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Quadricepsdysbalancen im Sprint, Lauf und Sprung - Druckversion

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Quadricepsdysbalancen im Sprint, Lauf und Sprung - icheinfachma - 16.12.2015

Hallo!

Für die tldr*-Kandidaten habe ich das wichtigste fett markiert, den Rest könnt ihr überspringen. *tldr - too long, didn't read

Der Quadriceps mit seinen 4 Köpfen hat neben der kniestreckenden und hüftbeugenden (M. rectus femoris) Wirkung auch die Aufgabe der Stabilisation des Kniegelenks.

Diese besteht einerseits darin, die Patella in die richtige Richtung zu ziehen: Während M. vastus intermedius, M. rectus femoris und insbesondere M. vastus lateralis die Patella nach lateral ziehen, übt der M. vastus medialis einen Zug nach medial aus. Stehen die Muskelanteile nicht im Gleichgewicht (meist Schwäche des M. vastus medialis), kommt es zu einer Bewegung der Patella, die nicht mit ihrem Knorpelgleitlager übereinstimmt und sich zunächst durch Knieknacken beim Strecken des Knies, später auch durch Knorpelverschleiß äußert.

Weiterhin hat das M. vastus lateralis eine außenrotierende, der M. vastus medialis eine innenrotierende Wirkung auf die Tibia. Aufgrund des geringen Spiels der Tibia in der Rotation, insbesondere bei gestrecktem Kniegelenk, hat das aber eine fixierende Bedeutung: Die Tibia wird daran gehindert, nach innen oder außen zu rotieren, indem bei innenrotierter Tibia der M. vastus lateralis stärker kontrahiert, bei außenrotierter Tibia dagegen der M. vastus medialis. (ausführlich: siehe Anhang)

Im Sprint und Sprung kommt es infolge der mehr oder weniger stark ausgeprägten Pronation bei Fußaufsatz zu einer Innenrotation der Tibia. Jeder kann das selbst zuhause vor Spiegel ausprobieren: Proniert man den Fuß, rotiert die Tibia (sichtbar am Knie) nach innen, supiniert man, rotiert sie nach außen. Das bedeutet eine Innenrotation in Sprint und Sprung, verbunden mit einer stärkeren Aktivität des M. vastus lateralis, insbesondere bei Überpronierern. Wird der M. vastus lateralis stärker trainiert, führt das zu der im zweiten Abschnitt genannten Dysbalance und langfristig zu Knorpelverschleiß unter der Patella.

Meine These ist: Läufer und Springer, insbesondere die, die kein zusätzliches Krafttraining absolvieren (z.B. im Kinder- und Jugendbereich und im Amateurbereich) und die eine Überpronation aufweisen, sollten, um einer Entwicklung einer Quadricepsdysbalance vorzubeugen, Übungen zum gezielten Training des M. vastus medialis absolvieren. Das ganze unterstreicht aber auch die Bedeutung des Fußkrafttrainings. Ich möchte gern eine Diskussion anregen, wie ein VM-Training zu realisieren sei. Es gibt Quellen, die explizit Übungen mit fast gestreckten Knien anpreisen, aber in den VM-Programmen finden sich auch einige Übungen wie Wandsitz etc. mit großer Kniebeugung. Anatomisch würde es dagegen Sinn machen, den VM anzusprechen, indem auf eine Innenrotation der Tibia geachtet wird.

Ich fange mal mit diesem Text an: http://www.strengthsensei.com/how-to-boost-vastus-medialis-mass/



RE: Quadricepsdysbalancen im Sprint, Lauf und Sprung - Prometheus2000 - 20.12.2015

Der Vastus medialis kann nicht gezielt oder isoliert auftrainiert werden! Man trainiert immer den gesamten Quadriceps


RE: Quadricepsdysbalancen im Sprint, Lauf und Sprung - icheinfachma - 20.12.2015

Wenn es keine stärkere oder schwächere Beanspruchung von Muskelanteilen gäbe, könnten sich auch keine Dysbalancen bilden. Dass verschiedene Bewegungen die einzelnen Anteile des Quadriceps mehr oder weniger beanspruchen, ist längst nachgewiesen und steht nicht zur Debatte.


RE: Quadricepsdysbalancen im Sprint, Lauf und Sprung - Hellmuth K l i m m e r - 21.12.2015

(20.12.2015, 23:04)icheinfachma schrieb: Wenn es keine stärkere oder schwächere Beanspruchung von Muskelanteilen gäbe, könnten sich auch keine Dysbalancen bilden. Dass verschiedene Bewegungen die einzelnen Anteile des Quadriceps mehr oder weniger beanspruchen, ist längst nachgewiesen und steht nicht zur Debatte.
Du lässt keinen Widerspruch gelten, weißt alles besser - das ist deine Art, die bei vielen nicht ankommt.
Du handelst nach dem Motto:  S o  ist es! basta!

H. Klimmer / sen.


RE: Quadricepsdysbalancen im Sprint, Lauf und Sprung - Gertrud - 21.12.2015

(20.12.2015, 23:04)icheinfachma schrieb: Wenn es keine stärkere oder schwächere Beanspruchung von Muskelanteilen gäbe, könnten sich auch keine Dysbalancen bilden. Dass verschiedene Bewegungen die einzelnen Anteile des Quadriceps mehr oder weniger beanspruchen, ist längst nachgewiesen und steht nicht zur Debatte.

Zudem werden einige Teile nerval getrennt versorgt.

Gertrud


RE: Quadricepsdysbalancen im Sprint, Lauf und Sprung - Gertrud - 22.12.2015

(21.12.2015, 22:33)Hellmuth K l i m m e r schrieb:
(20.12.2015, 23:04)icheinfachma schrieb: Wenn es keine stärkere oder schwächere Beanspruchung von Muskelanteilen gäbe, könnten sich auch keine Dysbalancen bilden. Dass verschiedene Bewegungen die einzelnen Anteile des Quadriceps mehr oder weniger beanspruchen, ist längst nachgewiesen und steht nicht zur Debatte.

Du lässt keinen Widerspruch gelten, weißt alles besser - das ist deine Art, die bei vielen nicht ankommt.
Du handelst nach dem Motto:  S o  ist es! basta!

H. Klimmer / sen.

Nicht immer kommt derjenige am besten an, der fachlich die besten Lösungen parat hat. Genau das ist übrigens die Crux in der deutschen LA mit der enormen Verletzungsbilanz, die meines Erachtens durch mangelndes Wissen begründet ist.

Einfachichma hat recht. Es kommt wirklich vornehmlich auf Kniewinkel und Rotationen an, die durch unterschiedliche Konstellationen ausgeführt werden, womit sogar die Fußstellung korrespondiert. Ich hatte letztens hier noch erwähnt, dass auch Trainingsinhalte z.B. beim Sprint oder Marathonlauf intramuskuläre unterschiedliche Veränderungen hervorrufen. Ich glaube, dass icheinfachma und auch ich sehr viel auf dem Gebiet lesen. Es ist immer wieder spannend, wie man Übungen nach neuesten Kenntnissen verändern und anpassen sollte. Da sollte man nicht beweglich wie eine Eisenbahnschiene sein und bleiben, sondern mit den Erkenntnissen gehen. Die morphologischen und funktionellen Besonderheiten sind enorm. Das ist übrigens auch ein Grund, warum ich so weit entfernt von der beidbeinigen Kniebeuge als das Allheilmittel z. B. für den Sprint bin. 

Man spricht auch immer global von den Hamstrings, obwohl die einzelnen Anteile wie beim Quadrizeps über enorme Besonderheiten verfügen, die ins Übungsgut eingepreist werden sollten. 

Übrigens macht der Hinweis des Sprinttrainers in Michael Johnson performance center den Unterschied zu Usain Bolts Sprinttechnik sehr deutlich. Sie sehen in der Oberschenkelführung von U.B. die Ursache für sein Oberkörperschaukeln und stellen es als falsch dar. Diese Oberschenkelführung wird längst bei Baskeballspielern aus muskuärer und nervaler Hinsicht bevorzugt. Manchmal sollte man auch offen für Neuerungen sein. Oft fehlen zur Beurteilung von Bewegungen einfach die anatomisch-funktionellen Grundlagen bei einigen Trainern. 

Gertrud


RE: Quadricepsdysbalancen im Sprint, Lauf und Sprung - Prometheus2000 - 22.12.2015

Diese Debatte über eine mögliche isolierte VM Ansteuerung geistert seit Jahren durch die Fachwelt und immer noch meinen einige, durch Veränderung der rotation oder Änderung des Fußwinkels können unterschiedliche Anteile Des 4ceps angesprochen werden. Dem ist nicht so!

http://www.thestudentphysicaltherapist.com/research-articles/can-you-isolate-the-vmo
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19212898
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/m/pubmed/9934418/
http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.3109/10582452.2014.907857
http://www.physiospot.com/research/atrophy-of-the-quadriceps-is-not-isolated-to-the-vastus-medialis-oblique-in-individuals-with-patellofemoral-pain/

So, wenn ihr Studien habt, die was anderes belegen, raus damit. Der Link im Ausgangspost stellt einfach eine Hypthese auf, ohne sie zu belegen. Das ist also nicht haltbar. 

@Gertrude: Wenn du Links hast zu deiner These einer unterschiedlichen Innervation, dann gilt auch hier: bitte posten. Danke.


RE: Quadricepsdysbalancen im Sprint, Lauf und Sprung - icheinfachma - 22.12.2015

(22.12.2015, 11:56)Prometheus2000 schrieb: Diese Debatte über eine mögliche isolierte VM Ansteuerung geistert seit Jahren durch die Fachwelt und immer noch meinen einige, durch Veränderung der rotation oder Änderung des Fußwinkels können unterschiedliche Anteile Des 4ceps angesprochen werden. Dem ist nicht so!

http://www.thestudentphysicaltherapist.com/research-articles/can-you-isolate-the-vmo
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19212898
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/m/pubmed/9934418/
http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.3109/10582452.2014.907857
http://www.physiospot.com/research/atrophy-of-the-quadriceps-is-not-isolated-to-the-vastus-medialis-oblique-in-individuals-with-patellofemoral-pain/

So, wenn ihr Studien habt, die was anderes belegen, raus damit. Der Link im Ausgangspost stellt einfach eine Hypthese auf, ohne sie zu belegen. Das ist also nicht haltbar. 

@Gertrude: Wenn du Links hast zu deiner These einer unterschiedlichen Innervation, dann gilt auch hier: bitte posten. Danke.

Wenn du meinen Eingangspost gründlich gelesen hättest, hättest du festgestellt, dass ich dort im Text auf einen ANHANG verwiesen habe, und wenn du diesen ANHANG, den wiederum du ebenfalls entdeckt hättest, wenn du genau hinschauen würdest, anklickst, findest du dort eine Studie, die genau das belegt, was ich geschrieben habe.

Zwar habe ich geschrieben, das tldr-Kandidaten den nicht-fetten Teil überspringen können, aber wenn man nur das liest und nur die Hälfte weiß, kann man auch nicht davon ausgehen, sachgerecht mitdiskutieren zu können.


RE: Quadricepsdysbalancen im Sprint, Lauf und Sprung - Prometheus2000 - 22.12.2015

Das ist von 1978 und leider total überholt. Da steht ja noch nicht mal drin, wieviel Teilnehmer diese Studie hatte. Diese Studie würde in jedem Review rausgeworfen werden.


RE: Quadricepsdysbalancen im Sprint, Lauf und Sprung - icheinfachma - 22.12.2015

(22.12.2015, 11:56)Prometheus2000 schrieb: 1 http://www.thestudentphysicaltherapist.com/research-articles/can-you-isolate-the-vmo
2 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19212898
3 http://www.ncbi.nlm.nih.gov/m/pubmed/9934418/
4 http://www.tandfonline.com/doi/abs/10.3109/10582452.2014.907857
5 http://www.physiospot.com/research/atrophy-of-the-quadriceps-is-not-isolated-to-the-vastus-medialis-oblique-in-individuals-with-patellofemoral-pain/


1 - Aussagen: VM nicht anatomisch in VMO und VML trennbar; VM zieht Patella nach medial; bei Patienten mit patellofmoralen Schmerzen war VM im Vergleich zu VL atrophiert; geschwächter VM verantwortlich für patellare Fehlstellung, nicht jedoch für patellar tracking oder tilt; Patienten mit atrophiertem VM hatte auch einen insgesamt atrophierten Qu.; diverse, aber nicht genau bezeichnete Übungen bewirkten gleiche EMG-Akt. in VM u. VL - Fazit: nichts widerspricht meinem Post

2 - Aussagen: verschiedene Qu.-Übungen mit untersch. Hüft-, Knie-, Fußgelenks- u. Fußpositionen zeigten keine Unterschiede zwischen EMG-Aktivität des VL und VM. - Fazit: Die Studie könnte meinem Post widersprechen, muss es aber nicht - da keine Detail zu den Übungen bekannt gegeben werden, kann es sein, dass einfach die Unterschenkelrotation nicht gezielt getestet wurde

3 - Aussagen: 30° Hüftinnenrotation und 30° Hüftaußenrotation und Kniestreckwinkel von 30° zeigten keinen Einfluss auf unterschiedliche EMG-Aktivität von VM und VL - Fazit: Von Hüftrotation und Kniewinkel habe ich persönlich auch nicht geschrieben, ich (und meine angeführte Studie) schrieben von Rotationen des Unterschenkels.

4 - Aussagen: Dorsalextension oder keine Dorsalextension machen keinen Unterschied auf die die VM-VL-Ratio im EMG aus. - Fazit: Das hat nichts mit meinen Aussagen zu tun und widerlegt sie auch nicht. In meinem Link (nicht der Anhang, sondern der Link, für den ich keine Verantwortung übernehme) wird eine Erhöhung der Fersen empfohlen. Dies wiederlegt diese STudie. Man kann aber die Erhöhung der Fersen zu einer Verringerung der Fußpronation durchaus verteidigen.

5 - Aussage: Menschen mit patellofemoralen Schmerzen haben keine stärkere VMO-, sondern eine gleichmäßige Atrophie des Qu. - Fazit: Einerseits ist es möglich, dass bei Menschen mit Bewegungsmangel auch eine generelle Quadricepsatrophie die patellare Stabilität verringert und dadurch zu SChmerzen führt. Das widerlegt aber nicht, dass in bestimmten Fällen auch eine Dysbalance des Quadriceps zu solchen Schmerzen führen kann. Die 35 Teilnehmer der Studie waren vielleicht keine Sportler und können daher kaum als repräsentativ für Sportverletzungen angesehen werden. Außerdem wurde die Atrophie der Muskelanteile in dieser Studie nur an jeweils einer Stelle des Muskelanteils gemessen. Es ist aber belegt, dass verschiedene Kraftübungen z.B. nur die proximalen und distalen, aber nicht die mittleren Abschnitt oder z.B. nur die distalen Abschnitte zur Hypertrophie bringen können. Insofern hätte man die Muskelanteile in proximal-distaler Richtung alle paar cm messen müssen, um eine wirklich aussagekräftiges Ergebnis zu bekommen. Auch diese Studie widerlegt mein Posting also nicht.