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Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - Druckversion

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RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - W. Kronhard - 27.04.2015

(27.04.2015, 12:21)La Vicu schrieb: Der „Reflexbogen ist die Verbindung eines Sinnesorgans über das Nervensystem mit einem Erfolgsorgan“ - Schulwissen, Klasse 6.
Für den Dehnungsreflex ist / sind
 - das Sinnesorgan die „Muskelspindel“, ein kleines komplexes Gebilde aus speziellen Muskelfasern („intrafusalen Fasern) und Sinnes“zellen“ (Dehnungsrezeptoren, Ia- und II-Spindelrezeptoren),
 - die Verbindung die zum Rückenmark leitenden (afferenten) Nervenfasern, eben die Ia- und II-Spindelfasern,
 - die „Reizverarbeitungsstelle“ das Rückenmark, in dem der Reiz direkt auf  motorische Nervenzellen (Alpha-Motoneurone) übertragen wird.
 - die „Antwortleitung“ die motorischen Nervenfasern (Alpha-Fasern) und
 - das Erfolgsorgan der Skelettmuskel.
Steht geschrieben in fast jedem Biologiebuch oder physiologischen Lehrbuch. Aber Achtung: Dazulernen ist mühsamer als verteufeln!

Na,na,na, 
Du meinst da habe ich jetzt was dazu gelernt. Nix da! Dass ist plumpes Allgemeinwissen. 
Bitte denk mal scharf nach! Die Selbsterhaltungsreflexe dienen dem Selbsterhalt. Von der Gefahr blitz schnell unbewusst wegsprinten, die Hand von der heissen Platte automatisch wegzucken und, und... Normale, nicht übertriebene Angst gehört auch zum Selbstschutz. Auch Quadricepsreflex, oder nicht korrekt noch Patellarsehnenreflex genannt. 
Dem Namen nach muss ein Muskeldehnungsreflex der Dehnung der Muskeln dienen. Aber nix da! Daher ist es nur eine Fehlbezeichnung der inneren Sensorik. Daher soll es korrekt heissen: Muskelüberdehnungsschutzreflex. Der soll vor Überdehnung der Muskel schützen.
Das die Spindeln die Länge des Muskels ständig an das Gehirn melden ist auch kein Geheimnis, die Melden auch die Annäherung an die Gefahrdehnungslänge, nur an das Gehirn. Die Spannung der Muskeln um die Überdehnung und Riss zu vermeiden spannt das Gehirn die Faser unbewusst, aber nicht reflektorisch.
Was Du aber lernen kannst, ist: Alle Melderezeptoren sind biologische Geheratoren, also Stromproduzenten. Sehen, Hören, Tastsinn, Geruchssinn, Alles den äusseren Zellen-Stromproduzenten zu verdanken. 
Der grösste Stromproduzent, allerdings innerer, ist das Gehirn. 
Also Zellen und Gewebe als Zellenverband die Strom produzieren, ist das nicht herrlich?


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - La Vicu - 27.04.2015

(27.04.2015, 11:37)icheinfachma schrieb:
(27.04.2015, 11:12)La Vicu schrieb: Dann ist also "W. Konrad" identisch mit "Wladimir Kron"??? Hab ich zu diesem Thema Nachholbedarf?

Apropos Nachholbedarf: Ich habe die leise Befürchtung, dass ich zu einigen Posts bei dem Eintrag meiner Stellungnahme Zitat, Antworten und Adressate verwechselt habe. Ich will hoffen, dass
nicht Anlass zu Irritationen gegeben hat. Im anderen Fall bitte ich um Nachsicht und gelobe Besserung.

Zu Wlad: siehe PN

zu Umgangsformen: Es ist niemand (auch ich nicht) dir böse, wenn du die Forenfunktionen falsch benutzt. Ich hatte das nur nicht gewusst, darum mein Aufbegehren einige Posts zuvor gegen das falsche Zitat. Die Umgangsformen hier (auch deine) finde ich ausgezeichnet. Ich ziehe halt immer den Vergleich zwischen gutefrage.net und Co und diesem Forum hier und bin, da ich mich in diesem Forum ganz zuletzt beteiligt habe, immer wieder erstaunt, wie gepflegt und niveauvoll doch Internetforen sein können. Hier wird auf hohem wissenschaftlihcen Standard gearbeitet, es handelt sich um ausgeprochene Spezialthemen, auf denen sich nicht viele Menschen auskennen, um mit ihnen darüber zu diskutieren. Wir haben fast nie Beleidigungen, es geht sachlich zu - perfekt. Ich selbst sehe im Forum vor allem die Möglichkeit, mich selbst fortzubilden: Hier werde ich mit der Nase auf Themen gestoßen, die mir sonst "durchgerutscht" wären, es wird sofort auf fachliche Fehler eingegangen, sodass keine ins Gespräch gebrachte Fehlmeinung Bestand hat. Außerdem finde ich, dass man erlerntes Wissen besser festigt und ausgestaltet, wenn man es in der Diskussion einsetzt. Da sieht man gleich, ob die eigenen Argumente sich behaupten können oder sie überhaupt nicht belastbar sind. Und man braucht auch die, die anders denken, als man selbst, damit sie einen immer wieder wachrütteln und aus dem Tunnelblick rausrütteln, und ihre teilweise ganz anderen Blickweisen einbringen. In diesem Sinne: Ein Hoch auf dieses Forum! Thumb_up
 
Dem kann und muss ich mich voll und ganz anschließen!
 
(Bin nur durch Zufall auf dieses Forum gestoßen (nach vielen Enttäuschungen, vor allem mit „sportwissenschaft24.de“ (alte Fassung) – mit der neuen Form habe ich mich noch nicht befasst.)
 
Leider bin ich jetzt schon an die Grenzen meiner Arbeitskapazität gestoßen; denn hier werden derart viele interessante Anstöße für Beiträge gegeben, dass ich nicht mehr nachkomme. Bevor ich noch den einen Beitrag in Angriff genommen habe, ist schon wieder ein neuer noch interessanterer erschienen. Allmählich lernt man dann auch die einzelnen User kennen und diejenigen, wo es sich lohnt, Energie zu investieren.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - ThomZach - 27.04.2015

Wladi. Wir haben da offenbar ein Sprachproblem. Der sogenannte Dehnungsreflex sorgt nicht für Dehnung, wie Du -
so scheint mir - es auffasst. Er sorgt auch nicht für einen natürlichen Selbstschutz vor Überlastung. Den gibt es auch,
von dem ist aber hier nicht die Rede (obwohl es sollte). 
Der Dehnungs-Verkürzungs-Reflex reagiert auf Dehnung (Zug, also externe Belastung) mit Kontraktion!! Der Muskel ist schon aktiv
und wird durch den Widerstand, auf den er trifft, zusätzlich nerval aktiviert. Eine tolle Erfindung der Schöpfung. 


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - ThomZach - 27.04.2015

Der hier beschrieben Reflex sorgt also dafür, dass auf Dehnung Kontraktion folgt. Das ist natürlich gefährlich,
wenn die Dehnung auf einer Fehlbelastung beruht, denn dann ginge irgendwo was kaputt.

Der in einem solchen Fall erforderliche Schutzreflex ist noch so ne tolle "Erfindung". Ich erlebe das bestimmt
einmal pro Jahr, dass ich mit dem Fuß an irgendeiner Kante umknicke. Dann schießt mir das Adrenalin durch Mark und Bein
und das betroffene Bein zieht sich vom Boden zurück genau wie die Hand von der Herdplatte. Dadurch habe ich
meine Fußgelenke schon bei dutzenden von Gelegenheiten vor bösen Verstauchungen bewahrt. Und jedesmal
erfüllt das Geschehen mich im Nachhinein mit Erleichterung, ja Freude und Stolz auf mein autonomes Nervensystem,
welches mir so manchen Schaden erspart wie ein Schutzengel.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - ThomZach - 27.04.2015

Jetzt aber kommt das eigentliche Problem:
Woher weiß mein Nervensystem, ob es mich in die Luft schießen oder vor einer Verletzung bewahren soll?
Und dazu muss ich aus Erfahrung sagen: Es ist eine Entscheidung im Kopf, eine Frage der aktuellen Motivation.
Wenn ich unbedingt über diese verdammte Latte will, weil mir sonst die Sporthilfe gestrichen wird und
meine Olympiaambitionen den Bach runter gehen, dann übergeht mein Nervensystem den (drohenden) Schmerz.
Mein Ego übergeht die durchaus bekannte Gefahr, dass mir was reißt oder bricht, und setzt sich über den
Selbstschutzreflex hinweg. Da kann man auch mit Schmerztabletten oder Vereisung nachhelfen.
Und so mancher tut das ohne Bedenken.

Naja - auch die unbändige Lust auf Freude (am sportlichen Gelingen) kann Schmerz und Angst verdrängen.
Jedenfalls geht es einem schon leicht lädierten Gelenk oder einer gereizten Sehne wenig später bestimmt schlechter.
Im Moment erlebe ich einen Zustand in meinem Knie, der gelinde, also durchaus erträgliche Schmerzen
mit sich bringt, und ich werde den Eindruck nicht los, dass diese Schmerzen dafür sorgen, dass
mein Quadrizeps "aus Mitleid" die volle Leistung verweigert. Daher besteht mein Training derzeit vornehmlich
aus Reha - bis die Schmerzen vollkommen verschwunden sind. Dann blüh ich vielleicht doch nochmal auf...


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - ThomZach - 27.04.2015

Die Krux an dem Dilemma "Schutz oder Leistung" besteht auch noch darin, dass das Ego die Leistung so übertreibt,
dass der Schutzengel das nicht mehr mitmacht und die (übertriebene) dynamische Innervation plötzlich blockiert,
und dann geht das angeschlagene, gefährdete Gelenk erst recht kaputt, weil es ohne Halt der Überlastung
ausgesetzt ist (im Falle Knie meistens mit Riss des gesunden Kreuzbandes).


[geteilt] DVZ und Reaktivkraft - MZPTLK - 27.04.2015

Bestimmt fällt nicht nur mir schon lange auf, dass hier zwar reichlich über die Lombardei theoretisiert wird
(Anatomie, Biomechanik, Neurophysiologie..) und dabei auch viel neben der Spur gegrast wird,
aber konkretes Übungsgut(der Thread heisst: ...und Konsequenzen fürs Training) wird dem geneigten Trainer aufm Platz nicht präsentiert.

Woran liegt das?
- Möchte niemand was preisgeben?
- Gibt es womöglich kaum geeignete Übungen?

Das Letztere kann eigentlich nicht sein, wenn man eine naturgegebene,
im normalen Leben praktizierte Bewegungsweise annimmt.
Diese bräuchte dann nur noch auf einen höheren Level weiter entwickelt zu werden.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 27.04.2015

Na ich habe ja in einem Post schon ein ziemliches Paket geschnürt und dabei sehr anwendungsbereite Sachen vorgeschlagen. Dazu kommt der lange Auszug aus dem Artikel über Stephen Francis Training, das sich sehr leicht umsetzen lässt, da er nun weiß Gott keine Spezialübungen und Spezialmaschinen verwendet.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 27.04.2015

Richtig, gestern in Deinem sehr guten Post mit den herleitenden Überlegungen, klasse!
Aber das bleibt meistens im leichten Bereich und ohne Druck auf den Boden, also verhältnismässig unspezifisch.

Viele Übungen dieser Art konnte man schon vor über 40 Jahren am Schnelltrainer durchführen.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 28.04.2015

@ Icheinfachma:
Sehr sehr gut erklärt, überzeugend auch die Literatur.
Wenn jetzt die Vorbeschleunigung mit -wie offenbar genau gemessener- hoher Bodenreaktivität(bei den Topsprintern) einhergeht, sollten wir eigentlich auf der Erfolgsschiene sein, wenn dann der Druck auch aus dem US und dem Fuss kommt, und natürlich die oberen Antriebe Oberkörper + Arme auch voll dabei sind.

Dazu habe ich einige Fragen:
1. Gibt es entsprechend elaborierte BodenDruck-Drills aufm Platz oder inhäusig?
2. Gibt es Erkenntnisse, ob falsches oder übertriebenes Training dieser Weise in Deutschland zu den einschlägigen Verletzungen geführt hat?
3. Oder wäre alles gut, wenn nicht nur die Ischios, sondern das ganze Konzert in Harmonie(keine Dysbalancen) trainiert werden würde?
4. Ist 3. überhaupt möglich, oder stossen wir zum Beispiel im Bereich Knie, US und Fuss/AS an Grenzen?

Mir ist klar, dass zu diesem Zeitpunkt kaum Jemand völlig befriedigende Antworten auf 2.-4. geben kann.