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Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - Druckversion

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RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 01.05.2015

(01.05.2015, 14:39)MZPTLK schrieb:
(01.05.2015, 08:02)icheinfachma schrieb: Verwenden Bolt und Blake eigentlich der Sprintbelastung nachempfundenes Krafttraining, so wie wir es hier im Forum zu konstruieren versuchen, oder verwenden sie "normale" und unspektakuläre Übungen, die einfach nur ihre Ischios stärken? Oder liegt der Unterschied gar nicht im Krafttraum, sondern bei Schnelligkeitsübungen auf der Bahn (Zugwiderstandsläufe, Sprünge, Spezialübungen, ...)?
Das wissen nur sie und ihre Trainer.
Was sie im Netz präsentieren, ist wahrscheinlich nicht die ganze Wahrheit.

Das denke ich auch. Schließlich publiziert auch das IAT nicht alle Forschungsergebnisse. Am Ende muss man als Trainer vielleicht wirklich selbst experimentieren, oder man hat das Glück, von einem anderen Trainer in die höheren Weihen eingeführt zu werden.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - Gertrud - 17.11.2015

(01.05.2015, 14:39)MZPTLK schrieb:
(01.05.2015, 08:02)icheinfachma schrieb: Verwenden Bolt und Blake eigentlich der Sprintbelastung nachempfundenes Krafttraining, so wie wir es hier im Forum zu konstruieren versuchen, oder verwenden sie "normale" und unspektakuläre Übungen, die einfach nur ihre Ischios stärken? Oder liegt der Unterschied gar nicht im Krafttraum, sondern bei Schnelligkeitsübungen auf der Bahn (Zugwiderstandsläufe, Sprünge, Spezialübungen, ...)?

Das wissen nur sie und ihre Trainer.
Was sie im Netz präsentieren, ist wahrscheinlich nicht die ganze Wahrheit.

Bestimmt werden sie ihr Insiderwissen nicht komplett veröffentlichen; davon kann man ausgehen. Seine Leistung entsteht sicherlich im Zusammenspiel der Bereiche Krafttraining, Drills, Technik, Berücksichtigung des Energiesystems bei den Sprintprogrammen und der neuronalen Ansteuerung, Relaxationsprogramme, Ernährung. - Ich habe letztens mal aus Spaß mit zwei Linien seine größte Schrittlänge von 2,95m aufgezeichnet. Das ist einfach überirdisch! 

Gertrud


RE: Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - Gertrud - 18.11.2015

Selbst wenn man das LP an sich nicht kennt, kann man z. B. speziell Sprint-Kraftübungen entwickeln. Das Wissen um das LP erleichtert die Einflussnahme und macht uns sicher. Wo man im Grunde noch schwimmt, ist der Anteil der Positionen einzelner Übungen am Gesamten, weil Übungen nie komplett Einzelmuskeln betreffen und wir den genauen Kraftanteil exakt nicht kennen und er auch innerhalb der Bewegung schwankt. Nehmen wir nur mal die Hamstrings, deren Aktivität sich zwischen der Dreifacheinflussnahme abspielt! Es handelt sich eben immer auch um eine intermuskuläre Geschichte. Zudem sind aufgrund der Konstitution Längen, Umfänge, mitgebrachte Kraftverteilungen und dergleichen individuell sehr unterschiedlich. Die angelegten Pattern und die Zielgrößen differieren individuell sehr stark. Folglich müssen auch die Übungen von Person zu Person sehr unterschiedlich sein. So viel zum gemeinsamen Training im Team!!! Wink Trainer sollten in der Lage sein, den Ist- und Sollzustand sorgfältig zu unterscheiden.

Gertrud


RE: Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - MZPTLK - 18.11.2015

@Gertrud: Einverstanden.
Ich verstehe aber immer noch nicht, warum man das Phänomen Paradoxon nennen sollte.
Entweder man versteht es, dann ist es nicht paradox, und man kann vernünftige Schlüsse daraus ziehen. 
Oder die Funktion bleibt mehr oder weniger unverstanden, also paradox,
und dann sollte man sich jeglicher voreiliger und womöglich falscher Schlüsse enthalten.


RE: Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - Gertrud - 18.11.2015

Ich nehme an, dass man das Phänomen der Hamstrings "normalerweise" aufgeteilt in zwei Einzelaktionen in Streckbewegung Hüfte und Beugebewegung Kniegelenk  und bei bestimmten Winkelkonstellationen in Komplettbewegung eben als Hüft- und Kniestreckung erfährt, was man dann als paradox ansieht. Wir haben früher die Hamstrings nicht als Kniestrecker gesehen. Die Beugeaktion der Unterschenkel mit der Winkelreduzierung verlangt nicht so viel Kraft, weshalb auch bestimmte Kraftübungen an der "Realität" vorbeigehen; aber da herrscht sogar bei vielen Trainern im Topberich Nachholbedarf. Das habe ich von einer Fortbildung eines "Toptrainers" dokumentiert. Es wird teilweise einfach irgendwie hinsichtlich Kräftigung trainiert - ohne Wissen der eigentlichen Zusammenhänge. Irgendwann knallt´s dann natürlich, wobei dann keine Einsicht kommen kann, weil man die Ursachen einfach nicht orten kann. - Ich habe eine große Sammlung von Protagonisten im Zusammenhang Verletzung - schlechte Übung! Ich habe bereits vor über zehn Jahren gemeinsam mit Hansjörg Holzamer darüber beim DLV in Mainz referiert. Die Einsicht war sehr begrenzt. 

Gertrud


RE: Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - Gertrud - 19.11.2015

Um alles genau orten und dingfest machen zu können, müssten wir über die "Landkarten" im Kleinhirn verfügen, die sicherlich individuell aussehen und angepasst werden müssten; aber wer kennt schon die genauen Bedürfnisse und anzustrebenden Parameter? Es besteht Handlungsbedarf in der Forschung, zumal es sich bei den Hamstrings z. B. um einen Muskelkomplex handelt, wobei die Ansteuerung einzelner Muskeln bezüglich ihrer Wirksamkeit noch nicht ausreichend erforscht ist. Die Auswertungen insgesamt halte ich noch für zu ungenau und global. Somit gehören auch die Trainingsmittel auf den Prüfstand. Unter Berücksichtigung derartiger Gesichtspunkte erhalten die Trainingsanwendungen eine neue Dimension hinsichtlich Exaktheit im neuromuskulären Zusammenspiel auch in der Ausdifferenzierung des willkürlichen und unwillkürlichen Bereiches und der individuellen biomechanischen Parameter. Es kommt noch die Schwierigkeit der Tests in der Bewegung hinzu, die per Hautelektroden nicht die Bereiche trifft, die man denn gerne hätte.

Man kann ein derartiges Niveau nur bei sehr wengen Trainern erwarten. Insofern müssten die anderen Trainer einfach nur mit den Endprodukten "gefüttert" werden, was ich als eine sehr große Aufgabe des Verbandes in der Multiplikatorenrolle sehe. 

Gertrud


RE: Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - MZPTLK - 19.11.2015

(19.11.2015, 08:44)Gertrud schrieb: Es besteht Handlungsbedarf in der Forschung, zumal es sich bei den Hamstrings z. B. um einen Muskelkomplex handelt, wobei die Ansteuerung einzelner Muskeln bezüglich ihrer Wirksamkeit noch nicht ausreichend erforscht ist. Die Auswertungen insgesamt halte ich noch für zu ungenau und global. Somit gehören auch die Trainingsmittel auf den Prüfstand. Unter Berücksichtigung derartiger Gesichtspunkte erhalten die Trainingsanwendungen eine neue Dimension hinsichtlich Exaktheit im neuromuskulären Zusammenspiel auch in der Ausdifferenzierung des willkürlichen und unwillkürlichen Bereiches und der individuellen biomechanischen Parameter. Es kommt noch die Schwierigkeit der Tests in der Bewegung hinzu, die per Hautelektroden nicht die Bereiche trifft, die man denn gerne hätte.

Man kann ein derartiges Niveau nur bei sehr wengen Trainern erwarten. Insofern müssten die anderen Trainer einfach nur mit den Endprodukten "gefüttert" werden, was ich als eine sehr große Aufgabe des Verbandes in der Multiplikatorenrolle sehe.

Thumb_up  Das habe ich in diesem Thread immer wieder erwähnt und Solos hat uns genauer die Schwierigkeiten der EMG-Messungen geschildert
Wir scheinen hier seit 20 Jahren und vorerst nicht weiter zu kommen, kommen zu können.
Aber machternixe, wenn man wie gesagt, die Akzente individuell entsprechend behutsam verschiebt,
dürfte man auf der sicheren Seite sein.


RE: Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - W. Kronhard - 20.11.2015

Habe im Netz nach H a-r-n-s-t-r-i-n-g-s gesucht. Nicht gefunden, aber diese Seite hat mir gefallen. Sehr professionelle:

https://de.scribd.com/doc/246856468/27/HAMSTRINGS

Die könnte manchen beim Körperbekleben behilflich werden.


RE: Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - Gertrud - 08.01.2017

Man muss dazu sagen, dass der Anteil an Athletinnen und Athleten, die im Prinzip z. B. alles das auswirtschaften, was man als Trainer im gehobenen Segment hinsichtlich LP auf dem Schirm hat, relativ gering ist. Das ist eher die Stecknagel im Heuhaufen. Ich lese gerade ein Buch über das permanente Absenken das generellen Schulniveaus in deutschen Schulen und den Mangel an motorischem Potential, so dass man auf breiter Front diese Errungenschaften im Übungspotential, die punktgenau treffen, kaum noch anwenden kann. Man will auch vorrangig Spaß haben und wirtschaftet sehr oft zeitnah das Potential absolut nicht mehr aus, weil meistens die Schulung der Konzentrationsfähigkeit in den Familien absolut nebensächlich ist. Somit werden Inhalte wie das LP, das eine enorme Konzentrationsfähigkeit beinhaltet, kaum hinterfragt. Dass herausragendes physisches und psychisches Talent gemeinsam in einer Athletin oder einem Athleten vorkommt, ist eher die Ausnahme. Wenn man das LP richtig anwendet, gehört eine enormes In-Sich-Hineinhören dazu. Nur dann kann man die unterschiedliche Muskelansteuerung erst spüren. Von einem derartigen Training sind wir sehr oft sehr weit entfernt. Ich selbst spüre bei den ersten Einheiten mit einer Athletin oder einem Athleten, ob eine hundertprozentige Eignung hinsichtlich Konzentrationsfähigkeit überhaupt besteht, solche Ansteuerungen der unterschiedlichen Hamstringanteile zu schulen. Um die Verletzungsträchtigkeit außen vorzulassen, ist die Anwendung des LPs in einer exakten Form zwingend notwendig. Eine dreifach unterschiedliche Anwendung des Hamstringtrainings zur Verletzungsprophylaxe ist dringend erforderlich und müsste von den Bundestrainern im Sprint-/Sprungbereich gelehrt und angewendet werden. 

Gertrud


RE: Lombardsches Paradoxon - theoretische Erörterung - omega - 09.01.2017

In LT 12/16 geht es in einem Artikel von K.Kraus um die Vorbeugung von Beugerverletzungen. Es wird einerseits eine Belastungsprogression von Präventionsübungen vorgestellt und andererseits eine Aufteilung in allgemeine, Semi-spezielle und Spezielle Präventionsübungen vorgenommen. Unterscheidungskriterium ist hierbei die Aktivierung von langsamen Muskelfasern hin zu den schnellen Muskelfasern (z.B. Pezziball-Trommeln).

Auf das Lombardsche Paradoxon wird in dem Artikel nicht eingegangen.