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Mobilisierung des Sports in der DDR - Druckversion

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Mobilisierung des Sports in der DDR - MZPTLK - 31.08.2014

'Auf der Grundlage der neuen sozialökonomischen und politischen Bedingungen in der Deutschen Demokratischen Republik vollzieht sich als gesetzmässiger Prozess eine tiefgreifende sozialistische Umwälzung der Ideologie und Kultur. Sie führt zur Herausbildung des neuen, sozialistischen Bewusstseins und zur Höherentwicklung der Kultur.

Die Teilnahme an Körperkultur und Sport gehört zu einem kulturvollen sozialistischen Leben. Unsere Kinder und Jugendlichen sowie möglichst alle werktätigen Menschen hierfür zu gewinnen, ist demnach wesentlicher Bestandteil der sozialistischen Kulturrevolution.

Daraus erwächst die grosse Erziehungsaufgabe,
die turnerisch-sportliche Betätigung zu einem Lebensbedürfnis der ganzen Jugend und der Mehrzahl unserer Bevölkerung werden zu lassen.

Im Rahmen der Körpererziehung der Kinder und lernenden Jugend ist es eines der Hauptziele der sportlichen Entwicklung im Siebenjahrplan,
die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen für den regelmässigen Sport zu gewinnen und damit eine breite Grundlage für eine wahre Volkssportbewegung in unserem Lande zu schaffen.

Obligatorischer und ausserschulischer Sport sollen in Einheit die tägliche körperliche Betätigung aller Kinder und Jugendlichen sichern.

Im Einzelnen soll u.a. erreicht werden, dass
im Jahre 1965 alle Kinder über 10 Jahre das Sportabzeichen besitzen,
ab 1964 alle gesunden Jugendlichen, die eine zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule verlassen, schwimmen können,
bis 1961 in allen Schulen Schulsportgemeinschaften gebildet sind, in denen bis 1965 insgesamt 1,5 Millionen Schüler(etwa 70 % der gesamten Schülerschaft) Sport treiben,
sich in den Kinderabteilungen des DTSB bis 1965 500.000 Kinder sportlich betätigen.'


(Pädagogik, Deutsche Hochschule für Körperkultur, Leipzig 1961, S. 108-109)


RE: Mobilisierung des Sports in der DDR - Hellmuth K l i m m e r - 31.08.2014

(31.08.2014, 19:48)MZPTLK schrieb: 'Auf der Grundlage der neuen sozialökonomischen und politischen Bedingungen in der Deutschen Demokratischen Republik vollzieht sich als gesetzmässiger Prozess eine tiefgreifende sozialistische Umwälzung der Ideologie und Kultur. Sie führt zur Herausbildung des neuen, sozialistischen Bewusstseins und zur Höherentwicklung der Kultur.

Die Teilnahme an Körperkultur und Sport gehört zu einem kulturvollen sozialistischen Leben. Unsere Kinder und Jugendlichen sowie möglichst alle werktätigen Menschen hierfür zu gewinnen, ist demnach wesentlicher Bestandteil der sozialistischen Kulturrevolution. [...]

(Pädagogik, Deutsche Hochschule für Körperkultur, Leipzig 1961, S. 108-109)

Na, das hat ja fast geklappt. Wink
Und ich bin ein klein wenig stolz, dass ich ab 1973 bei der Verbesserung des Wettkampfsystems im DVfL für die Alterssportler (jetzt: "Senioren") wirksam beteiligt war. Smile - Das "Pädagogik"-Lehrbuch (wohl eher ein sog. Studienmaterial für die Fernstudenten) bekam ich allerdings nie in die Hand.Undecided

H. Klimmer / sen.


RE: Mobilisierung des Sports in der DDR - MZPTLK - 31.08.2014

(31.08.2014, 20:56)Hellmuth K l i m m e r schrieb:  Das "Pädagogik"-Lehrbuch (wohl eher ein sog. Studienmaterial für die Fernstudenten) bekam ich allerdings nie in die Hand.Undecided
Genau richtig!


RE: Mobilisierung des Sports in der DDR - decathlonitis - 03.09.2014

(31.08.2014, 19:48)MZPTLK schrieb: ...
Daraus erwächst die grosse Erziehungsaufgabe,
die turnerisch-sportliche Betätigung zu einem Lebensbedürfnis der ganzen Jugend und der Mehrzahl unserer Bevölkerung werden zu lassen.

Im Rahmen der Körpererziehung der Kinder und lernenden Jugend ist es eines der Hauptziele der sportlichen Entwicklung im Siebenjahrplan,
die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen für den regelmässigen Sport zu gewinnen und damit eine breite Grundlage für eine wahre Volkssportbewegung in unserem Lande zu schaffen.

Obligatorischer und ausserschulischer Sport sollen in Einheit die tägliche körperliche Betätigung aller Kinder und Jugendlichen sichern.

Im Einzelnen soll u.a. erreicht werden, dass
im Jahre 1965 alle Kinder über 10 Jahre das Sportabzeichen besitzen,
ab 1964 alle gesunden Jugendlichen, die eine zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule verlassen, schwimmen können,
bis 1961 in allen Schulen Schulsportgemeinschaften gebildet sind, in denen bis 1965 insgesamt 1,5 Millionen Schüler(etwa 70 % der gesamten Schülerschaft) Sport treiben,
sich in den Kinderabteilungen des DTSB bis 1965 500.000 Kinder sportlich betätigen.'


(Pädagogik, Deutsche Hochschule für Körperkultur, Leipzig 1961, S. 108-109)


Es lebe der Sport.
Oft denke ich, es wäre gar nicht so verkehrt Sport als Pflicht von Kleinkindesbeinen an zu verordnen.
Na, vielleicht wird unser Bundesjoachim sich des Themas demnächst annehmen, damit da Bewegung rein kommt.

Ging ich doch unlängst in Berlin vom Sportplatz Chausseestraße in Richtung Wedding und sah auch hier, mit verwunderter Nachdenklichkeit,
ein wuselndes Treiben von Verkehr und Passanten. Was lief da alles so vor mir und neben mir her. So viele unförmigen Gestalten mit quellenden Fettpolstern, im besten Wettkampfalter, männlich wie weiblich. Lustig plaudernd, unbekümmert, sich keiner Schuld bewusst, `nen Hund an der Leine und `ne Cola to go in der Hand und das Handy am Ohr.
Wird sich das alles nach den Olympischen Spielen verändern.Huh

Ich bin für Körperkultur!
deca


RE: Mobilisierung des Sports in der DDR - MZPTLK - 05.09.2014

(03.09.2014, 13:22)decathlonitis schrieb: So viele unförmigen Gestalten mit quellenden Fettpolstern, im besten Wettkampfalter, männlich wie weiblich. Lustig plaudernd, unbekümmert, sich keiner Schuld bewusst, `nen Hund an der Leine und `ne Cola to go in der Hand und das Handy am Ohr.
Wird sich das alles nach den Olympischen Spielen verändern.Huh
Beachte den Rat eines alten weisen Mannes:
Da wird sich nix verändern, es sei denn, es ändert sich was in den Köpfen Big Grin(sollte ein Witz sein)


RE: Mobilisierung des Sports in der DDR - decathlonitis - 05.09.2014

(05.09.2014, 08:39)MZPTLK schrieb:
(03.09.2014, 13:22)decathlonitis schrieb: So viele unförmigen Gestalten mit quellenden Fettpolstern, im besten Wettkampfalter, männlich wie weiblich. Lustig plaudernd, unbekümmert, sich keiner Schuld bewusst, `nen Hund an der Leine und `ne Cola to go in der Hand und das Handy am Ohr.
Wird sich das alles nach den Olympischen Spielen verändern.Huh
Beachte den Rat eines alten weisen Mannes:
Da wird sich nix verändern, es sei denn, es ändert sich was in den Köpfen Big Grin(sollte ein Witz sein)
Mahlzeit.
Etwa einer von den Dreien? Aber ich muss schon sagen, wie Du den "Hüfthammerwie" behutsam auf dem Weg zur Widergennesung begleitet hast, das war schon cool! Da hat sich der wahre Weise gezeigt.Wink

Die Veganer sind auf dem Vormarsch und wenn die "Rote Armee" durch marschiert (das ist vielleicht ein Mediengerassel), dann wird Sport wieder zur Pflicht. (soll witzig sein)Big Grin

deca


RE: Mobilisierung des Sports in der DDR - Pollux - 03.10.2014

Für Deca, den Nostalgiker des Olympismus und des gepflegten Körpers (und sei es im Namen der ,‚sozialistschen Gulduuuurrevolution“ :würg ) habe ich eine alternative Erinnerung aufgespürt: 

„Etwas ganz anderes hat sich auf römischem Boden vollzogen. In der Kaiserzeit beginnt dort ein neuer architektonischer Schub, der mit der Stadionkultur der Griechen nichts zu tun hat. Das Stadion ist bekanntlich ein lang gezogenes U, mit einer offenen Seite, auf der sich der Tempel befindet. Die Idee hierbei ist, dass der Wettkampfplatz zu den Göttern hin offen steht und dass die Kämpfer ihre Übungen coram deis ausführen. (...) Völlig anders geht es auf dem Boden des antiken Rom zu. Die römische Arena ist ein Bautypus, der den geschlossenen Raum betont, dort herrscht das Pathos der Immanenz, eine ausweglose und fatale Verdichtung. Das Muster der Arenen, das Kolosseum, ist eine Fatalismus-Maschine im großen Stil. Hier werden vor großem Publikum Schicksale generiert – Niederlagen mit tödlichem Ausgang und Siege im Nimbus der Grausamkeit. Dies ist auch der Grund, warum die moderne Kultur sich auf einen gefährlichen Weg begibt, wenn sie im Sport stärker beim Römertum als beim Griechentum anknüpft. In diesem Kontext ist es wichtig, daran zu erinnern, dass Pierre de Coubertin ein großer Hellenophiler war und ein ebenso großer Androphiler, ein idealistischer Pädagoge (...) Was ihm vorschwebte, war so etwas, wie ein Bayreuth des Körpers – Coubertin war bekanntlich ein Wagnerianer der frühen Stunde. Er wollte bei den Betrachtern der neu-olympischen Übungen einen Zustand erhabener Zerknirschung hervorrufen, so wie die Besucher des Hügels sie beim Verlassen des Theaters empfanden. Er wünschte, der Zuschauer, der die jungen schönen Athleten bei ihre Performances betrachtet, möge unmittelbar begreifen, dass es mit ihm selber so nicht weitergehen kann.“ 

(Sloterdijk, Peter: Spielen mit dem, was mit uns spielt...) 


RE: Mobilisierung des Sports in der DDR - MZPTLK - 04.10.2014

(03.10.2014, 11:09)Pollux schrieb: Er(Coubertin) wünschte, der Zuschauer, der die jungen schönen Athleten bei ihre Performances betrachtet, möge unmittelbar begreifen, dass es mit ihm selber so nicht weitergehen kann.“ 

(Sloterdijk, Peter: Spielen mit dem, was mit uns spielt...) 
Schön, dass Sloterdijk das auf seine alten Tage auch begriffen hat, er soll ja inzwischen ein fleissiger Radfahrer sein.


RE: Mobilisierung des Sports in der DDR - Hellmuth K l i m m e r - 04.10.2014

(03.10.2014, 11:09)Pollux schrieb: Für Deca, den Nostalgiker des Olympismus und des gepflegten Körpers [...] :

(Coubertin!) Er wünschte, der Zuschauer, der die jungen schönen Athleten bei ihre Performances betrachtet, möge unmittelbar begreifen, dass es mit ihm selber so nicht weitergehen kann.“ 

(Sloterdijk, Peter: Spielen mit dem, was mit uns spielt...) 

Die Hoffnung auf eigene Besserung bei Betrachtung der wohlgeformten Athleten hatten schon viele davor.
Als GOETHE bei einem Italienbesuch den "Apollo von Belvedere", das - nach WINKELMANNs Meinung - "höchste Ideal der Kunst unter allen Werken des Altertums" sah, war er ergriffen, und er schrieb an HERDER (1771): 
"Mein ganzes Ich ist erschüttert, ... Apollo von Belvedere, warum zeigst du dich in deiner ganzen Nacktheit, daß wir uns der unsrigen schämen müssen?"

Nur wenige sind beschämt, wenn sie sich mit (Leicht)Athleten vergleichen, die meisten sind nicht selbstkritisch.
Da ich täglich bei meinen Spaziergängen im "Dieskauer Park", nahe Halle, an diesem Apollo vorbei komme, erfasst mich stets ein klein wenig Wehmut ("erhabene Zerknirschtheit")... Blush

H. Klimmer / sen.


RE: Mobilisierung des Sports in der DDR - MZPTLK - 04.10.2014

(04.10.2014, 11:18)Hellmuth K l i m m e r schrieb: "Mein ganzes Ich ist erschüttert, ... Apollo von Belvedere, warum zeigst du dich in deiner ganzen Nacktheit, daß wir uns der unsrigen schämen müssen?"

Da ich täglich bei meinen Spaziergängen im "Dieskauer Park", nahe Halle, an diesem Apollo vorbei komme, erfasst mich stets ein klein wenig Wehmut ("erhabene Zerknirschtheit")... Blush
Weiträumig umgehen! Big Grin