Leichtathletikforum.com
Olympia in Peking - Druckversion

+- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com)
+-- Forum: Off-Topic (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=9)
+--- Forum: Plauderecke (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=14)
+--- Thema: Olympia in Peking (/showthread.php?tid=4656)

Seiten: 1 2 3 4 5 6 7 8


RE: Olympia in Peking - Mkfan - 03.02.2022

Nein, das ist kein Widerspruch, denn es gibt logisch zulässige und logisch unzulässige Verallgemeinerungen. Deine gehören größtenteils der zweiten Kategorie an. Aber lassen wir das. Diskussionen, die anderen unterstellen, sie hätten nicht gründlich genug geschürft und nachgedacht sind fruchtlos. Und diese Sätze liest man bei dir leider zuhauf. Mein Menschenbild ist da positiver. Kritik ist gut und wichtig. Aber sie sollte sich ihrer eigenen Grenzen und der Angemessenheit ihrer Kriterien schon bewusst sein. Immerhin lustig, dass sich nicht wenige Vertreter deiner Generation so in der Ideologiefalle und im Ideologievorwurf verfangen haben, dass sie eben dies nur bei anderen konstatieren. Welchen Zweck haben kynische Selbstgeißelungen als den, allen anderen auch die vermeintlichen Prunkgewänder auszuziehen, um sie der Öffentlichkeit nackt vorzuführen? Wozu solche öffentlichen Überlegungen und langen Ausführungen, wenn doch kein pädagogischer Antrieb dahinter steckt? Und wenn dies ohne solchen Antrieb gar nicht denkbar ist, wie logisch ist dann die Leugnung, dass ein Mensch nicht bildbar, sondern alleine genetisch festgelegt sei? Ist es denn wirklich so schwer, beides zur gleichen Zeit anzunehmen? Dass wir zwar genetische Dispositionen haben, aber diese durch Umwelt und mehr oder weniger freie Entscheidungen höchst unterschiedlich zur Entfaltung bringen können. Noch nie etwas von Zwillingsforschung gelesen? Oder dem Heidegger-Wort des Menschen als "geworfenem Entwurf"?


RE: Olympia in Peking - ThomZach - 03.02.2022

(03.02.2022, 18:08)Mkfan schrieb: Nein, das ist kein Widerspruch, denn es gibt logisch zulässige und logisch unzulässige Verallgemeinerungen.
Verallgemeinerungen haben im allgemeinen mit Logik überhaupt nichts zu tun. Du hast meinen Gedankengang nicht aufgenommen, sondern nur Deinen dagegengestellt. Und dabei einen "Widerspruch" vermutet, den ich gar nicht aufgemacht habe. Ich meinte: Es ist eine Verallgemeinerung zu sagen, dass Verallgemeinerungen grundsätzlich unzulässig sind. Und das ist ein Widerspruch in sich. Eigentlich ein guter Partywitz.
 Aber wahrscheinlich bin ich nur ein verwirrter Geist, der sich hier am Stammtisch zu wichtig nimmt.


RE: Olympia in Peking - ThomZach - 03.02.2022

(03.02.2022, 18:08)Mkfan schrieb: Immerhin lustig, dass sich nicht wenige Vertreter deiner Generation so in der Ideologiefalle und im Ideologievorwurf verfangen haben, dass sie eben dies nur bei anderen konstatieren.

Ich hab hier noch niemandem den Vorwurf gemacht, in einer Ideologiefalle zu zappeln. Du aber mir. Immerhin lustig...
In meinem Philosophiestudium habe ich die Haltung vertreten, dass das Wort Ideologie tendenziös negativ besetzt wird, während wir uns bemühen sollten, all unsere Begriffe ohne konstante Konnotationen zu verwenden. Daher ist für mich die Philosophie am Ende nicht mehr als die Suche nach Ideologien. Wir suchen Wissen, um das Leben und unsere Welt verständlich zu beschreiben. Wir machen uns also Bilder von der Wirklichkeit. Und diese Ideen fügen wir in einem großen Gesamtbild zusammen, das wir Ideo-logie nennen könnten und sollten.
Dein doppelt geposteter Text an mich/zu mir ist voller Vorurteile, die Du mit Argumenten und Behauptungen stützest. Baust es aber so auf, als stünden zuerst die Argumente und Behauptungen, und daraus erst resultierte Dein Urteil über mein Denken. Und dann wirfst Du eben dieses Vorgehen auch noch mir vor.
Wenn die Projektion als solche bewusst wäre, würde sie nicht funktionieren. Sie ist ja die Folge einer verdrängten Selbstwahrnehmung. Also eben auch selbst verdrängt. Daher kann man sie ohne Hilfe auch nicht aufspüren. Jedenfalls ist nicht alles was wir für wahr halten auch wirklich wahr. Wahrscheinlicher ist es Irrtum. Und das sage ich zu allererst immer mir selber.


RE: Olympia in Peking - ThomZach - 03.02.2022

„Immerhin lustig“ (also: „bezeichnend“?) dass hier keiner auf die Passagen in meinen Texten eingeht, die optimistisch, herzlich, humanistisch, elegisch, friedfertig und versöhnlich gehalten sind. Es sucht offenbar jeder nur Ecken und Kanten, an denen man sich reiben und meine vermeintliche Verirrung festmachen kann. Und ich geh darauf ein, weil ich scheinbar auch lieber streite als schlichte, diskutiere als fabuliere, lieber kritisch als sinnlich bin. Dabei liegt mir Harmonie viel näher. Aber die muss offenbar erst einmal erarbeitet werden, gewonnen, erobert. Gegen die Neigung zur Kontroverse als vorgezogene Begegnungsform. Und das ist das Prinzip des Abenteuers, das man erst bestehen muss, bevor es zu Liebe und Frieden kommt. Man muss sich erst behauptet haben, damit man einander begegnen kann. Abgrenzung vor Entgrenzung. Ist das so?


RE: Olympia in Peking - MZPTLK - 04.02.2022

Als bekennender Alt-Achtundsechziger ist dir bestimmt Habermas geläufig.
Der mit der Theorie des kommunikativen Handelns(über 1.000 Seiten)
und der mit der Diskursethik/dem herrschaftsfreien Diskurs.

Die Partner sind gleichberechtigt unabhängig von Vorbildung, etc.
Zentrale Begriffe sind Macht und Vernunft.
Das bessere Argument zählt, auch wenn es vom Anderen kommt.

Macht und Vernunft schliessen sich aus.
Macht will bestimmen,
Vernunft arbeitet mit Gründen und will Akzeptanz ohne Einbahnstrasse


Deine Aussage: Philosophie ist für mich nicht mehr als die Suche nach Ideologien' spottet jeden Kommentars..


RE: Olympia in Peking - Mkfan - 04.02.2022

(04.02.2022, 12:49)MZPTLK schrieb: Als bekennender Alt-Achtundsechziger ist dir bestimmt Habermas geläufig.
Der mit der Theorie des kommunikativen Handelns(über 1.000 Seiten)
und der mit der Diskursethik/dem herrschaftsfreien Diskurs.

Die Partner sind gleichberechtigt unabhängig von Vorbildung, etc.
Zentrale Begriffe sind Macht und Vernunft.
Das bessere Argument zählt, auch wenn es vom Anderen kommt.

Macht und Vernunft schliessen sich aus.
Macht will bestimmen,
Vernunft arbeitet mit Gründen und will Akzeptanz ohne Einbahnstrasse


Deine Aussage: Philosophie ist für mich nicht mehr als die Suche nach Ideologien' spottet jeden Kommentars..

 Danke - da kann ich mich nur anschließenThumb_up! Auch Martin Buber: Das dialogische Prinzip, wäre eine lohnenswerte Lektüre. Alles in allem: Hochspringen kann er ungleich besser!


RE: Olympia in Peking - RalfM - 04.02.2022

(04.02.2022, 12:49)MZPTLK schrieb: Macht und Vernunft schliessen sich aus.

Ich habe den Satz aus dem Zusammenhang gerissen. Aus dem nachlesbaren Zusammenhang habe ich geschlossen, dass du dich mit der Vernunft identifizierst und Thom mit der Macht.
Ich bin selbst mal im Erzbistum Mainz aufgewachsen (nicht ausgesucht), habe aber trotzdem noch Lachtränen übrig.


RE: Olympia in Peking - ThomZach - 04.02.2022

Hoppla. Jetzt wird es ja richtig intellell! Das war noch nie mein Ding. Es gab Bücher, die habe ich verschlungen und sie haben mich nicht nur inspiriert und belehrt sondern mein Leben verändert. Ansonsten zog ich es vor, Bücher nur anzulesen, bis ich vor Wänden stand, die ich beschloss zu überspringen, anstatt mich daran entlangzuarbeiten. Es gab zu viele Dinge zu entdecken, und ich wollte mir nicht alles vorsagen lassen. Dadurch habe ich eine natürliche Naivität bewahrt, um die mich viele hochgebildete Menschen beneiden, während andere mich deshalb von oben herab verachten. Ihr Wissen hat mir imponiert aber als Menschen taten sie mir weh. Und leid.
Im Gegensatz zu Euren Beiträgen kommen meine aus meinem Wesen, Eure aus Euren Büchern. Meine aus dem Herzen, Eure aus Euren Köpfen. Ich hoffe Ihr genießt wenigstens Eure schenkelklopfende Einigkeit. Belesene Geister haben gesagt: Bildung kommt nicht aus Büchern. Ich sage sie kommt aus dem Erleben.
Dieser Aufsatz/Versuch entstand heute nachmittag. Ich hoffe er findet den Weg vorbei an Eurer Belesenheit:


Ich habe während der Eröffnungsfeier die emotionale Angefasstheit und die mentale Muße dazu genutzt, mir die Fakten und Urteile abermals in Ruhe vor Augen zu führen, und sehe jetzt noch etwas klarer, worum es (mir) hier eigentlich geht.
Die Frage der Menschenrechte ist erst in zweiter Linie ein politisches Thema, und deshalb ist es unangebracht, es als solches aus dem Olympischen Kontext zu verbannen. Alle Beteiligten an den Spielen sollten das Recht haben, sich dazu zu äußern, ohne mit Repressalien rechnen zu müssen. Hier und bei vielen anderen Gelegenheiten und Ereignissen wird im Gegenteil für eine Unantastbarkeit der Politiker und Herrscher gesorgt, die sie nicht verdient haben. Und wenn sie mit dieser Immunität nicht rechnen könnten, würden sie sich gar nicht erst um die Austragung der Events bewerben. Genau deshalb machen das IOC und andere Weltverbände schon vorher diese Konzession. Und dann waschen sich alle die Hände in Unschuld, also in dem Wasser der Gesetze des Olympischen Friedens, welcher dadurch aber leider seine Unschuld verliert und zu weiterer Unterdrückung und Krieg führt.
Die Olympische Unschuld ist aber wahrscheinlich schon am ersten Tage ihrer Geschichte Geschichte gewesen, denn ich nehme nicht an, dass es erst die Hitler-Olympiade war, bei der der Sport von der Politischen Propaganda missbraucht wurde. Auch in Mexiko, wo ich dabei war, waren Demonstrationen zugunsten der Menschenrechte verboten und Zuwiderhandlungen mit sofortigem Ausschluss bestraft. Wenn aber das IOC heute keine anderen Ausrichter mehr findet und diesen deshalb Zucker in den Allerwertesten blasen muss, dann weil es selbst die widrigen Bedingungen für die Vergabe der Ausrichtung gesetzt hat, nach welchen die Ausrichternationen nach Strich und Faden ausgebeutet werden sollen. Und das wiederum hat mit Olympia überhaupt nichts zu tun sondern ist das Machwerk der Geldgeber, die letztlich nicht Geld geben sondern einnehmen wollen.

Angeblich werden die Einnahmen des IOC selbst im Sinne der Sportförderung in den armen Ländern der Welt wieder ausgegeben. Aber für die politische und finanzielle Kontrolle dieses Güterflusses gibt es gar keine neutrale Instanz, so dass hier jeder Art von persönlicher Begünstigung und Korruption Tür und Tor offenstehen. Kurz:
Das IOC ist die Werbehure der Weltkonzerne, die in den Olympischen Spielen die beste Bühne für ihre internationalen Werbekampagnen ausgemacht haben. Und das IOC garantiert ihnen in diesem Rahmen alle Rechte, freie Hand und Monopol.
Jeder Olympiateilnehmer ist mithin nolens volens, sciens ignorans, Profiteur und Mittäter an diesem Komplott, den man nicht einmal Verschwörung nennen muss, da alles offenliegt und keine geheimen Abmachungen dazugehören. Deshalb ist es auch nicht einfach verzeihlich, wenn Sportler da mitmachen, denn sie verfolgen im Gegensatz zu den angeblich so hehren Motiven nur ihre eigenen Interessen bezüglich Ruhm, Ehre, Ansehen und natürlich Geld. Leistungsstreben und damit verbundene Opferbereitschaft sind keine Werte an sich, denen zu huldigen wäre!

Es gehört nun zu den Lächerlichkeiten der Menschlichen Gesellschaft, die mir schon „zu meiner Zeit“ übel aufgestoßen sind, dass die Massen immer den Reichen, Schönen, Mächtigen und Erfolgreichen zujubeln und sich vor ihnen verneigen. Und ich gebe zu meiner heutige und damaligen Schande zu, es selbst angestrebt und genossen zu haben. Es ist eine warme Dusche einer unpersönlichen Form von Liebe, mit der man sein Gefühlsleben bereichern und sonstig existierende emotionale Defizite kompensieren kann. Schlimm wird es erst, wenn diese Devotion (devot = ohne Stimme, entmündigt) dazu benutzt wird, die Menschen massenhaft zu einem bestimmten, beabsichtigten Kaufverhalten zu bewegen. Oder gar zu bestimmten, gewollten politischen Entscheidungen. Frenetischer Jubel auf die Frage „Wollt ihr den totalen Krieg??“ Und ich glaube, es gab bei weitem mehr Spitzensportler die da ostentativ mitgejubelt oder beschämt geschwiegen und weggesehen haben, als es Spitzensportler gab, die wegen ihrer Verweigerung und Ablehnung des Faschismus ihre sportliche und berufliche Laufbahn begraben mussten. Und natürlich sind erstere bekannter als diese, weil sie ja weiter unbehelligt an ihrem Ruhm basteln konnten. Manches Idol und manche Ikone hat sogar noch die Deutsche Vereinigung miterlebt. Während ihre Kameraden in der Sache verfolgt oder vernichtet wurden. Aber lassen wir das. Wir wollen ja hier nicht nach der eigenen Schuld suchen sondern lieber nach der Schuld der Anderen.

Mein Vater war 1936 sechzehn Jahre alt, und als ich 16 war, stand ich als Turist auf mittlerer Höhe auf den Tribünen des Berliner Olympiastadions und hatte keine Ahnung von dessen geschichtlicher Bedeutung. Ich dachte nur: „Oohh – hier will ich auch mal starten". Und nur drei Jahre später wurde ich dort unten im weiten, roten Rund, das für mich fortan immer und überall ein magischer Blickfang war, Berliner Meister im Hochsprung! Und wusste immer noch nichts davon, an welchem Ort ich mich befand. Niemand hat mich je beiseitegenommen mich aufzuklären. Oder auch vorzuwarnen. Bis mich meine Freundin mit einer gewissen, durchaus angebrachten Harschheit aufklärte – wie in manch anderen Dingen der Deutschen Geschichte. Gott, was war ich bis dahin für ein Bildungsbanause! Trotz dreier Abiture. Und Cornelia sei Dank erst wurde ich zu einem geschichtsbewussten, politisch engagierten Studenten. Nicht engagiert genug wie ich heute finde. Aber auch nicht zu sehr, wie ich heute erleichtert seufzend sagen darf. Eigentlich wollte ich doch nur Liebe, ob an der Gitarre, am Klavier, im Sportverein, im Stadion oder … im Bett.
Als ich meiner Geliebten meine Olympiaträume beichtete, bekam ich zu hören: „Wenn du das machst, verlass ich dich!“ Das saß. Als es dann so weit war, wurde sie von ihren Freundinnen angesteckt mich zu bewundern. Und so war sie es die meine Zweifel zerstreute und mich los schickte auf die Reise über den großen Teich.

Ich muss sagen, meine Neigung zur politischen Naivität hat mir geholfen, das Leben leichter zu nehmen, weniger schuldbewusst, und mich davor bewahrt, mir im Sumpf der Parteien und Bewegungen den Hals zu brechen. Immerhin beging ich noch den Fehler, in einer sportpolitischen TV-Sendung ein 6-minütiges Statement dazu abzugeben, wie ich meine Stellung und Rolle als Spitzensportler in der Industriegesellschaft einordnete. Ich musste den Vortrag im Studio mindestens 4mal wiederholen. Später kam ich drauf, dass die Redakteure ihren Ohren nicht trauten und mir die Chance geben wollten, mich zu korrigieren. Aber ich wurde nur noch sicherer und der Vortrag noch brisanter. Bald darauf spürte ich den Gegenwind in meinem engeren und weiteren Umfeld und verschrumpelte politisch, geistig und seelisch wie ein Begattungsapparat bei 8° Wassertemperatur.
Es war als hätte ich ein Geheimnis und damit alle Kameraden verraten. Für viele war ich wohl ein Nestbeschmutzer. Ihre stille Message lautete: „Du hast ja Recht, aber das darfst du doch nicht sagen. Das ist doch unser Trick und du machst doch auch mit.“ Und ähnlich war es wohl auch mit dem Doping. Nur ich, der Thomas unter den Jüngern, hatte mal wieder nichts gerafft. Wie damals am See Genezareth, wo Jesus ihm das Wandeln auf dem Wasser beibringen wollte, und er nur jammerte „Herr, Ich gehe unter!“ Worauf Petrus ihn anranzte: „Halt den Mund und wandle auf den Felsen wie wir alle!“

Ich war für Verschwörungen einfach nicht geschaffen. Erkannte die Tricks und Schlichen nicht, war nicht listig sondern tumb. Wie beim Fußball, wo ich immer auf meine eigenen Finten hereinfiel. So wird Ehrlichkeit zur Behinderung.
Heute muss ich wohl einsehen: Es gibt keine andere Welt als diese. Schon gar keine bessere. Und als Gutmensch machst du dich lächerlich. The game goes on – bis zur bitteren Neige. There is no other way.


RE: Olympia in Peking - ThomZach - 04.02.2022

(04.02.2022, 13:29)Mkfan schrieb: Alles in allem: Hochspringen kann er ungleich besser!

Schön wär's ja. Aber ich bin sportlich tot. Und biologisch auch schon fast. Und trotzdem schätze ich die Sportlichkeit und die Musikalität höher ein als die Intellektualität. Geschwollen Zitieren, nein: am Besten nur Verweisen - ist eine Kunst, die ich nicht schätze, weil sie (wie hier so schön gesagt und missverstanden wurde) nicht auf Vernunft setzt sondern auf Macht.
Wer besser schreibt als ich früher hochsprang, gebe hier was zum Besten...


RE: Olympia in Peking - ThomZach - 05.02.2022

Belesenheit macht dumm, weil sie die Aufnahmefähigkeit einschränkt. Jede Information die man aufnimmt, verstopft den Zugang zu anderen oder gegenteiligen Informationen. Ferner denkt man, man wisse jetzt etwas, dabei glaubt man nur dem Autoren der Information. Wenn viele Menschen dieselben Informationen (Bücher, Artikel, Studien) gelesen haben und sich zusammentun, bilden sie eine Blase der gegenseitigen Bestätigung und schotten sich gemeinsam wie eine Wagenburg oder eine Festung gegen alles Gegenteilige ab. Anstatt beim Austausch Argumente vorzubringen, die sich jeder selbst ausgedacht hat, werden nur noch die Autoren und Titel bestimmter Schriften genannt, ja nicht einmal zitiert, und dann gegeneinander abgewogen, ohne zu klären, ob denn jede Partei von derselben Interpretation des Textes oder Autors ausgeht. Es wird Einigkeit oder Strittigkeit beschlossen, ohne dass überhaupt klar ist, über genau welche Inhalte und Aussagen.
Nach demselben Prinzip werden andere Inhalte, Werke, Informationen für falsch erklärt und abgelehnt, was dazu führen kann, dass sie von niemandem mehr gelesen werden und bei keiner Betrachtung oder Studie oder Untersuchung mehr in Betracht gezogen werden.
Allgemeine Belesenheit ist die Grundvoraussetzung für die Aufnahme in Akademische Kreise und Hierarchien. Was die Akademien dann noch hervorbringen können ist nur noch Dünkel auf der Basis gegenseitiger Zustimmung. Man hat zwar diesen Mechanismus eingeführt, dass jeder Titel mit einer eigenständigen, innovativen Leistung errungen werden muss, damit der Klüngel nicht sofort verkrustet. Aber die Tendenz zur Verklüngelung der Akademien konnte dadurch nicht aus der Welt geschafft werden. Und es wird weiterhin jeder so lange befördert, bis er für den Posten auf den er gelangt ist, keine Kompetenz mehr hat.
Selbst wenn man kritisch liest und gar nichts glaubt und folglich nur weiß, was andere mal gedacht haben, und sich dann die Mühe macht zu ermitteln, wem man denn am Ende seinen Glauben schenken will, ist man nicht klüger als vorher.
Goethes Satz ist nicht auf die Wissenschaft gemünzt sondern auf die Juristerei: „Nur was du schwarz auf weiß besitzt, kannst du getrost nachhause tragen.“ Auf die Wissenschaft gemünzt würde ich enden: „...kannst du getrost im Ofen lagern.“ Denn die Geschichte der Wissenschaft ist nicht die Geschichte der menschlichen Erkenntnis sondern der menschlichen Irrtümer also der Dummheit. Und diese Geschichte hat genauso wenig ein Ende wie die Dummheit selber.
Wenn es auf der ganzen Welt nur einen wirklich intelligenten Menschen gäbe, würde er von der großen Mehrheit für dumm gehalten. Deshalb halten sich ja auch so viele Menschen für intelligent, weil sie merken, wie sie von so vielen Anderen für dumm gehalten werden. Strukturell gesehen hat die Intelligenz also auf ewig keine Chance. Auch nicht die „künstliche“. Denn sollte es sie jemals geben, dann versteht sie auch Witze und kann darüber lachen. Und dann kommt sie angesichts der Menschlichen Dummheit aus dem Lachen nicht mehr heraus und ist für nichts Anderes mehr zu gebrauchen. Funny?