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Toleranz und Respekt - Druckversion

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RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - Pollux - 19.06.2014

@MZPTLK
Die Übertretung von Persönlichkeitsrechten ist niemals dringend geboten! Sie kann in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein. (Der überges. Notstand, der jedoch nicht zum Kriterium zur Beurteilung der Geltung von ...rechten ist) Und die Genese von irgendwas bestimmt nicht den Anspruch auf Geltung. 


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - MZPTLK - 19.06.2014

(19.06.2014, 20:44)Pollux schrieb: @MZPTLK
Die Übertretung von Persönlichkeitsrechten ist niemals dringend geboten! Sie kann in Ausnahmefällen gerechtfertigt sein. (Der überges. Notstand, der jedoch nicht zum Kriterium zur Beurteilung der Geltung von ...rechten ist) Und die Genese von irgendwas bestimmt nicht den Anspruch auf Geltung. 
Formaljuristisch muss ich auch nicht Hitler, Stalin oder den Terroristen erschiessen, der gerade mit der Bombe rumfuchtelt.

Ich kann aber, wenn ich möchte, und wenn mich irgendjemand daran hindern will, oder aus Versehen zufällig im Wege steht werde ich seine Persönlichkeitsrechte leider tangieren müssen, weil ich das für dringend geboten halte.

Und dann bitte ich dringend um ein Heldendenkmal, und die Formaljuristen(die ohne meine Tat möglicherweise nicht mehr leben würden) können meinetwegen Doktorarbeiten über meine Tat schreiben, und dabei wird womöglich eine neue Rechtsauffassung generiert.


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - Pollux - 20.06.2014

(19.06.2014, 20:56)MZPTLK schrieb: Formaljuristisch muss ich auch nicht Hitler, Stalin oder den Terroristen erschiessen, der gerade mit der Bombe rumfuchtelt.

Ich kann aber, wenn ich möchte, und wenn mich irgendjemand daran hindern will, oder aus Versehen zufällig im Wege steht werde ich seine Persönlichkeitsrechte leider tangieren müssen, weil ich das für dringend geboten halte.

Und dann bitte ich dringend um ein Heldendenkmal, und die Formaljuristen(die ohne meine Tat möglicherweise nicht mehr leben würden) können meinetwegen Doktorarbeiten über meine Tat schreiben, und dabei wird womöglich eine neue Rechtsauffassung generiert.

Du es kannst es noch so oft dramatisieren. Die verfassungsmäßige Gewährung von Persönlichkeitsrechten bedarf keiner Rechtfertigung im Hinblick auf etwaige Notstände. Aber ihre elementare Außerkraftsetzung bedarf der Rechtfertigung- und ist im Hinblick auf solche Notstände auch möglich. Falls du dich um die Rettung der Menschheit verdient machen solltest, kriegst du sicher deine Medaille. Aber das ändert nichts an der Geltung von Rechtsgrundsätzen. Es sei denn, du machst es wie Major Kong, der die Dinge auch stets von der sportlichen Seite aus betrachtete....


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - MZPTLK - 20.06.2014

(20.06.2014, 09:58)Pollux schrieb: Du es kannst es noch so oft dramatisieren. Die verfassungsmäßige Gewährung von Persönlichkeitsrechten bedarf keiner Rechtfertigung im Hinblick auf etwaige Notstände. Aber ihre elementare Außerkraftsetzung bedarf der Rechtfertigung- und ist im Hinblick auf solche Notstände auch möglich. Falls du dich um die Rettung der Menschheit verdient machen solltest, kriegst du sicher deine Medaille. Aber das ändert nichts an der Geltung von Rechtsgrundsätzen.
Die Geltung von Rechtsgrundsätzen endet dort, wo die Existenz derselben konkret und unmittelbar gefährdet ist.
Insofern könnte man von Dramatisierung sprechen, aber daran ist die Dramatisierung schuld, nicht derjenige, der das Ding beim Namen nennt.
Dass die Ausserkraftsetzung elementarer Persönlichkeitsrechte der Rechtfertigung bedarf, ist nicht der Streitpunkt.

Es gab Heerscharen von Juristen, die den Nazis zugearbeitet haben,
über 90 % von ihnen sind in der Bundesrepublik reinstalliert worden.

Im Grundgesetz steht, dass jeder Staatsbürger im Falle staatlicher Willkür aufgerufen ist, dagegen zu handeln.
Aber wer liest schon das GG...
Vom Handeln ganz zu schweigen, siehe die bei den Nazis und in der Bundesrepublik im Warmen und Trockenen sitzenden Juristen.

Ein besonders dreister Fall war der von Hans Puvogel, der in den dreissiger Jahren in seiner Doktorarbeit rassistisches Gedankengut zum besten gabAngry, 1973 das Grosse Bundesverdienstkreuz bekamAngry, 1976 Niedersächsischer Justizminister wurdeAngry und 1978 wegen seiner 'Jugendsünden' zurücktreten musste.Smile


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - lor-olli - 20.06.2014

Aufschluss- aber wenig hilfreich ist der Argumententransfer von der persönlichen zur gesellschaftlichen / nationalen Gefahrensituation. Den Selbsterhalt kann ich durch eine Gewalthandlung erreichen, die Tötung eines Hitlers oder eines Stalins hätte dagegen was erreicht? Mit ziemlicher Sicherheit hätte es die Leute die diese Verbrecher protegierten und unterstützen, von ihnen profitierten nicht zur "Toleranz" bewogen, sie hätten vielmehr nahtlos an die Argumentationskette die zur Enstehung des WK I führte, angeknüpft.

Das Persönlichkeitsrecht galt sogar in totalitären Systemen meist für die privilegierte Schicht, beschreibt das nicht hinreichend die besondere Stellung dieses Rechts? Nachdem das Erstreiten dieser Rechte ein außerordentlich mühsamer Prozess war, sollte jeder Schritt in die rückwärtige Richtung sehr argwöhnisch betrachtet werden. Die Außerkraftsetzung (Statt des zahmeren Begriffes "Übertretung") muss transparent bleiben, aber genau das passiert eben nicht, immer unter dem Deckmantel und Verweis auf obskure Gefahren.

Das in einem realen zwischenstaatlichen Konfliktfall Rechte beschränkt werden, tragen die allermeisten Bürger mit - allerdings wird mangels eines solchen Konflikts, ersatzweise die Bedrohung durch "Terroristen" angeführt und die Außerkraftsetzung der Persönlichkeitsrechte pauschal auf alle Bereiche der informationellen Selbstbestimmung ausgedehnt. (Nicht-Transparent, Argumentationsschleife: Terroristen könnten…)

Ein Staatssystem, welches sich rühmt in einem langem Prozess die Rechte erstritten zu haben, geht dazu über diese gewonnen Rechte zu beschneiden und dies unter dem Mantel der Geheimhaltung? Nicht tolerabel und ohne den Prinzipienreiter zu geben: Es gibt Prinzipien, die zu Recht einen solch hohen Stellenwert haben, deren Erhalt sollte oberste Priorität haben ist meine tiefste Überzeugung!


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - MZPTLK - 20.06.2014

(20.06.2014, 10:55)lor-olli schrieb: Aufschluss- aber wenig hilfreich ist der Argumententransfer von der persönlichen zur gesellschaftlichen / nationalen Gefahrensituation. Den Selbsterhalt kann ich durch eine Gewalthandlung erreichen, die Tötung eines Hitlers oder eines Stalins hätte dagegen was erreicht?
Adolf Hitler: 'Wir sind nicht tolerant! Wir werden alle Parteien aus Deutschland hinausfegen!'

Hitlers Tötung duch Elser 1939 hätte die Angriffe auf Polen, Frankreich und Russland verhindert. Interessierten kann ich das gern ausführlicher erläutern.

Der erfolgreiche 20. Juli 1944 hätte zig Millionen Tote erspart, keine denkbare Nazi-Nachfolgeregierung  hätte den Krieg mit Hitlerscher Konsequenz weiter geführt.
Eine Militärregierung der Verschwörer hätte umgehend Friedensverhandlungen aufgenommen, unter Inkaufnahme eines  Dolchstossvorwurfs.
General Beck, Kopf der Widerständler: 'Harte Zeiten erfordern harte Massnahmen'.


Es scheint mir, dass es bei dieser Diskussion weniger um Menschenleben als um formaljuristische Petitessen geht. Angry

Ich hoffe aber, dass Lor-Olli und Pollux bei der Enthüllungszeremonie meines Helden-Denkmals die Dankesreden halten.


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - lor-olli - 20.06.2014

Nur kurz, ich sollte mal bei meiner Arbeit bleiben - Respekt oder nicht…

Wo wir gerade bei der Diskussion über die Toleranz sind:

- Menschenleben würde ich nie als Petitesse bezeichnen, sie sind die höchste Maxime, sogar das eines Menschenrechtsverbrechers oder Massenmörders!
- Bei der Verhinderung eines schweren Verbrechens hat der Täter seinen Anspruch auf Respekt und Toleranz im Vorfeld bereits verwirkt (z.B bei konkreter unmittelbarer Tatvorbereitung), Skrupel sind hier auch nicht mein Ding!
- Toleranz gegenüber der Tat? Geht das nicht am Thema vorbei? Toleranz kann ich gegenüber Ansichten und Handlungen üben, die nicht mein oder das anderer Menschen gefährden oder beschränken, nicht gegenüber Taten die mein Selbstverständnis ad absurdum führen würden.
- Mir liegt aber auch eher das Deskriptive denn das Spekulative, insofern halte ich von der Konklusion, dass der Tod eines Einzelnen die Taten vieler verhindert nicht viel (weder Hilter noch Stalin sind Einzeltäter), egal wie stringent die Beweiskette scheint. Weder Dispositionmaxime noch Offizialmaxime funktionieren hypothetisch! Hypothetisch ist dagegen die Prediktive Kodierung der Verbrechensverhinderung.
- Toleranz und Respekt gelten gegenüber denen, solange wie diese sie nicht verwirkt haben.

Wir sind Menschen unsere Logik ist fehlbar, unsere Sprache macht sie noch fehlbarer. Theorien müssen beweisbar sein, Taten haben den Beweis immanent - solltest Du also einen Despoten "erledigen", der nicht nur Deiner Meinung nach ein Despot ist, wäre ich sicher nicht derjenige der Dich verurteilt. Die Tat als solche wäre damit gedeckt, wäre es das Predikt, dass damit weitere Untaten verhindert werden, auch? Das ist kein Formaljurismus sondern schlicht die Erkentnis, dass weder Du noch ich weiß was genau die Folgen sind. Die Nazis (in Oradur, aber nicht nur die wie My Lai und andere zeigten) haben z.B. auf solche Attentate meist mit schweren Vergeltungen reagiert.

Der Mensch sollte durchaus Partei ergreifen (Empört Euch / Stephane Hessel), aber wir sollten nicht die eigene Fehlbarkeit aus den Augen verlieren - das tat nicht einmal ein kluger Kopf und unerbittlicher Wüterich wie Wittgenstein)

Keine Toleranz habe ich aber, wenn ein Staat auf eine (oft noch dazu unbeweisbare) Spekulation hin (ich höre da immer noch "Massenvernichtungswaffen im Irak", die den patriot act verfestigen halfen), die Rechte seiner Bürger beschneidet, einschränkt - genau da ziehe ich die nicht zu diskutierende Grenze. Pollux meint meines Erachtens das Gleiche.


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - MZPTLK - 20.06.2014

Lor-Olli, einige Missverständnisse und Fehlinterpretationen sind im Spiel, aber  machternix.
Du widersprichst Dir in Folgendem:
'Bei der Verhinderung eines schweren Verbrechens hat der Täter seinen Anspruch auf Respekt und Toleranz im Vorfeld bereits verwirkt.'
Dagegen: 'Toleranz und Respekt gelten gegenüber denen, solange wie diese sie nicht verwirkt haben.'
Vor/nach der Tat? Solange die Unschuldsvermutung gilt?

Ich finde rechtspositivistisches Denken und Handeln bezüglich der von mir geschilderten Szenarien
akademisch-impotent, katastrophal und Opfer verachtend.
Dieser Rechtspositivismus scheint bei vielem von Euch Gesagten durch.
Ihr denkt nach dem Motto:
Erstmal gucken, was der Massenmörder so alles anstellt,
und dann entscheiden wir in aller Ruhe nach Aktenlage
.

In der Geschichte wurde im Zweifel - wenn der Leidensdruck entsprechend hoch wurde -
die Drecksarbeit couragierten Leuten überlassen, und auch schon  mal 'vergessen',
die Legitimität deren Handelns genau zu prüfen.
Wenn die Zuschauer und Nutzniesser der Drecksarbeit
wegen ihres Mitläufertums oder mangelnder Courage in Kritik gerieten,
hielten sie mehrere Joker bereit: Befehlsnotstand, unzureichendes Gesamtverständnis, Unzuständigkeit.
Dass sie sich vom System hatten korrumpieren lassen, ist natürlich kein Thema.

Was die Irakdesinformation angeht, so haben sie offenbar ihren eigenen Verteidigungsminister ins Messer laufen lassen.
Aber ich bin nicht sicher, ob wir jemals die ganze Wahrheit erfahren werden,
insbesonders, was die Geheimdienste gefingert haben,
ob sie im Auftrag manipuliert oder schlampig gearbeitet haben.

Die Gemengelage hat sehr viel mit den Trauma 9/11 zu tun,
woraufhin zum Beispiel die Demokraten die Etatvorlage der Reps für die Sicherheit verdoppelt hatten.
Ob das alles verhältnismässig und tolerabel ist,
können nur die Amerikaner für sich entscheiden.

Ich halte mich da raus, weil ich nicht wissen kann,
ob und wieviele Anschläge seitdem verhindert worden sind.
Wenn es welche gegeben hätte,
könnte man wieder mit Positivismus kommen, aber lassen wir das.


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - Pollux - 21.06.2014

MZPTLK

Warum schon wieder der weite Ausgriff? 
Wieso sollte die Rechtfertigungsnotwendigkeit von Beschränkungen der Persönlichkeitsrechte Ausdruck eines Rechtspositivismus sein? Sie ist ja noch nicht mal eine bloß formaljuristische Petitesse. Denn schließlich darf die Beschränkung von Persönlichkeitsrechten nicht der Willkür anheim gestellt werden. Und was den Rechtspositivismus angeht: In der bundesdeutschen Rechtsprechung wurde die Argumentation von Richtern des NS-Regimes, dass sie nur geltendes Recht angewendet haben, als nicht akzeptabel verworfen. Dass ein Hitler-Attentäter sich außerdem auf den Gedanken des Rechts beziehen (rechtfertigen) kann, scheint mir ebenfalls plausibel. Aber das ist kein Argument dafür, dass sich in einem demokratisch legitimierten Verfassungsstaat jeder mal, wenn er das für probat hält, für einen Notstandsagenten halten darf. Die Rechtfertigungsnotwendigkeit im o.g. Sinn ist die fundamentale Bedingung eines Rechts, das den Namen verdient. Nicht mehr und nicht weniger.  


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - MZPTLK - 21.06.2014

(21.06.2014, 09:48)Pollux schrieb: Denn schließlich darf die Beschränkung von Persönlichkeitsrechten nicht der Willkür anheim gestellt werden. ...kein Argument dafür, dass sich in einem demokratisch legitimierten Verfassungsstaat jeder mal, wenn er das für probat hält, für einen Notstandsagenten halten darf.
Jeder nicht, klar. Nur die, die den Weitblick und die Eier haben. Meinetwegen ist das Willkür, aber ohne die für die Tat notwendige Willkür von Notstandsagenten wie zum Beispiel mich kann man in bestimmten Umständen nun mal den Schwerverbrechern nicht das Handwerk legen und viele Leute retten.

Übrigens hatten viele Generäle und hochdekorierte Kriegs-'Helden' auch nicht den Weitblick und die Eier.
Ausserdem wollten sie ihre Pfründe nicht riskieren.
Und dann noch die formaljuristische Ausrede mit dem Eid Big Grin.
'Preussische Generäle meutern nicht!'
(Generalfeldmarschall Erich von Manstein)

Als Die Reich-Ranickis 1943 ihre Flucht aus dem Warschauer Ghetto
planten,
wurde gerade ebendieser Aufstand vorbereitet.
Die Beiden fragten die Verantwortlichen für den Aufstand,
wie sie sich verhalten sollten.
Die Kämpfer entgegneten etwas mitleidig:
'Ach Ihr Intellektuellen, geht besser weg.'