17.07.2023, 08:44
(16.07.2023, 22:42)runner5000 schrieb:runner5000, was du schreibt sehe ich in weiten Teilen als Beleg für meine Ausgangsthese. Es muss möglich sein Spitzensport – zumindest bis zu dem Niveau ein Kandidat für internationale Meisterschaften zu sein – ohne Kader zu betreiben. Dann kann der Kader wie vom DOSB gefordert auch nur für die Top8-Kandidaten ausgelegt sein. Und ich wüsste nicht, warum ein Verband, der grundsätzlich erst einmal die Sportals als Gesamtheit vertritt, nicht explizit hierfür etwas tun können sollte oder es tut. Ich will sogar die These aufstellen, dass das Grundsettting (das wie gesagt nicht allein vom DLV kommt) falsch ist, denn die Top8-Kandidaten lassen sich theoretisch viel eher privatisieren (siehe Koko, Farken oder Gina in internationalen Teams - soetwas sollte Deutschland mal für den Wurf selbst aufbauen), diejenigen, wie viele der U23-Starter nun allerdings nicht.(16.07.2023, 21:55)Reichtathletik schrieb:Für viele Leute ist Kader aber alles. Ich kenne viele, die nach einem Verlust des Kaderstatus hingeschmissen haben oder kurz davor waren. (PS: Einer von denen ist gestern gerade PB und EM-Norm gelaufen.) Auch als zu Beginn des Jahres das Thema der wegbrechenden Sporthilfeförderung auf einmal aufkam, waren wieder einige kurz davor aufzuhören, wenn sie jetzt keine Sporthilfe mehr bekommen.
Auch Stipendien hängen am Kaderstatus. Das Deutsche Bank Stipendium kann man ohne Kaderstatus gar nicht bekommen, fällt also abrupt weg, wenn man rausfliegt. Auch das Deutschlandstipendium kann man als Bundeskader relativ einfach bekommen. Ohne Kaderstatus spielt der Sport bei der Vergabe jedoch keine Rolle und man ist quasi normaler Student, der durch hervorragende Studienleistungen in kurzer Dauer und soziales Engagement auffallen muss, um eine Zusage zu bekommen.
Florian Bremm ist auch ein sehr gutes Beispiel, wie wichtig ein Kaderstatus sein kann. Er hat sich letztes Jahr als Vollzeitpolizist in den Kader gekämpft, kam dadurch in die Sportfördergruppe, wurde vom Dienst freigestellt und kann seitdem wie ein Profi trainieren. Wenn er jetzt wieder rausfliegt, weil wieder jemand die Kadernormen verschärft hat, muss er zurück in den Dienst und seine tolle Entwicklung in diesem Jahr wird wieder massiv ausgebremst. Als er im Mai die 13:30 min gelaufen ist, war er sich sicher, die Norm wieder erfüllt zu haben, da die bei 13:35 min stand. Dann kamen auf einmal neue Richtlinien und er hatte die Norm doch nicht, weil sie jetzt bei 13:24 min steht. Jetzt rennt er verzweifelt dieser Zeit hinterher. Gestern hat er es probiert und musste viel Lehrgeld bezahlen.
Ein Verlust des Kaderstatus durch wieder massiv verschärfte Normen hat wegfallende finanzielle Mittel in vierstelliger Höhe pro Monat zur Folge. Das können selbst die Großvereine kaum kompensieren.
Richtig, die Landesverbände sind nach der U20 nicht mehr zuständig. Da muss dringend eine Reform her.
Die Großvereine stützen in den allermeisten Fällen sämtliche Bundes- und Landesstützpunkte, d.h. die dort ansässigen Stützpunkttrainer trainieren Kader- und Nichtkaderathleten in einer Gruppe. Das ist offiziell so aber nicht vorgesehen. DLV-Bundesstütztrainer sind offiziell nur für die Betreuung der am Stützpunkt trainierenden Bundeskaderathleten zuständig, für alle anderen nicht. Das ist ihre Freizeitbeschäftigung, die sie nicht bezahlt bekommen. Interne DLV-Papiere verlangen auch, dass alle Kaderathleten bei einem Bundestrainer trainieren. Streng genommen führt also ein Verlust des Kaderstatus auch zum Verlust des Trainers. In der Praxis natürlich nicht, weil das normalerweise kein Trainer macht, aber das zeigt, wie grotesk das alles ist.
Für die Verteilung von öffentlichen Geldern und Trainerstellen an die Stützpunkte, die auch sehr große Relevanz für die dortigen Vereine haben, spielen auch nur die dort trainierenden Kaderathleten eine Rolle. Ob dort noch deutsche Meister, EM Teilnehmer betreut werden, spielt keine Rolle.
Bei kleineren Vereinen stehen in der Regel weder die finanziellen Möglichkeiten noch Trainer zur Verfügung, die die notwendigen zeitlichen Ressourcen haben, um Athleten in dem Umfang zu betreuen, der für das hier diskutierte Leistungsniveau notwendig ist, da das ja alles zusätzlich zur normalen Arbeit erfolgen muss.
Es braucht Programme, die Vereine, Landesverbände und ggf. Dritte in die Lage versetzen, Leistungssport zu betrieben ohne dass es direkt schwarz/weiß: Fördergruppe und Quasi-Profi oder keine Zeit mehr für den Sport gibt. Was ist denn mit der vielbescholtenen Dualen Karriere? Warum gibt es im Deutschen Sport nicht 100 Unternehmen als „Partnerunternehmen des Leistungssports“ die für Athleten mit z.B. Top 8 Platzierung in der deutschen Bestenliste reduzierte Arbeitszeiten anbieten? Solche Kooperationen kann man doch auch abschließen!
Ein negativ-Beispiel ist mir bekannt. Person aus dem Disziplinblock Lauf, kein Bundeskader aber deutsche Top 10. Brauchte nur ein Empfehlungsschreiben um unbezahlten(!) Urlaub für Trainingslager zu bekommen. Also ein Stück Papier! Haben die zuständigen DLV-Trainer verwehrt, weil „keine Kaderathleten“. Dinge die nichts kosten, aber helfen!
Zu der Situation Vereine/Stützpunkte muss ich dir in Teilen widersprechen. Schon die Ausgangsthese „Die Großvereine stützen in den allermeisten Fällen sämtliche Bundes- und Landesstützpunkte“ ist falsch. Es ist genau andersherum: Die Stützpunkte stützen die Vereine! Du beschreibst es selbst. Die dort ansässigen, vom DLV bezahlten Trainer, coachen auch oder teils überwiegend Vereinsathleten. Der Verein bekommt also quasi Trainer bezahlt. Gleichzeitig wird dann aber die tolle Arbeit gelobt. Wie du schon sagst: „ Bei kleineren Vereinen stehen in der Regel weder die finanziellen Möglichkeiten noch Trainer zur Verfügung, die die notwendigen zeitlichen Ressourcen haben, um Athleten in dem Umfang zu betreuen, der für das hier diskutierte Leistungsniveau notwendig ist, da das ja alles zusätzlich zur normalen Arbeit erfolgen muss.“ Das betrifft aber nicht nur kleine Vereine. Das betrifft auch viele Vereine in Metropolregionen. Durch die Stützpunkstellen ist das System massiv verzerrt. Es werden Kaderathleten teils aus den von dir genannten Gründen massiv abgeworben, damit sie die Stellen an ganz anderen Orten sichern. Sinnvoller wäre es dort, wo diese Athleten „entstehen“ die Strukturen zu stärken, damit die Entwicklung fortgesetzt werden kann und reproduziert werden kann.
Neulich wurde eine Stützpunktrainer-Stelle für Dortmund ausgeschrieben. Aufgabengebiet NK2, NK1 und LK. Also Personen, die in einem Alter sind, in dem man in aller Regel die Schule noch nicht abgeschlossen hat und sich demnach an oder in der Nähe seines Geburtsortes befindet. Warum wird so eine Stelle zentral finanziert? Ist das nicht Aufgabe von Vereinen und Stadt/Land? Wieso sollte es in einem Ort mehr 17-Jährige Talente geben als in einer anderen gleichgroßen Stadt? Müssten wir diese Förderung dann nicht überall machen? Oder sogar explizit dort, wo es keine Großvereine gibt?
Ich denke nachwievor das sinnvollste wären Trainer-Stipendien. Das Ziel muss sein, Trainer solange zu unterstützen, bis sie bzw. Ihre Vereine sie „übernehmen“ können. Statt Stellen brauchen wir Anschub-Finanzierung. Das ermutigt dann Vereine auch, das nötige Geld selber auszugeben. Etwas BWL kann man dann auch gerne in die Trainer-Ausbildung aufnehmen. Machen andere Länder übrigens