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200m - mit oder ohne Kurve - Druckversion

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200m - mit oder ohne Kurve - Paragraf - 21.05.2016

Hier wurden ja letztens 100-m- und 200-m-Zeiten gegenübergestellt (ich habe die Zusammenstellung jetzt leider nicht gefunden).
Als ich gerade von Laura Müller las, die in Manchester bei den Great CityGames 100 m in 11,43 und 200 m in 23,11 auf einer 200-m-Geraden gelaufen ist, fragte ich mich, wie und wie sehr sich der Unterschied zwischen den ersten 100 m als Kurve oder als Gerade auswirkt.


RE: 200m - mit oder ohne Kurve - lor-olli - 21.05.2016

Der Unterschied ist erheblich! In Zahlen etwas schwieriger auszudrücken, denn da beeinflussen einige Faktoren die Werte.
Hier mal nur einige:
- in der Kurve, Bahn 1 oder Bahn 8 (Läufer unterscheiden da nicht nur intuitiv…)
- Wind wirkt sich auf einer Gerade unter Umständen die gesamte Strecke aus, mit einer Kurve nicht völlig
- Auf einer ersten Geraden fehlt der Kraftverlust der durch das Kompensieren der Fliehkraft in der Kurve entsteht (Mal einen “Langen" wie Usain Bolt in der Kurve in Zeitlupe beobachten), für die zweiten 100m spart man also Kraft
- Wie stark sich alles auswirkt hängt auch von den Fähigkeiten als Kurvenläufer ab - kleine, leichtere und langsame Frauen trifft es nicht ganz so “hart" wie lange, kräftige Männer (Verlust haben aber beide)

Einen guten Hinweis kann man bekommen wenn man noch unerfahrene Athleten das erste Mal 400m laufen sieht, speziell in der zweiten Kurve wenn die Kraft schon nachlässt ist der Kraftaufwand für den kürzesten Weg (immer knapp an der Linie) erheblich, die zweite Kurve sieht meist nicht mehr so gut aus wie die erste - Linie übertreten inklusive.

Rechnerisch ist das auch nicht ganz so einfach, dazu müsste man 100m gerade und 100m Kurve sprinten - und zwar OHNE weitere 100 anzuhängen. Bei mir machte das etwa 2/10 bis 3/10 aus - auch die Bahn/Material selbst hat da Einfluss… Über 200m kommt dann noch der Effekt des “fliegenden Starts" für den zweiten Teil der Strecke aus, so dass in der reinen Summe zweier einzelner 100m Sprints (mit Start) die 200m schneller erscheinen. (Stimmt häufig was die Durchschnittsgeschwindigkeit betrifft, nicht aber die Maximalgeschwindigkeit, Usain Bolt hat das Kunststück fertig gebracht über 100 und 200m Parität bei den Weltrekorden und der Durchschnittsgeschwindigkeit zu erbringen - ist aber meist nicht der Fall)


RE: 200m - mit oder ohne Kurve - AndyI - 21.05.2016

Finde ich auch ein sehr spannendes Thema. 

Hab dazu leider nichts Wissenschaftliches, aber würde einfach mal aus meinem persönlichen Empfingen heraus argumentieren. Mir selbst liegt das Kurvenlaufen, und ich kann gut aus der Kurve raus beschleunigen. Vom Gefühl her würde ich dennoch sagen, dass ich in der Kurve ca. 0.3-0.5s verliere gegenüber einem geraden 100m Sprint. Ich werde mal anregen, dass im Training elektronisch stoppen zu lassen. 


Wie gehen denn die Top-Sprinter bei den 200m die 100 durch? Da haben bestimmt einige hier im Forum ein paar Werte am Start.


Bolt ging bei seinem Weltrekord auf 200m (19.19s) die 100 in 9.92 durch, bei seinen 19.30 in 9.98s. Da kann man jetzt natürlich rätseln wie viel Prozent von den 100m max er da gelaufen ist.


RE: 200m - mit oder ohne Kurve - lor-olli - 21.05.2016

Wie gesagt, es gibt gute Kurvenläufer und solche die sich schwerer tun mit (leicht) ungleichmäßiger Schrittlänge, Schräglage und Fliehkraft als die “geborenen" 200m Läufer. Bolt ist KEIN guter Kurvenläufer, A.Kosenkov etwa dagegen schon. (Auch einer der Gründe weshalb manche in der Staffel immer Start-Kurvenläufer sind oder auf der 3.ten Position laufen)

Über 200m läuft man die ersten 100 nicht im Schongang, allerdings läuft man eine leicht andere Technik, der Krafteinsatz des linken Beines (muss) ist minimal geringer (sein), auch weil die Stabilität der Fußgelenke nach außen wirkende Kräfte besser “verkraftet" als die nach innen (bzw. zur Beininnenseite) wirkenden. Übrigens würden bei einem Lauf “verkehrtherum" (im Uhrzeigersinn, also gegen die übliche Laufrichtung) die Linkshänder deutlich bevorteilt statt benachteiligt. Haben wir ausprobiert weil bei einem Hallenwettkampf die Laufrichtung umgekehrt wurde (wegen des besseren Auslaufs…), viele tun sich richtig schwer so zu laufen!

Es gibt natürlich schon die Strategie die 200m “vorsichtig" zu beginnen, aber das heißt vielleicht 98% bis 99% - ist ja kein 400m Lauf! Bolt als schlechter Kurvenläufer hat sicher nicht “gejoggt" auch wenn seine zweiten 100 deutlich flotter sind. Immerhin lief er die Kurve schneller als die meisten Sprinter dies gerade könnten…
Ich habe die 200m nicht gemocht, sie tun IMMER weh, weil man eben durchzieht und nicht strategisch läuft. Die 400m dagegen tun auch weh, aber die läuft man besser “mit Köpfchen" (Wind, Feld, Tagesform etc. berücksichtigend).


RE: 200m - mit oder ohne Kurve - dominikk85 - 21.05.2016

Ich habe mal gelesen, dass man annimmt das die Kurve ca. 1-2 Zehntel kostet.


RE: 200m - mit oder ohne Kurve - Pollux - 21.05.2016

Der Ball ist rund! Und der Reiz der Kurve besteht darin, dass sie da ist!

Indem erst ausgangs der Kurve klar ist, wie das Rennen steht, wird hier eine Vorentscheidung darüber getroffen, wer das Rennen mit den besten Chancen beginnt - ohne die besten Karten zu haben. 

Die Alternative wäre 2/10 schneller, aber 101/10 langweiliger. Wink


RE: 200m - mit oder ohne Kurve - dht - 21.05.2016

(21.05.2016, 09:35)dominikk85 schrieb: Ich habe mal gelesen, dass man annimmt das die Kurve ca. 1-2 Zehntel kostet.

Würde in etwa hinkommen. Hab mal meine 100m Zeit in der Staffel an 1 per Video mitgestoppt. Waren etwa 0.25s zu meiner damaligen windbereinigten Form. Denke aber so oder so, dass die Diskussion unnötig ist, weil sowas von Athlet zu Athlet sehr verschieden sein wird.

Zudem gilt es zu bedenken, dass 100m "all out" in der Kurve nochmal was anderes ist, als die ersten 100m eines 200m Laufs mit Kurve und man bei den 200m wohl eher bei 99% Läuft um nicht unnötig Kraft zu verlieren.