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Diskus: Stützabwurf oder Umsprung? - Druckversion +- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com) +-- Forum: Leichtathletikforen (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=1) +--- Forum: Training in Praxis und Alltag (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=6) +--- Thema: Diskus: Stützabwurf oder Umsprung? (/showthread.php?tid=52) |
RE: Halle Werfertage 2014 - Solos - 19.05.2014 Gut, dass ich als Bub doch noch den Rettungsschwimmer -Junior ablegte, ehe ich mich vollends der Leichtathletik zugewandt habe. Dieser war bei dem gestrigen Dauerregen in Halle gut zu gebrauchen! ![]() Ein großes Kompliment an all die Athleten, insbesondere den jungen U18ern und U16ern, die den zum Teil widrigen Verhältnissen getrotzt haben und dennoch an den Start gegangen sind. Für den einen oder anderen ist sogar noch eine Bestleistung herausgesprungen. Sehr schön! (18.05.2014, 11:01)Diskusmann schrieb: Wer es noch nicht bemerkt haben sollte: Robert Harting warf zumindest in seinem dokumentierten 68,28m-Versuch stützlos. (@Solos: war das auch in den anderen Versuchen der Fall?) A propos Fall: Fast artistisch sein Sturz innerhalb des Rings dabei. Gut beobachtet. Harting hat den Wettkampf im Sprung begonnen und sich zunächst sehr schwer getan. Die ersten beiden waren ungültig. Der Eine ging an den rechten Pfosten des Käfigs. Der Andere landete rechts neben dem Sektor. Nachdem er sich im dritten im Stütz mit 67 glatt in den Endkampf gerettet hatte, stellte er wieder im vierten wieder auf Sprung und warf seine Tagesbestweite. Auch im sechsten warf er nochmal im Sprung, der Diskus landete aber wieder außerhalb. Meiner bescheidenen Ansicht nach war das ein dicker 69er und hätte vermutlich zum Sieg gereicht. Hätte, hätte.... Zu den Hintegründen der Technikumstellung im Wettkampf kann ich nichts sagen. Man hört aber, dass im Training wohl das ein oder andere Mal mit dem Sprung experimentiert wurde. Wenn ich mich recht erinnere hat er im letzten Jahr auch schon mal testweise einen Wettkampf im Sprung absolviert. Es ist immer schwer einen derartig erfolgreichen Athleten zu kritisieren. Aber das bei Harting technische Probleme vorliegen ist offensichtlich. Das starke Ein- bzw. Ausbrechen im Abwurf fällt schon sehr auf. Das Stemmbein steht gar nicht gut und häufig hat er Mühe Versuche zu stehen. Es gibt sicher auch einen Zusammenhang zwischen seinen Knieproblemen und der Stemmbeinarbeit. Mechanische Fehlbelastungen bei den über die Jahre summierten Umfängen hinterlassen ganz sicher ihre Spuren im Sehengewebe. Von daher ist es nachvollziehbar, wenn er mit seinem neuen Trainer T. Schmidt, auch vor dem Hintergrund seines fortschreitenden Alters, nach neuen technischen Wegen sucht. Gruß EDIT: Ich habe den Beitrag nebenher verfasst und Sprung und Stütz sowie die Versuche durcheinander gewürfelt. Harting begann im Sprung, stellte für einen Versuch auf Stütz um und sprang dann wieder. Die entsprechende Textpassage habe ich editiert und Fett markiert. Sorry. RE: Halle Werfertage 2014 - Robb - 19.05.2014 (19.05.2014, 11:55)Solos schrieb: Zu den Hintegründen der Technikumstellung im Wettkampf kann ich nichts sagen. Man hört aber, dass im Training wohl das ein oder andere Mal mit dem Sprung experimentiert wurde. Wenn ich mich recht erinnere hat er im letzten Jahr auch schon mal testweise einen Wettkampf im Sprung absolviert.Hast du die Interviews mit Schmidt und Harting auf la.de gelesen? Da wurde das Thema Technik auch angeschnitten und zusammenfassend ist es wohl so, dass sich die Technikfehler auf Schmerzen im Knie zurückführen lassen. Das Knie wurde intensiv behandelt, Harting kann jetzt schmerzfrei werfen und sie haben versucht, seine Technik komplett "neu" aufzubauen, um die Fehler auszumerzen. RE: Halle Werfertage 2014 - Solos - 19.05.2014 Nein, habe ich noch nicht gelesen. Für mich stellt sich die Kausalitäts-Kette aber umgekehrt dar. Die Probleme sind Folge seines kompromisslosen Werfens. Mittlerweile sind/waren die Beschwerden sicher so groß, dass sie die technischen Defizite noch verstärkten. Eigentliche Ursache sind sie aber nicht. Wenn die Beschwerden verschwunden sind, dann müssen jetzt natürlich gefestigte Bewegungsmuster aufgebrochen und die Technik neu eingestellt werden. Je nachdem wie das gelingt wird meines erachtens mit entscheidend sein, wie lange Hartin noch auf hohem Niveau werfen kann. Der Sprungabwurf könnte eine Möglichkeit sein. Vielleicht ermöglicht er sogar zusätzlich noch die Erschließung eines neuen Leistungsniveaus. Das hängt aber davon ab, in wieweit Harting vom Fähigkeitsprofil dazu in der Lage ist den Sprungabwurf umzusetzen. RE: Halle Werfertage 2014 - Diskusmann - 19.05.2014 Super Analyse! ;-) Ich sehe das ganz genau so. Will Harting in Bereiche vorstoßen, in denen Alekna und Kanter bereits waren, täten er und sein "Berater" - sagt er von sich selbst - Torsten Schmidt gut daran, sich näher mit dem Sprungabwurf zu beschäftigen. Hartings Probleme mit Knie und Rücken sollten auf seine Art zu werfen zurückzuführen sein, also Stütz und sehr kompromisslos. Ähnliche Probleme hatte ja bereits Riedel und auch Wierig stellte deshalb vor einiger Zeit um und beherrscht diese Technikvariante inzwischen sehr gut. Schafft Harting den Umstieg auf Sprungabwurf wird er sich und uns noch viel Freude bereiten und vor allem in Leistungsbereiche vorstoßen können, die er vielleicht jetzt noch gar nicht für möglich hält. Jemand der so kompromisslos aufs Gerät gehen kann und dann noch sprungabwirft - zum Zungeschnalzen! RE: Halle Werfertage 2014 - Hellmuth K l i m m e r - 19.05.2014 Alle sprechen über Hartings Technik - keiner über die des Siegers P. Malachowski. In meinen Augen dominierte er gegen die vielleicht gar körperlich Prädestinierteren vor allem durch - schnelleres Drehen - einen enorm schnellen Arm. Ob man sich in Deutschland vielleicht mehr um die Schnellkraft des Armes/des Athleten bemühen sollte? ![]() Jedenfalls war das bei dem "Kleinen" P. M. frappierend und der Gewinn d a d u r c h nicht zu übersehen. (.. meint der nur gelegentlich werfende LJ hek )H. Klimmer / sen. RE: Halle Werfertage 2014 - Solos - 20.05.2014 Mensch Hellmuth, keiner will die außergewöhnliche Leistung Malachowski's schmälern oder unter den Tisch kehren. Mala ist ein herausragender Athlet, der nicht umsonst Hartings ärgster Widersacher war, ist und sicher auch bleiben wird. Aber es sollte doch verständlich sein, dass es für Aufsehen sorgt, wenn Deutschlands erfolgreichster Leichtathlet eine derartig grundlegende Technikumstellung anstrebt. In diesem Zusammenhang: Der Sprungabwurf ist eine von der Anlage her völlig andere Technik als der Stütz. Sprungwerfer operieren mit deutlich höheren Drehgeschwindigkeiten (-->Drehimpulsen) und realisieren die Impulsübertragung während des Abwurfes durch stärkere Einbeziehung der Beine zur Erzeugung eines großen Vertikalimpulses. Stützwerfer hingegen drehen langsamer an und erzeugen, zumindest im Spitzenbereich, mehr Diskusgeschwindigkeit im Abwurf. Am Ende kommt in etwa die gleiche Abfluggeschwindigkeit heraus. Tendenziell erreichen Springer jedoch größere Werte. Das zeigt sich auch daran, dass die Mehrheit aller 70 Meter Würfe von Springern erzielt wurde. Es gibt eine schöne Analyse von Hildebrandt aus Leipzig, der Anhand eines Vergleichs zwischen Alekna und Riedel die technikspezifischen Unterschiede von Sprung und Stütz anhand biomechanischer Parameter herausarbeitet. Die Gegensätzlichkeit beider Techniken manifestierte sich geradezu in diesem Duell, dass über Jahre die Weltspitze bestimmte. Meines Erachtens liegt der Vorteil der Sprungabwurf in der effektiveren Einbeziehung der unteren Antriebe, woraus sich die potentiell größeren Möglichkeiten für die Trainingspraxis ergeben. Dennoch sollte man den Stütz nicht abschreiben. Es wird immer wieder Athleten geben, die relativ langsam auf den Füßen sind und längere Bodenkontaktzeiten für die Kraftentwicklung benötigen. Denen würde der Diskus bei hohen Drehgeschwindigkeiten mit Sprungabwurf einfach weglaufen. Solche Typen, hohe Rumpfkraftfähigkeiten vorausgesetzt, fahren dann mit dem Stütz besser. Es ist wie immer eine Frage der individuellen Eignung. Diese muss vom Trainer erkannt und in geeignete Bahnen gelenkt werden. Die Antriebsleistung des Wurfarmes spielt natürlich auch eine Rolle, allerdings würde ich diese zunächst einmal sekundär sehen. Aber vielleicht hätte diese Thematik generell einen eigenen Thread verdient? Die sich aus den unterschiedlichen Techniken ergebenden trainingsmethodischen Konsequenzen sind sicher eine Diskussion wert und könnte für Trainer hilfreich sein. RE: Halle Werfertage 2014 - MZPTLK - 20.05.2014 (19.05.2014, 22:17)Hellmuth K l i m m e r schrieb: Alle sprechen über Hartings Technik - keiner über die des Siegers P. Malachowski. Körperliche Prädestination ist relativ, jeder hat seine Defizite und Baustellen woanders. Entscheidend ist, dass der Diskus schnell wird, der Werfer kann vergleichsweise 'langsam' aussehen. Und ein schneller Arm ist das letzte Glied in der Beschleunigungskette, wenn ich ansonsten eine lahme Ente bin, rettet mich der auch nicht mehr. Ich gebe Solos recht, die Technikunterschiede hat er gut dargestellt. Wenn man Handreichungen für Trainer geben wollte, in welche Richtung sein Athlet gehen sollte, wird es sehr schwierig, vor allem auch, weil das (längerfristig aufzubauende) Potential nicht immer ohne Weiteres erkennbar ist. Vielleicht stellt man nach einer gewissen Zeit fest, dass man doch nicht so weit kommt, wie man vermutet hatte. Kanter hat als der typische Schnell-Drehwerfer -ganz ähnlich Malachowski- sicher immense Rumpfkraft, eventuell aber zuwenig Beweglichkeit für den Stützwurf, aber das ist nur eine Vermutung. RE: Halle Werfertage 2014 - Hellmuth K l i m m e r - 20.05.2014 Danke, danke für die wirklich guten Technikerläuterungen. :danke: Kleines Hüpferlein H.K. hat dazu gelernt. Mit der "Verwendung" - etwa bei der Ausbildung "meiner" Trainerstudenten - wird's aber leider nichts mehr ... ![]() Frage an Solos : Wer ist Hildebrandt und w o finde ich seine Analyse (IAT, FKS Leipzig?) Deine Forumbeteiligung find ich super, davon brauchten wir hier / hätte ich gerne mehr. Ich überlege dauernd, wer mir in den Brandbergen in Halle als Fachmann n i c h t aufgefallen ist; schon wieder so ein ängstlicher Anonymus ... ![]() H. Klimmer / sen. RE: Halle Werfertage 2014 - Solos - 20.05.2014 (20.05.2014, 11:30) Hellmuth K l i m m e r schrieb: Frage an Solos : Wer ist Hildebrandt und w o finde ich seine Analyse (IAT, FKS Leipzig?) Die Rede ist von Falk Hildebrandt, ehemaliger Biomechaniker am IAT in Leipzig. Ich bin derzeit unterwegs und habe keinen Zugriff auf meine Bibliothek. Eine konkrete Quellenangabe werde ich Ende der Woche nachreichen! RE: Halle Werfertage 2014 - MZPTLK - 20.05.2014 (20.05.2014, 07:00)Solos schrieb: Am Ende kommt in etwa die gleiche Abfluggeschwindigkeit heraus. Tendenziell erreichen Springer jedoch größere Werte. Das zeigt sich auch daran, dass die Mehrheit aller 70 Meter Würfe von Springern erzielt wurde. Es gibt einen Thread 'Diskus: Stützabwurf oder Sprung?', wo diese Thematik herein passen würde. Ich habe allerdings ein kleines Problem mit dem Begriff 'Sprung', weil das falsche Assoziationen hervorrufen kann, wie damals schon bei Thomas. Besser wäre m.E. Rotationswurf, aber auch das finde ich nicht ideal. Die Mehrheit aller 70 m Würfe wurde von 'Springern' abgeliefert, allerdings ein grosser Teil davon vor über 20 Jahren(honi soit qui mal y pense) und auf Segelwiesen. Wenn man sich die ewige deutsche Bestenliste ansieht(50 Beste), stellt sich das durchwachsener dar, da sind die Stützwerfer eher in der Mehrzahl. Das dürfte vor allem auch mit der in der DDR wie auch im Osten überhaupt favorisierten Technik zusammen hängen. Letzen Endes kommt es mMn auf den Typus und das individuelle Potential des Athleten an. Ich hatte im o.g. Thread geschrieben, dass die 'kleineren' Werfer meistens bei der Rotation, die 'langen Kerls' besser beim Stütz aufgehoben sein dürften. Ich kann mir zum Beispiel kaum vorstellen, dass Markus Münch(2.07, gefühlte Spannweite 2,18) ein veritabler 'Rotarier' werden könnte. Es dürfte sehr schwer sein, Markus schneller zu machen und seine Rumpfkraft(sehr langer Oberkörper) wesentlich zu verbessern. Andererseits hätte der (Doping-)Olympiasieger 2004(aberkannt) Fazekas mit Stütz sicher keine 70,71 m geworfen. Dieser Wurf war perfekt und ein ästhetischer Genuss. Dass ein so 'unterdimensionierter' Athlet in einem olympischen Finale so weit werfen konnte, geht auch auf das Konto der Technik. Die grosse Preisfrage ist, ob er ohne Doping zu einer so überragenden Technik fähig gewesen wäre, mMn ganz sicher nicht. Und da sind wir auch wieder bei den 70 m Würfen der 'guten' alten Zeiten. |