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Leichtathleten als Philosophen? - Druckversion

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RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 20.03.2014

Mensch Olli, Du 3-Sterne-General! (Ich habe nur 2 Angry)

Du warst schon auf dem richtigen Dampfer, als du sagtest, dass in der Zukunft über heutiges 'Wissen' der Kopf geschüttelt werden wird. In meinem letzten Posting habe ich das auch ausgeführt, aber ohne Häme. Wir müssen einfach bescheiden, genügsam und pragmatisch damit leben, dass wir uns immer mit Unzulänglichkeiten(suboptimale Technik, steigerungsfähiger Trainer, Verein zahlt zuwenig, usw...) rumschlagen müssen.

Im 'Paradies' war es anders, man musste sich nicht nur keinen Kopf machen, man war für seine Taten auch nicht verantwortlich, im Guten(Erfolg, Belohnung) wie im Schlechten(Sanktion, Strafe). 
Alles war determiniert, fremdbestimmt(Gott). Freie Entscheidungen(gehe ich zum Training oder lasse ich mir eine Plauze  wachsen?) nicht möglich. Gott nahm den Menschen die Verantwortung ab(wie verlockend Huh). Wenn er wollte, musste man eben mit einer Plauze rumlaufen. Angry

In einer solchen Welt möchte ich nicht nur nicht leben, es gab sie nie.
Und es wird sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nie geben.
Warum? Weil sie physikalisch unmöglich ist(nach dem vorläufigen 'Wissens'- Stand vom 20.3.2014). Solange die Physik im Spiel ist, ist es leider nichts mit dem Paradies.
Wen ich die Physik ignoriere und verleugne, ist die Konsequenz, die Strafe  die Nicht-Existenz: Verletzungen, Nekrosen, Tod. Bei sich selbst und/oder anderen.

Die Determination durch die Physik zwingt den Menschen zur Verantwortung für seine Handlungen.
Das wird oft mit verlorener oder eingeschränkter Willensfreiheit verwechselt. Gerade weil der Mensch aus dem 'Paradies'(aus der fiktiven Nicht-Existenz von Physik) geflogen ist, hat er die Willensfreiheit gewonnen, die er im 'Paradies' nicht hatte.

'Freiheit bedeutet Verantwortung. Das ist der Grund, warum viele Menschen sich davor fürchten' (George B. Shaw).
Und das ist auch genau der Grund, warum viele hinter deterministisch gestrickten Führern, Dogmatikern, Gurus herhecheln, bis in den Tod:

Gott wird schon wissen, was gut ist!
Der Doc wird schon wissen, ob das Doping gut für mich ist!


Jaja, Wissen.....
Nicht-Wissen befreit nicht von Verantwortung

Das 'Paradies' kann aber als interessante Denkfigur dienen, um zu zeigen, was uns blüht, wenn wir unsere Verantwortung an der Garderobe zum 'Paradies' abgeben.

Alle tragen Verantwortung:  Medien, Funktionäre, Trainer, Ärzte, Eltern, Athleten.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - Pollux - 20.03.2014

(20.03.2014, 13:26) MZPTLK schrieb: Im 'Paradies' war es anders, man musste sich nicht nur keinen Kopf machen, man war für seine Taten auch nicht verantwortlich, im Guten(Erfolg, Belohnung) wie im Schlechten(Sanktion, Strafe). 
Alles war determiniert, fremdbestimmt(Gott). Freie Entscheidungen(gehe ich zum Training oder lasse ich mir eine Plauze  wachsen?) nicht möglich. (...)
In einer solchen Welt möchte ich nicht nur nicht leben, es gab sie nie.
Und es wird sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch nie geben.
Warum? Weil sie physikalisch unmöglich ist(nach dem vorläufigen 'Wissens'- Stand vom 20.3.2014). Solange die Physik im Spiel ist, ist es leider nichts mit dem Paradies.
Wen ich die Physik ignoriere und verleugne, ist die Konsequenz, die Strafe  die Nicht-Existenz: Verletzungen, Nekrosen, Tod. Bei sich selbst und/oder anderen.

Die Determination durch die Physik zwingt den Menschen zur Verantwortung für seine Handlungen.

Du redest mal wieder ein Zeug! Erstens hat physikalischer Determinismus/Indeterminismus rein gar nichts mit Handlungsfreiheit zu tun? Und zweitens begründet sie deshalb auch keine Verantwortung. Zum Paradies-Gedöns: Verleg doch mal das Paradies auf die Leichtathletikanlage. Dann erfasst du die Crux. Du hast die Möglichkeit, von der verbotenen Frucht zu essen, oder es nicht zu tun. Also das Richtige zu tun und das Falsche zu unterlassen. Entscheidest du dich für das Falsche und wirst ertappt, wird du aus dem Leichtathletik-Paradies verbannt. (Gut, die Strafe ist moderater) Was ist daran determiniert? Natürlich nur das Verhältnis von Regelverletzung und Bestrafung. Also was soll das Gedöns? Du kannst natürlich trotzdem protestieren: Die Freiheit, das Richtige zu tun ist ja wohl  keine Freiheit. Die Freiheit der Willkür ist für mich das einzig Akzeptable. Also ein Plädoyer für „Verbotene-Frucht-Freigabe.“ Entspricht das der sportlichen Vernunft? Nein. Du hast vielmehr den Sport nicht verstanden. Folglich steht der Sport für eine bestimmte Freiheit. (Hegel hatte sie als den Unterschied zwischen bloß negativer Freiheit (zu tun was ich will) und positiver Freiheit definiert (Das Richtige einzusehen) Dann kannst du zwar immer noch behaupten, das sei ja nur die Freiheit, den Regeln zu folgen. Aber das stimmt nicht. An der Stelle liegt wohl ein wichtiger Unterschied zum biblischen Mythos. Die positive Freiheit im Sport ist eine, die mit der Zumutung versehen ist, das Richtige auch durch den Gebrauch der eigenen Vernunft als handlungsleitend einzusehen. (u.U. sogar aus einem wohlverstandenen Eigeninteresse) Zugleich ist diese Freiheit die Bedingung der Möglichkeit von Sport. Wenn der Sport voll ist von Leuten, welche die Willkürfreiheit für sich beanspruchen, wird es übel in diesem Sport. Aber nicht viel weniger übel ist es, wenn diese Leute nur aus Furcht vor der Sanktion das „Richtige“ tun. Die Reaktion besteht in der Institutionalisierung des Generalverdachts. (Was wiederum eine gewisse Ähnlichkeit mit dem biblischen Mythos...) Und erst danach wird alles fremdbestimmt: Selbst die Freiheit, alleine pinkeln zu gehen. 


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 20.03.2014

Pollux: ich glaube, ich klinke mich hier aus. Du solltest schon zunächst Gedankengänge sorgfältig nachvollziehen, ehe du antwortest. Es stehen einfach zuviele, ich sage mal Missverständnisse im Raum, als dass ich noch Lust verspüre, mich daran abzarbeiten. Nicht böse gemeint, und im Kern sehen wir einige Dinge ja ähnlich.

Nur eins würde mich doch noch interessieren: Was bietest du als Alternative zur Institutionalisierung des Generalverdachts? Freigabe? Barbarei Huh
Wenn das ohne imperfekte, weil menschengemachte Institutionalisierung vonstatten gehen soll, wie willst Du Deinen Idealen vom Sporttreiben Geltung verschaffen Huh Der 'Markt' darf es ja wohl nicht - allein - richten, oder?


RE: Leichtathleten als Philosophen? - decathlonitis - 20.03.2014

(19.03.2014, 19:15)Atanvarno schrieb: Wer sich für das Thema interessiert, liest hier mit, wem das zu hoch ist, lässt es.

Eure gewählte Einstiegshöhe ist aber ganz schön happig!Wink

Zur allgemeinen Entspannung füge ich hier einen Link ein:

http://www.youtube.com/watch?v=M7Ac00joH44

Viel Spaß und bitte mehr von euch.
deca


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 20.03.2014

Wenigstens einer, der uns versteht, es jedenfalls behauptet Angel

Einstiegshöhe?
Wir steigen jetzt beide aus(Fehlversuchsregel), und dann kommt erst Thomas.

Apropos Philosophenstreit: Wittgenstein soll Popper mal mit (s)einem Regenschirm gejagt haben...die Philosophiehistoriker streiten sich bis heute,auf Steuerzahlerkosten, wem der Schirm gehört hat, und wenn nein, was soll das überhaupt Huh

Die Regenschirmhaue hätte ich mit Castor ...äh Pollux vorhin auch am liebsten gemacht, aber mein Verwarnpegel wäre in ungeahnte HöhenRolleyes geschnellt.

Würde Pollux hingegen wirklich Castor Angry heissen, würde ich auch das riskiert haben.

Ansonsten erkläre ich diesen Thread hiermit für Vergnügungssteuer-pflichtig Exclamation


RE: Leichtathleten als Philosophen? - Pollux - 20.03.2014

Der Regenschirm hat einen Generalverdacht
dass man aus ihm nen Narren macht
doch wer ist man...
...lässt nicht ohne Grund sich jagen
wenn man noch hat so viele Fragen!
(Pastor Collux)


RE: Leichtathleten als Philosophen? - lor-olli - 21.03.2014

Philosophische Fragen, gar viele
Wahrheit ergründen ist ihr Zweck
Leichtathleten haben Ziele
Leistung erbringen Athleten Werk
 
Philosophie lebt notfalls allein
Athleten ist’s selten selten gemein...
 
-----------------
 
Und bevor das zum Sonett ausartet, stelle ich einfach nur fest, dass dem Philosophen die Theorie oft genügt – sogar wenn sie nicht verstanden werden. (ich habe Wittgenstein jedenfalls nur ansatzweise verstanden – ihm wäre es egal gewesen Wink)
Die 7000 Punkte im Zehnkampf theoretisch zu erreichen hätten mir dagegen nicht gereicht (nochmal Wink)
 
Trotzdem hat die Leichtathletik schon ein paar philosophische Elemente: Die Sinnfrage während des öden Wintertrainings, die Bedeutung von Sieg und Niederlage, die Frage nach dem Sinn unseres singulären Strebens ... (Ballsportler haben die ”Mannschaft“ als motivierendes Element, die Horde zum Sein und Überleben ist so schön archaisch vertraut)
 


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 21.03.2014

Die Philosophie wird sowohl über- als auch unterschätzt.

Es ist leider eine Tatsache, dass die meisten Menschen bewusst- und gedankenlos Dinge tun und viele nicht wissen, was sie tun, und noch weniger, wie sie es richtig tun können.

Es gibt viel zu wenige, die die Frage nach dem Warum stellen und ganz ganz wenige, die die Frage nach dem Warum einigermassen zufriedenstellend beantworten.

Viele Probleme des Sports und der Leichtathletik resultieren aus unzureichender Beschäftigung mit dem Warum, für das Wie gibt es durchaus genug Fachleute wie Biomechaniker, Trainer, Sportmanager, usw.

Ich will - voraussichtlich Mitte April - versuchen, das Warum ganz konkret am Beispiel des Hammerwurfs darzustellen. Der Hammerwurf wird - nicht nur in der Golden League - in den Rückzug manövriert, dabei ist er eine der interessantesten und spektakulärsten Disziplinen der Leichtathletik und die Athleten zeigen eine eingeschworene Solidarität, weil sie diesen Sport so lieben.
Da haben wir das Warum Idea


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 21.03.2014

@ Olli: Der Eindruck, dass Philosophen sich - meistens - mit der Theorie 'begnügen', ist richtig, aber eben nur als Eindruck, als 'Wahr'-Nehmung.

Dem Phänomen kommt man analytisch auf die Spur, wenn man sich die Begriffe vom Konkreten und Abstrakten ansieht.

Woran erkenne/wahrnehme ich, ob ich es mit einem Stuhl oder einem Tisch zu tun habe?
Schwieriger als man zunächst glaubt, denn es gibt tausende unterschiedliche Designs.
Nur, indem ich anhand meiner abgespeicherten Identifizierungskriterien: Beine(wieviele, egal), Sitzfläche(obacht, auf einem Tisch kann ich auch sitzen), Rücklehne(obacht, es gibt auch Stühle ohne Rücklehne!) und Armlehnen(könnte aber auch ein Sessel sein!) versuche, die Unterscheidung zu treffen. Wir sehen an diesem einfachen Beispiel, dass das nicht immer eindeutig möglich ist, ich kann einen Tisch auch zum Stuhl umfunktionieren, und umgekehrt.

Der im herkömmlichen Sprachgebrauch 'konkrete' Stuhl ist also womöglich keiner, sondern ein Tisch, denn der Stuhl 'erfüllt' die im herkömmlichen Sprachgebrauch 'abstrakten' Mindest-Kriterien, die alle Tische aufweisen müssen, um als solche erkannt, identifiziert zu werden. 
Ich sage also zum Stuhl: guten Tag, Herr Tisch!
Da kommt mein Kollege und begrüsst den Stuhl: guten Tag, Herr Stuhl!

Da haben wir den Salat, der Tisch weiss auch nicht mehr, ob er Männchen oder Weibchen ist Huh

Der StuhlTisch gewinnt seine 'Identität' durch die konkrete Eigenschaft, die konkrete Funktion, die konkrete Idee von Tisch/Stuhl, die der Wahr-Nehmende ihm zuschreibt.
Seine 'Identität' ist also durch die Wahr-Nehmung oder Falsch-Nehmung bestimmt
Das Konkrete ist also eigentlich das Abstrakte.Idea

Die beim Beispiel Tisch/Stuhl demonstrierte Analyse kann überall im praktischen Leben angewendet werden

Es gibt eben nichts praktischers als die Theorie


RE: Leichtathleten als Philosophen? - decathlonitis - 21.03.2014

Tisch und Stuhl unterscheide ich beim Anblick und der daraus resultierenden Feststellung, dass der Tisch eigentlich zu hoch ist um bequem darauf zu sitzen.
Hier kommen meine persönlichen Erfahrungen aus der Kindheit zum Tragen, da ich der Generation angehöre, die mit dem mitwachsenden "Trip-Trap-Stuhl aufgewachsen ist. Später lernte ich in meiner Lebenslaufbahn die weiteren vielfältigen Bezeichnungen für Sitzgelegenheiten kennen. (Hocker, Sessel, Drehstuhl u.u., Chaiselongue und später dann die Potatocoutch, auf der ich mich nach dem Training ausruhe) Man wird mit zunehmendem Alter halt bequemer und wählt die Sitzgelegenheiten (auch das Bett) behutsamer aus. Selbst in der Höhe, aber nicht in Tischhöhe.
Meine Erfahrungen mit dem Tisch und dessen Bedeutungund Verwendung beziehen sich mit dem Heranwachsen auf ein ähnliches Hintergrundwissen. Als ich laufen lernte, da war alles was oben drauf lag unerreichbar. Oft stieß ich mir den Kopf daran. Das tat weh, besonders wenn der Tisch aus Marmor war. Dann entdeckte ich nach und nach die Möglichkeiten der Nutzung des Tisches. Den Tisch decken mit Tischdecken, mit Geschirr und Besteck. Dann gibt es was zu essen.
Das waren alles konkrete Erfahrungen bezüglich Funktion - Eigenschaft und Idee (und Sinn) wenn es um Tisch und Stuhl ging. Abstrakter wurde es für mich später dann zunächst, wenn bei Erwachsenen die Rede von : "die leben schon lange von Tisch und Stuhl getrennt".
Oder: "wenn du in der Schule nicht aufpasst, dann bleibst du sitzen. Häh?
Wink

Lieber MZPTLK,
Hammerwerfen ist wirklich eine ganz tolle Disziplin und hat einen unglaublich ganzkörperlichen Trainingseffekt. Und die Typen die diese Disziplin betreiben sind wirklich eine besonder Spezies und durchaus sympathisch.
Viel Spaß und Erfolg bei den Würfen
deca