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Öffentliche Kritik an der Leichtathletik und am DLV - Druckversion

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RE: Öffentliche Kritik an der Leichtathletik und am DLV - longbottom - 16.08.2022

Dann hat Frau Nasse-Meyfarth Lückenkempers Kritik nicht verstanden. Denn Lückenkemper hat ja ausdrücklich gesagt, dass man als erfolgreiche Athletin durchaus gut über die Runden kommt, aber dass die jungen Sportler nicht genug gefördert werden, die erstmal an die SPitze kommen müssen.


RE: Öffentliche Kritik an der Leichtathletik und am DLV - Gertrud - 16.08.2022

(16.08.2022, 06:45)mark1967 schrieb: Mal eine ganz andere Bewertung gestern im "Tagesspiegel" von Ulrike Nasse-Meyfarth (hinter der Paywall). Zusammenfassung z.B. hier
Sie sieht die Verantwortung eher bei den AuA, die als Kadermitglieder genug verdienen würden, und kritisiert Lückenkemper direkt.

Da hat Ulrike in gewisser Weise doch auch recht. Dass man keinen Beruf bei der sportlichen Betätigung ergreifen kann und sollte, halte ich auch für eine grobe Fahrlässigkeit der AuA. Wenn man im Leistungssport Erfolg haben möchte, muss man es mit ganzem Herzblut tun und auch streckenweise enorm auf andere Dinge verzichten. Ich habe es bei AuA erlebt, dass sie Beruf/Studium, eine Beziehung voll mit gesellschaftlicher Präsenz auskosten und im Sport erfolgreich sein wollen. Eine solche Lebensweise konnte ich bei vollem Beruf auch als Trainerin nie führen. Man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Man muss schon Prioritäten setzen. Die Leistungen einer Ulrike Meyfarth und einer Heike Henkel, die beide ein volles Studium neben dem Sport absolviert haben, sind auch heute noch konkurrenzfähig.

Es geht in erster Linie um die sportliche Exaktheit bei einem fähigen Trainer, der über genügende Kenntnisse verfügt und auch um die rund um die Uhr zur Verfügung stehenden Trainingsmöglichkeiten. Daran muss der DLV arbeiten. Der Trainer-Fortbildungsschiene auf höchstem Niveau sollte man mehr Aufmerksamkeit seitens des Verbandes widmen und die Zentralisierung nicht als alleinige Erfolgsschiene sehen. 

Wenn Lückenkemper die Trainingsbedingungen bei einem hiesigen Trainer gefunden hätte, brauchte sie nicht häufig in den USA Station zu machen. Man kann dann auch nicht an allen TL teilnehmen, wie der DLV es vielleicht möchte. Diesen Spagat schafft keine/r. Aber solche AuA stehen auch mit vollen Saft und voller Kraft später im Beruf ihren Mann/ ihre Frau.

Gertrud


RE: Öffentliche Kritik an der Leichtathletik und am DLV - mark1967 - 16.08.2022

Ich glaube, die Kritik richtet sich weniger an die Nachwuchsathleten als vielmehr an diejenigen, die mit einer Anstellung bei Bundeswehr oder Polizei quasi Vollprofis sind und recht gut verdienen.


RE: Öffentliche Kritik an der Leichtathletik und am DLV - Gertrud - 16.08.2022

(16.08.2022, 07:45)mark1967 schrieb: Ich glaube, die Kritik richtet sich weniger an die Nachwuchsathleten als vielmehr an diejenigen, die mit einer Anstellung bei Bundeswehr oder Polizei quasi Vollprofis sind und recht gut verdienen.

Wer professionelle Bedingungen hat, hat auch die Verpflichtung, professionell zu trainieren!!!

Gertrud


RE: Öffentliche Kritik an der Leichtathletik und am DLV - Jo498 - 16.08.2022

Es gibt halt Aspekte, die man nur sehr schwer ändern kann.
Wie die Statistik am Ende von Digels Beitrag zeigt, begann im DLV der "Abstieg" schon Mitte der 90er, freilich mit einigen "Zwischenhochs" Ende der 90er und um 2009. Und es gab auch schon vorher mit Eugene vergleichbare Debakel wie OS Athen und Peking (und das ohne Corona und 3 in den Veranstaltungsplänen durcheinandergebrachten Jahre mit heuer der besonders unglücklichen Situation einer frühen WM VOR einer Heim-EM).
Ich hatte nach Eugene mal WM+OS seit 2009 betrachtet. Die "typische"/durchschnittliche Medaillenanzahl liegt bei 6 (59 in 10 Ereignissen). Mehr als realistisches Ziel anzustreben scheint illusorisch, alles unter 5 darf man aber auch als eher schwach bezeichnen. Natürlich sind bei so wenigen Medaillen "Glück/Pech" überproportional wirksam, es gibt einfach nicht genügend zum Ausgleich. So muss man die Doppelmedaillen beim Stabhochsprung 2012+13 sicher als etwas glücklich bezeichnen, in anderen Jahren herrschte Pech ohne Ausgleich. (Wobei das Problem der Leistung auf den Punkt vs. Nervenschwäche leider bei chancenreichen techn. Disziplinen zuzunehmen scheint.)

- Mehr als die Hälfte (31) Medaillen in dieser Zeit stammen aus den Würfen! 9 vom Mehrkampf. D.h. 2/3 aller DLV Medaillen stammten aus diesen beiden Disziplingruppen und nur 2 von den  "heiligen Staffeln" (wobei man hier etliche 4. u. 5. Plätze erreicht hat). (Wg. Medienwirksamkeit sind die Staffeln natürlich dennoch wichtig, sie müssten halt nur mehr Medaillen holen...)
- Die Konkurrenz gerade in den besagten Disziplingruppen ist gewachsen. Wann gab es früher karibische oder indische Werfer auf internat. Ebene? Gerade MK ist verletzungsträchtig und schwer vorhersehbar, das kann mal positiv, mal negativ ausschlagen. Daher müsste der DLV gerade im MK sehen, immer 3 Nominierte zu haben, idealerweise mindestens 2 mit top 6 Potential um von Ausfällen/Schwächen anderer zu profitieren. Bei den Männern gelingt das in den letzten Jahren etwas besser. Bei den Würfen hat man sich vielleicht zu sehr auf einzelnen Topathleten "ausgeruht". Die Bilanz seit 2016 im Speer Männer ist ungeachtet Olympia- und WM-Sieg enttäuschend; mit fast jeder Saison 3-4 Athleten in den weltweiten Top 10 kann man mit einer WM-Bronze 2019 aus den letzten drei Großereignissen kaum zufrieden sein. Genau daher stammten aber die Medaillen bei "solidem" Abschneiden
- Die Konkurrenz anderswo ist noch mehr gewachsen; der Höhepunkt der ostafrikanischen Dominanz auf der Langstrecke ist noch nicht erreicht und im Sprint wird vermutlich auch noch mehr Konkurrenz mit zunehmender Entwicklung Westafrikas (nach der Karibik in den letzten 25 Jahren) hinzukommen. Daher auch die Schwierigkeit der Staffeln, die früher meistens auf ca. 3 gesetzt waren, bevor es eben noch Jamaika etc. mit starken staffeln gab (Oder: Mit 31:05 hätte Klosterhalfen bei allen EM außer zweien (bzw. 3 mit gestern) eine Medaille gewonnen, meistens Gold.) Das hat die Sportart in den 90ern und 2000ern vermutlich international auch interessanter gemacht, da es nicht mehr nur um USA vs. DDR oder UdSSR ging, bei Staffeln u.ä., macht es für die Europäer aber schwieriger und der Attraktivitätseffekt dürfte auch schon lange verpufft sein.
- Demographie und soziale Veränderungen seit den 70ern/80ern, die LA weniger attraktiv in Kindheit/Jugend machen (wiederum durch Konkurrenz zahlreicher anderer Sportarten, noch in den 80ern gab es auf dem Land typischerweise Fußball, Handball, LA und sonst nix), sind auch Dinge, die man entweder kaum, oder nur über Jahrzehnte ändern kann. In D war LA nie so zentral wie in UK oder US und die haben ihre Tradition auch besser erhalten. Der Pool, aus dem man potentiell herausragenden Nachwuchs rekrutieren kann, ist viel kleiner geworden. Auch notwendige bessere Unterstützung beim Übergang in die Aktivenklasse hilft da nur bedingt.

Bzgl. Präsentation. 10 Tage mögen zu lang sein, aber theoretisch ist es auch gut, zwei WE drin zu haben. (An den speziellen Eugene-Problemen sollte man sich nicht zu lange aufhalten, das war die erste WM in den USA, wird erstmal die einzige bleiben. Korruption etc. gibt es seit Jahrzehnten in den Verbänden, schlecht und zu bekämpfen, aber kaum ein neues Problem.)
Die Gimmicks und Änderungen bringen weitgehend nichts. Was etwas bringt, sind "live-updates" von Zwischenständen, Split screens und gute Kommentatoren. Aber die mediale Konkurrenz durch viele andere, neuartige, medienwirksame oder raffiniert gepushte Sportarten ist eben auch gewachsen. Man kann die Welt nicht in die 1980er zurückdrehen, wie soll das gehen? Gleichzeitig muss LA selbstbewusst auftreten, denn die Tradition ist eben auch Teil der Bedeutung der Sportart.

Wobei ich das F-Fußball-Beispiel schlecht finde. Das wird seit langem politisch so offensichtlich (und teils zum Fremdschämen peinlich) gepusht, dass von "natürlicher" Entwicklung keine Rede sein kann.
Daher musste auch der notwendige Aufschrei fast aller anderen Sportarten, die ebenfalls viel Aufmerksamkeit erhalten und viel weniger Geld verdienen als männliche Fußballprofis anhand der völlig überzogenen Forderungen der F-Frauen leider ausbleiben, weil man sich damit in die Nesseln gesetzt hätte. Wenn LA oder Volleyball oder was weiß ich, medial so gepampert würde, wie F-Fußball...