Leichtathletikforum.com
zur Hochsprungentwicklung - Druckversion

+- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com)
+-- Forum: Leichtathletikforen (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=1)
+--- Forum: Training im Spiegel der Sportwissenschaft (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=21)
+--- Thema: zur Hochsprungentwicklung (/showthread.php?tid=3020)

Seiten: 1 2 3 4 5 6 7 8


RE: zur Hochsprungentwicklung - gera - 05.07.2020

Hallo Mathias ,

wenn wir alle der Meinung wären, der Tauchwälzer hätte bereits den höchstmöglichen Stand erreicht,
bräuchten wir nicht nach Weiterentwicklungsmöglichkeiten suchen.
Dann wäre der Flop , da er mehr Höhe gebracht hat auf jeden Fall die bessere Technik.
Aber wollen ja gerade sehen, ob der Wälzer noch Verbesserungsmöglichkeiten hat.
Oder anders gesagt, ob es eine Technik mit Lattenquerung in Bauchlage geben kann , die besser als der Flop ist.

Vielleicht sollten wir erstmal überlegen, welche Parameter der verschiedenen Techniken über die Gesamtentwicklung des Hochsprungs Leistungssteigerungen gebracht haben.
Zu den wichtigsten Listungssteigerungsparametern zähle ich:
- die Verringerung der Lattenüberhöhung des KSP = h3
- die Erhöhung der Abfluggeschwindigkeit

Bei der Erhöhung der Abfluggeschwindigkeit spielt eine auch Rolle , wie gut die Technik es erlaubt die erreichbare horizontale Anlaufgeschwindigkeit  in die Abfluggeschwindigkeit einzubringen.

Sowohl beim Flop , aber auch beim Wälzer stimmen Anlaufrichtung und Absprungrichtung nicht überein.
Das kann man ganz einfach prüfen , wenn man sich Videoaufnahmen ansieht und danach  in einer Skizze sowohl die Anlaufrichtung mit einem Pfeil einzeichnet als auch Richtung der Flugkurve.
Die Richtung der Flugkurve sieht man am Absprungpunkt und am Landepunkt des KSP.
Beide Richtungen fallen auseinander, was bedeutet, dass ein Verlust an horizontaler Geschwindigkeit auftritt.
Eine gute Technik sollte dieses Auseinanderfallen der Wirkungslinien zumindest verkleinern.
Kann man das mit der besten Tauchwälzertechnik erreichen ? Oder kann die Tauchwälzertechnik dahin gehend verbessert werden?

Zu Deinem Bedenken hinsichtlich fehlender Rotation bei Absprung in Laufrichtung :
Wieviel Rotation ich beim Absprung erreiche, hängt vor allem vom Abdruckwinkel ab und lässt sich durch durch das steuerbare Trägheitsmoment beeinflussen.
Wenn R.Spank und M.Haverney nur niedrige Höhen mit " Hay " erreichen konnten, lag es daran, dass sie nach " Hay " versuchten mit gestreckten Beinen um die latte zu rotieren. Das kann natürlich nicht gelingen, da viel zu großes Trägheitsmoment.


RE: zur Hochsprungentwicklung - matthias.prenzlau - 10.07.2020

Hallo!

In Perfektion sind sich Flop und Wälzer ohne Zweifel ebenbürtig.

Trotzdem halte ich den Flop für die bessere Technik.
Das hat einen bestimmten Grund:
Die Trainingszeit, die ein Straddler benötigt,
um seine Technik (ständig) zu erarbeiteiten und wettkampffest zu machen, ist gegenüber
dem Flopper um ein Vielfaches höher. Die gesparte Trainingszeit kann der Flopper
für andere Inhalte nutzen und ist unterm Strich im Vorteil.

Das sage ich nicht einfach nur so. Ich habe es selbst eine Saison getestet.
Beim Wälzer ist die (enge) Abfolge komplizierter Technikelemente höher als beim Flop.
Die Wälzer-Elemente sind praktisch alle ineinander verwoben.
Stimmt ein Teil nicht, kippt gleich das gesamte System.
Beim Flop ist es anders. Man kann "draufhalten" und springt trotzdem hoch.

Deshalb ist der Flop in Stressmomenten im Vorteil.
Das ist ein Grund warum die Flopper die Straddler in großen Wettkämpfen nach und nach nieder gerungen haben.

Wäre der Flop nicht so gut, wäre er nicht so durch die Decke gegangen!
Gerade der Ostblock hätte gerne eine Gegenantwort zum American-Flop gehabt...

Zurück zum Thema.
"Bei Flop und Wälzer stimmen Anlauf- und Absprungrichtung nicht überein."
Ein Teil der horizontalen Geschwindigkeit wird für die Rotation abgezwackt.
In der Theorie nicht optimal.

Optimal wäre ein gerader Anlauf und eine Vorwärtsrotation in Laufrichtung.
Dass das gut funktioniert hat vor ca. 50 Jahren schon B. Stierle mit seinem Salto-Weitsprung gezeigt.

Optimaler geht es in der Theorie nicht. Im Grunde genommen wird keine Geschwindigkeit für die Rotation abgezwackt.

Problem ist aber die Physis des menschlichen Körpers:
Der Körperschwerpunkt erreicht ungeahnte Höhen... Der Athlet rotiert mit dem Oberkörper um die Latte...
Die Beine optimal gebeugt in Froschposition... Und doch reißen irgendwann die Oberschenkel die Latte...
Wenn die Beine bloß nicht im Wege wären!

Um das Problem zu lösen, muss man von einem reinen Vorwärtssalto zu einem Vor-Seitwärtssalto wechseln.
(siehe Tauchwälzer)
Durch die die Schräglage des Körpers zur Latte können die gebeugten Beine nach und nach die Latte überqueren
und nicht in einem Zug (!), wie beim reinen Vorwärtssalto.

Voraussetzung für einen Vor-Seitwärtssalto ist aber wieder das seitliche Abfälschen des KSP beim Absprung.
Anlauf- und Absprungrichtung stimmen nicht überein und ein Teil der horizontalen v wird für die Rotation benötigt.
Eine Impulskurve verringert den Verlust auf ein gesundes Maß.

Avant hat es ausgereizt. Aber auch er konnte nicht geradlinig (siehe Hay) anlaufen, weil er sonst die Beine nicht herüber bekommen hätte. Avant sprang einen Vor-Seitwärtssalto. Seine Lattenüberquerung entsprach einem tüchtigen Tauchälzer.

Zusammenfassend komme ich zu der Erkenntnis, dass Hay nicht funktioniert, Tauchwälzer ausgereizt und Flop im Vorteil ist.

Sportliche Grüße
Matthias


RE: zur Hochsprungentwicklung - matthias.prenzlau - 10.07.2020

Zacharias macht den Avant.
Aber besser: mit Schwungelementen par exellence.  Thumb_up

https://m.youtube.com/watch?v=b_05wJ7vu2M


RE: zur Hochsprungentwicklung - MZPTLK - 10.07.2020

(10.07.2020, 11:06)matthias.prenzlau schrieb: Optimal wäre ein gerader Anlauf und eine Vorwärtsrotation in Laufrichtung.
Dass das gut funktioniert hat vor ca. 50 Jahren schon B. Stierle mit seinem Salto-Weitsprung gezeigt.

Optimaler geht es in der Theorie nicht. Im Grunde genommen wird keine Geschwindigkeit für die Rotation abgezwackt.

Ich stimme Dir im Wesentlichen zu.
Aber für die Rotation muss immer abgezwackt werden.
Am meisten beim Senior, der sich über 1 m quält, am wenigsten bei Holm.

Beim Weitsprung hilft es , wenn  man sich den Dreisprung ansieht.
Dort wandert der KSP während des Absprungs weiter als beim Weitsprung,
um in die richtige Position fürs Weiterspringen zu kommen.
Das, ohne verheerende Vorwätsrotation im Flug

Stierle muss nun aber - im Gegensatz zum 'normalen' Weitspringer -
eine Vorwärtsrotation hinbekommen, also abzwacken und damit Verlust hinnehmen.


RE: zur Hochsprungentwicklung - matthias.prenzlau - 10.07.2020

Das macht Sinn!
Wenn für eine Rotation so oder so Energie "verloren" geht,
dann ist es ja egal, ob die Wirkungslinie (Anlauf-Absprung-Richtung) in einer Linie ist. Oder?


RE: zur Hochsprungentwicklung - Sprunggott - 10.07.2020

Ich hatte vor Jahren eine angeregte Diskussion mit Jörg Böttcher (Biomechaniker OSP Berlin) 
zu dem Thema - langer Abend viel Bier, im Ergebniss haben wir und in theoretische Berechnungen vertieft... 
Klar ist das ein frontaler Anlauf und Absprung ein unschätzbarer Gewinn wäre.
Das Problem der Rotation wurde ja hier schon augebreitet. Ab einer gewissen Höhe kann ein Saltosprung
rein rechnerisch je nach Körpergröße wieder funktionieren, damit die Lattenüberhöhung ohne "Abriss" gelingt.  
Wie gesagt - alles theoretisch !  
 
Zum Straddle kann sich mal Sprünge von Vladimir Yashchenko bei YouTube anschauen.
Ein exelenter Techniker mit viel Talent - leider hat er sich später zu Tode gesoffen.


RE: zur Hochsprungentwicklung - MZPTLK - 10.07.2020

(10.07.2020, 15:06)matthias.prenzlau schrieb: Das macht Sinn!
Wenn für eine Rotation so oder so Energie "verloren" geht,
dann ist es ja egal, ob die Wirkungslinie (Anlauf-Absprung-Richtung) in einer Linie ist. Oder?

Bei Sprüngen geht immer Anlauf-Energie 'verloren',
weil beim Umlenken während des Bodenkontakts beim Absprung Linie(n) 'verlassen' werden müssen.
Ideal bei Weit und Drei ist das eindimensional,
beim Hochsprung müssen 2 Linien leiden, sonst keine Rotation(en).
Aber egal ist das nicht, bei hohen Flügen sollte das Abzwacken für Rotationen prozentual am geringsten  sein,
weil dies biomechanisch dann besser möglich ist
und Überdrehen kontraproduktiv wäre.

Darum predige ich immer, dass ein perfekter Absprung beim Weitsprung null Rotationen verursachen soll.


RE: zur Hochsprungentwicklung - gera - 11.07.2020

@ Mathias / Sprunggott / MZPTLK

Einig sind wir uns wohl darin , dass totz aller Mängel der Flop insgesamt dem Tauchwälzer leicht überlegen ist.
Das liegt vor allem an der höheren  umsetzbaren horizontalen Anlauf Geschwindigkeit.
Beide Techniken haben aber auch den Nachteil , dass die Anlauf - V  und die Abdruck-V  ( daraus ergibt sich die Abflug -V )
verschiedene Richtungen haben.
Bei allen Hochsprungtechniken muss für die Rotation des Körpers um die Latte Impuls abgezweigt werden.
Wäre die Anlaufrichtung genau gleich der Abdruckrichtung ( wie es mein Vorschlag " rotary jump will) , wäre nur ein Verlust für die Rotation um die Körperbreitenachse da.
Beim Flop und beim Tauchwälzer dagegen zusätzlich für Drehungen um alle anderen Körperachsen.
In Bezug auf eine effektive Verwendung der horizontalen Anlauf - V  zur Erzeugung von Sprunghöhe ist die Technik am besten , die die geringste Differenz von Anlauf- Winkel zu Abdruckwinkel in Bezug Latte hat.
Theoretisch sollte diese Differenz = Null sein.
das mit " rotary jump " so gesprungen werden kann , zeigen m.E. Aufnahmen der von mir angeführten Athleten  Avant  + Hopkins.
Allerdings beugen beide Athleten beim Absprung den Oberkörper zur lattennahen Seite. Weshalb das nötig ist, erschließt
sich mir noch nicht.
Vielleicht ist es nur ein Fehler der Athleten.
Eine Verringerung  der horizontalen Geschwindigkeit dadurch kann ich aber nicht sehen ,  da die Beine sich immer in Anlaufrichtung bewegen.
Mathias sieht diese Neigung als nötig an , um die Querung der Latte zu schaffen.
Dazu vertrete ich die Meinung, dass die Querung der Latte mit dem erzeugbaren Drehimpuls gut bewerkstelligt werden kann. Die benötigte Zeit für die Drehbewegung aller Körperteile um Latte  nach Art Avant/Hopkins ist nämlich kleiner
als die Zeit der horizontalen Fortbewegung des KSP bis zu h,max..
Steuerbar ist diese Zeit durch dieangezogenen/angewinkelten Beinedes Athleten bei der lattenquerung. Dadurch wird das Trägheitsmoment und die Winkelgeschwindigkeit der Drehung gesteuert.
Ich will mir die genaue Berechnung hier sparen <<< H,max. wird in ca. 0,5 sec. erreicht, bei rotary jump benöigt der Athlet nur ca. 0,2 sec. für die Drehung, bei " Hay " ca. 0,7 sec. , weshalb man ständig die Latte mit den Oberschenkeln abräumt. 

Überhaupt sollte man den angestrebten " salto " nicht zu wörtlich nehmen. Es wird weder ein Salto , noch ein gestreckter Salto , noch ein gebückter Salto ( " Hay " ) gesprungen. Lediglich wieder eine Querung der Latte bäuchlings wird angestrebt mit variabel beweglichen Beinen über der Latte und Richtung Anlauf - V  = Richtung Abdruck - V.

Sollte auch bei meinem Technikvorschlag ein auseinander fallen der Geschwindigkeitsrichtungen auftreten, ist er auf jeden Fall geringer als bei Flop / Tauchwälzer.
Das sieht man an den zur Verfügung stehenden Videoaufnahmen.
Der Tauchwälzer springt fast am Pfosten ab und landet in der Mitte der Matte.
Hopkins springt bei etwa gleichem Anlaufwinkel  am linken Pfosten ab , landet aber am rechten Pfosten.

Ein Absprung ala Th.Zacharias entspricht nicht meinen Vorstellungen, trotz des prima Abtauchens des Oberkörpers.
Doch das ist ein extra Thema.

Auf jeden Fall liegt im Problem der Richtungen der Kräfte auch eine große Chance zur Leistungssteigerung


RE: zur Hochsprungentwicklung - MZPTLK - 11.07.2020

Beim Stab wird ja schneller angelaufen und frontal zur Latte gesprungen, wobei die Lattenüberquerung für den Hochsprung nicht infrage kommt.
Wenn wir das für den Hoch übernehmen, und es möglich wäre, die Lattenüberquerung kürzer und mit möglichst tiefem KSP zu gestalten, könnte das eine interessante  und vielleicht konkurrenzfähige Technik sein.
Das geht nur mit Zusammenkauern über der Latte, woraus sich ein Salto ergibt.
Ich stelle mir eine Kick and Roll-Technik vor.

Trotzdem bin ich skeptisch, ob man so höher kommen könnte als mit dem Flop.


RE: zur Hochsprungentwicklung - benutzer - 16.07.2020

jetzt weiß ich warum Carlo Thränhard seine rekorde springen konnte,
weil er immer kurz vorher noch eine rauchte.
Kohlenmonoxyd sool leistungsfördernd sein.
Kleiner Scherz am Rande.