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Was tut der DLV gegen die schlechten 400m-Leistungen? - Druckversion

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RE: Was tut der DLV gegen die schlechten 400m-Leistungen? - Gertrud - 06.03.2018

Es ist ja nicht so, dass der DLV nicht investiert. Er hat immerhin mit Tony Lester einen Fachmann verpflichtet. Außerdem hat Hartmut Weber sein Wissen zur Verfügung gestellt. Warum geht´s trotzdem nicht weiter? Scheitert es an den Programmen? Es gab durchaus Lichtblicke z.B. mit K. Gaba, der gute Zeiten über 300m abgeliefert hat, aber die letzten 100m nicht liefern konnte. Über die Ansichten des Energiesystems gibt es durchaus enorme Unterschiede, auf welchem „Pott“ man die letzten 100m läuft. Es bringt einfach nichts, wenn vorne einer referiert und das Auditorium sich berieseln lässt. Die Ansichten gehören in eine harte Diskussion. Ich habe immer die Vorstellungen der Referenten hart hinterfragt. Wenn z. B. Toptrainer aufgrund einer Studie ihr Programm über 400m abändern, werde ich hellhörig. Man muss auch kritisch die Entwicklungen unserer 400m-Sprinter bei gewissen Trainern hinterfragen. Ich würde mich niemals nur auf die „Vorgaben“ von oben verlassen, sondern immer meinen eigenen Kopf einschalten. Da geht mir die Zentralisierung einfach zu weit, weil sie bisher über 400m in den letzten Jahren nicht erfolgreich war. Zudem betrachte ich parallel zur eigentlichen Leistungsentwicklung immer wieder die Verletztenrate. Ein solches Hinterfragen beinhaltet keine Anklage oder Vorwürfe, sondern nur eine rein sachliche, sehr harte Diskussion. Ich bin einfach nur am Fortschritt aufgrund harter Kriterien interessiert.

Es gab auch eine Zeitlang Fortschritte über 400m, wobei es Stillstand auch durch Verletzungen gab (?). Ich habe letztens gelesen, dass es durchaus starke Unterschiede im Energiesystem der beiden Strecken 400m und 400m Hürden gibt. 

Ich mache folgenden Vorschlag. Der DLV veranstaltet mal eine Fortblidung nur unter dem Motto 400m und 400m Hürden mit Programmen und knallharten Diskussionen und verpflichtet dazu z.B. einen Clyde Hart als Referenten und einen Fachmann für das Energiesystem. Ich weiß, dass Clyde Hart vom Jahrgang 35 ist.  Wink ‌Die "gesammelte Festplatte" würde mich trotzdem interessieren.

Gertrud


RE: Was tut der DLV gegen die schlechten 400m-Leistungen? - DerC - 06.03.2018

(05.03.2018, 22:40)Robb schrieb: Allerdings frage ich mich, wie frontrunner den Aufschwung im Sprint der Frauen erklärt? Haben unsere jungen Sprinterinnen keinen Bock auf likes?
Der Aufschwung der Frauen im Sprint ist ja ein gutes Stichwort. Das wirkt sich ja jetzt schon auf die 400 aus in Form von Nadine Gonska ...

Diese hohe Leistungsdichte über 100 und 2000 und Kurzhürden, das müsste jetzt mal bei den Frauen über Jahre noch etwas besser werden und die Männer müssten aufholen. Damit wäre ein kleiner Teil des problems gelöst, nämlich genügend grundschnelle Kandidat*innen zu bekommen. Bei den Männern wirkt die Fußballkonkurrenz stärker, da wird es schwierig auf diesselbe Leistungsdichte zu kommen. Ja, Fußball gab es in den 80ern auch schon, aber der Abstand ist größer geworden. Dazu ist es nicht leichter geworden, Leistungssport und Studium zu verbinden, da sollte unbedingt nachgearbeitet werden.

Das Hauptproblem liegt möglicherweise in weit verbreiteten, problematischen Trainingsdogmen. Sowas kann durchaus große Wirkungen haben. In den USA gab es trotz hoher Leistungsdichte auf den kurzen Strecken ja eine lange Flaute im Mittel- und Langstreckenbereich, was viele auf falsche bzw falsch verstandene Trainingsideen zurückführen (das "Coe-Missverständnis").

Kann ja nicht sein, dass wir nur 200/400 Typen haben ... wo sind die 400/800 Typen? Der letzte der mal die 800 probiert hat war Zender glaube ich ... der hätte auch großes Potenzial gehabt ... weiß jemand eigentlich was da schief gelaufen ist?


RE: Was tut der DLV gegen die schlechten 400m-Leistungen? - lor-olli - 06.03.2018

@sinafan, Pauschalurteile sind nie hilfreich, dazu zählt für mich auch eine Ignorierliste…

Meinungen, solange sie keine akzeptierten Regeln verletzen, muss man hinnehmen, "wegducken", "weghören" ändert nie etwas. Der Begriff "die Jugend" steht und stand schon immer für einen Wandel, wäre ja auch langweilig wenn wir genau so wären wie unsere Eltern Big Grin ‌. Der Wandel wird aber durch mehr als nur den Willen herbeigeführt, technologische, gesellschaftliche, persönliche Entwickungen erfolgen zwangsläufig un damit auch folgend die Veränderungen. Wollte man "früher" (also im Vor-Digitalen-Telefon-Zeitalter… ‌) punkten oder sein Ego pushen, musste man tatächlich Leistung erbringen (Blender zählen hier nicht), heute dominieren die "Likes" den Status? Es ist nicht so, dass "die Jugend" nicht verbissen und hartnäckig ein Ziel verfolgen kann, aber im Zeitalter der "Ein-Finger-Energie" ( = click) kann man auch ohne großen realen Aufwand sein Ego boosten.

Gibt es sie noch, die talentierten 400m Läufer? Natürlich und vermutlich nicht weniger als vor 50 Jahren, ABER finden sie auch den Weg auf die Bahn? Da liegt die Crux, viele leichtathletische Sportstätten abseits der Zentren werden nicht mehr gepflegt, oder in Fußballstadien verwandelt, immer neue Sportarten faszinieren Bewegungstalente und Lauf-Talente werden nicht mehr automatisch zur LA kanalisiert. Es fehlen Trainer, wenn man sich die Bedingungen anschaut oft sogar verständlich.

Eine wichtige Funktion spielen auch Vorbilder - auf den 400m sind sie eher rar, die LA ist auch im Schulsport auf dem Rückzug, eben auch wegen der fehlenden Möglichkeiten. In der LA haben viele Nichtaktive auch noch nicht die Bedeutung der medialen Internet-Präsenz erkannt, oder sie basteln an Konzepten die den Unterhaltungsshows der 80er und 90er Jahren entnommen scheinen. Becker und Graf ließen Millionen zum Tennisschläger greifen, da war es leichter die Talente zu entdecken, aber auch das hat sich gewandelt. Snowboarder und Biathleten werden irgendwann dem Klimawandel zum Opfer fallen…

Die Threadfrage müsste in der Konsequenz eher lauten: Was kann der DLV gegen die schlechten 400m Leistungen machen? Vielleicht auch: Sind da die richtigen Leuten die das Steuer halten? (Innovationspotenzial, geht auch mit über 60…  ‌) Sportler werden sicher nicht aus falscher Motivation schlechte Leistung abliefern - dafür quält man sich nicht über Jahre. Bleibt die Frage, wird das vorhandene Potenzial bestens ausgeschöpft, geht es nicht besser und wenn doch, wer kann / soll die Fehler aufdecken? Bei einer Reihe von Führungskräften habe ich den Eindruck, sie haben IHR Innovationspotenzial weitestgehend erschöpft… Teufel


RE: Was tut der DLV gegen die schlechten 400m-Leistungen? - Jo498 - 06.03.2018

(05.03.2018, 22:40)Robb schrieb: Allerdings frage ich mich, wie frontrunner den Aufschwung im Sprint der Frauen erklärt? Haben unsere jungen Sprinterinnen keinen Bock auf likes?
Ich glaube auch nicht an die social media Erklärung. Aber abgesehen von möglicherweise tatsächlichen Fortschritten beim Sprinttraining (die sich naturgemäß schneller und deutlicher im Kurzsprint zeigen), fallen mir zwei Unterschiede ein. Zum einen hat man im Kurzsprint immer eine größere Breite. Fast jeder macht das in Kindheit und Jugend, d.h. selbst in einem Land mit nicht so toller Talentsuchtradition wird ein doch relativ weites Netz ausgeworfen.
Dagegen erfordert Langsprint eine bewusste Umstellung (meistens vom Kurzsprint), die nur vorgenommen wird, wenn der Athlet in der früheren Disziplin nicht so erfolgreich ist. Und das kann natürlich auch schiefgehen bzw. von Anfang an geblockt werden. Denn der zweite Punkt ist die Härte der Strecke und der entsprechenden Trainingseinheiten. Es wird sicher einige geben, die mal zur einer 4x400-Staffel "zwangsrekrutiert" wurden, nicht gut vorbereitet waren und dann "nie mehr" oder jedenfalls mentale Blockade. Und auch wenn ich mich als Laie mit nur lange zurückliegender Hobbysporterfahrung da aus dem Fenster lehne, weil man unterschiedliche Einheiten und Belastungen nicht unbedingt vergleichen kann: Wenn ich mir das "ge-sharete" Training der besten dt. Nachwuchsprinterin ansehe, verstehe ich schon, warum jemand nicht lieber 400 oder Mittelstrecke laufen will...


RE: Was tut der DLV gegen die schlechten 400m-Leistungen? - Gertrud - 06.03.2018

(06.03.2018, 09:17)lor-olli schrieb: Die Threadfrage müsste in der Konsequenz eher lauten: Was kann der DLV gegen die schlechten 400m Leistungen machen? Vielleicht auch: Sind da die richtigen Leuten die das Steuer halten? (Innovationspotenzial, geht auch mit über 60…  ‌) Sportler werden sicher nicht aus falscher Motivation schlechte Leistung abliefern - dafür quält man sich nicht über Jahre. Bleibt die Frage, wird das vorhandene Potenzial bestens ausgeschöpft, geht es nicht besser und wenn doch, wer kann / soll die Fehler aufdecken? Bei einer Reihe von Führungskräften habe ich den Eindruck, sie haben IHR Innovationspotenzial weitestgehend erschöpft… Teufel

Genau das sind die relevanten Fragen!!!  Thumb_up ‌Fragen sind primär dazu da, die Schwächen aufzudecken und nicht, "um Menschen an die Wand zu pinnen"! Es geht nur um Inhalte für den Bereich unter 45´´ und den Weg dahin. 

Gertrud


RE: Was tut der DLV gegen die schlechten 400m-Leistungen? - Atanvarno - 06.03.2018

(05.03.2018, 17:01)Robb schrieb: Ich hab die Frage schonmal gestellt, aber nie eine Antwort bekommen: Wofür hat der DLV eigentlich Tony Lester engagiert? Er arbeitet jetzt seit fünf Jahren für den DLV, aber getan hat sich in der Zeit NICHTS.

Kann es sein, dass er verzweifelt ist, und aufgegeben hat Teufel

Mit einer kurzen Google-Suche konnte ich viele Artikel aus 2013, als er verpflichtet wurde, finden, aber kaum aktuelles. Laut diesem Artikel war er 2017 noch Disziplintrainer 400m-Frauen, in der aktuellen Bundestrainerliste taucht er aber nicht auf.


RE: Was tut der DLV gegen die schlechten 400m-Leistungen? - frontrunner800 - 06.03.2018

Ich möchte hier keine Diskussion führen, über den Zustand der Jugend in unserer Gesellschaft im allgemeinen, das würde thematisch den Rahmen dieses Forums sprengen. Nur soviel: Jeder vierte Jugendliche in Deutschland im Alter zwischen 15 und 24 Jahren, insgesamt 1,5 Millionen mit steigender Tendenz, ist wegen psychischer Probleme in Behandlung. Diese Zahlen sind alarmierend. Ursachenforschung ist hier zu betreiben, für mich ist sicher: Der totale digitale Overkill mit all seinen Erscheinungen (die im Einzelnen bekannt sein dürtfen) ist hierfür zu einem nicht unerheblichen Teil verantwortlich.

Zurück zum Sport:
Athlet zu sein ist nobel: Noblesse oblige. Aber: Athlet zu sein, hat auch mit Entbehrungen zu tun. Also der Notwendigkeit, weil es die Situation erfordert, auf etwas zu verzichten. Die erforderliche Konzentration auf das tägliche Training wird in unserer heutigen westlichen Gesellschaft untergraben von einem Überangebot an Verlockungen, wie z. B. Konsum, oder Social Media. Nur charakterstarke Athleten, die auch von ihren Trainern in dieser Sache in der richtigen Weise beraten werden, haben die Möglichkeit, im täglichen Ablauf hier die richtige Balance zu finden.

In Kenia besteht der Alltag der Läufer aus Training, Essen und Schlafen. Viele westliche Läufer zieht es zum Trainieren nach Kenia, um sich von dieser auf den ersten Blick sicher nicht sehr ansprechenden Lebensweise inspirieren zu lassen und ihre Leistung zu verbessern.

Pascal ist 2012 in Helsinki Europameister im Zehnkampf mit Bestlesitung geworden. Vorbereitet hat er sich auf diesen Wettkampf in der Abgeschiedenheit Estlands. Es war damals seine bewußte Entscheidung, dem westlichen Überangebot an Verlockungen – er hatte auch die Tendenz, diesen zu erliegen – den Rücken zu kehren, sozusagen zu entfliehen, um sich in Estland, quasi abgeschottet, ganz auf sein Training konzentrieren zu können. Der Erfolg mit seinem Sieg gibt ihm recht. Als er dann später in Amerika trainiert hat, ging es schief – ein Selbstversuch?

In diesem Kontext möchte ich noch zwei weitere Beobachtungen anführen:

Die beiden überaus hoffnungsvollen, ganz jungen Läuferinnen Alina Reh und Konstanze Klosterhalfen halten sich in Sachen Social Media äußerst zurück – bravo! Der Beginn eines Umdenkungsprozesses?

Als ich Ende der Achtziger Jahre als Junge zum Lauftreff gegangen bin, ist die schnellste Gruppe in einer Stunde 15 Kilometer gelaufen: Da musste ich mich ganz schön anstrengen, um mit dieser großen Gruppe oft verrückter Typen mit langen Haaren und schrillen Laufklamotten mitzuhalten. Heute lohnt es sich für mich nicht mehr, dort hinzugehen: Die schnellste Gruppe schleicht selbstzufrieden mit 12 Kilometern in der Stunde duch den Wald, nachdem die Teilnehmer zu Beginn geschäftig an ihren neusten Pulsuhren herumgedrückt haben.


RE: Was tut der DLV gegen die schlechten 400m-Leistungen? - Atanvarno - 06.03.2018

Selbst wenn man diesem "früher war alles besser und jetzt sind wir degeneriert und verweichlicht" Lamento zustimmen wollte (was ich nicht vollumfänglich tue), würde nichts davon erklären, warum uns auch andere westliche Nationen über 400m locker in die Tasche stecken. Die USA sind die weltweit führende Nation (jedes Division I College hat wahrscheinlich einen 400m-Läufer im Team, der locker deutscher Meister werden könnte) und dort sind die Verlockungenen der Konsumwelt und die Möglichkeiten der Social Media eher noch ausgeprägter als bei uns (und auch die Konkurrenz durch andere Sportarten, falls man das noch ins Feld führen möchte)


RE: Was tut der DLV gegen die schlechten 400m-Leistungen? - Jo498 - 06.03.2018

Der Unterschied zu den USA ist eben, dass, obwohl die Verlockungen durch andere Sportarten ähnlich groß ist, eben auch in der LA recht schnell ein geldwerter Vorteil in Form der College-Stipendien lockt. Und man kann wohl auch sehr viel leichter einigermaßen solide Geld mit Sponsoren verdienen, also nicht nur als absoluter Weltklasseathlet.
(Für Polen gilt das allerdings nicht und die sind auch viel besser über 400m.)

Social media etc. erklären auch nicht, warum bestimmte Disziplinen "brach liegen", andere aber nicht. Zehnkampf ist ja auch nicht gerade wenig trainingsintensiv und da waren die Deutschen nahezu durchweg gut, wenn nicht in den Medaillenrängen, dann immer top8 oder so.


RE: Was tut der DLV gegen die schlechten 400m-Leistungen? - frontrunner800 - 06.03.2018

Im Triathlon sind die Deutschen auch ganz vorne, warum? Weil dieser Sport viel Equipment braucht, ähnlich wie Zehnkampf (Geräte, Schuhe, Facilities) und somit also teuer ist. Athleten in vielen Länder können sich das gar nicht leisten, somit ist die Konkurrenz kleiner. Weltweit der kompetitivste Sport ist laufen, weil es sich jeder leisten kann, und es so also alle machen können!