgebracht wird, dass der einzelne Faktor isoliert wenig Aussagekraft hat. Für die Evaluation des Trainingszustandes ist es aber auch nicht relevant, da die Faserverteilung nicht trainierbar ist und demnach auch keine Kontrollgröße in der Trainingsevaluation darstellen kann.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - La Vicu - 26.04.2015

(26.04.2015, 00:36)icheinfachma schrieb: ... schrieb eine Vielzahl von wichtigen Zusammenhängen zum Thema Sprint und Funktion der ischiokruralen Muskeln, die es Wert sind, genauestens studiert und respektiert zu werden. Gleichwohl scheint es notwendig, einzelne Problem genauer zu diskutieren. Da es nicht möglich ist, alles auf einen Schlag zu leisten, beginne ich mit dem Thema „Dehnungsreflex“:

Der Muskeldehnungsreflex ist eine Reaktion des Muskels auf eine unvorhergesehene Verlängerung (Dehnung) des Muskels durch eine äußere Kraft. Bei der Abwärtsbeschleunigung des Beines bis zum Bodenkontakt handelt es sich jedoch um eine Willkürkontraktion (willentlich geplante Aktion) der beteiligten Muskeln. Diese wird seitens der Koordinationszentren im Hirn einerseits durch die Alpha-Innervation zur Durchführung der Muskelfaser-Kontraktion (extrafusale Fasern) angeregt, gleichzeitig aber durch eine Vorausinnervation (Gamma-Innervation) zu den intrafusalen Fasern auf die für die Aktion notwendigen Längen- bzw. Dehnungszustände vorbereitet. Dabei berücksichtigen diese Koordinationszentren die jeweiligen Dehnungs- und Längenzustände der Muskeln, so dass die Muskeln (insbesondere bei Aktionen in einem konstanten Umfeld wie beim Sprint) nicht auf unvorhergesehene Störgrößen durch Dehnungsreflexe antworten müssen. D.h., die Koordinationszentren „wissen“ durch vorherige Aktionen um die morphologischen Zustände der Muskeln, so dass die von den Zentren losgeschickten Kontraktionsbefehle daraufhin angepasst sind. Die Koordinationszentren wissen auch, dass der Unterschenkel zu Beginn der Abwärtsbewegung des Unterschenkels aufgrund der Trägheit das Kniegelenk in eine Streckung zwingen will. Aus diesem Grunde wird durch die Gamma-Innervation der intrafusalen Fasern die Reizschwelle der Dehnungsrezeptoren derart angepasst (= Verstellung der Führungsgröße in diesem Servomechanismus), dass sie (die Dehnungsrezeptoren) nicht von der trägheitsbedingten Wirkung der Kniestreckung überrascht werden (= Abfangen einer Störgröße) und die Regelgröße (= Muskeldehnungsgrad) nicht vom Koordinationsziel abweicht.
 
Auf diese Weise wird das System Koordinationszentrum+Muskel frei, um auf tatsächlich unvorhergesehene Störgrößen zu reagieren, etwa bei einem Tritt auf eine nicht vorher identifizierte Bodenunebenheit. Die damit verbundene plötzliche Längenänderung (Dehnung) des Muskels addiert sich zum augenblicklichen von den Koordinationzentren eingestellten Dehnungsgrad und wird reflexartig durch Kontraktion (=Dehnungsreflex) beseitigt. Diese höchst sinnvolle Einrichtung mag beim Sprint über eine unebene Aschenbahn noch von Nutzen gewesen sein und dem Sprinter geholfen haben, trotz Dehnungsreflex noch einen Rekord einzufahren. Zu Zeiten von Tartanbahnen würde die Auslösung eines Dehnungsreflexes auch nur während einer einzigen Bodenkontaktphase den Sieg, Rekord… in weite Fernen rücken.

Kurz und gut: Die ischiokruralen Muskeln reagieren nicht reflexartig auf die Dehnung durch die Trägheit des Unterschenkel, sondern bereiten sich mit Hilfe der Koordinationszentren und des Muskelspindel-Servomechanismus rechtzeitig auf ein Abfangen der Dehnung vor.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 26.04.2015

Habe ich das wirklcih geschrieben? Das ist nicht mein Schreibstil. Und hast du nicht schon einmal genau dasselbe Posting gepostet?

Mich interessiert das Thema Dehnungsreflex in diesem Zusammenhang. Kannst du Literatur oder ähnliches verlinken oder nennen?


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 26.04.2015

Ich habe gerade noch einmal nachgeschaut, diese Zeilen stammen nicht von mir. Bitte benutze die Kommentarfunktion nicht, meine Beiträge zusammenzufassen. Das kann den Inhalt verändern. Du kannst in einem Zitat von mir Sachen weglassen, aber nicht einfach selbst formulieren.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - W. Kronhard - 26.04.2015

(26.04.2015, 19:02)La Vicu schrieb:
(26.04.2015, 00:36)icheinfachma schrieb: ... schrieb eine Vielzahl von wichtigen Zusammenhängen zum Thema Sprint und Funktion der ischiokruralen Muskeln, die es Wert sind, genauestens studiert und respektiert zu werden. Gleichwohl scheint es notwendig, einzelne Problem genauer zu diskutieren. Da es nicht möglich ist, alles auf einen Schlag zu leisten, beginne ich mit dem Thema „Dehnungsreflex“:

Der Muskeldehnungsreflex ist eine Reaktion des Muskels auf eine unvorhergesehene Verlängerung (Dehnung) des Muskels durch eine äußere Kraft. Bei der Abwärtsbeschleunigung des Beines bis zum Bodenkontakt handelt es sich jedoch um eine Willkürkontraktion (willentlich geplante Aktion) der beteiligten Muskeln. Diese wird seitens der Koordinationszentren im Hirn einerseits durch die Alpha-Innervation zur Durchführung der Muskelfaser-Kontraktion (extrafusale Fasern) angeregt, gleichzeitig aber durch eine Vorausinnervation (Gamma-Innervation) zu den intrafusalen Fasern auf die für die Aktion notwendigen Längen- bzw. Dehnungszustände vorbereitet. Dabei berücksichtigen diese Koordinationszentren die jeweiligen Dehnungs- und Längenzustände der Muskeln, so dass die Muskeln (insbesondere bei Aktionen in einem konstanten Umfeld wie beim Sprint) nicht auf unvorhergesehene Störgrößen durch Dehnungsreflexe antworten müssen. D.h., die Koordinationszentren „wissen“ durch vorherige Aktionen um die morphologischen Zustände der Muskeln, so dass die von den Zentren losgeschickten Kontraktionsbefehle daraufhin angepasst sind. Die Koordinationszentren wissen auch, dass der Unterschenkel zu Beginn der Abwärtsbewegung des Unterschenkels aufgrund der Trägheit das Kniegelenk in eine Streckung zwingen will. Aus diesem Grunde wird durch die Gamma-Innervation der intrafusalen Fasern die Reizschwelle der Dehnungsrezeptoren derart angepasst (= Verstellung der Führungsgröße in diesem Servomechanismus), dass sie (die Dehnungsrezeptoren) nicht von der trägheitsbedingten Wirkung der Kniestreckung überrascht werden (= Abfangen einer Störgröße) und die Regelgröße (= Muskeldehnungsgrad) nicht vom Koordinationsziel abweicht.
 
Auf diese Weise wird das System Koordinationszentrum+Muskel frei, um auf tatsächlich unvorhergesehene Störgrößen zu reagieren, etwa bei einem Tritt auf eine nicht vorher identifizierte Bodenunebenheit. Die damit verbundene plötzliche Längenänderung (Dehnung) des Muskels addiert sich zum augenblicklichen von den Koordinationzentren eingestellten Dehnungsgrad und wird reflexartig durch Kontraktion (=Dehnungsreflex) beseitigt. Diese höchst sinnvolle Einrichtung mag beim Sprint über eine unebene Aschenbahn noch von Nutzen gewesen sein und dem Sprinter geholfen haben, trotz Dehnungsreflex noch einen Rekord einzufahren. Zu Zeiten von Tartanbahnen würde die Auslösung eines Dehnungsreflexes auch nur während einer einzigen Bodenkontaktphase den Sieg, Rekord… in weite Fernen rücken.

Kurz und gut: Die ischiokruralen Muskeln reagieren nicht reflexartig auf die Dehnung durch die Trägheit des Unterschenkel, sondern bereiten sich mit Hilfe der Koordinationszentren und des Muskelspindel-Servomechanismus rechtzeitig auf ein Abfangen der Dehnung vor.

Mein Appel an die Praktiker:

Schmeisst bitte den Muskeldehnungsreflex aus dem Kopf, denn den gibt es nicht. Gemeint ist der reflektorische Miskelfaserüberdehnungsschutz. Diesen reflektorischen Schutz kann niemand positiv im Sprint einsetzen, und der wird nicht bei einer Verletzung eingesetzt (kommt nicht dazu). Das mit dem Muskeldehnungsreflex ist nur eine schädliche ablenkende Pseudowissenschaft. 

Manöööö!!!


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - ThomZach - 26.04.2015

(26.04.2015, 19:31)W. Kronhard schrieb: Mein Appel an die Praktiker: Schmeisst bitte den Muskeldehnungsreflex aus dem Kopf, denn den gibt es nicht. Gemeint ist der reflektorische Miskelfaserüberdehnungsschutz. Diesen reflektorischen Schutz kann niemand positiv im Sprint einsetzen, und der wird nicht bei einer Verletzung eingesetzt (kommt nicht dazu). Das mit dem Muskeldehnungsreflex ist nur eine schädliche ablenkende Pseudowissenschaft.
Gewagt, gewagt. Der Muskelspindelreflex existiert, ist messbar und sportlich nutzbar, ja unvermeidbar. Gott seis gedankt.
Heute heißt er Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) weil er während einer Kontraktion mehrfach schließen/zünden/feuern kann,
und steht als Reflex schon seit mehr als einem Jahrhundert in den Büchern. Wird von Neurologen mit ihrem Gummihämmerchen täglich geprüft.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - ThomZach - 26.04.2015

Ein Wunder der Natur: Reflexbefeuerte Kontraktionen sind nicht nur schneller und unwillkürlich, sie sind auch weniger ermüdend.
Trotzdem hat Wladi insofern Recht zu warnen, als die Fachwelt heute denkt, sie könne diesen Reflex durch gekünsteltes Verhalten
besser reizen und intensiver nutzen, als es von Natur aus vorgesehen ist. Das Resultat: Technik und Körper werden zerstört.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - La Vicu - 26.04.2015

(26.04.2015, 19:31)W. Kronhard schrieb: Mein Appel an die Praktiker:

Schmeisst bitte den Muskeldehnungsreflex aus dem Kopf, denn den gibt es nicht. Gemeint ist der reflektorische Miskelfaserüberdehnungsschutz. Diesen reflektorischen Schutz kann niemand positiv im Sprint einsetzen, und der wird nicht bei einer Verletzung eingesetzt (kommt nicht dazu). Das mit dem Muskeldehnungsreflex ist nur eine schädliche ablenkende Pseudowissenschaft. 

Manöööö!!!

Zum Mitschreiben:
1. Der Muskel führt eine Kontraktion durch: Er setzt sich unter Spannung.
2. Eine äußere Kraft dehnt diesen Muskel: Zwangsläufig erhöht sie die Spannung des Muskels (= sie addiert sich zur Spannung des Muskels).
3. Der Muskel reagiert mit einem Dehnungsreflex, um die Dehnung rückgängig zu machen: Das ist eine zusätzliche Kontraktion, also noch mehr Spannung.
4. Und wo bleibt da der Schutz vor Verletzung?
5. Kann es sein, dass hier jemand den Dehnungsreflex (Reflex der autogenen Erregung) mit den Reflex der autogenen Hemmung (= Reflex der autogenen Inhibition, auch wissenschaftlich korrekt: „Spannungsreflex“) verwechselt?
6. Ein bisschen Wissenschaft ist besser als viel intellektuelles Gelaber.
7. Der Spannungsreflex ist der Schutzmechanismus des Muskels. Er heiß deshalb so, weil das Golgi-Sehnenorgan die Spannung [F*m²] des Muskels und die Spannungsänderung misst und bei zu hoher Spannung und zu rapider Spannungsänderung den Muskel inaktiviert.
8. Den „reflektorischen Muskelfaserüberdehnungsschutz“ gibt es nicht, den kennt nicht einmal Tante Google.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 26.04.2015

(26.04.2015, 20:15)La Vicu schrieb: 1. Der Muskel führt eine Kontraktion durch: Er setzt sich unter Spannung.
Und zwar so: Durch Nervenimpulse werden motorische Einheiten, bestehend aus mehreren Muskelfasern, zur Kontraktion gebracht. Eine Muskelfaser kann immer nur gar nicht oder mit voller Kraft kontrahieren, null oder eins. Der Krafteinsatz des Muskels wird allein dadurch reguliert, dass mehr oder weniger viele motorische Einheiten innerviert werden.

Zitat:2. Eine äußere Kraft dehnt diesen Muskel: Zwangsläufig erhöht sie die Spannung des Muskels (= sie addiert sich zur Spannung des Muskels).
Die Actin-Mysosin-Einheiten sind stabil genug, dieser Kraft nachzugeben. Die Z-Scheiben sind es, auf die Zugkräfte wirken, wenn einerseits die Muskelfaser kontrahiert, andererseits aber der Muskel stark gedehnt wird.

Zitat:3. Der Muskel reagiert mit einem Dehnungsreflex, um die Dehnung rückgängig zu machen: Das ist eine zusätzliche Kontraktion, also noch mehr Spannung.
4. Und wo bleibt da der Schutz vor Verletzung?
Reflexartig werden MEHR MOTORISCHE EINEITEN hinzugeschaltet, sodass sich die Belastung auf einen größeren arbeitenden Muskelquerschnitt, also auf mehr Z-Scheiben verteilt. Diese haben jetzt eine geringere Gefahr, zu reißen. Muskelfaserrisse treten immer an den Z-Scheiben auf.

Zitat:8. Den „reflektorischen Muskelfaserüberdehnungsschutz“ gibt es nicht, den kennt nicht einmal Tante Google.
Dann google doch mal nach "Wladimir Kron", da gibt es so einiges, was er erzählt, und das sich nicht auf Google finden lässt.