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Leichtathleten als Philosophen? - Druckversion

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RE: Leichtathleten als Philosophen? - Pollux - 29.10.2014

(28.10.2014, 22:47)Hellmuth K l i m m e r schrieb: Als Nicht-Philosoph gestatte ich mir mal nachzufragen, ob oben nicht eher 

                    ... das Lance-Armstrong-S y n d r o m 


gemeint ist? UndecidedHuh

H. Klimmer / sen.

In dem Fall erlaube ich mir eine allgemeine Vermutung: Wenn Glückanspruch und Optimierungswille zusammentreffen, muss wohl ein Syndrom draus werden. So ähnlich wie bei der Schönheit. Aber da fragt man besser einen Spezi für plastische Chirurgie. (Und am besten einen, der nicht schlecht von der genannten Verbindung lebt) 

Aber mit der Doppeldeutigkeit des Glücks hat jeder Athlet zu tun. Sowohl mit dem ‚Glück haben’ (müssen) als auch mit dem ‚Streben nach Glück’. Wenn es sich um einen konsequent integren Athleten handelt, hat er es aber auch stets mit der erfolgsstrategischen Arschkarte zu tun, die ihm ein – vom Dope- beeinflusster Sport zukommen lässt. Ich glaube nicht, dass dies die Zeit für Hedonisties ist. Und damit wir uns nicht falsch verstehen: Besagter Athlet muss sich außerdem auf einen ausgeprägten Optimierungswillen der Dopingfahndung verlassen können. (Aber auch da gibt es Grenzen) Dass er währenddessen den Besitz der Arschkarte mit Gelassenheit erträgt, wird mit größter Selbstverständlichkeit von ihm verlangt. In Sachen Glück kehrt daher wohl eine andere historische Gestalt wieder. Außerdem gehört Gelassenheit nicht zu den Dingen, die sich optimieren lassen. (Und von einem Gelassenheitswahn in Analogie des Optimierungswahns hat man noch nichts gehört) 

Aber von dieser seiner Lage hört man nix in den Gazetten. Von Strukturen und institutionalisierten Erfordernissen wird aber immer viel geredet. Auch dort, wo sich Sportfans austauschen. Wahrscheinlich sollte man auch nicht zu viel von der pers. Lage reden. Obwohl man manchmal etwas mitbekommt von der Arschkartenlogik. Wenn einem der Kragen platzt. So wie Robert Harting. Aber solche Leute müssen es sich leisten können. Sonst mucken da Leute auf, die in den Verdacht kommen, als Schlechtweggekommene den Mund sehr voll zu nehmen. Trotzdem bleibt es Fakt: Die Sache mit dem Glück und der Selbstbehauptung, die traditionell eine wichtige Verbindung ausmachten, bleibt eine interessante und wichtige Angelegenheit. Sie liegt wohl jenseits von Hedonismus und Optimierung. Mit dem Fokus auf Qualitäten, statt auf Mengen.  


RE: Leichtathleten als Philosophen? - Hellmuth K l i m m e r - 29.10.2014

@ Pollux,  
du hast clever die Kurve gekriegt, indem du meine Frage   n i c h t   beantwortest sondern redundant palaverst.
Ich wollte eigentlich nur von die hören: Hier hab ich mich in einer Vokabel vergriffen; nicht Theorem war bei Armstrong gemeint, sondern Syndrom.


H. Klimmer / sen.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - Pollux - 29.10.2014

@Klimmer
Falsch, mein Lieber! ‚Theorem’ kann nämlich auch eine Lehrmeinung sein. Z. B. eine, die im Profipeloton Schule gemacht hat. (Und wohl auch von erheblichem Einfluss auf die Verbandsebene gewesen ist) Insofern kann ich dir auch leider nicht darin zustimmen, dass die Bezeichnung „Syndrom“ eine korrekte Alternative darstellt. Man es aber so auch nennen kann. Und zum überschüssigen Palaver: Erstens stehe ich in keinerlei Verpflichtung, dir das zu liefern, was du hören möchtest. (So weit kommt’s noch!) Zweitens nehmen Beiträge bisweilen Bezug auf einen Kontext. Einen, der hier noch nicht zur Sprache kam. 

Tongueer PN gerne Nachhilfe in Hermeneutik: 


RE: Leichtathleten als Philosophen? - Hellmuth K l i m m e r - 29.10.2014

(29.10.2014, 12:03)Pollux schrieb: @Klimmer
Falsch, mein Lieber! ‚Theorem’ kann nämlich auch eine Lehrmeinung sein. Z. B. eine, die im Profipeloton Schule gemacht hat.
Dein Nicht-Kleinbeigeben habe ich erwartet.
Aber während es sich bei einem Syndrom um ein (typisches)Krankheitszeichen handelt (bei vielen Radsportlern sehr ausgeprägt Wink ), ist ein Theorem ein Lehrsatz, eine Aussage, meist aus der Mathematik.
Und mit Mathe ist L. Armstrong doch wohl nicht in Verbindung zu bringen.

Huh Falls du meine unmaßgebliche Meinung annimmst? Undecided

H. Klimmer / sen.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - Hellmuth K l i m m e r - 29.10.2014

(29.10.2014, 08:29)Pollux schrieb: Außerdem gehört Gelassenheit nicht zu den Dingen, die sich optimieren lassen. (Und von einem Gelassenheitswahn in Analogie des Optimierungswahns hat man noch nichts gehört) 
Weil's so schön hier rein passt, ein Vers zur Gelassenheit. (Ich erhielt ihn von einem erfolgreichen Leipziger Trainer eines Olympia-Hochspringers.) Weil der wusste, dass ich schell aufbrauste. Blush

" Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstbewusstseins."


H. Klimmer / sen.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - Pollux - 29.10.2014

(29.10.2014, 12:27)Hellmuth K l i m m e r schrieb: Aber während es sich bei einem Syndrom um ein (typisches)Krankheitszeichen handelt (bei vielen Radsportlern sehr ausgeprägt Wink ), ist ein Theorem ein Lehrsatz, eine Aussage, meist aus der Mathematik.
Und mit Mathe ist L. Armstrong doch wohl nicht in Verbindung zu bringen.

Huh Falls du meine unmaßgebliche Meinung annimmst? Undecided

H. Klimmer / sen.

Warum sollte ich deine Meinung nicht annehmen? Selbst wenn ich darauf beharre, solche Begriffe auch zweckentfremden zu dürfen. Zumal in einer Angelegenheit, bei der sich etwas nahezu Einzigartiges ereignet hat: Die totale Umdeutung und Umwertung dessen,was die Sportöffentlichkeit für illegitim - oder auch für selbstverständlich hielt. Ausgehend von einem radsportlichen „Innen“, das es über sehr lange Zeit schaffte, sich von einem „Außen“ abzuschotten – und ein eigenes Deutungs- und „Wertesystem“ zu etablieren bzw. durchzusetzen. So was verdient schon einen besonderen Begriff. Und wäre ein maßgeschneidertes Thema für Systemtheoretiker. 

Aber man will ja nicht palavern! Ertrag es mit selbstbewusster Gelassenheit - und gut is...Smile


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 29.10.2014

(29.10.2014, 14:02)Pollux schrieb:
(29.10.2014, 12:27)undefined schrieb: ...Angelegenheit, bei der sich etwas nahezu Einzigartiges ereignet hat: Die totale Umdeutung und Umwertung dessen,was die Sportöffentlichkeit für illegitim - oder auch für selbstverständlich hielt. Ausgehend von einem radsportlichen „Innen“, das es über sehr lange Zeit schaffte, sich von einem „Außen“ abzuschotten – und ein eigenes Deutungs- und „Wertesystem“ zu etablieren bzw. durchzusetzen. So was verdient schon einen besonderen Begriff. Und wäre ein maßgeschneidertes Thema für Systemtheoretiker.
Das ist null einzigartig.
Auch nicht neu
Auch im Sport nicht.

Eigene Deutungs- und Wertesysteme schustern sich die Menschen seit Urzeiten zurecht: legal, illegal, scheissegal.
Man will in der Parallelgesellschaft(z.B. organisierte Kriminalität) dazu gehören(Vorteilsnahme), gleichzeitig vor sich selbst und vor anderen in der offiziellen Gesellschaft ein 'reines' Gewissen zumindest habitualisieren.

Dass beides nicht lupenrein überein zu bringen ist, stört nicht wirklich,  solange man nicht erwischt und sanktioniert wird, und solange der Lohn der Kriminalität hoch genug ist, um das Gewissen zu beruhigen.
Solche Mentalitäten denken vom Ergebnis her:
'Wenn ich soviel Geld für mein besch.... Verhalten bekomme, mache ich doch alles richtig, oder?'

Und hierin können wir sowohl ein Syndrom wie ein Theorem identifizieren, ist das nicht schön?
Alle sind zufrieden.
Denn alles ist gut.
Peace.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - Pollux - 29.10.2014

(29.10.2014, 14:27)MZPTLK schrieb: Und hierin können wir sowohl ein Syndrom wie ein Theorem identifizieren, ist das nicht schön?
Alle sind zufrieden.
Denn alles ist gut.
Peace.

Alles klar, Hartgesottener! Sind halt nicht alle so hartgesotten. Ich sitze vor dem Fernseher- und halte das Geschehen in der LA für authentisch. Weil ich nur dann zusehen – und mich fesseln lassen kann. Gleichzeitig sitze ich davor und frage mich: Kann man noch so zusehen? 

Da kommt so ein abgebrühter MZ-Hund und erklärt mir: „Bist halt ein naiver Depp. Im Sport ist Parallelgesellschaft nichts Ungewöhnliches. Weil es gar nicht ungewöhnlich sein kann.“ Da frag ich mich: „Moment?! ‚Sportliche Gesellschaft’, an die nicht nur ein bisschen -,sondern sehr viel Erwartung herangetragen wird, ist nix anderes wie Parallelgesellschaft um die Ecke? Und überhaupt: Warum echauffierst du dich dann noch über Dope und so?“ Da sagst du: "Man muss das auch mal vom objektiven und distanzierten Standpunkt aus betrachten!“ Da sag ich: „Joooh, sagte ich doch! Damit wird aber keine Normalität draus.“ Da sagst du: „Neeeein!“ Da sag ich: „Nein und niemals nicht nein!“ Da sagst du: "So nein nun auch wieder nicht! Denn es handelte sich beim ...ja nicht mal um was NAHEZU Einzigartiges im Sport.“ Da sag ich: „Einzigartig heißt doch immer gemessen an etwas.. Und beim Ranking schafft es die Causa Rad auf das Treppchen..“ Da sagst du: „Joooh“ Da sag ich: „Joooh“ und nochmals jooh“.... 

....Gott sei Dank kommt da Frauchen und bringt uns Futter! Rolleyes


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 29.10.2014

Pollux, du beginnst am Kelch der Weisheit und Abgeklärtheit zu nippen.
Und sei dessen eingedenk, dass Hartgesottenheit nicht nur nicht mit Zynismus oder Fatalismus einhergehen  muss,
sondern die Voraussetzung ist, das Unheil in der Welt gut gelaunt, mit kühlem Kopf und berstend von kosmischer Energie zu bekämpfen.

'When the going gets tough, the tough get going'
(Billy Ocean 1985))


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 02.11.2014

Wer sich in diesem Thread bis hierher vorgearbeitet hat, ohne Schaden an Geist und Seele zu nehmen,
dem ist vielleicht auch der folgende Text zuzumuten:
Auszüge aus Heideggers Antrittsvorlesung in Freiburg 1931: ''Was ist Metaphysik?'' 
Es handelt sich nmM um einen der wichtigsten Texte der Philosophie überhaupt.

'Von der Historie Exaktheit fordern, hiesse gegen die Idee der spezifischen Strenge der Geisteswissenschaften verstossen.

...besteht ein wesenhafter Unterschied zwischen dem Erfassen des Ganzen des Seienden an sich und dem Sichbefinden inmitten des Seiendem im Ganzen.
Da-Sein heisst Hineingehaltenheit in das Nichts.
Dieses Hinaus-Sein über das Seiende nennen wir die Transzendenz.

Würde das Da-Sein im Grunde seines Wesens nicht transzendieren, würde es sich nicht im vorhinein in das Nichts hinein halten, dann könnte es sich nie zu Seiendem verhalten, also auch nicht zu sich selbst.
Ohne urprüngliche Offenbarkeit des Nichts kein Selbst-Sein und keine Freiheit.

Das Nichts ist weder ein Gegenstand noch überhaupt ein Seiendes.
Das Nichts ist die Ermöglichung der Offenbarkeit des Seindem als einem Solchen für das menschliche Da-Sein.

Das Nichts gibt nicht erst den Gegenbegriff zum Seienden her,
sondern gehört ursprünglich zum Wesen des Seins selbst.
Im Sein des Seienden geschieht das Nichten des Nichts.

Das Nichts ist uns zunächst und zumeist in seiner Ursprünglichkeit verstellt.
Wodurch denn?
Dadurch, dass wir uns in bestimmter Weise völlig an das Seinende verlieren.
Je mehr wir uns in unseren Umtrieben an das Seiende kehren,
umso weniger lassen wir es als solches entgleiten,
umso mehr kehren wir uns ab vom Nichts.
Umso sicherer aber drängen wir uns selbst in die öffentliche Oberfläche des Da-Seins.

Die Durchdrungenheit des Da-Seins vom nichtenden Verhalten bezeugt die ständige und freilich verdunkelte Offenbarkeit des Nichts, das ursprünglich nur die Angst enthüllt.
Die Hineingehaltenheit des Da-Seins in das Nichts auf dem dem Grunde der verborgenen Angst macht den Menschen zum Platzhalter des Nichts.

Metaphysik ist das Hinausfragen über das Seiende, um es als ein solches und im Ganzen für das Begreifen zurück zu erhalten.
In der Frage nach dem Nichts geschieht ein solches Hinausgehen über das Seiende als Seiendes im Ganzen.

Das Nichts bleibt nicht das unbestimmte Gegenüber für das Seiende, sondern es enthüllt sich als zugehörig zum Sein des Seienden.
''Das reine Sein und das reine Nichts ist dasselbe''
Dieser Satz Hegels(Wissenschaft der Logik 1) besteht zu Recht.

Sein und Nichts gehört zusammen, aber nicht , weil sie beide - vom Hegelschen Begriff des Denkens aus gesehen - in ihrer Unbestimmtheit und Unmittelbarkeit übereinkommen, sondern weil das Sein selbst im Wesen endlich ist und sich nur in der Transzendenz des in das Nichts hineingehaltenen Da-Seins offenbart.

Die vermeintliche Nüchternheit und Überlegenheit der Wissenschaft wird zur Lächerlichkeit, wenn sie das Nichts nicht ernst nimmt.
Nur weil das Nichts offenbar ist, kann die Wissenschaft das Seiende selbst zum Gegenstand der Untersuchung machen,
und nur wenn die Wissenschaft aus der Metaphysik existiert, vermag sie ihre wesenhafte Aufgabe stets neu zu gewinnen,
die nicht im Ansammeln und Ordnen von Kenntnissen besteht, sondern in der immer neu vollzogenen Erschliessung des ganze Raumes der Wahrheit von Natur und Geschichte.

Einzig weil das Nichts im Grunde des Da-Seins offenbar ist,
kann die volle Befremdlichkeit des Seienden über uns kommen.
Nur wenn die Befremdlichkeit des Seienden uns bedrängt,
weckt es und zieht es auf sich die Verwunderung .
Nur auf dem Grunde der Verwunderung - d.h. der Offenbarkeit des Nichts - entspringt das ''Warum?''
Nur weil das Warum als solches möglich ist,
können wir in bestimmter Weise nach Gründen fragen und be-gründen.

Das menschliche Da-Sein kann sich nur zum Seienden verhalten, wenn es sich in das Nichts hinein hält.
Das Hinausgehen über das Seiende geschieht im Wesen des Da-Seins. Dieses Hinausgehen aber ist die Metaphysik selbst.

Darin liegt: Die Metaphysik gehört zur Natur des Menschen.
Sie ist das Grundgeschehen im und als Da-Sein selbst.
Weil die Wahrheit der Metaphysik in diesem abgründigen Grunde wohnt, hat sie die ständig lauernde Möglichkeit des tiefsten Irrtums zur Nachbarkeit.

Daher erreicht keine Strenge einer Wissenschaft den Ernst der Metaphysik.
Und Philosophie kann nie am Masstab der Idee der Wissenschaft gemessen werden.

Wenn die aufgerollte Frage nach dem Nichts wirklich von uns mitgefragt wurde,
dann haben wir die Metaphysik uns nicht von aussen vorgeführt.
Wir haben uns auch nicht erst in sie ''versetzt''.
Wir können uns gar nicht in sie versetzen,
weil wir - sofern wir existieren - schon immer in ihr stehen.
Sofern der Mensch existiert, geschieht das Philosophieren(Platon, Phaidros 279 a).'