25.04.2015, 14:39
(25.04.2015, 11:03)W. Kronhard schrieb: Wie kommt die Kniebewegung nach vorne im zweiten Fall zustande?
Nur durch die Anziehungskraft der Erde, in der Schwerelosigkeit nicht vorhanden.
… aber nur, wenn im gleichen Augenblickh die Ischios ihre Kontraktion einstellen. Dann würde aber auch der Unterschenkel wieder „herunterfallen“ – wenn nicht andere Muskeln, etwa der kurze Bizepskopf, helfen.
Es ist richtig, bei allen Beurteilungen der Wirkungsweise von Muskelkontraktionen stets die vorherrschende äußere mechanische Situation (Schwerkraft, Trägheitskraft, Stützreaktion …) mit zu berücksichtigen.
Geht man nur von der Gliederkette Becken, Oberschenkel, Unterschenkel + Fuß aus und nimmt an, dass der Fuß keinen Bodenkontakt hat, wirken bei einer Kontraktion der ischiokruralen Muskeln auf die beiden Muskelansatzstellen (Sitzbeinhöcker einerseits, Wadenbeinköpfchen + innerer oberer Schienbeinknorren andererseits) gleich starke Kräfte, aber mit entgegengesetzter Wirkungsrichtung (Die Wirkung des kurzen Bizepskopfes soll in der folgenden Betrachtung nicht mitberücksichtigt werden). Die drehende Wirkung (= Drehmoment) auf Hüft- bzw. Kniegelenk wird jeweils bestimmt durch den jeweiligen Kraftarm, der in der Ausgangsstellung bei hängendem Bein im Hüftgelenk mehr als doppelt so groß ist wie im Kniegelenk. Also ist aus das Drehmoment der ischiokruralen Muskeln zu Beginn der Bewegung im Hüftgelenk mehr als doppelt so hoch (im Sinne einer Hüftstreckung) wie im Kniegelenk (im Sinne einer Kniebeugung). Die Schwerkraftmomente des Unterschenkels auf Kniegelenk und Hüftgelenk sind zu Beginn der Aktion gleich groß. Somit müsste sich zu Beginn der Aktion auf Grund des größeren Hüftgelenkmomentes der ischiokruralen Muskeln zuerst eine Hüftstreckung bemerkbar machen, noch bevor sich das Drehmoment der IM im Kniegelenk gegen das Schwerkraftmoment im Kniegelenk durchsetzt und das Kniegelenk zu beugen beginnt. Mit fortschreitender Kontraktion vergrößert sich das Schwerkraftmoment im Kniegelenk durch den Transport der Unterschenkelmasse nach dorsal, bis sich der Unterschenkel in der Waagerechten befindet. Gleichzeitig vergrößert sich durch die Drehbewegung des Unterschenkels der Kraftarm der IM im Kniegelenk und damit auch das Drehmoment der IM im Kniegelenk. Ab der Waagerechten verkleinern sich sowohl das Scherkraftmoment und IM-Kraftmoment im Kniegelenk. Erst unter der Bedingung, dass im Laufe des Kniebeugens beim Überwinden des Schwerkraftmomentes des Unterschenkels das Muskelkraftmoment im Kniegelenk größer werden sollte als das Muskelkraftmoment im Hüftgelenk, dürfte sich eine Hüftbeugebewegung ergeben.
Ich jedenfalls kann im aufrechten einbeinigen Stand den Unterschenkel bis über die Waagerechte nach hinten beugen, ohne dass das Knie sich nach vorn bewegt und ohne dass sich die geringste Anspannung im Gesäßmuskel ertasten lässt – ein Hoch auf die Ischios, die auch ohne Hilfe anderer Muskeln das Knie beugen und die Hüfte strecken können,.--- Ein Loblied auf die Ischios!