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Data driven training - dominikk85 - 19.01.2018

In meiner anderen sportart baseball ist das jetzt der letzte schrei. Dort wurden in den letzten Jahren sehr teure tracking systeme in die stadien eingebaut und das Training auch dahingehend gestaltet das sehr viel getrackt wird.
https://www.sporttechie.com/trevor-bauer-driveline-baseball-data-driven-pitch-design/


es gibt zb auch bereits Experimente mit Sensoren am arm die die Belastung messen sollen um den Stress am arm z.b durch anpassung der Technik zu mindern, bisher allerdings mit mäßigem Erfolg.

ist das der weg der Zukunft in der Leichtathletik, das Training und belastungen mit kleinen Messgeräten (“wearables“) optimiert und gesteuert werden? Oder ist dad lediglich ein gimmick da messdaten Gefühl, auge und Erfahrung von athlet und trainer nicht ersetzen können?


RE: Data driven training - lor-olli - 20.01.2018

Ich werfe hier mal den Begriff 'big data' ein… Hier ist es so, dass Daten erst einmal gesammelt werden, je mehr desto besser, zum Kernproblem der Big Data Analyse werden dann die Auswertungsalgorhytmen. Der Mensch, auch ein Fachmann und intelligenter Forscher ist ab einem gewissen Datenvolumen nicht mehr in der Lage Muster zu erkennen, die Maschine schon.

Es geht nicht allein um reine Mathematik / Informatik, sondern auch um neue Prinzipien der KI-Forschung und Hardware! Computer die synaptische Verknüfungen des menschlichen Hirns imitieren aber in punkto Rechenleistung und Volumen Menschen mittlerweile locker "abhängen" - jüngstes Ergebnis ist z.B. ein Computer, der jeden Go-Weltmeister schlägt. Das galt noch vor wenigen Jahren als "unmöglich" weil die Variablen und Kombinationen für sich genommen, auch heutige Rechner noch überfordern.

Die KI-Forschung hat erkannt, dass bei BigData das reine Rechnen nicht zielführend ist, die Maschine muss selbstständig voranalysieren und selbstständig weitere Rechenstränge verwerfen um beim abarbeiten zu lernen. Dies führt am Ende dazu, dass die Maschine uns ein Ergebnis mitteilt welches wir nicht überprüfen können, allein weil wir den Prozess des Verwerfens einiger Zwischenergebnisse nicht überprüfen oder nachvollziehen können!

Zukunftsmusik? Mitnichten, Google investiert in diesem Bereich in der Summe mittlerweile mehr als eine Milliarde und die Ergebnisse (Navigation, Übersetzungen, Sprachsteuerung, unterstützte Suche im Web, Analyse des Userverhaltens etc. funktionieren schon sehr gut) tragen Früchte. Die KI-Rechner schlagen mittlerweile auch im Textverständnis Studenten, wie eine Untersuchung der Standford University ergeben hat. (Es wurden neue Texte unterschiedlicher Schwierigkeit, zu verschiedenen Themen gegeben und die Probanden mussten eine Kurzzusammenfassung abgeben und inhaltliche Fragen zum Textverständnis abgeben - die Maschine muss also den Text "verstehen")

Zur Zeit mag das Erfassen der Daten im Sport noch oft mehr Spielerei nach dem Prinzip "try-and-error" sein, wenn die Datenbasis groß genug ist, wird sie dieses Stadium verlassen. Gertruds Lieblingsaspekt der Verletzungsprohylaxe wird sicherlich profitieren können, wenn die Rechner präzise Aussagen über Belastungspitzen ALLER beteiligten systemischen Elemente machen kann. Wird das Verletzungen verhindern? Sicher nicht, der Mensch neigt dazu sein Ego und seine Emotionen über die Ratio zu stellen (Beim Alkohol, Autofahren, riskanten Sportarten…). Die Analysen können aber sicher auch Optimierungen im Bewegungsablauf und den beteiligten Kraftkomponenten aufzeigen.

Das ist NOCH ein wenig Zukunft, aber meinen Beobachtungen nach rast sie schon auf uns zu. In Tokio wird der Verkehr nur noch vom Computer geregelt (inkl. Zeitangaben zu Streckenlängen, Ampelschaltungen, Umleitungen etc.), wie genau das funktioniert erfassen Menschen nur ansatzweise, der Verkehr fließt seit dem aber viel störungsfreier. Ohne menschliches Zutun wahrscheinlich sogar perfekt Wink

Die Antwort ist immer 42! (Und vergiss das Handtuch nicht…)


RE: Data driven training - gera - 20.01.2018

im Daten sammeln und nach Algorithmus auswerten, sind uns Maschinen natürlich überlegen.
Doch können sie auch Ergebnisse werten?
Zuviele Daten können die Sicht aufs Wesentliche auch versperren.
Um zu sehen, was wirklich wichtig ist braucht es doch auch die Erfahrung des Menschen  aus seinem Leben.
Im Moment können wir was die LA angeht nicht einmal die Daten einer 3-D-Videoanalyse genau genug erfassen und einordnen.
In allen Sprungdisziplinen werden z.Zt. Daten falsch erfasst und vor allem falsch gedeutet, was ich in einem anderen thread schon mit einigen Beispielen belegt habe.
Ich glaube zuviele und zu große Datensammlungen braucht der Mensch nicht.


RE: Data driven training - lor-olli - 20.01.2018

Lieber gera,
ich denke, dass Du hier einen typisch "menschlichen Denkfehler" begehst. Wer sich ein wenig in der Mathematik auskennst kennt das Phänomen: wenn ich einen Würfel werfe, kann ich das Ergebnis nicht vorhersagen, wenn ich ihn 1000 mal werfe und den Durchschnitt errechne aber ziemlich genau - nicht der einzelne Wurf ist entscheidend (außer im Glücksspiel)!

Zu viele Daten brauchen wir nicht? Aber nur, weil wir damit letztlich nichts entscheidendes anfangen können - auswerten und zwar nicht mit einfachen Rechenoperationen., der Computer lernt eigenständiges Denken UND kann die riesigen Datenmengen nutzen. Wir sehen einen Dreisprung und glauben alles wesentliche zu erkennen, der Computer versteht tausende von Dreisprüngen und zieht seine eigenen Schlüsse - im Detail nichts revolutionäres, aber die Stichhaltigkeit ist schon gravierend!

Wir sehen z.B. in einer Superzeitlupe einzelne Bilder, erkennen Bewegungsmuster als Konsequenz aus dem vorhergehenden, der Computer kann icht nur dasselbe, sondern er kann zu jedem Bild auch die wichtigsten Daten interpretieren und interpolieren, bis auf die Kräfte in jedes Band und jeden Knochen - WENN die Datenbasis groß genug ist. Hat eine Maschine tausende solcher Vorgänge erst einmal verarbeitet ist sie dem Menschen überlegen in punkto Geschwindigkeit, Volumen, Detailgenauigkeit! Wir sind nicht etwa zu blöd dazu, wir sind schlicht nicht schnell und "rechenstark" genug. Wir brauchen Hochgeschwindigkeitskameras, Kraftmessplatten, Zugsensoren (mittlerweile Milimetergroß), starke Beleuchtung und einen Computer und könnten trotzdem nicht aus nur einem Bild heraus eine Voraussage treffen, ein Computer schon (die befinden sich allerdings noch in der Lernphase).

Unser generelller Fehler ist, dass wir uns noch immer als das letzte Glied in der Entwicklungskette sehen, das stimmt aber schon eine Weile nicht mehr und wir leben ganz gut damit ( beim Autofahren, bei finazieller Risikobewertung, bei Wettervorhersagen, bei der Flugsicherung, bei der Navigation, in der Medizinischen Versorgung und und und). Das eigenständige Denken einer KI ist nur der nächste Schritt und uns dämmert erst wie gewaltig diese Entwicklung unser Leben beeinflussen wird! Wollen wir uns in 10 Jahren noch einmal darüber unterhalten?

Ein Tipp: wenn man sehen möchte wie es "weitergeht", dann schaue man sich Jugendliche so von 13-20 Jahren an, eigenständiges Denken ist jetzt schon häufig "old school" (Sie bemühen sich nicht einmal mehr darum selbst Nachzudenken), ohne google sind viele aufgeschmissen…

Ein amerikanischer Philosoph und Neurobiologe (habe das Buch gerade verliehen, Name fällt mir gerade nicht ein - mein Zenit???) vertritt sogar den Standpunkt, dass wir unseren intellektuellen Zenit überschritten haben zu dem Zeitpunkt als wir sesshaft wurden - einfach weil viele täglich essentielle Überlebensstrategien nicht mehr gefordert und trainiert wurden. Rechenleistung verdoppelt sich nach wir vor ca. alle 24 Monate… und das obwohl wir an die physikalischen Grenzen der Minimierung gestossen sind (wir sind bei 7-9 Nanometer, da reicht kein normales Licht mehr…)

Etwas was uns zu Denken geben sollte, ist auch die Menge an neuer Information die täglich auf uns herabregnet (nicht nur in Form von über 1 Million Büchern jährlich!), man kann in der Regel nur noch in einem speziellen Teilbereich seines Fachgebietes wissenschaftlich wirklich auf der Höhe bleiben - da maße ich mir nicht an die Folgen besser als eine Maschine erkennen zu können. Einen "Universalgelehrten" kann es einfach nicht mehr geben - trotz vieler, sehr kluger Köpfe.


RE: Data driven training - Gertrud - 20.01.2018

Man darf sich Verbesserungen einfach nicht verschließen oder von vorneherein abblocken. Computer sind uns in bestimmten Auswertungen überlegen. Daher sollten wir diese Dienste nutzen. Hier ein Beispiel aus der Medizin:   https://www1.wdr.de/wissen/mensch/kuenstliche-intelligenz-medizin-100.html

Ich bin gespannt, ob solche genauen Diagnosen im Sport auch auf Dauer möglich sind und der prophylaktische Bereich verbessert werden kann. Sicherlich spielt die Individualität hinsichtlich der Strukturen zunächst einen Streich. Aus den präzisen strukturellen Erkenntnissen heraus punktgenaue Anweisungen zu kreieren, wird eine Wahnsinnsaufgabe werden. Angaben darüber zu machen, wie man die Strukturen umwandeln kann, damit sie leistungsfähiger werden und dabei gesund bleiben, erfordert die Eingabe unglaublich vieler Daten. 

Im Grunde sind wir zur Zeit z. B. nicht in der Lage, die Kräfteverhältnisse am Oberschenkel in den Kontraktionsformen, dem ROM und den ganz präzisen Strukturen festzulegen. Es gibt noch zu viele Ungereimtheiten. Wie wir wissen, verändert sich der Athlet auch mit dem Alter.

Maschinen sind uns hinsichtlich Rechenleistung absolut überlegen. Wir können wirklich nur noch begrenzt gut sein. Wenn ich meine täglichen Stunden hinsichtlich Verletzungsprophylaxe sehe, befinde ich mich am Anschlag.  

Ich bin fest davon überzeugt, dass es irgendwann kleine Kameras oder Sensoren gibt, die man durch unseren Körper zum Sondieren aller möglichen Krankheiten schickt. Vielleicht werden dann auch Daten, die von der Norm abweichen, sofort gemeldet oder wenn man schädliche Sachen isst, dass dann ein Lämpchen blinkt oder unser Smartphone vibriert. Wer weiß ... ? 

Gertrud


RE: Data driven training - lor-olli - 20.01.2018

Ich sehe da insofern auch kein Problem, wenn letztlich die Entscheidung beim Menschen liegt - zumindest im Sport sollte dies eigentlich kein Problem sein… ABER in vielen Bereichen werden wir Kompetenzen an Rechner abtreten müssen (?), einfach weil wir keine rationalen Argumente dagegen haben. In einigen Nationen entscheiden heute schon Maschinen in Fragen der medizinischen Versorgung (in GB berechnen Computer z.B. die Prioritätenliste zur Transplantationmedizin - der einzige "Störfaktor" sind Patienten und Mediziner die sich an die logischen Regeln nicht halten mögen und "tricksen")

Der Profisport wird einerseits profitieren können, z.B. durch ein individualisiertes und optimiertes Training, vielleicht sogar der Verletzungsprophylaxe, er wird andererseits aber auch mit unangenehmen Konsequenzen leben müssen, wenn z.B. die die Maschine die Mannschaftsaufstellung eines Sportteams diktiert, Spielzeiten etc. nach bestmöglichen Sendequoten und damit zu generierenden Einnahmen festlegt, oder gezielt starke Teams schwächt um eine stärkere Konkurrenzsituation entstehen zu lassen. Bei Individualsportarten so natürlich eher nicht möglich, dennoch könnten durch gezielte Trainingssteuerung und der gezielten Festlegung von Wettkampfzeitpunkten die dem gewünschten Sportler einen Vorteil oder dem Gegnerischen einen Nachteil erwachsen lässt.

Fantasien? Nun das Militär gestaltet nach solchen Analysen schon Einsätze, sie werden eine rechnergestützte Hilfe garantiert nicht ablehnen und ein Geist der erst einmal der Flasche entkommen ist… Entscheidend wird sein, ob wir letzlich die Entscheidung in ethischen Fragen behalten, Panik ist wohl nicht angesagt, eine gesunde Skepsis ob wir des Ergebnis so wirklich wollen aber schon!


RE: Data driven training - gera - 21.01.2018

sehr interessante,ja schon philosophische Gedanken von Euch.
Da kann ich nicht mithalten, trotzdem eine Meinung dazu.
Natürlich ist der Computer dem Menschen in Erfassung/Auswertung/Vorhersage überlegen.
Aber wieviel kommt beim normalen Menschen/Trainer davonan? Wieviel versteht er ansatzweise?
Noch wird nicht mal von einigen verstanden, dass im Sprung Abdruckwinkel nicht gleich Abflugwinkel ist.
Computer nutzen - natürlich , aber den Menschen bitte noch mehr zum eigenständigen Denken/Verstehen erfähigen, nicht nur den google-Knopf zeigen.
Sonst weiß er garnicht mehr warum er was tut.
Und wird schließlich selbst zum schlechten "Nachplapperer".