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Toleranz und Respekt - Druckversion

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RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - MZPTLK - 24.06.2014

(23.06.2014, 22:21)Atanvarno schrieb: @MZPTLK

Hältst Du passiven Widerstand für grundsätzlich wirkunglos? Ist der, der unter keinen Umständen einen Menschen töten würde, in deinen Augen nicht couragiert, also feige?
Natürlich nicht grundsätzlich wirkungslos, siehe Mahatma Gandhi. Aber er hatte es mit den Engländern zu tun und nicht mit schwerkriminellen Massenmördern, die ihn sehr früh zu Tode befördert hätten.

Es ist eine Frage der Eskalation, und unter bestimmten Umständen scheiden sich eben die Geister. Die einen(die Allermeisten) ergeben sich, wenige Hartgesottene handeln. Dabei liegen Courage und Feigheit ein ziemliches Stück weit auseinander. Ich würde die Masse nicht unbedingt feige nennen. Kant sagt: Ich kann, weil ich will, weil ich muss.

Es gab früher bei den Kriegsdienstverweigerer-Verhandlungen
folgendes immer wieder gern genommene Beispiel:
Ein feindliches Flugzeug ist im Begriff, auf Ihre Heimatstadt, wo Ihre Mutter wohnt, Bomben abzuwerfen. Sie haben eine Flugabwehrkanone in Reichweite, wie handeln Sie?
Wenn ich jetzt antworte, dass ich den Flieger abschiessen würde, werde ich als KDV nicht anerkannt, wenn ich als grosser Pazifist meine Mutter sterben lasse, glaubt mir das die Kommission nicht.

Wenn ich (bis etwa 1990) politisch argumentiere, indem ich sage: lieber rot als tot, kann ich dabei auch auf die Möglichkeiten passiven Widerstands verweisen, der die Okkupation erträglicher machen,
transformieren und irgendwann vielleicht sogar abschaffen kann.
Aber das hängt natürlich wieder von der Courage der Masse ab, als Einzelakteur kann ich so nicht viel ausrichten.

Als die DDR-Bürger in der Spätphase immer demotivierter wurden, war eine (Re-)Aktion die innere Kündigung, der Dienst nach Vorschrift, das (Selbst-)Organisieren, das Phlegma, usw. - wenn man so will, passiver Widerstand.
Das hatte ein nicht zu unterschätzendes Absinken der Produktivität und damit der Wirtschafts- und Finanzkraft der DDR zu Folge.
Und die erste geglückte Revolution auf deutschem Boden ist vor allem auch deswegen erfolgreich und friedlich verlaufen, weil die DDR sich um Lichtjahre von 1000jährigen Reich unterschied.

Sehr aufschlussreich sind auch die jahrelangen Diskussionen unter den Widerständlern gegen die Naziführung, da gab es eine grosse Bandbreite an Überlegungen und Strategien, und ohne die Eskalation der Verbrechen und ohne Stauffenberg wäre wahrscheinlich alles nur akademisch geblieben.


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - MZPTLK - 24.06.2014

(24.06.2014, 08:37)Pollux schrieb: Jetzt wird’s peinlich! Mach dich mal kundig über Notstandsverfassung, Notstandsgesetzgebung, Notstandsrecht, Ausnahmezustand, innerer Notstand, Verteidigungsfall...
Da hast Du Pech, ich kenne die Diskussion um die Notstandsgesetzgebung zu Zeiten der Grossen Koalition und der APO und danach zufällig sehr genau.
Die Gesetze stellen keine hinreichende Handhabe bezüglich bestimmter aktueller oder vor allem künftig denkbarer Krisenfälle dar.
Zum Beispiel ist bis heute nicht klar, was im Fall eines terroristischen Angriffs auf ein AKW passieren soll.
Folglich müsste ein Luftwaffengeneral eine einsame, gesetzeswidrige und dem letzten Verfassungsgerichtsurteil widersprechende Entscheidung fällen, um Millionen Deutsche zu retten.
Exclamation
Es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass es einen solchen 007 geben wird.

Selbst wenn alle denkbaren Szenarien in Gesetze 'gegossen' sein würden,
wären die Exekutivorgane allzuoft nicht in der Lage, zeitnah und effektiv genug zu handeln.
Helmut Schmidt(Schulden-Schmidt, Atom-Schmidt, Raucher-Schmidt) hatte als Innensenator zu Beginn der Flutkatastrophe im Februar 1962 den Polizeipräsidenten nach Hause geschickt.
Ich bin nicht sicher, ob die zuständigen Stellen heute mehr 'Eier' haben als damals

Du solltest mich mittlerweile so gut kennen, dass du besser sauber und schlüssig argumentierst, als zum wiederholten Mal mit Unterstellungen zu arbeiten.


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - MZPTLK - 25.06.2014

Denkschrift Carl Goerdelers an die Generalität 1943:

'Heute stehen wir unter einer Führung, die sich nicht nur als unfähig erwiesen hat, sondern vermessen und wahnwitzig ist und jedes sittlichen Gehalts entbehrt, weil sie sich des Verbrechens bedient, Verbrechen anordnet und Verbrechen sowie Korruption duldet.

...wie ist es möglich, dass das so anständige deutsche Volk so lange ein unhaltbares System trägt? ...nur, weil sich alle Verstösse gegen Recht und Anstand im Schutze der Geheimhaltung und unter dem Druck des Terrors vollziehen.
...es ist ein grosser Irrtum, anzunehmen, dass die seelische Kraft des deutschen Volkes erschöpft sei, sie ist nur geradezu planmässig verschüttet.

Es ist also die Aufgabe einer rettenden Tat
, die Deckmasse, das heisst das Geheimnis und den Terror, hinwegzuräumen, Recht und Anstand wieder herzustellen...'

Goerdeler musste dann natürlich untertauchen, der Aufruf zur Militärrevolte war unmissverständlich.

Mit Toleranz, Respekt und Appellen an verfassungsmässiges Handeln war schon seit über 10 Jahren wenig bis nichts auszurichten.


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - MZPTLK - 12.07.2014

Zwei 'Unverdächtige' hatten sich der Problematik auch schon  angenommen:

'An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns.
An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird? An uns.
Wer niedergeschlagen wird, der erhebe sich!
Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?'

(Bert Brecht: Lob der Dialektik)


'Und Frieden ist nicht mehr nur ein Wort
aus Lügnerschnauzen für Massenmord.
Freiheit...Freiheit von Friedensdemagogie
Nehmt Euch die Freiheit, sonst kommt sie nie!'

(Wolf Biermann: So soll es sein)


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - MZPTLK - 16.07.2014

Carolin und Daniel von der Band Glasperlenspiel wurden vom Heinrich-Schliemann-Gymnasium in Berlin eingeladen, eine Vertretungsstunde zum Thema Respekt zu übernehmen(Auszug):

Daniel: Wer von Euch möchte mit Respekt behandelt werden?
(Alle Hände gehen hoch)
Daniel: Und behandelt ihr auch immer alle mit Respekt?
(Keine Handzeichen)
Daniel: Was glaubt ihr, woran das liegt?
Schüler: Vielleicht daran, dass mein Gegenüber Keine Respektperson ist
Carolin: Siehst du nicht jede Person als Respektperson an?
Schüler: Nein, nicht jeden
Carolin: In was für einer Situation hat es jemand nicht verdient, von dir respektvoll behandelt zu werden?
Schüler: Naja, die, die einfach rumnerven und nicht ernst zu nehmen sind
Daniel: Ich denke, es gibt Menschen, mit denen man besser auskommt und es gibt Menschen, mit denen kommt man nicht so gut aus. Dennoch hat es jeder Mensch verdient, respektvoll behandelt zu werden. Und wenn man mit jemandem nicht auskommt, dann meidet man den einfach und sagt sich: hey, der macht sein Ding, ich mach mein Ding, und wir sind alle cool damit.
Vincent: Ob man Resprkt vor Menschen hat, entscheidet man daran, wie sie aussehen und was für Klamotten sie tragen.
Daniel: Klar, der erste Eindruck zählt. Aber trotzdem sollte man alle Menschen mit Respekt behandeln.
(Nach und nach werden immer mehr Begriffe zusammen getragen: Opfer, Angst, Intoleranz, Beleidigung, Demütigung, Vorurteile, Eifersucht...)
Carolin: Was sind das für Menschen, die mobben?
Daniel: Menschen, die neidisch auf andere sind. Oder keine Freunde haben.
Sophie: Leute, die keinen Respekt vor sich selbst haben.
Josa: Typen, die sich stärker fühlen als andere.
Carolin: Habt ihr selbst schon Mobbing erlebt?
Vincent: Es werden immer Menschen mit Schwachstellen diskriminiert. Zum Beispiel, wenn sie Segelohren haben.
Sophia: Auch Klassenlehrer mobben. Ich habe deshalb sogar die Schule geschwänzt.
Carlo: In der Grundschule wurde ein Junge ständig geschubst Er war kleiner als die anderen. Die Grösseren haben das Mobbingkreis genannt.
Hannah: Weggucken ist halt einfacher. Hier hat sich die Hofaufsicht auch schon weggestellt.
Naomi: Leute aus der Parallelklasse haben mich mit Schnee eingerieben. Sie meinten, ich sei kein richtiges Mädchen. Ich stand da drüber und fand die Beleidigungen eher peinlich.
Carolin: Wie sollte man darauf reagieren?
Paul: Sich Eltern oder Lehrern anvertrauen. Die können was tun.
Sasha: Die Mobber ignorieren.
Daniel: Das ist in Extremfällen schwierig. Aber drüber stehen ist gut, wenn's geht.
Adam: Man sollte sich Freunde suchen - eine Gruppe sein
Daniel: Genau richtig, haltet da zusammen! Sucht euch Verbündete oder sprecht mit Eltern oder Lehrern darüber
Carolin: Gerade die Schule hat die Verantwortung, über Mobbing und Cyber-Mobbing aufzuklären. Vor allem dort, wo Eltern überfordert sind. Das Beste wäre wohl, wenn Experten von ausserhalb an die Schulen kommen und über das Social Web aufklären würden.

Naomi: Das war die beste Stunde zum Thema Mobbing an dieser Schule, die ich bisher erlebt habe. Gerade was das Internet angeht, hatten die Vertretungslehrer auf jeden Fall mehr Plan als unsere Lehrer


In Kürze startet auf Youtube: 361 Grad Respekt, der Jugendwettbewerb gegen Ausgrenzung - mit Glasperlenspiel
www.youtube.de/361grad.


(Aus: Spiesser 153, Juni 2014)


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - MZPTLK - 09.04.2015

Ein ägyptischer Islamist aus London war dem libanesischen TV-Sender Al-Jadeed als Interviewgast zugeschaltet.
Die populäre Moderatorin gilt als höflicher, selbstbewusster Fernsehprofi.

Seine Antworten waren zäh und wurden immer länger.
Die Moderatorin bat um kürzere Antworten.

- 'Seien Sie ruhig, dann kann ich endlich weiter reden.'

- 'In diesem Studio mache ich die Show.
   Wie kann ein respektierter Scheich wie Sie einer Moderatorin sagen, sie soll ruhig sein?'

- 'Es ist unter meiner Würde, von einer Frau interviewt zu werden, die...'

Die Moderatorin drehte das Mikro ab, das Interview war zu Ende.
Sie wandte sich an die Zuschauer und erklärte:
'Entweder gibt es gegenseitigen Respekt, oder das Gespräch ist vorüber.'

(Aus: Die Welt vom 10.3.2015)




'Ich bin nicht einverstanden mit dem, was Sie sagen.
Aber ich würde bis zum Äussersten dafür kämpfen, dass Sie es sagen dürfen.'

(Voltaire)


RE: Toleranz und Respekt [war: Kniebeuge im Sprungbereich] - Atanvarno - 09.04.2015

Jeder muss alles sagen dürfen, aber einen Anspruch auf die Nutzung einer fremden Plattform zur Verbreitung des eigenen Gedankenguts gibt es sicher nicht.


RE: Toleranz und Respekt - MZPTLK - 10.04.2015

Naja, wenn jeder alles sagen dürfte...
Es gibt zum Beispiel Straf-Tatbestände der Volksverhetzung, der Beleidigung, der Üblen Nachrede und Verleumdung.


RE: Toleranz und Respekt - MZPTLK - 15.04.2018

Habe einige interessante Stellen gefunden:

1. 'Im Notstand hört die Gültigkeit der für den Alltag gedachten Gesetze auf.
Das gilt sowohl für das Leben des Individuums wie für das Leben der Völker und Staaten.
Staatsstreiche bewegen sich nicht auf dem Boden der Gesetze.
Sie durch Gesetze zu gestatten,
ist vom Stande des Gesetzes aus ein Widerspruch in sich.
Wäre der Buchstabe des Gesetzes das Höchste auf dieser Erde,
so wäre damit das Urteil über Staatsstreiche und Revolutionen besiegelt.
Aber über dem Gesetz steht das Leben.
Ein politischer Notstand, der sich zur Alternative zuspitzt:
das Gesetz oder das Leben trägt die Entscheidung in sich selbst.
Der Staatsstreich opfert das Gesetz und rettet das Leben und damit das Recht.
Solche Staatsstreiche appellieren an das Tribunal der Geschichte.
Diese Instanz aber ist bis jetzt von allen Völkern als die höchste Instanz anerkannt worden.
Das Urteil, das hier gefällt wird, ist endgültig.
Im Widerspruch zum Gesetz schafft es das Recht.'
(Rudolf von Ihering: Der Zweck im Recht)

2. Luther nennt 3 Arten von Tyrannen: weltliche, religiöse, apokalyptische.
Der dritte erhebt sich über das geistliche und weltliche Reich
und stellt sich bewusst ausserhalb allen Rexchts.
Luther: 'Man muss dem Verbrecher ein Ende machen wie einem reissenden Tier.'

Der im Widerstand stehende Soldat wusste aus Erfahrung,
dass die Ablehnung des Tyrannenmordes einer Proklamation des Willens zur Ohnmacht gleichkam.
Daher auch Art. 20 GG:
3. Gegen jeden, der es unternimmt, diese (Rechts-)Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen
das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Manche zweifeln, ob Widerstand rechtsstaatlicher Weihe bedarf,
und ob man Widerstandsrecht positiv-gesetzlich regeln sollte.
MZPTLK:
Es ist besser so.
Bedarf: hoffentlich nicht!