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Erschütternde Wahrheit - Druckversion

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Erschütternde Wahrheit - Astra - 19.02.2016

Der Film "Erschütternde Wahrheit" (Concussion) mit Will Smith ist gestern endlich auch in deutschen Kinos angelaufen.
Dabei geht es um "Chronisch traumatische Enzephalopathie (CTE)", eine Erkrankung des Gehirns, auch als "Boxerkrankheit" bekannt, hier aber bei American Football Spielern.
Wenn man mal etwas recherchiert, sieht man, dass die Erkrankung z.B. auch bei Fußballern (durch viele Kopfstöße), Alpin Skiläufern und ein paar weiteren Sportarten bekannt ist.
Leichtathleten sind wohl nicht in Gefahr. Trotzdem ist es ein Film, den man sich mal ansehen sollte. Ich sehe viele Sportübertragungen mit ganz anderen Augen. Denn ein Schütteln des Gehirns tritt bei viel mehr Sportarten auf.
Leider läuft der Film wohl nur in größern Städten und auch da nur später und in ganz wenigen Kinos.


RE: Erschütternde Wahrheit - lor-olli - 19.02.2016

"Fuß"ball Skandal auf amerikanisch… Das Thema ist seit mindestens 2002 "virulent", Omalu (Neurologe und Pathologe) stieß bei seiner Untersuchung eines verstorbenen jungen Footballers auf Fakten die zuerst nach Verbrechen aussahen (Hirnschäden durch Gewalteinwirkung), aber eine längere Geschichte aufwiesen. Er untersuchte gründlich und dann immer mehr Footballer - auch Lebende mit Beschwerden und stieß auf die immer gleichen Schäden.

Der eigentliche Skandal ist, dass er diese Untersuchungen bereits ca. um das Jahr 2000 durchführte, aber zuerst Schwierigkeiten hatte seine Entdeckung in amerikanischen medizinischen Fachblättern unterzubringen - also schrieb er ein Buch, fast zeitgleich erschien ein Artikel in einer neurologischen Fachzeitschift… (2005). Ob da wohl jemand Einfluss nahm?

Mittlerweile war das Symptom aber so weit bekannt (Hirnschäden die einer Alzheimer Erkrankung gleichen), dass es sich nicht mehr verheimlichen ließ - bis nun sogar ein Film daraus wurde, hat es ja auch nur ca. 15 Jahre gedauert, obwohl weitere Untersuchungen vermuten lassen, dass auf diesen Sport wohl eine richtige Welle zuläuft. Bessere Körperpanzer, neuere Helme, Nackenstützen haben das Problem nicht verbessert sondern eher verschlimmert… Da ja jetzt der Schutz besser war, konnte man noch härter angreifen.

Ein Boxer steckt übrigens meist nicht annähernd so viele Kopftreffer ein wie ein Footballprofi, zumindest die auf den Verteidigerpositionen… Sport und zuviel Geld sind keine gute Kombination (Schniergeldskandale, Vergabemauscheleien, Wettbetrügerereien…) allerdings ist dies wohl erst die Spitze eines Eisbergs der bewusst die schweren körperlichen Folgeschäden von Sportlern SEHEND in Kauf nimmt! In der Größenordnung vielleicht sogar noch viel größer als die gesundheitlichen Probleme aus den "Doping-Hochzeiten".


RE: Erschütternde Wahrheit - Astra - 19.02.2016

Ich bin auch sicher, dass da bisher nur die Spitze des Eisbergs behandelt wurde.
Ich habe diesen Artikel gefunden:
http://readersupportednews.org/news-section2/318-66/32479-95-of-nfl-players-tested-show-signs-of-disease-caused-by-head-trauma
Da wurden bei 95% aller untersuchten Sportlern Zeichen von CTE gefunden. Allerdings muss man Gehirnschnitte machen und das geht nicht bei noch Lebenden.

Im Film geht man übrigens davon aus, dass 28% der Sportler Hirnschäden haben oder bekommen.

Wikipedia hat auch eine erschreckende Liste:
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_NFL_players_with_chronic_traumatic_encephalopathy
Aber Du hast Recht, es hat sich nichts Wichtiges geändert.


RE: Erschütternde Wahrheit - trackman - 19.02.2016

Wer wollte, konnte schon in den 1980er Jahren die Zusammenhänge erkennen, z.B. wurde bei Muhammad Ali schon 1984 Parkinson diagnostiziert, dessen Ursache die vielen schweren Kopftreffer, die Ali in den späteren Jahren seiner Karriere einstecken musste, ist.
Es ist wie immer: Beim Profisport wird weggeschaut, weil so viel Geld im Spiel ist. So lange die Öffentlichkeit die Problematik schönredet oder ignoriert, denken sich Sponsoren und Entscheidungsträger in den Clubs nichts dabei - auch die beteiligten Trainer nicht. Der Dumme ist dann letztendlich immer der Sportler. Das gilt natürlich auch bei der Doping-Problematik.
Ob nun American Football, Rugby, Boxen, Eishockey o.ä.: Ich werde nie verstehen, wie man dermaßen körperbetonte Sportarten toll finden kann, aber hier gilt wohl: Brot und Spiele. Aber lassen wir das ...


RE: Erschütternde Wahrheit - decathlonitis - 19.02.2016

Die "Öffentlichkeit" so wie sie ist, will spektakuläre Veranstaltungen.
Interessant ist, bei der Betrachtung der genannten Sportarten, dass es sich wohl eher um Sporarten handelt, welche sich im angel-sächsischen Bereich entwickelt haben und heute diesen hohen Stellenwert genießen.
Von ihrem Wesen her sind es doch aggresive Sportarten, deren Verhaltensmuster tief in unserem Stammhirn schlummern.
Die Sportartikelhersteller u.a. wissen dieses geschäftstüchtig zu nutzen.
(Nutzen: wem nützt es?)

Hinter vorgehaltener Hand wird auch berichtet, dass Donald Trump selbst einige Jahre Rugby gespielt hätte, und das auch noch ohne Helm. Big Grin


RE: Erschütternde Wahrheit - Pollux - 19.02.2016

Ganz so einfach ist es nicht, Deca! Lies mal E. Gumbrecht über die Ästhetik des American Football. ("Mysterien der Kontingenz") Der Mann kommt übrigens aus Old Germany.


RE: Erschütternde Wahrheit - Hellmuth K l i m m e r - 20.02.2016

(19.02.2016, 14:56)Pollux schrieb: Ganz so einfach ist es nicht, Deca! Lies mal E. Gumbrecht über die Ästhetik des American Football. ("Mysterien der Kontingenz")

Hans Ulrich Gumbrecht schildert in einem Artikel des Buches "Wer macht den Sport kaputt? * Doping, Kontrollle und Menschenwürde"  (Verbrecher Verlag Berlin 2008) eindrucksvoll, wie Baseballer (u.a. Barry Bonds / San Francisco Giants) über lange Zeit mit anabolen Steroiden und Wachstumshormonen dopten. Letztlich, um den Angriffen der Verteidiger der gegnerischen Mannschaft zu widerstehen.

Erstaunlich aber: G. nimmt die Doper in Schutz, weil die Medien das "zu einer reinen Wahrheitswut hochgeschaukelt haben" und weil der "Rückgriff auf pharmakologische Hilfsmittel ,... ohne den die meisten von uns den Alltag gar nicht mehr bewältigen könnten", in der Gesellschaft toleriert würde. (?)
Er spricht gar von "Lockerung und Aufhebung des Dopingverbotes".  Teufel
Das Buch "vereint" (lt. Impressum) "erstmals die abweichenden Stimmen".

H. Klimmer / sen.


RE: Erschütternde Wahrheit - Pollux - 20.02.2016

Das ist sehr schade. Zumal seine Vorstellung vom Doping der ästhetischen Auszeichnung des Sports widerspricht. Denn die Heiligung des offenen Ausgangs und des Unerwarteten hat auch eine ethische Dimension. Und die wird bereits durch die Absichten des Dopings durchkreuzt. Denn dabei will man sich gegen die Wechselfälle des sportlichen Geschehens absichern. 

Wer sich handelnd mit der Kontingenz arrangiert, der kann ohnehin kein Freund des unbegrenzten „Machens“ - im Dienst des unbedingten Erfolges - sein. Das wäre ein absoluter Widerspruch. 

Aber wenn sich der Sport die Birne einrennen will, findet er immer Wege.  Wink


RE: Erschütternde Wahrheit - lor-olli - 20.02.2016

Bliebe nur noch die Frage, ob "der Sport" immer die treibende Kraft ist - wenn sogar ein Unsportminister mehr Medaillen fordert…

Bezüglich des professionellen Sports drängt sich mir immer öfter die Frage auf, ob überhaupt noch "Sportler" Entscheidungen treffen… ob Fifa, NFL, NBA aber auch IAAF, dazu sehr einflussreiche Sponsoren, die Politik, Medien…

Traut sich eigentlich noch jemand vom Sport als Selbstzweck zu sprechen?


RE: Erschütternde Wahrheit - Hellmuth K l i m m e r - 20.02.2016

(20.02.2016, 16:49)lor-olli schrieb: Bliebe nur noch die Frage, ob "der Sport" immer die treibende Kraft ist ...

Traut sich eigentlich noch jemand vom Sport als Selbstzweck zu sprechen?
Wir täten den vielen Breitensportlern, den Senioren, den tausenden Mitläufern, den Marathonis, ...
unrecht, sie in den gleichen Topf zu werfen wie die ca. 1500 geförderten (Kader)Athleten.

Bei den echten Amateuren "lebt" noch der Gedanke, "für sich" Sport zu treiben, zum "Selbstzweck", für ihre Gesundheit ...

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Da fällt mir der Ausspruch Dirk Nowitzkies ein: "Sport muss Spaß machen, auf dem Spielfeld, in der Kabine und überhaupt."

H. Klimmer / sen.