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1s Schonzeit vs 2s positive split 400m WJ - Druckversion

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RE: 1s Schonzeit vs 2s positive split 400m WJ - dominikk85 - 21.01.2025

(20.01.2025, 08:42)TranceNation 2k14 schrieb: Letztlich ist es fraglich, ob man in den U-Klassen Richtlinien zur Schonzeit angeben sollte. Dies ist ja auch abhängig davon wie in dem Jahrzehnt zuvor trainiert wurde. Habe ich da einen Sprintertypen, habe ich da einen Mehrkampftypen, oder einen ehemaligen Fußballer. Auch gerade als Athlet sollte man die 400 m nicht verkopfen.

Wäre es nicht eventuell auch sinnvoll sich langsam an die angangszeit ranzutasten?

Also wenn ich als junger Sprinter der von den 100m kommt und ne 200m PB von 23,5 habe und das erste mal 400m laufe lieber erst mal in 26s angehen und wenn das gut läuft beim nächsten mal eine halbe Sekunde schneller angehen.

Ist wahrscheinlich weniger riskant als sich an der Theorie zu orientieren und dann riskieren ordentlich einzugehen.


RE: 1s Schonzeit vs 2s positive split 400m WJ - S_J - 21.01.2025

Das ist sicherlich Typfrage (eher ängstlich oder eher risikofreudig) und hängt vom Kontext ab (innerhalb eines Zehnkampfs, in einer 4x400m Staffel, aus Spaß, oder um eine Quali zu laufen...)

Nehmen wir doch dein Beispiel des 23,5s-Sprinters. Dieser könnte ja das Saisonziel haben, sich für die U18-DM zu qualifizieren. In der Halle möchte er nun austesten, ob die 22,90s für die 200m oder die 52,00s für die 400m oder gar beides die beste Option für ihn sind.

Wenn er in 26,00 anläuft, wird er möglicherweise in 54,00 ins Ziel kommen 'ohne einzugehen'. Also eher eine Orientierung an einem geringen positiven Split, wofür man eine größere Schonzeit in Kauf nimmt.

Alternativ wäre ja auch die Möglichkeit denkbar, zu sagen: "Um 52,00 zu laufen muss ich die ersten 200m in mindestens 25,00 anlaufen. Mal schauen, wie dann die zweite Hälfte aussieht."  –  Auch das wäre ja noch ein "Herantasten" an die Schonzeit von 1s.

Man kann sich diesem "Ideal" sicherlich aus verschiedenen Richtungen annähern, auch abhängig von der Trainingsphilosophie, die dahintersteht und was eben zu dem Athleten passt. Daher interessieren mich eben die Erfahrungswerte, die Trainer hier mit den verschiedenen Herangehensweisen gemacht haben.


RE: 1s Schonzeit vs 2s positive split 400m WJ - TranceNation 2k14 - 21.01.2025

Ich würde dem 23,5-Sprinter eher empfehlen im Sommer/Herbst bei einem Sportfest die 400 m mal (mutig) zu testen oder, wenn möglich, in einer Staffel (Position 2-4). Auch würde ich versuchen früh das "Gefühl" zu schulen. Ich denke einem 23,5-Sprinter wird es "wehtun" in 26.0 anzusprinten (er würde vermutlich eher 800 in 26.0 angehen). Die Maßgabe könnte sein, "lauf wie 200 m an, aber lockererer Schritt auf der Geraden". Zudem gibt es ein paar metabolische Eigenarten, zB können die ersten 60 m in 98% oder 50% bei nahezu gleicher Laktat produktion angegangen werden, daher ist es nicht lohnenswert, die ersten 200 m gewalltvoll langsam anzulaufen etc.


RE: 1s Schonzeit vs 2s positive split 400m WJ - Delta - 28.01.2025

Die 400 m konservativ angehen. Meint so 26 Sekunden und dann ganz genau beobachten was auf den letzten 100 m passiert. 80 m und 50 m vor dem Ziel wird es stark langsamer oder umgekehrt.

Wer etwas sicherer sein möchte verlängert den Lauf auf 420 m


RE: 1s Schonzeit vs 2s positive split 400m WJ - TranceNation 2k14 - 28.01.2025

Ihr würdet echt einem 23.5 Sprinter empfehlen in 26 anzugehen?


RE: 1s Schonzeit vs 2s positive split 400m WJ - S_J - 28.01.2025

(28.01.2025, 12:51)TranceNation 2k14 schrieb: Ihr würdet echt einem 23.5 Sprinter empfehlen in 26 anzugehen?

Ich persönlich würde ihm empfehlen in 24.5-25 anzugehen. Bei der männlichen Jugend scheint die Faustregel ja auch eher aufzugehen.

Die Doppelstarts am Wochenende in Sindelfingen bestätigen auch den Erwartungswert, dass die MJ ihre 400m tendenziell in 90-91% ihrer 200m-Zeit laufen und die WJ eher mit 88-89% unterwegs sind.

Die WJ ist also auch relativ zur 200m-Zeit 1-2% langsamer. (2% von 60s sind ja immerhin 1.2s!) Womit ich für mich wieder zur Ausgangsfrage zurückkomme: Ist diese zusätzliche Sekunde besser in einer größeren Schonzeit oder einem größeren positive Split aufgehoben?

Zur Illustration: Wenn die WJ ihre 400m faktisch in 89% ihrer 200m Geschwindigkeit läuft, werden für die DM-Norm von 58,60 eine Unterdistanzleistung von 26,08s benötigt. (Runden wir das auf 26,00)

Dann sind ja folgende Taktiken denkbar:
a) 0-200m in 27,00 und 200m-400m in 31,60 (1s Schonzeit, 4.6s positive Split)
b) 0-200m in 28,30 und 200m-400m in 30,30 (2.3s Schonzeit, 2s positive Split)

Oder die abgestuften Varianten:
c) 27,5 + 31,1 (1.5s Schonzeit, 3.6s positive Split)
d) 28,0 + 30,6 (2s Schonzeit, 2.6s positive Split)


RE: 1s Schonzeit vs 2s positive split 400m WJ - TranceNation 2k14 - 28.01.2025

Was etwas in deiner Gegenübstellung untergeht, ist, dass die beiden 200er ja nicht gleichmäßig sind, sondern beide für sich (aber auch das ganze als solches) regressiv sind, also langsamer werden. Die Idee ist ja mit der niedrigen Schonzeit dies auf de rzweiten Hälfte möglichst wenig zuzulassen. Dennoch ist das nicht so einfach berechenbar. Die anerobe Glykolyse fällt ca. 40-45 sec bereits auf unter 25% der Energiebereitstellung, oder mit anderen Worten, ab da nimmt die Laktatproduktion nicht mehr großartig zu und ist nah am Maximum. Bedeutet auch, die aeroben Enzyme werden gehemmt usw.

Grob überschlagen wäre die Athletin in 45 sec in
a) 314 m
b) 310 m
c) 313 m
d) 311 m
gelaufen, d.h. wir reden hier im Extremen von einer Zeitdifferenz bei 310 m von ca. 0,6 sec.

Ich halte es persönlich für einen Trugschluss dass die konservative Herangehensweise soviel weniger Laktat produzieren lässt, dass die letzten 90 m 0,6 sec schneller gerannt werden können (beachte: ich habe die Regression in der zweiten Hälfte bei der Berechnung nicht berücksichtigt).

Gegenfrage (ernst gemeint): Hast du Zeiten derselben AK über die 800 m? Gab es da positive Splits? Mich würde interessieren, ob 2 sec dort auftauchen


RE: 1s Schonzeit vs 2s positive split 400m WJ - S_J - 28.01.2025

Aus energetischer Sicht wäre es tatsächlich vermutlich deutlich relevanter, den 150m und 300m Split zu haben als den 200m Split. Big Grin  Ich würde jedenfalls argumentieren, dass die Geschwindigkeitsregression erst nach ca 15s einsetzt und dann eben nach den von dir angesprochenen 40s deutlich stärker wird. Ob das dann eher 35s oder 45s sind hängt sicherlich vom Trainingszustand ab, aber eben auch davon, wie sehr man sich die Energie einteilt. Jemand, der voll anläuft, wird schneller übersäuern. Man kann sich ja darüber streiten, ob van Niekerks WR optimal war, da er ja am Ende stark eingebrochen ist. Andererseits hat es noch keiner schneller geschafft Big Grin

Ich empfehle als Datensatz die Ergebnisse der USA Trials auf https://results.usatf.org/ da dort für alle Läufe auch die 100m Splits verfügbar sind. Dort sieht man sehr schön, dass die Männer, die ja schneller sind, mit den gleichen Energiesystemen mehr Strecke zurücklegen können und daher auch in den dritten 100m noch sehr schnell unterwegs sind. Ich würde mir da ja gerne noch kleinere Splits wünschen Smile

Aber zurück zur Jugend:

Über 800m gilt es ja traditionell als ideal die erste Runde in 90-92% der 400m-PB zu laufen, also einer Schonzeit von ca. 4s für Männer und 5s für Frauen, und dann einen positiven Split von 2-3s. Also 2x400 + 10-13s.

In der MJ U20 haben sich die ersten beiden stark abgesetzt:
BW-Meister wurde Janne Henschel in 1:53,21, der eine Woche vorher 400m in 50,92 gelaufen ist.
2. Platz Yannick Graf in 1:53,26 mit einer Freiluft-PB von 50,88s.
Yannick hat die ersten drei Runden das Feld angeführt mit Splits von 26.87, 55.05 und 1:24.24
Das entspricht also einer Schonzeit von ca. 4s (bzw. 92%) und einen positive Split von 3s (also +11s)

WJ U20 taktisches Rennen mit einem Negativ-Split von 7s. Big Grin
Die BW-Meisterin Alicia Fischer hat allerdings von letzter Woche 63,21s und 2:17,69 (2x400 + 10s) stehen.
Letztes Jahr draußen allerdings 60,04 und 2:13.58 (2x400 +13s)

MJ U18 ebenfalls taktisch mit 67s für 400m und einer Siegerzeit von 2:07...
Für die Podestplätze war das spannenderweise trotzdem eine PB Huh

In der WJ U18 gibt es wieder "verwertbare" Daten:
Start-Ziel Sieg für Saskia Zeller. 400m in 66,66 und Siegeszeit 2:15,17. Da sind also die +2s positive Split Big Grin
Ihre 400m PB ist eine Woche alt und 60,78s, also: 91% der 400m PB (+6s), und damit insgesamt +14.
Die Vizemeisterin ist 60,33s (samstags) und dann sonntags 2:16,33 über 800m gelaufen. Beides PB.