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Moral in der Leichtathletik - Druckversion

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Moral in der Leichtathletik - Hellmuth K l i m m e r - 22.10.2015

Im Nachgang zu der im Thread "Allgemeine Leichtathletik" geführten Diskussionen möchte ich auf das dem Menschen angeborene "Aktions- und Reaktionsverhalten" aufmerksam machen, gewissermaßen auf "Überlebensstrategien", die der österreichische Verhaltensforscher und Humanbiologe Irenäus Eibl-Eibesfeldt beschrieb:
Menschen sind  genetisch programmiert auf den "Wettlauf im Jetzt" (I.E.-E.), d.h., sie glauben, (nur) der Erste, Erfolgreichste überlebt, besteht, setzt sich durch. Egoistische Handlungsweisen sind deshalb dominierend.

"Dieser Wettlauf  im Jetzt formt auch uns. Er bewirkt eine opportunistische Grundhaltung, die dazu drängt, sich bietende Chancen ohne Rücksicht auf Spätfolgen maximal zu nützen. Wir befolgen daher ausbeuterische, gewinnmaximierende Kurzzeitstrategien."

Diese Handlungsweise bringt den homo oeconomicus hervor, "den vom Selbstinteresse geleiteten Mensch, der sich unter Handlungsalternativen rational für die mit dem größtmöglichen Nutzen entscheidet und nicht von sich aus großzügig und kooperativ ist."

Mir scheint, derzeit verinnerlichen zunehmend mehr Menschen  d i e s e  Handlungsdisposition; vordergründig geht's um finanziellen Gewinn, um "Abgreifen", "Abzocken", ... - nicht um moralisches, menschliches Verhalten.

Nach einem "Ethik-Seminar" des NOK 1989 fragte man:
"Erst das Siegen, dann die Moral?", und die FAZ (20.12.2000) ebenso: "Erst die Monetik, dann die Ethik? oder Brecht schon in den 30ern: "Erst kommt das Fressen,  dann die Moral?"
Superegoisten betrügen, wenn immer sie Gelegenheit dazu haben - oder ihnen die (justiziablen) Möglichkeiten eingeräumt werden. Angry


Was wollen wir Leichtathleten?

H. Klimmer / sen.


RE: Moral in der Leichtahtletik - MZPTLK - 22.10.2015

Das Thema ist nicht einfach.
Mehr dazu in Bälde.
Nur soviel jetzt: Es gibt allein in Deutschland hunderte, sportbezogen dutzende Professoren, die sich mit Ethik beschäftigen.
Deren Wirkung kann man nicht messen, aber die Wirkungen der destruktiv wirkenden Wissenschaftler sind um ein Viieelfaches grösser.


RE: Moral in der Leichtahtletik - Atanvarno - 23.10.2015

Viele gute Gedanken zu dem Thema wurden bereits in diesem Thread formuliert: Psychologie des Dopings


RE: Moral in der Leichtahtletik - lor-olli - 23.10.2015

Die Problematik setzt doch nicht erst bei den Wissenschaftlern ein! Unser limbisches System ist alt, älter als  die "intellektuellen Strukturen" die uns diese Frage diskutieren lassen. (Bei manchen eben auch "Die dunkle Seite der Macht" Wink).
 
Ethik, Moral, Recht hat unsere keulenschwingenden Vorfahren doch erst interessiert, als das Zusammenleben in mehr als einer Kleinfamilie schwierig wurde, als nur "Niederschlagen und Aufessen" die Hauptfunktion darstellte. Obwohl wir uns ziemlich weit davon entfernt zu haben scheinen, liegt es immer noch in unseren Genen!
 
Die Ethik, die Moral und das Recht fechten einen permanenten Kampf mit unseren niederen Instinkten (MEIN Essen, MEIN "Weibchen", MEIN Überleben) - wir versuchen diesen Kampf zu reglementieren, beenden können wir ihn wohl nicht, da allein schon jede Formulierung von Regeln von zwei Personen unterschiedlich interpretiert wird. Oder anders formuliert: Dein Ideal von Moral muss nicht MEINES sein, selbst wenn wir uns auf den gleichen Text, das gleiche Problem beziehen. Es gilt die Regeln immer wieder anzupassen, abzugleichen, zu erneuern - wer möchte schon in einer Gesellschaft des Stillstands leben? (Diktaturen, konservativ-religiöse Gesellschaften und einige völlig abgeschiedene kleine Lebensgemeinschaften versuchen es, aber NICHTS ist von Dauer, keine römischen Imperien, keine "1000 jährigen Reiche", keine Königreiche)

Fangen wir an die Zukunft zu bauen: Was ist Moral? Die gleiche wie im Mittelalter? Die gleiche wie vor 200 Jahren? Die gleiche wie im Weltkrieg I und II? Jede mögliche Bedeutungsnuance einer Definition werden WIR (Du, ich, JEDER) zum eigenen Vorteil auszulegen, weil JEDER natürlich das Wohl der Allgemeinheit in seinem eigenen Sinne vor Augen hat.

Auch sind wir nicht "gleich" (physisch, intellektuell, sozial), womit der Vorteil sozusagen "eingebaut" ist, Versuche das über Regeln zu egalisieren können nicht perfekt gelingen. Jede höhere Säugetierform kennt Betrug, Paktiererei, Täuschung - wir sind definitiv noch nicht so weit das für uns auszuschließen. Auch die Wahrnehmung von den Kleinigkeiten "was geht" und "was geht nicht" ändert sich, teilweise schnell. (Rauchen im Restaurant etwa, ich habe vor 30 Jahren mal einen Riesentanz im Sportler-Bus angezettelt! Wink)


RE: Moral in der Leichtathletik - RalfM - 23.10.2015

(22.10.2015, 17:23)Hellmuth K l i m m e r schrieb: (...) "Überlebensstrategien", die der österreichische Verhaltensforscher und Humanbiologe Irenäus Eibl-Eibesfeldt beschrieb:
Menschen sind  genetisch programmiert auf den "Wettlauf im Jetzt" (I.E.-E.), d.h., sie glauben, (nur) der Erste, Erfolgreichste überlebt, besteht, setzt sich durch. Egoistische Handlungsweisen sind deshalb dominierend.

(...)

Mir scheint, derzeit verinnerlichen zunehmend mehr Menschen  d i e s e  Handlungsdisposition; vordergründig geht's um finanziellen Gewinn, um "Abgreifen", "Abzocken", ... - nicht um moralisches, menschliches Verhalten.

(...)

Was wollen wir Leichtathleten?

Das ist in meinem Verständnis ein verengter Blick auf die genetisch disponierte menschliche Natur, die einen nur unglücklich machen kann. Vielleicht hast Du in den letzten 25 Jahren öfter schlechte Erfahrungen mit Menschen gemacht, welche Du auf deren kapitalistischen Impetus zurückführst. Vorher hast Du - wie Du im von Dir eingangs betonten Thread von Dir betont - mit "Antikapitalisten" schlechte Erfahrungen gemacht.

Unsere genetisch bedingte Grundausstattung ist sehr viel reichhaltiger als die des egoistischen Gens, welches Richard Dawkins in "The Blind Watchmaker" so grandios beschrieben hat, oder die in primitivem Darwinismus (das Recht des Stärkeren) aufscheint. Im ominösen Jahr 1989 hat Frans de Waal auf die  Kooperationsstrategien unter Primaten außerhalb des Homo Sapiens eindrücklich hingewiesen (Peacemaking among Primates, Harvard University Press, Cambridge, Mass. 1989; deutsch: Wilde Diplomaten. Versöhnung und Entspannungspolitik bei Affen und Menschen, Carl Hanser Verlag, München 1991). Diese Einsicht legt nahe, dass auch wir modernen Menschen Kooperation und Friedensstiftung genau so in den Genen haben wie Machtgewinn und Vorteilsnahme. Unsere Politik trägt eine intellektuelle Fassade. Sie ist aber nur verstehbar durch den Blick auf unsere genetisch vorgezeichnete mentale Disposition.

Gerade sehen wir, dass in Deutschland die Massen an Flüchtlingen, die vielfach aufgrund falscher Versprechungen bei uns anbranden, von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung mit Wohlwollen aufgenommen werden. Obwohl sie z.B. Sporthallen blockieren. Ist das nicht ein Wunder? Ich verstehe es als ein Wunder der Natur. Alle, die hier herkommen mit nichts als leeren Händen sind nach primitiv-darwinistischer Sicht Eindringlinge, die von den Eingesessenen bekämpft werden sollten. Die Eindringlinge sind schwach, die Eingesessenen stark. Aber was passiert? Die Starken öffnen ihre Arme, obwohl sie die Schwachen gar nicht kennen. Dahinter steht keine intellektuelle Einsicht, dahinter steht Bauchgefühl, genetische Disposition.

Was wollen wir Leichtathleten? Nichts anderes.

Leseempfehlungen:
- Stephen Jay Gould: Zufall Mensch (für grundlegend Interessierte an Evolution)
- Josef H. Reichholf: Das Rätsel der Menschwerdung
- Jared Diamond: Der dritte Schimpanse


RE: Moral in der Leichtathletik - Pollux - 23.10.2015

(23.10.2015, 08:42) lor-olli schrieb:  wir versuchen diesen Kampf zu reglementieren, beenden können wir ihn wohl nicht, da allein schon jede Formulierung von Regeln von zwei Personen unterschiedlich interpretiert wird. Oder anders formuliert: Dein Ideal von Moral muss nicht MEINES sein, selbst wenn wir uns auf den gleichen Text, das gleiche Problem beziehen. (...) 

Fangen wir an die Zukunft zu bauen: Was ist Moral? Die gleiche wie im Mittelalter? Die gleiche wie vor 200 Jahren? Die gleiche wie im Weltkrieg I und II? Jede mögliche Bedeutungsnuance einer Definition werden WIR (Du, ich, JEDER) zum eigenen Vorteil auszulegen, weil JEDER natürlich das Wohl der Allgemeinheit in seinem eigenen Sinne vor Augen hat.

Is schon klar: Mein Ideal muss nicht das Ideal eines IS-Kämpfers sein. Also lasst doch dem IS-Kämpfer seinen Kopf-ab-Säbel.... 

Aber immerhin bleibst du nicht auf dem biologistischen Niveau. Du überträgst es gleich noch auf den Bereich der Geschichte. Aber du kannst noch so viel Schulaufsatz-Renitenz an den Tag legen: Die Moral ist weder für den Vorteil, noch notwendigerweise für das Allgemeinwohl gut. Denn auch im Namen des Allgemeinwohls wurde schon heftig gemetzelt. Aber im Namen der Moral lässt sich das Gemetzel verurteilen*. 

Und im Namen der Moral (oder im Namen von Fragen des guten Lebens) hat man schon zu allen Zeiten die Logik des Abgreifens verurteilt. Zumindest, seitdem der Tausch ein Medium sozialer Beziehungen war. Aber man muss wissen, wann von Abgreifen überhaupt die Rede sein kann. Herr Klimmer weiß das nicht! 


* Aber wenn im Namen der Moral gemetzelt wird, ist das nicht verurteilungswürdig, weil kein Nutzen für das Allgemeinwohl vorliegt. Vielmehr deshalb, weil man die Moral entweder missbraucht, oder rein gar nix davon versteht. Das Letztere ist normalerweise nicht der Fall. Höchstens, es wird einem die Birne vernebelt. Trotzdem bleiben manche Fragen schwierig. Oder umstritten. Aber das ist überall so.  


RE: Moral in der Leichtathletik - MZPTLK - 23.10.2015

(23.10.2015, 10:41)Pollux schrieb: * Aber wenn im Namen der Moral gemetzelt wird, ist das nicht verurteilungswürdig, weil kein Nutzen für das Allgemeinwohl vorliegt. Vielmehr deshalb, weil man die Moral entweder missbraucht, oder rein gar nix davon versteht. Das Letztere ist normalerweise nicht der Fall. Höchstens, es wird einem die Birne vernebelt. Trotzdem bleiben manche Fragen schwierig. Oder umstritten. Aber das ist überall so.  
Haste was genommen?


RE: Moral in der Leichtathletik - MZPTLK - 23.10.2015

(23.10.2015, 10:31)RalfM schrieb: Das ist in meinem Verständnis ein verengter Blick auf die genetisch disponierte menschliche Natur, die einen nur unglücklich machen kann.
Dann bin ich entweder genetisch nicht oder anders disponiert.


RE: Moral in der Leichtathletik - Pollux - 23.10.2015

(23.10.2015, 11:34)MZPTLK schrieb: Haste was genommen?

Nö. Aber du nix verstanden!


RE: Moral in der Leichtathletik - MZPTLK - 23.10.2015

(23.10.2015, 11:53)Pollux schrieb:
(23.10.2015, 11:34)MZPTLK schrieb: Haste was genommen?

Nö. Aber du nix verstanden!
Du solltest Dir eine andere Strategie zulegen, diese ist noch schwächer als  durchschaubar.