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Wissenschaftliche Begründung von Trainingsinhalten (Energiesysteme) - Druckversion

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RE: Optimale Renneinteilung über 800m- positive oder even split? - matthias.prenzlau - 30.09.2021

Ich finde, man kann es nicht pauschalisieren.
Jeder Mensch ist anders.
Der ein kann "robotern", wie eine Marita Koch.
Der andere machts nach Gefühl.
(Heike Drechsler hat zu DDR-Zeiten ihre Trainingsberichte gepimpt,
da sie deutlich weniger trainiert hat, als verlangt. Quelle: ihre Autobiographie)

Was man bei aller Wissenschaft nicht vergessen darf, ist die mentale Barriere.
Und die ist bei jedem unterschiedlich weit nach hinten zuschieben.

Das maximale Potenzial schöpft man aus, wenn man alle Aspekte beachtet,
da sie sich gegenseitig bedingen. Bringt man alles in Einklang, entsteht sowas
wie Warholm oder Bolt oder Mihambo.


RE: Optimale Renneinteilung über 800m- positive oder even split? - Piroschka - 30.09.2021

(30.09.2021, 19:13)matthias.prenzlau schrieb: Das maximale Potenzial schöpft man aus, wenn man alle Aspekte beachtet,
da sie sich gegenseitig bedingen.
Dafür muss man aber erstmal alle Aspekte verstanden haben. 
Deshalb schrieb ich ja auch, dass man keine pauschalen Trainingspläne macht, sondern für eine individuelle Trainingsgestaltung umso mehr ein Verständnis der Vorgänge im Menschen erforderlich ist, die ständiger Anpassung bedürfen, um maximal effizient zu sein.


RE: Optimale Renneinteilung über 800m- positive oder even split? - matthias.prenzlau - 30.09.2021

Alles gut!  Thumb_up


RE: Optimale Renneinteilung über 800m- positive oder even split? - TranceNation 2k14 - 30.09.2021

(30.09.2021, 14:28)Piroschka schrieb: Ich habe zum Beispiel noch keine physiologisch und biochemisch Erklärung dazu gelesen, ob zur Verbesserung der anaeroben Ausdauer für einen 200m-Sprinter es besser ist, Läufe im Bereich eines bereits wieder deutlich abfallenden Kreatinphosphatspiegels zu absolvieren, also eher Wettkampfstrecke, mit ausgedehnter Pause. Oder ob es besser ist, deutlich kürzere Läufe im Bereich des KP-Peaks zu absolvieren und dafür mit sehr kurzen Pausen.
Standardantworten sind dann meist, dass man ja beides braucht. Begründet werden kann dies aber nie.

Wenn du mit sehr kurzen Pausen im Bereich des KP Peaks trainierst, wirst du doch bei gleichbleibender Belastungszeit zwangsläufig sukzessive "rechts" der KP Bereitstellung landen, oder? (Nicht als Provokation gemeint)


RE: Optimale Renneinteilung über 800m- positive oder even split? - Piroschka - 30.09.2021

(30.09.2021, 21:15)TranceNation 2k14 schrieb:
(30.09.2021, 14:28)Piroschka schrieb: Ich habe zum Beispiel noch keine physiologisch und biochemisch Erklärung dazu gelesen, ob zur Verbesserung der anaeroben Ausdauer für einen 200m-Sprinter es besser ist, Läufe im Bereich eines bereits wieder deutlich abfallenden Kreatinphosphatspiegels zu absolvieren, also eher Wettkampfstrecke, mit ausgedehnter Pause. Oder ob es besser ist, deutlich kürzere Läufe im Bereich des KP-Peaks zu absolvieren und dafür mit sehr kurzen Pausen.
Standardantworten sind dann meist, dass man ja beides braucht. Begründet werden kann dies aber nie.

Wenn du mit sehr kurzen Pausen im Bereich des KP Peaks trainierst, wirst du doch bei gleichbleibender Belastungszeit zwangsläufig sukzessive "rechts" der KP Bereitstellung landen, oder? (Nicht als Provokation gemeint)
Man hat jedenfalls nicht ausreichend Zeit, um die Energiequellen vollständig zu regenerieren. Also wird die Kreatinphosphatreserve von Lauf zu Lauf geringer. Die Frage ist halt, welche Herangehensweise die bessere ist. Dafür müsste man aber noch viel besser verstehen, wie sich die Energiebereitstellung nicht nur grundsätzlich verhält, wenn man einen einzigen maximalen Lauf macht, sondern wie sich die Energiequellen während einer Laufeinheit zueinander verändern und unterschiedlich schnell wieder regenerieren. Kann man also wohlmöglich durch kürzere Läufe mit kürzerer Pause mehr Belastung im relevanten KP-Bereich erzeugen, als mit längeren Läufen. Oder funktioniert es andersrum besser, da bei kürzeren Läufen die muskuläre Anteile an der Bewegung anders verteilt sind. Viele Fragen, zu denen man aber nirgends klare Antworten findet.

Interessant wäre in dem Zusammenhang auch, ob es vorteilhaft wäre, wenn man zwar zeitlich kürzere Läufe machen könnte, aber ohne zuvor eine Start- und Beschleunigungsphase zu haben.


RE: Optimale Renneinteilung über 800m- positive oder even split? - RalfM - 01.10.2021

(30.09.2021, 21:52)Piroschka schrieb:
(30.09.2021, 21:15)TranceNation 2k14 schrieb: Kann man also wohlmöglich durch kürzere Läufe mit kürzerer Pause mehr Belastung im relevanten KP-Bereich erzeugen, als mit längeren Läufen. Oder funktioniert es andersrum besser, da bei kürzeren Läufen die muskuläre Anteile an der Bewegung anders verteilt sind. Viele Fragen, zu denen man aber nirgends klare Antworten findet.
D

Der/die Athletin* wird schneller "blau" durch Hochbelastung mit kurzen Pausen, wie man umgangssprachlich sagt. Das kann im Training nur für sehr kurze Zeit gutgehen.
Ich bin kein Sportwissenschaftler, aber habe mich mal habilitiert mit experimentellen Arbeiten zur Reaktionskinetik in geologischen Systemen. In der Geologie geht vieles sehr schnell, man schaue auf den aktuellen Vulkanausbruch auf La Palma. Andere geologische Phänomene, die lange währende Gesteinszeugen erschaffen, dauern kürzer als ein 100-m-Lauf. Die Behandlung von Reaktionskinetik in komplexen Systemen wie der Erde oder dem menschlichen Körper ist in ihrer Grundstruktur ganz ähnlich.
Als ich mich für meine Doktorarbeit auf dieses Feld begeben habe, suchte man nach dem "geschwindigkeitsbestimmenden Schritt". Meine Aufgabe war, einen Teilschritt herauszufiltern, der am Ende für die Geschwindigkeit einer Reaktion von Mineralen zu neuen Mineralen (unter CO2-Freisetzung) verantwortlich war. Ich bin daran fast verzweifelt, bis ich die Stärke fand zu sagen, dass es diesen einen Schritt nicht gibt. Das war die Conclusio. In den Folgejahren wurde es mein wissenschaftliches Thema, immer neue Faktoren zu identifizieren und quantifizieren für das Puzzle, das sich am Ende tatsächlich ergibt (und in großen Teilen von uns noch nicht gepuzzled werden kann).
So blicke ich auch auf Deine ursprüngliche Fragestellung. Du fragst nach der Optimierung von Sprinttraining mit Richtung Langsprint, aber zielst einseitig auf die KP-Resynthese ab. Möglicherweise gibt es ein Dutzend anderer Faktoren, die Du bei dieser "wissenschaftlichen" Ansatzweise übersiehst.
Ohne Sportwissenschaftler zu sein, vermute ich aus dem Bauch heraus, dass die Kinetik der KP-Synthese nicht trainierbar ist. So wenig, wie Köpergröße, Arm- oder Beinlänge.
Für mich stellt sich auch die Frage, ob es sinnvoll ist, Höchstbelastung unter KP-Verarmung zu trainieren (oder verstehe ich den Begriff "relevanter KP-Bereich" falsch?). Fehlbewegungen schleifen sich notwendigerweise ein, Verletzungen sind dadurch vorprogrammiert.


RE: Optimale Renneinteilung über 800m- positive oder even split? - Diak - 03.10.2021

(30.09.2021, 21:52)Piroschka schrieb:
(30.09.2021, 21:15)TranceNation 2k14 schrieb:
(30.09.2021, 14:28)Piroschka schrieb: Ich habe zum Beispiel noch keine physiologisch und biochemisch Erklärung dazu gelesen, ob zur Verbesserung der anaeroben Ausdauer für einen 200m-Sprinter es besser ist, Läufe im Bereich eines bereits wieder deutlich abfallenden Kreatinphosphatspiegels zu absolvieren, also eher Wettkampfstrecke, mit ausgedehnter Pause. Oder ob es besser ist, deutlich kürzere Läufe im Bereich des KP-Peaks zu absolvieren und dafür mit sehr kurzen Pausen.
Standardantworten sind dann meist, dass man ja beides braucht. Begründet werden kann dies aber nie.

Wenn du mit sehr kurzen Pausen im Bereich des KP Peaks trainierst, wirst du doch bei gleichbleibender Belastungszeit zwangsläufig sukzessive "rechts" der KP Bereitstellung landen, oder? (Nicht als Provokation gemeint)
Man hat jedenfalls nicht ausreichend Zeit, um die Energiequellen vollständig zu regenerieren. Also wird die Kreatinphosphatreserve von Lauf zu Lauf geringer. Die Frage ist halt, welche Herangehensweise die bessere ist. Dafür müsste man aber noch viel besser verstehen, wie sich die Energiebereitstellung nicht nur grundsätzlich verhält, wenn man einen einzigen maximalen Lauf macht, sondern wie sich die Energiequellen während einer Laufeinheit zueinander verändern und unterschiedlich schnell wieder regenerieren. Kann man also wohlmöglich durch kürzere Läufe mit kürzerer Pause mehr Belastung im relevanten KP-Bereich erzeugen, als mit längeren Läufen. Oder funktioniert es andersrum besser, da bei kürzeren Läufen die muskuläre Anteile an der Bewegung anders verteilt sind. Viele Fragen, zu denen man aber nirgends klare Antworten findet.

Interessant wäre in dem Zusammenhang auch, ob es vorteilhaft wäre, wenn man zwar zeitlich kürzere Läufe machen könnte, aber ohne zuvor eine Start- und Beschleunigungsphase zu haben.

Das Thema treibt mich auch schon länger um, so ganz befriedigende Antworten habe ich noch nicht gefunden.
Was aber klar ist:
KP regeneriert innerhalb von 3' weitgehend vollständig. Die Rekationsgeschwindigkeit der Kreatinphosphatkinase dürfte kaum trainierbar sein. Also geht es darum, das System so zu reizen, dass möglichst viel KP verfügbar wird.
Wenn ich also 3x80m submax mit 3' Pause laufe statt einen erschöpfenden 200er:
- bekommt mein KP-System 3x den Reiz, schnell und effektiv zu regenierieren und möglichst große Reserven aufzubauen, bei einem 200er nur 1x
- habe ich den größeren Schnelligkeitsreiz als bei dem einen 200er
- vermeide ich die Belastung durch anaerobe Glycolyse, brauche also eine kürzere Regnerationszeit nach der Einheit.

Insofern scheint mir sehr schlüssig, was die Amis machen, wenn sie Schnelligkeitsausdauer über kurze Strecken in hoher Geschwindigkeit mit kurzer Pause trainieren, statt längere Strecken mit niedrigerer Geschwindigkeit und höherer muskulärer Erschöpfung.


RE: Optimale Renneinteilung über 800m- positive oder even split? - RalfM - 03.10.2021

(03.10.2021, 17:00)Diak schrieb: Insofern scheint mir sehr schlüssig, was die Amis machen, wenn sie Schnelligkeitsausdauer über kurze Strecken in hoher Geschwindigkeit mit kurzer Pause trainieren, statt längere Strecken mit niedrigerer Geschwindigkeit und höherer muskulärer Erschöpfung.

Ohne jetzt zuviel zu verraten: Man trainiert ja nicht jeden Tag dasselbe. Bessere Grundlage hat dem Spezialtraining schon immer geholfen.


RE: Wissenschaftliche Begründung von Trainingsinhalten (Energiesysteme) - nico - 03.10.2021

Piroschka #4
Evtl. ist es ja für dich bzw. auch andere Trainer zu banal, aber versuch es doch einmal über: http:coaching.uka.org.uk/document/uka
da erklärt Michael Khmels (uk) einiges. Ich habe diese Seite irgendwann mal zusätzlich genannt bekommen.


RE: Wissenschaftliche Begründung von Trainingsinhalten (Energiesysteme) - Sprunggott - 05.10.2021

Wer Lust hat, kann ja im link mal etwas schmökern. Auch wenn es um Radsport geht, seht da sehr viel kluges drin, was so manchen Leichtathleten weiterhelfen kann. 

https://publikationen.sulb.uni-saarland.de/bitstream/20.500.11880/23339/1/Manuskript_Dissertation_Teil2.pdf