26.04.2015, 19:31
(26.04.2015, 19:02)La Vicu schrieb:(26.04.2015, 00:36)icheinfachma schrieb: ... schrieb eine Vielzahl von wichtigen Zusammenhängen zum Thema Sprint und Funktion der ischiokruralen Muskeln, die es Wert sind, genauestens studiert und respektiert zu werden. Gleichwohl scheint es notwendig, einzelne Problem genauer zu diskutieren. Da es nicht möglich ist, alles auf einen Schlag zu leisten, beginne ich mit dem Thema „Dehnungsreflex“:
Der Muskeldehnungsreflex ist eine Reaktion des Muskels auf eine unvorhergesehene Verlängerung (Dehnung) des Muskels durch eine äußere Kraft. Bei der Abwärtsbeschleunigung des Beines bis zum Bodenkontakt handelt es sich jedoch um eine Willkürkontraktion (willentlich geplante Aktion) der beteiligten Muskeln. Diese wird seitens der Koordinationszentren im Hirn einerseits durch die Alpha-Innervation zur Durchführung der Muskelfaser-Kontraktion (extrafusale Fasern) angeregt, gleichzeitig aber durch eine Vorausinnervation (Gamma-Innervation) zu den intrafusalen Fasern auf die für die Aktion notwendigen Längen- bzw. Dehnungszustände vorbereitet. Dabei berücksichtigen diese Koordinationszentren die jeweiligen Dehnungs- und Längenzustände der Muskeln, so dass die Muskeln (insbesondere bei Aktionen in einem konstanten Umfeld wie beim Sprint) nicht auf unvorhergesehene Störgrößen durch Dehnungsreflexe antworten müssen. D.h., die Koordinationszentren „wissen“ durch vorherige Aktionen um die morphologischen Zustände der Muskeln, so dass die von den Zentren losgeschickten Kontraktionsbefehle daraufhin angepasst sind. Die Koordinationszentren wissen auch, dass der Unterschenkel zu Beginn der Abwärtsbewegung des Unterschenkels aufgrund der Trägheit das Kniegelenk in eine Streckung zwingen will. Aus diesem Grunde wird durch die Gamma-Innervation der intrafusalen Fasern die Reizschwelle der Dehnungsrezeptoren derart angepasst (= Verstellung der Führungsgröße in diesem Servomechanismus), dass sie (die Dehnungsrezeptoren) nicht von der trägheitsbedingten Wirkung der Kniestreckung überrascht werden (= Abfangen einer Störgröße) und die Regelgröße (= Muskeldehnungsgrad) nicht vom Koordinationsziel abweicht.
Auf diese Weise wird das System Koordinationszentrum+Muskel frei, um auf tatsächlich unvorhergesehene Störgrößen zu reagieren, etwa bei einem Tritt auf eine nicht vorher identifizierte Bodenunebenheit. Die damit verbundene plötzliche Längenänderung (Dehnung) des Muskels addiert sich zum augenblicklichen von den Koordinationzentren eingestellten Dehnungsgrad und wird reflexartig durch Kontraktion (=Dehnungsreflex) beseitigt. Diese höchst sinnvolle Einrichtung mag beim Sprint über eine unebene Aschenbahn noch von Nutzen gewesen sein und dem Sprinter geholfen haben, trotz Dehnungsreflex noch einen Rekord einzufahren. Zu Zeiten von Tartanbahnen würde die Auslösung eines Dehnungsreflexes auch nur während einer einzigen Bodenkontaktphase den Sieg, Rekord… in weite Fernen rücken.
Kurz und gut: Die ischiokruralen Muskeln reagieren nicht reflexartig auf die Dehnung durch die Trägheit des Unterschenkel, sondern bereiten sich mit Hilfe der Koordinationszentren und des Muskelspindel-Servomechanismus rechtzeitig auf ein Abfangen der Dehnung vor.
Mein Appel an die Praktiker:
Schmeisst bitte den Muskeldehnungsreflex aus dem Kopf, denn den gibt es nicht. Gemeint ist der reflektorische Miskelfaserüberdehnungsschutz. Diesen reflektorischen Schutz kann niemand positiv im Sprint einsetzen, und der wird nicht bei einer Verletzung eingesetzt (kommt nicht dazu). Das mit dem Muskeldehnungsreflex ist nur eine schädliche ablenkende Pseudowissenschaft.
Manöööö!!!