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Gedanken zu Inhalten bei Fortbildungen - Druckversion

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Gedanken zu Inhalten bei Fortbildungen - Gertrud - 31.10.2023

Meine Spezialgebiet ist natürlich die funktionelle Seite, also die "Haltbarkeit" der AuA. Wenn ich lese, dass der neue Marathon-Weltrekordler isst, trainiert und schläft und ein sehr umfangreichreiches Training absolviert und dazu die Wettkampfbelastung durch neue Schuhe kommt, dann frage ich mich, ob da noch ein Gleichgewicht zwischen zeitlicher Belastung und zeitlicher, adäquater Entlastung besteht oder ob das "Haltbarkeitsdatum" des Athleten begrenzt ist.
Johannes Fischer: "Laufen, essen, schlafen. Mehr spielt sich im Leben von Kelvin Kiptum nicht ab, glaubt man seinem Trainer Gervais Hakizimana."

Ich habe mich mal über die Carbonschuhe informiert und die Auskunft erhalten, dass der Rebound der Schuhe auf die unteren Fußstrukturen enorm sein soll. Man kann sich eigentlich gar nicht anders helfen, als dem ein hartes, angemessenes Fußprogramm in funktioneller und dann auch plyometrischer Art entgegenzusetzen. Nimmt man sich die Zeit auch für diese oft übersehenen "Kleinigkeiten" oder geht die Nachlässigkeit auf Kosten der Strukturen und somit der AuA? 

Ich stelle mir natürlich auch die Frage, ob Naturvölker besser präpariert sind, weil sich die Druckpunkte nicht mit den Angaben unserer Orthopäden decken und die angemessenen Übungen somit notwendigerweise teilweise differieren müssen. Ich habe den Eindruck, dass in dem Bereich noch viel Forschung notwendig ist.

Zudem kommt in manchen Trainingsaufzeichnungen wohl einmal pro Woche Stabi vor, was im Grunde auch so nicht in den Rumpf- und Hüft-/Beckenbewegungen begrenzt stattfindet. Man sollte folglich schon genauer hinschauen und nicht nur übernehmen und abkupfern. Ich vermisse aber die Aufzeichnung von Fußprogrammen. Man sollte diesen Bereich nicht als "Appendix" betrachten, sondern ihn als einen sehr wichtigen Inhaltsteil ansehen. Ich habe mich mit einer ehemaligen Athleten unterhalten, die aufgrund multipler Verletzungen aufhören musste und in eine andere Sportart gewechselt ist. Ich habe sie nach einer Anomalie gefragt und die Antwort erhalten: "Ja, das stimmt, das habe ich!" Daraufhin habe ich geantwortet: "Dann müsstest du eine Sesamoiditis wahrscheinlich gehabt haben." "Ja, mir ist ein Teil eines Sesambeines entfernt worden." Im Grunde sind das in der Trainingsweise und prophylaktischen Strukturbetrachtung alles Wissenslücken.

Da liegt der "Hase im Pfeffer" bei unseren AuA, dass es hier an Kenntnissen mangelt.

Professor Dr. Lange hat einen sehr schönen Vortrag über die Zielsetzung bei Athleten auf der pädagogischen/ psychologischen Ebene gehalten, indem er als Ziel den selbst bestimmten Athleten mit Bildung sieht, wobei es natürlich zu guten Gesprächen auf der inhaltlichen Seite zwischen TuT und AuA kommen sollte. Das würde ich als Forderung auch auf Trainer:innen und vor allem Funktionäre in ihrem Tun als Forderung sehen. WinkThumb_up ‌Die Beschneidung in der Kreativität sehe ich als Hauptübel in unserer "Gießkanne" von oben an, die multiple Lösungen meistens nicht zulässt!!! Thumb_down ‌"Freigeister" sollte man aber lassen!!! Wink

Überhaupt war die Fortbildung über Hypoxie eine sehr gut organisierte Veranstaltung mit guten Referenten. Michael Siegel und Frau Bianca Zöller haben sehr gute Arbeit geleistet. Mir fiel auf, dass die Diskutierfreudigkeit viel höher als z. B. bei der Hürden-Fortbildung war, was ich als sehr positiv empfunden habe.

Gertrud


RE: Gedanken zu Inhalten bei Fortbildungen - diskobolos - 31.10.2023

Der Leistungssport entwickelt sich immer mehr dahin, mit immer größeren Aufwand auch noch das letztmögliche aus dem Athleten herauszuholen. Letztlich geht es ums Geld. Erinnert mich irgenwie an die Tierzucht. Der Spaß, auch beim Zusehen geht mir langsam verloren.
Der moderne Sport ist mal als Freizeitbeschäftigung im Gegensatz zur Arbeit "erfunden" worden.


RE: Gedanken zu Inhalten bei Fortbildungen - Gertrud - 01.11.2023

(31.10.2023, 10:24)diskobolos schrieb: Der Leistungssport entwickelt sich immer mehr dahin, mit immer größeren Aufwand auch noch das letztmögliche aus dem Athleten herauszuholen. Letztlich geht es ums Geld. Erinnert mich irgenwie an die Tierzucht. Der Spaß, auch beim Zusehen geht mir langsam verloren.
Der moderne Sport ist mal als Freizeitbeschäftigung im Gegensatz zur Arbeit "erfunden" worden.

Ich wehre mich im Grunde innerlich gegen diese Negativgedanken. Ich habe heute wieder fast den gesamten Tag bis jetzt mit Recherchen verbracht und werde oft traurig, wie wenig in der Breite von den wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Praxis vor- und ankommt. Man kann das Ganze als TuT nur schaffen, wenn man strikte autodidaktische Fortbildung betreibt; sonst hinken wir meilenweit hinterher. Wir müssen folglich von der zweifelsfrei berechtigten Kritik zu Lösungen kommen.

Heutiges Recherchebeispiel eines Faktes: Die Semimembranosuskraft nimmt in der finalen Schwung-Sprintphase gegenüber dem BFlh zu, der aber im Sprint am rissfreudigsten ist. Was macht man mit einer solchen Nachricht in der Praxis? Solche Überlegungen stelle ich mir bei ruhigen Spaziergängen. Es ist doch klar, dass im Übungsgut Gewichthebeübungen in den Sprint-Spezifika vollkommen kontraproduktiv sind. Wir als TuT müssen in der Praxis Lösungen etablieren, die die Rissfreudigkeit ausschließen. Dazu ist ein sehr großes Volumen an funktionellem Wissen vonnöten. Ich empfinde die sehr intensive Beschäftigung mit dem Leistungssport Leichtathletik als sehr spannend. Wenn ein Mensch diese Beschäftigung als generell psychisch belastend empfindet, sollte er zur Freizeitbeschäftigung wechseln. Man sollte das vornehmlich mit Spaß absolvieren. Ich ziehe ein Anatomiebuch einem Krimi vor, weil es mir einfach Spaß macht.  

Wir müssen dazu beitragen, dass AuA sehr gute Vorschläge auch annehmen und nicht als Bevormundung empfinden. Wir müssen uns auch davon verabschieden, dass wir jedes Talent "bekehren" können.

Gertrud


RE: Gedanken zu Inhalten bei Fortbildungen - Sprunggott - 08.11.2023

https://www.nachwuchsleistungssport.at/download/files/%7B045A01E7-54A7-46A5-BF30-891DC6EC90F6%7D/SSM_Symposium2023web_Folder.pdf

In den letzten zwei Tagen war in St. Johann / AUT ein sehr gutes Symposium mit hervorragenden Speakern, Disskusionen und Vorträgen bezugnehmend Sportverletzungen, Rehabilitation, Vorsorge und Verhinderung von Sportverletzungen im Nachwuchs- Leistungssport. Leider waren von deutschen Verbänden niemand anwesend (zumindest aber eine Abordnung d. Sportschule Leipzig).


RE: Gedanken zu Inhalten bei Fortbildungen - MZPTLK - 09.11.2023

(31.10.2023, 10:24)diskobolos schrieb: Der Leistungssport entwickelt sich immer mehr dahin, mit immer größeren Aufwand auch noch das letztmögliche aus dem Athleten herauszuholen. Letztlich geht es ums Geld. Erinnert mich irgenwie an die Tierzucht. Der Spaß, auch beim Zusehen geht mir langsam verloren.
Der moderne Sport ist mal als Freizeitbeschäftigung im Gegensatz zur Arbeit "erfunden" worden.

Das ist schon lange so, das liegt in der Logik der Sache.
Man kann da mittun, dann sollte man sich aber über die Konsequenzen im Klaren sein.
Oder man klinkt sich aus, bewundert und geniesst die HöchstleisterInnen
und macht ansonsten auf erbauliche und gesunde Weise sein persönliches Sport-Ding.

Ich kann - im Gegensatz zu Gertrud - an Diskobolos' Ansicht nichts Negatives erkennen.


RE: Gedanken zu Inhalten bei Fortbildungen - Gertrud - 09.11.2023

(09.11.2023, 11:19)MZPTLK schrieb:
(31.10.2023, 10:24)diskobolos schrieb: Der Leistungssport entwickelt sich immer mehr dahin, mit immer größeren Aufwand auch noch das letztmögliche aus dem Athleten herauszuholen. Letztlich geht es ums Geld. Erinnert mich irgenwie an die Tierzucht. Der Spaß, auch beim Zusehen geht mir langsam verloren.
Der moderne Sport ist mal als Freizeitbeschäftigung im Gegensatz zur Arbeit "erfunden" worden.

Das ist schon lange so, das liegt in der Logik der Sache.
Man kann da mittun, dann sollte man sich aber über die Konsequenzen im Klaren sein.
Oder man klinkt sich aus, bewundert und geniesst die HöchstleisterInnen
und macht ansonsten auf erbauliche und gesunde Weise sein persönliches Sport-Ding.

Ich kann - im Gegensatz zu Gertrud - an Diskobolos' Ansicht nichts Negatives erkennen.

Es kann doch die Vielfalt in Meinungen und Ansichten geben. Das macht doch die Welt so spannend. Wenn ein Mensch wie ich eine ungeheure Leidenschaft zur Leichtathletik entwickelt hat, dann befindet man sich eben nicht in Reichweite zur Allgemeinheit. Mir geht wahrscheinlich der Spaß an der Sache und den ehrgeizigen Menschen bis zur Urne nicht verloren. Ich bin einfach so "gestrickt", dass ich es immer sehr genau wissen möchte - und das kostet Zeit und Geld! Wink ‌Ich habe immer eine ungeheure Affinität zu Menschen und auch Schülerinnen und Schülern gehabt, die etwas sehr gut konnten und wollten. 

Damit aber den AuA noch genug Zeit außer dem Sport bleibt, plädiere ich strikt für ein hervorragendes Zeitmanagement und eine gute Einbettung des Sportes in den Zeitplan. In der Hinsicht ist man in Deutschland beweglich wie eine Eisenbahnschiene. Bürokratieabbau ist gefragt. Ich habe schon Probanden Hürdenläufe mit fünf zusammenklappbaren Hürden auf einem Waldweg machen lassen, weil die Anlagen nicht zur Verfügung standen.

Lavillenie und Duplantis haben eine eigene Stabhochsprunganlage im Garten und haben so jede Menge Zeit gespart.

Jeder hat das Recht, so zu leben, wie er es möchte. Ich kann auch Menschen verstehen, die in einer Jurte im Wald leben und unser Konsumverhalten nicht teilen. Ich verurteile nicht, ich mache nur meinen Standpunkt klar, den andere absolut nicht teilen müssen. Ich kann und will nicht omnipräsent sein.

Man stört sich doch auch nicht an einen Musiker, der hervorragende Leistungen bringt und damit Geld verdient.

Jetzt noch einmal zum Thema zurück: Mich hat die Teilnahme an der Fortbildung Langstrecken, Gehen und Hypoxietraining wieder über den Tellerrand schauen lassen. Es hat mich wirklich bereichert. Wolfgang Heinig, ein sehr lieber und engagierter Kollege aus früheren Zeiten, stellte sein Trainingsprogramm vor, das ein dreiwöchiges Training ohne einen Tag Pause und zweimal pro Woche sogar mit drei Trainingseinheiten beinhaltete. Solche Belastungen kenne ich aus dem Wurf- und Mehrkampfbereich in der Regel in der Form nicht. Es geht im Langstreckenbereich auch verstärkt über Umfänge pro Woche Richtung 300km. Ich stelle mir die Frage, ob es nicht auch möglich ist, das Programm zu reduzieren, um Regenration innerhalb des Trainings zu haben. Allerdings habe ich auch bei Jakob Ingebrigtsen Trainingswochen gefunden, bei denen täglich trainiert wurde, allerdings nie dreimal am Tag. Seltsamerweise hatte er einen Sonntag mit einem 20km-Lauf und Krafttraining im Programm, wobei sich Ausdauertraining und Krafttraining von der wissenschaftlichen Seite im Signalweg ausschließen sollen. 

Ich bin der festen Meinung, dass z.B. bei solchen Laufprogrammen, bei denen die Füße immer in der Belastung sind, ein mehrmaliges Krafttraining der Füße pro Woche angebracht wäre. Ermüdungsbrüche von der Hüfte abwärts kommen wohl häufig vor. Anomalien der Füße sollten vor Aufnahme des Langstreckentrainings gecheckt werden. Ich habe mit einer ehemaligen Langstrecklerin in Dortmund gesprochen, die eine solche Anomalie hatte, die ich dann auf die Folge einer Sesamoiditis aufmerksam gemacht habe. Sie hatte eine OP mit einer Teil-Sesambein-Entnahme hinter sich. Man sollte als Trainer dann auch die jeweiligen Prophylaxen kennen.

Gertrud


RE: Gedanken zu Inhalten bei Fortbildungen - frontrunner800 - 09.11.2023

Heinig läßt in Blöcken trainieren: Auf drei sehr intensiven Wochen folgt eine Woche mit geringer Intensität, in der z. B. eine Gesa Krause ihre Dauerläufe durchaus in nur sehr moderaten 5:00 je Kilometer macht.


RE: Gedanken zu Inhalten bei Fortbildungen - Gertrud - 09.11.2023

(09.11.2023, 13:20)frontrunner800 schrieb: Heinig läßt in Blöcken trainieren: Auf drei sehr intensiven Wochen folgt eine Woche mit geringer Intensität, in der z. B. eine Gesa Krause ihre Dauerläufe durchaus in nur sehr moderaten 5:00 je Kilometer macht.

Es geht mir darum, dass es keinen freien Tag in drei Wochen gibt, was für mich als Trainerin im Wurf und MK ungewöhnlich war. Insofern "schaue ich gern über den Zaun". Das ist ein Anmerkung, keine Kritik. Mir gibt die Anzahl von Ermüdungsbrüchen Anlass zu Überlegungen, ob viel auch viel in dem Bereich bringt und ob die Orthopädie genug Aufmerksamkeit erfährt???

Gertrud


RE: Gedanken zu Inhalten bei Fortbildungen - MZPTLK - 09.11.2023

(09.11.2023, 13:53)Gertrud schrieb: 
 Mir gibt die Anzahl von Ermüdungsbrüchen Anlass zu Überlegungen, ob viel auch viel in dem Bereich bringt und ob die Orthopädie genug Aufmerksamkeit erfährt???

Gertrud

Gertrud, im Langstreckenbereich dürfte es wohl hauptsächlich an der 'Auslaugung'(Ernährung) liegen,
und weniger an der Orthopädie.


RE: Gedanken zu Inhalten bei Fortbildungen - Gertrud - 09.11.2023

(09.11.2023, 14:08)MZPTLK schrieb:
(09.11.2023, 13:53)Gertrud schrieb: 
 Mir gibt die Anzahl von Ermüdungsbrüchen Anlass zu Überlegungen, ob viel auch viel in dem Bereich bringt und ob die Orthopädie genug Aufmerksamkeit erfährt???

Gertrud

Gertrud, im Langstreckenbereich dürfte es wohl hauptsächlich an der 'Auslaugung'(Ernährung) liegen,
und weniger an der Orthopädie.

Daran liegt es sicherlich auch, das ist klar; aber bei dem Pensum sollte schon auch ein Akzent auf die Orthopädie gelegt werden. Bei der ehemaligen Langstrecklerin lag es auch an der Fehlbelastung des anomalen Fußes. Wenn man teilweise Straße in Supination und Pronation über lange Zeiten läuft, ist das nicht von Vorteil.

Gertrud