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Kevin Mayer Krafttraining (TKB u.a.) - Druckversion

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RE: Kevin Mayer Krafttraining (TKB u.a.) - lor-olli - 08.03.2019

Der Mehrkampf nimmt meines Erachtens sowieso eine Sonderrolle bei der Spezifität das Trainings ein. Jede Disziplin hat eigene Herausforderungen und ein Mehrkämpfer kann gar nicht wie ein Spezialist trainieren - er müsste dann ja z.B. auch den 1500m Lauf besonders trainieren.

Trainingsformen für eine Disziplin haben oft auch Synergieeffekte für eine andere Disziplin, es geht ja bei der Gesamtheit des Trainingskonzept im Mehrkampf darum einem Spezialisten nahe zu kommen die Trainingsbelastung (auch der 10-Kämpfertag hat nur 24h) und die gesamtphysiologischen Notwendigkeiten (Muskelmasse/Kraft/Gewicht, aber eben nicht wie ein Kugelstoßer oder ein Hochspringer) vorrangig zu berücksichtigen.

Zehn-/Mehrkämpfer als die eierlegenden Wollmichsäue der Leichtathletik sollen also mit Effizienz Spezialistenleistungen nahe kommen, es gilt daher die Spezifität immer mit dem Blick auf die Vor- und Nachteile ALLER Disziplinen kreativ zu nutzen (was z.B. für die Würfe hilfreich ist muss nicht auch für den Hochsprung gut sein…), eigene oder andere Übungsformen zu finden und vor allem den individuellen Athleten und seine individuellen Probleme / Schwächen zu berücksichtigen.

Die Frage hier wäre dann, ist eine Übung auch unspezifisch für einen Zehnkämpfer nur weil ein Spezialist sie so nicht macht, oder sind nicht die Anforderungen an einen Mehrkämpfer in der Summe eben unspezifischer als für einen Spezialisten? Sein Trainer hat ganz gezielt versucht Mayer "umzuformen", Schwächen wie eine nicht besonders gute Reaktionszeit durch spezielles Kraftraining für den Sprint zu kompensieren. Die Körpermasse gleich halten, aber den Fettanteil (drastisch) zu senken, den Muskelanteil dafür anzuheben. Der ehemalig recht gute Langläufer (Crosslauf in der Jugend) ließ in diesem Bereich Federn, der Punktegewinn im Sprintbereich kompensierte das aber in der Summe. Muskuläre Schwachpunkte und Unbeweglichkeiten durch Übungen zu verbessern, die ihm eben spezifisch für diesen Aspekt schienen.

Misst man Perfektion in der Summe am Grad des Erfolges, ist ein WR dann Perfektion? Ob all dieses Training gesund ist, wird in dieser Leistungskatagorie leider nicht immer zufriedenstellend berücksichtigt. (Obwohl ich hier, im Gegensatz zum "schwedischen Modell" keinen Vorsatz für eine Athletengefährdung erkennen kann - aber das hatten wir ja im "Price of Gold" schon)


RE: Kevin Mayer Krafttraining (TKB u.a.) - MZPTLK - 08.03.2019

Früher meinte man oft, dass es Typen gebe, also z. B. den Läufer-, Springer- oder Werfertyp.
Das suggerierte, dass entsprechend Veranlagte den Fokus auf ihre Qualitäten legen sollten
und damit schon genügend Punkte 'erwirtschaften' würden,
um die schwächeren Disziplinen zu kompensieren.

Aber die Maus beisst keinen Faden davon ab, dass der Zehnkampf so konzipiert ist,
dass bei möglichst vielen Disziplinen eiin Ausloten angestrebt werden sollte
bevor der Punkt erreicht ist, wo es anderen Disziplinen (zu sehr) zum Nachteil gereicht.
Vielseitiges Bewegungstalent ist immer Voraussetzung.

Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen auch Schokoladendisziplinen,
sollte man Athleten 'verbieten', diese überproportional zu trainieren?
Ich denke nicht, vor allem dann nicht, wenn Synergieeffekte erwartbar sind.
Ist ein Athlet z.B. Stabhochsprungfreak, ist die dabei geförderte Athletik für viele andere Disziplinen nützlich.

Und dann natürlich die Grundschnelligkeit, sie hilft vor allem am ersten Tag,
aber auch bei den technischen Disziplinen.
Weil diese zum allergrössten Teil Veranlagung ist und durch Training nicht wesentlich verbessert werden kann,
stehen grosse, athletische Sprintertypen stark 'im Verdacht',
(sehr) gute Zehnkämpfer werden zu können.


RE: Kevin Mayer Krafttraining (TKB u.a.) - Gertrud - 09.03.2019

1. Es gibt viele Wege, die nach Rom führen.
2. Nicht jedes Übungsgut eines Weltrekordlers ist in allen Punkten ausgeklügelt. 
3. Nicht jeder Weltrekordler bleibt während oder 20 Jahre nach seiner Karriere gesund. Wir hatten doch auch einmal einen Weltrekordler im Speerwurf, dem es nicht so gut nach seiner Karriere ging - oder?
4. Ich seziere bis ins Details. Da K. Mayer vieles mit unbekleidetem Oberkörper durchführt, bin ich von seinem Oberkörper in vielen Facetten begeistert, aber nicht von allen. 
5. Ob sein häufiges Barfuß-Sein auch im Krafttraining gesund ist und transferiert wird, sehe ich spätestens beim Weitsprung als nicht durchschlagend an.
6. Er hat allerdings eine Reihe nicht gewichtheberischer Übungen im Programm, die schon gut sind. 
7. Wenn man durch gesunde Übungen sehr gut vorbereitet ist, können die gewichtheberischen nicht ganz so viel Schaden anrichten.  Wink
8. Seine TKB entspricht nicht den Anforderungen einer spiraldynamischen Verschaltung.
9. "He also showed relatively weak knee flexors on his right leg as well as relatively weak hip extensors on the left." Die TKB verstärkt dieses Manko des Seitendefizits noch.
10. Seine Barfußsprünge aus relativ großer Höhe sollten nicht von jedem nachgemacht werden. Bei einer ganz bestimmten Fußvariation, die relativ häufig vorkommt, wäre das der Kollaps in kurzer Zeit. 

Es sollte erlaubt sein, auch auf hohem Niveau zu meckern oder gerade da, wo es in Grenzbereiche geht und gefährlich werden kann. 
Wink

Gertrud


RE: Kevin Mayer Krafttraining (TKB u.a.) - MZPTLK - 09.03.2019

Das Vertrackte ist, dass man immer wieder an neue Gesundheits-(un)verträgliche Limits gerät,
egal, welches Niveau man angeht.


RE: Kevin Mayer Krafttraining (TKB u.a.) - Gertrud - 09.03.2019

(09.03.2019, 17:30)MZPTLK schrieb: Das Vertrackte ist, dass man immer wieder an neue Gesundheits-(un)verträgliche Limits gerät,
egal, welches Niveau man angeht.

Es ist unglaublich schwierig, vor allem die individuellen Klippen zu ergründen. Das stellt sehr hohe Ansprüche an die Trainerschaft. Die Programme in trainingswissenschaftlicher Form liegen doch schon gut vor; aber die medizinischen Bereiche zu erschließen und dann indviduelle "Fallen" zu erkennen und Programme auf den Leib zuzuschneidern, erfordert einen immensen Aufwand.

Gertrud


RE: Kevin Mayer Krafttraining (TKB u.a.) - Gertrud - 11.03.2019

Man sollte bei Kraftübungen zwischen reinen gelenkprotektiven und gezielten, unterstützenden Disziplin-Kraftübungen unter gelenkprotektiver Beachtung und mit entsprechender struktureller Aktivierung unterscheiden. Wenn ich diese Einteilung bei K. Mayers Kraftübungen vornehme, dann verschwimmt diese Grenze manchmal. Die Grenze verschwimmt auch bei Barfußsprüngen aus großer Höhe und hart abfangender Landung, weil beim Barfußtraining oft die benötigten Bewegungsmuster nicht aktiviert werden und somit das Verletzungsrisiko erhöht wird. Der erhöhte Plantardruck bei den Landungen ist nicht ohne und kann nur bei einer langfristigen Präzision erfolgen. Man muss seine Übungen schon in einem Kontext unter langfristigem Aufbau sehen.

Gertrud


RE: Kevin Mayer Krafttraining (TKB u.a.) - Gertrud - 11.05.2021

 "He also showed relatively weak knee flexors on his right leg as well as relatively weak hip extensors on the left." Die TKB verstärkt dieses Manko des Seitendefizits noch.

Eine solche Aussage macht mich auf dem Niveau sehr betroffen und zeigt mir, dass man nicht in der Lage bisher war, punktgenau zu dosieren. Sicherlich ist es nicht einfach, bei der Vielzahl azyklischer Bewegungen Gleichgewichte und azyklische Bedürfnisse herzustellen; aber gerade das erfordert ein Training auf höchstem Weltklasseniveau.

Manche Trainer meinen, dass sie ihre Schützlinge schützen, wenn sie ihr "normales" Übungsgut weiterhin benutzen und täglich Physiotherapie durchführen lassen. Letztens musste ich bei einer solchen Aussage schmunzeln, als ich mir die Übungen eines absoluten Weltklassemannes ansah, die im Detail starke Defizite nach meinen Vorstellungen aufwiesen. Sicherlich verschleiert die Physiotherapie solche Defizite für einen Zeitraum. Entscheidend sind die nicht verletzungsträchtigen Kraftübungen. Wie übe ich Schutz auf vulnerable Stellen aus? Das erfordert z. B. im Bereich der Hamstrings eine sehr detaillierte Arbeit. Da werden immer wieder die Nordic Hamstrings Curls trainiert, ohne die Punktgenauigkeit zu überprüfen.

Ich untersuche fast täglich das Übungsgut von Spitzenleuten und finde die gesamte Palette von sehr gut bis schlecht vor. Ich studiere dabei auch das Trainerverhalten und versehe die Artikel mit entsprechenden Kommentaren. Man lernt nie aus!!!

Gertrud