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Leichtathleten als Philosophen? - Druckversion

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RE: Leichtathleten als Philosophen? - Pollux - 15.12.2015

Jedenfalls wird Robot ‚Baxter’ nie ein guter Linksaußen. Und vom langen Spurt auf der Mittelstrecke hat er auch keinen Schimmer. Beim Fernsehen sollte ich ihm letztens die LA erklären. Da hab ich ein Zitat verwendet:

 

„You never know. They are the best three words in sports“.

 

Das ihm den Rest gegeben. Danach wollte er jedenfalls die Tartanbahn umpflügen und Kartoffeln einpflanzen. Ich hab ihn machen lassen – und meinen Freund im Altersheim besucht. Der meinte, sein Robot-Pfleger sei ne ähnliche Pappnase. Keine Ahnung von dem, was wirklich wichtig ist...

 ...Also bis dann, Jungs – wir kriegen gerade unser Mittagessen von dem Typ!

 Pünktlichundwürg:


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 15.12.2015

Wenn nicht mehr Menschen, sondern nur noch Maschinen gegeneinander kämpfen, geht's ja noch.
Heidegger meinte 1966, dass das Ende der Philosophie und das Zeitalter der Kybernetik gekommen sei.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - Pollux - 15.12.2015

Hast wieder die Pointe nicht kapiert?!  

 Auch Robot-Baxter hat Heidegger gelesen – nur das ‚Vorlaufen zum Tode’ nicht verstanden!

 PS: Seitdem arbeitet er nur noch halbtags. Den Rest des Tages versucht er sich in gefährlichen Sportarten. Man weiß nicht, wohin das (erkenntnistheoretisch) noch führen soll. Ganz zu schweigen von der Arbeitsleistung!


RE: Leichtathleten als Philosophen? - lor-olli - 15.12.2015

Allerdings gibt es in der Kybernetik /Elektronik neben dem Moorschen Gesetz (Verdopplung der Leistung alle 18 Monate, kriegen wir gerade eben noch so hin durch Parallelisierung = Mehrkernprozessoren ) das Gesetz, das ein komplexes System immer einmal scheitert / versagt. Never touch a running system ist nicht nur ein Gag und bei aller Redundanz ist die Frage, ob wir uns darauf verlassen wollen, dass ein Roboter aus seinen Fehlern lernt - jedenfalls nicht aus Mitleid weil er gerade einen Menschen totoperiert hat Wink


RE: Leichtathleten als Philosophen? - Atanvarno - 15.12.2015

(15.12.2015, 18:27)lor-olli schrieb: bei aller Redundanz ist die Frage, ob wir uns darauf verlassen wollen, dass ein Roboter aus seinen Fehlern lernt - jedenfalls nicht aus Mitleid weil er gerade einen Menschen totoperiert hat Wink

Das Video geht von der Prämisse aus, dass wir keine Wahl mehr haben. Die Automatisierung wird fortschreiten, die Roboter werden kommen und die Frage ist nur, was unser Plan ist, wenn es soweit ist.

Es geht ja noch nicht einmal hauptsächlich um menschenähnliche künstliche Intelligenz*, die entwickelt werden müsste, damit wir Probleme bekommen. 45% der aktuell ausgeübten Jobs sind "easy targets for automation".  Wie sieht eine Gesellschaft aus in der 45% Arbeitslosigkeit herrschen? Können die alle zum Akademiker umschulen?

Hier geht es zunächst einmal nur um komplizierte, aber realisierbare (oder bereits reale) technische Gerätschaften, die fast die Hälfte der Bevölkerung mittelfristig arbeitslos machen werden. Haben wir für diese Menschen einen Plan oder laufen wir sehenden Auges in eine Katastrophe?

"We need to start thinking now, about what to do when large sections of the population are unemployable through no fault of their own"

*Wenn wir KI entwickeln, die einen Turingtest besteht, hätten wir es nicht mehr mit billigen Arbeitssklaven zu tun, sondern müssen uns ganz anderen Fragen über den ethischen Umgang mit einer neuen mit Bewusstsein ausgestatteten Spezies stellen.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - decathlonitis - 15.12.2015

Wenn sich die Vernunft nicht durch setzt, wird sich die Welt aus der Not heraus verändern. Das enthält weitere ungeahnte Auswirkungen, die bereits jetzt erkennbar sind. (Klima+Umwelt, Ressourcenmangel, Flüchtlingsströme, Depressionen)

Man sollte den Mensch, die Menschheit niemals unterschätzen. Im Guten wie im Bösen. (deca 2015)

Umstrukturierungen und weniger Arbeitszeit müssen nicht zwangsläufig "dekadente Malocher" oder "minderpriviligierte Müßiggänger" die Folge sein. [Bild: biggrin.gif]
Die Bildung mit Beginn der Kitas muss deutlich verstärkt in Richtung Kreativität, Kunst, Sport, Soziale Kompetenz und gegenseitige (fachliche) Hilfe, Selbstgestaltung verlaufen.
Ich denke da z.B. an "Urban Gardening" oder Selbsthilfegruppen.

Prof. Nico Paech (es gibt natürlich weitere Denker) hat sich darüber schon länger den Kopp gemacht und ich häng hier mal `nen Link dran.

Aber bitte nich nur gucken und diskutieren. Probieren, machen, weitersagen.
Druck auf die da oben ausüben! [Bild: wink.gif]

Link: http://www.tagesspiegel.de/politik/wachstumskritiker-niko-paech-sehe-ich-aus-wie-ein-hippie/7431092.html


RE: Leichtathleten als Philosophen? - lor-olli - 16.12.2015

Betrachtet man einmal ganz nüchtern unsere Zeit seit der industriellen Revolution, sollte uns das Szenario der freigesetzten Arbeitskräfte nicht ganz so unbekannt vorkommen - es gibt schlichtweg neue Ausgangsbedingungen. Hätte vor 100 Jahren sich jemand vorstellen können, dass wir heute kaum noch Bauern brauchen (wegen der techn. Entwicklung), dass die Industrieproduktion nur noch einem kleinen Teil der Menschen (manuelle) Arbeit bietet (weniger als 25% der Beschäftigten), dass die meisten Menschen Bürotätigkeiten verrichten die man sich vor 100 Jahren nicht einmal vorstellen konnte (Web-Programmierer etwa Wink).

Die stärkste Industrienation der Welt ist übrigens die Schweiz (pro Kopf erwirtschaftet sie acht mal so viel wie China und immer noch 40% mehr als Deutschland), und dies nicht weil sie so viele Arbeitsplätze in diesem Bereich hat. Neue Technologien brachten auch immer neue Jobs!

Egal, es gibt in den wirtschaftlichen Umbruchphasen immer auch Probleme und Verlierer und es wird sicher auch Arbeit von Maschinen erledigt werden, die wir uns derzeit noch gar nicht vorstellen können.

Ein zukünftiger Aspekt des Lebenserhalts wird es sein, die Umwelt zu erhalten damit wir überhaupt eine Perspektive haben, so wie bisher haben wir die jedenfalls nicht. Weiter wird es eine Frage sein wie die Entwicklung im Bereich des Energieverbrauchs verläuft, Nachhaltigkeit bei steigendem Energieverbrauch (und allein eine zunehmende Weltbevölkerung wird dies erzwingen)

Wenig philosophisch bisher, aber wir müssen uns fragen, ob das was technisch möglich ist, auch sinnvoll oder wünschenswert ist - ob intelligente Maschinen diese Frage zu unserer Zufriedenheit beantworten werden? (Sie könnten auch eine “Reduktion“ der Weltbevölkerung um 20% vorschlagen… logisch, sinnvoll, praktikabel aber ob wir da zutimmen möchten? Außer Donald Trump vielleicht…)

Erinnert sich jemand an den Aufschrei im Druckgewerbe, als erst die Schriftsetzer und dann die Drucker arbeitslos wurden? Und heute? Machen Maschinen diese Arbeit und das Schriftsetzen ist gar nicht ganz so anspruchslos…

Bei der Prognose zu Entwicklung von KI und Maschinenarbeit unterschlägt man aber, dass bisher immer noch Menschen die Ziele vorgeben und wer wagt eine Prognose, welche Ziele wir in 50 Jahren vorgeben, oder ob wir uns dann schon von einer KI bestimmen lassen werden? Evolution umfasst mehr als nur die Biologie, vielleicht werden wir in 50 Jahren nur noch “unterstützt“ denken? Ethisch korrekt sich die “intellektuellen Vorteile“ so zu sichern? Zumindest bräuchten bei dieser Vorgabe die Maschinen die Menschen… (Auch weil unser Körper genug Energie zur Verfügung stellt um nicht zu große elektrische Verbraucher zu versorgen - die Matrix lässt grüßen. Um einem weißen Kaninchen hinterher zu hoppeln bin ich aber zu alt…Wink


RE: Leichtathleten als Philosophen? - Atanvarno - 16.12.2015

(16.12.2015, 15:14)lor-olli schrieb: Betrachtet man einmal ganz nüchtern unsere Zeit seit der industriellen Revolution, sollte uns das Szenario der freigesetzten Arbeitskräfte nicht ganz so unbekannt vorkommen - es gibt schlichtweg neue Ausgangsbedingungen. Hätte vor 100 Jahren sich jemand vorstellen können, dass wir heute kaum noch Bauern brauchen (wegen der techn. Entwicklung), dass die Industrieproduktion nur noch einem kleinen Teil der Menschen (manuelle) Arbeit bietet (weniger als 25% der Beschäftigten), dass die meisten Menschen Bürotätigkeiten verrichten die man sich vor 100 Jahren nicht einmal vorstellen konnte (Web-Programmierer etwa Wink).


Alles im Video schon aufgegriffen

"you may thinks we have been here before, but this time is different [...] [mechanical minds] are outcompeting humans for jobs in a way no pure mechanical muscle ever could [...] there is this notion that just as mechanical muscles allowed us to move into thinking jobs, that mechanical minds will allow us to move into creative work [...] artistic creativity isn't what the majority of jobs depend on, the number of writers, directors, artists and poets who actually make a living doing their work is a tiny, tiny, tiny portion of the labour force [...] this stuff isn't science ficiton, the robots are here right now [...] we have beeen through economic revolutions before, but the robot revolution is different [...] many bright, perfectly capable humans will find themselves unemployable through no fault of their own [...] in 1776 there were only a few kinds of jobs, now there are hundres of kinds of jobs, but the new ones are not a significant part of the labour fource [...] the list of jobs, ranked by the number  of people who perform them, it is a sobering list, [...]  going down the list all of this work existed in some form a hundred years ago and almost all of them are easy targets for automation [...] don't think that every barrista or  white collar worker need lose their job, before things are a problem. the unemployment rate during the Great Depresson was 25%. Just [...] the [automation] stuff that already works can easily push us above that number pretty soon [...] given that even in our modern technological wonderland new kinds of work aren't a significant portion of the economy, this is a big problem [...] We need to start thinking now, about what to do when large sections of the population are unemployable through no fault of their own"

Insofern finde ich Gedanken in der von Decathlonitis vorgeschlagenen Richtung sinnvoller, als ein "wird schon werden, hat ja immer geklappt"


RE: Leichtathleten als Philosophen? - lor-olli - 17.12.2015

Die Frage ist doch: Was ist die Frage?

Meine “Zusammenfassung“ stellt keine Frage dar und ich stehe beileibe nicht für ein “war schon immer so, wird schon klappen“. Nüchtern betrachtet bedeutet, dass ich den gleichen Schluss wie der Autor ziehe: dieser Prozess wird nicht aufzuhalten sein. Die Verlockung die Profitgier als Fortschritt zu verkaufen funktioniert im atavistischen Teil unseres Hirns immer noch… die negativen Folgen blenden wir IMMER aus. (Beispiel? Klimagipfel… Die Mehrheit scheint kapiert zu haben, dass wir bereits in einem deutlichen Handlungsverzug sind um wenigstens die gröbsten Folgen abzumildern, ist die Konsequenz ein ebenso deutliches konsequentes Handeln? < rein rhetorische Frage…)

“Die Macht ist nicht mit denen“ die qua ratio die Zukunft steuern wollen und hypothetische Überlegungen anstellen wie einem Zustand zu begegnen ist, dessen Folgen wir nur spekulativ erfassen können. Noch ein Beispiel zur “kranken“ Psychologie des Unterbewusstseins? Doping, Drogen, Alkohol, gefährliche Exzesse und die Folgen nehmen wir für einen kurzlebigen Erfolg, ein kurzlebiges high in Kauf - weil eine kleine Chance besteht das wir damit davon kommen. Wenn sie nicht besteht, reden wir uns eben ein, dass es sie gibt. Evolutionär sogar konsequent logisch, denn ein paar wenige kommen immer davon…

Die Frage und Überlegung wie dieser “Bedrohung“ zu begegnen ist müsste also lauten: Wollen wir einer Minderheit erlauben, auch weiterhin auf Kosten der Mehrheit einen solchen “Erfolg“ zu haben? Die Konsequenzen aus der Verneinung einer solchen Frage könnten mindestens so gravierend sein wie des Bejahens. Sind wir bereit für “unsere Vernunft“ eine Gesellschaftsystem zu stürzen, dass genau auf diesen Prinzipien der Vorteilsnahme beruht (auch in der Bundesrepblik)? Es geht letztlich nicht nur um philosophische oder ethische Gedanken, sondern um die praktische Umsetzung unter Zeitdruck - technische Revolutionen haben die Eigenschaft eine Gesellschaft im Sturm zu nehmen…

Ja, ich gebe deca recht mit seinem “wenn sich die Vernunft nicht durchsetzt, wird sich die Welt aus der Not heraus verändern…“, allerdings bin ich nicht sehr optimistisch “ …den Mensch, die Menschheit niemals unterschätzen. Im Guten wie im Bösen. (deca 2015)
betreffend, dazu bräuchten wir Zeit und die klimatische, geopolitische, ökonomische und Weltbevölkerungsentwicklung lassen uns diese nicht.

Eine Maschine kann so viele touringtests bestehen wie sie möchte, würde das unser Handeln zwangsläufig zum Positiven beeinflussen? Wieso sind so viele Menschen vom Weltbild eines IS oder einer Rassenideologie fasziniert und nicht von den Vorstellungen eines Mahatma Gandhi, eine Dalai Lama oder eines Steven Hawking?

Hat eine humanistisch-philosophische Grundüberlegung mehr als nur theoretisches Potenzial, wenn z.B. nicht auszuschließen ist, dass ein Donald Trump US-Präsident wird, ein Wladimir Putin, ein R.Erdogan und eine chinesische Regierung sich noch lange halten könnten? Auch die Entwicklung in Saudi-Arabien und der muslimische (aber auch der christliche!) Fundamentalismus breiten sich aus und drängen ganz andere Fragen in den Vordergrund. Defätismus? Wink Nein, allein mir fehlt ein wenig der Glaube an die Kraft des gesunden Menschenverstandes, wenn es darum geht ihm den eigenen Vorteil zu opfern…

Eher Politik als Philososphie, aber hat sich Politik viel um philosophische Fragen geschert, außer in wohlfeilen Formulierungen?


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 19.12.2015

Teil 2/4 Leistung theoretisch

Heckhausen bietet einen gut elaborierten psychologischen Leistungsbegriff an
und nennt 5 Bedingungen, die auch psychologische Universalien zu sein scheinen:
1. Ein Handlungsergebnis muss erzielt sein oder erzielbar, es muss objektivierbar sein und Aufgabencharakter haben.
2. Handlungen und ihr Ergebnis müssen auf einen Masstab der Schwierigkeit und/oder der Kraftaufwendung beziehbar und danach beurteilbar sein.
    Die Masstäbe können in unterschiedlichen Bezugsnormen verankert sein
    Die Bezugsnormen können Aufgaben-inhärent, grundgesetzt, sozial und individuell sein.
    Soziale Bezugsnormen beruhen auf dem Vergleich mit den Handlungsergebnissen Anderer,
    individuelle Bezugsnormen auf dem Vergleich mit eigenen früheren Handlungsergebnissen.
3. Handlungen müssen in ihren Ergebnissen gelingen oder misslingen können.
    Die Aufgabenanforderungen müssen zwischen den Randbereichen des zu leichten und des zu schweren
    hinsichtlich der zu überwindenden Schwierigkeit ud des aufzubringenden Kraftaufwandes liegen.
    Aufgabentätigkeiten, die weder das erreichte Fähigkeitsniveau herausfordern
    noch einen merklichen Aufwand an Kraft und Ausdauer erforderlich machen,
    sind für den Tätigen nicht leistungsthematisch.
4. Ein Masstab der Schwierigkeit und/oder des Kraftaufwandes für eine Aufgabentätigkeit
    muss vom Handelnden als eine für ihn verbindliche Tüchtigkeit übernommen sein,
    das heisst als Indikator für seiine persönliche Tüchtigkeit anerkannt sein.
5. Das Handlungsergebnis muss vom Handelnden selbst verursacht sein,
    das heisst sowohl von ihm beabsichtigt wie zustande gebracht worden sein.
    Handlungsergebnisse, die sich unbeabsichtigt ergeben, unter Zwang oder durch Zufall,
    mit Hilfe oder Behinderung von aussen kommen, rechnet man sich leistungsthematisch nicht zu,
    man hält sich selbst nicht dafü verantwortlich.

Fähigkeit ist ein über die Zeit weitgehend stabiler, bzw. kalkulierbarer Ursachenfaktor im Handelnden.
Anstrengung ein variabler.
Im Gegensatz zur eigenen Fähigkeit kann der Handelnde über die von ihm aufgewandte Anstrengung
von Situation zu Situation frei verfügen.
Fähigkeits-zentrierte oder Anstengungs-zentrierte Leistung - jede hat ihre verbindlichen Tüchtigkeitsmasstäbe,
Gütemasstäbe versus Anstrengungmasstäbe, die beide auf unterschiedlichen Bezugsnormen beruhen können.

Für die Koppelung von Leistungsachweis und Chancenzuteilung, bzw. Honorierung
sind Beurteilungsmasstäbeaufgrund von angemessenen Bezugsnormen erforderlich.
Für alle Verhaltens- und Urteils-leitenden Wertaussagen/Prinzipien gilt aber,
dass man daraus zwar Einzelfall-bezogene Masstäbe ableiten kann,
aber keine allgemeingültigen, verbindlichen.
Wenn man nämlich die Vielfalt von Tätigkeiten und Qualifikationen nimmt,
so kann man die Forderung nach gleichförmigen und einheitlichen Masstäben zur Leistungsbeurteilung
nur als absurd bezeichnen.

Selbst innerhalb identischer Tätigkeitsbereiche können die im Einzelnen erforderlichen Qualifikationen
so unterschiedlich sein, dass mehrere Masstabsdimensionen in Betracht gezogen werden müssten.
Heterogenität der Leistungsmasstäbe ist deshalb die Regel - ausser z.B. bei bestimmten Sportarten.

Eine Kritik an supra-/interindividuellen Leistungsmasstäben ergibt sich vor allem auch aus Folgendem:
Angenommen, ein einheitlicher Leistungsmasstab wäre herstellbar und praktiziert,
dann wären die psychologischen Folgen dramatisch:
1. Die Wahrnehmung der sozialen Ungleichheit wäre weit penetranter.
2. Soziale Tätigkeitshierarchien würden forciert und fixiert,
   so dass die Möglichkeiten leistungsthematischer Selbsterfüllung für die Meisten infrage gestellt würden.

Die soziale Bezugsebene der leistungsthematischen Selbst- und Fremdbewertung
würde die Aufgaben-inhärente und die individuelle Bezugsnorm in den Hintergrund drängen
und damit Realisierungsmöglichkeiten persönlicher Befriedigung beschneiden.
Jeder sähe sich veranlasst, sich mit allen übrigen Personen und Gruppen zu vergleichen,
statt auch und vor allem Befriedigung in der Bemeisterung individueller und aufgaben-inhärenter Anspruchsniveaus zu finden.
Er sähe sich ständig in einem eng umschriebenen Bereich innnerhalb der gesamten Tüchtigkeits-Inhalte eingekeilt,
was je nach Lokalisierung der eigenen Leistungsmöglichkeiten zu fatalistischer oder resignativer Selbstwertbelastung führte.

Angesichts der Folgen eines einheitlichen Leistungsmasstabs möchte man in die Unzulänglichkeiten der überall verbesserungswürdigen Vielfalt und Heterogenität von Leistungsmasstäben und und ihren Zuteilungsfolgen zurück.
Man sieht dann geschärfter die Sach-immanente Vielfältigkeit und Pluralität leistungsthematischer Lebensräume
mit all ihren Eigenständigkeiten und Unvergleichlichkeiten, die viele leistungsthematische Realisierungsmöglichkeiten eröffnen,
die auf individuelle Tüchtigkeitspotentiale mehr oder weniger fair zugeschnitten sein können.

Aber: die Heterogenität der Leistungsmasstäbe wirft in ihrer Konkretisierung eine Fülle von Fragen auf,
die schwer und kaum je - bei wissenschaftlichem Anspruch - befriedigend gelöst werden können.
Die Masstäbe sind fast durchweg auf einem vorwissenschaftlichen Niveau von common sense konstruiert.
In der Regel gibt es dann mehr oder weniger willkürliche Masstab-Setzungen, die sich historisch verfestigen
und im Zuge allmählich sich wandelnder Qualifikations-Anforderungen immer revisionsbedürftiger werden.

Neckel/Dröge/Somm nennen 5 Bewertungsrahmen der Leistungsdiskussion:
1. Arbeit:          Vollzug einer Tätigkeit. Leistung besteht in Mühe/Anstrengung, Geschicklichkeit, Schnelligkeit.
2. Gesellschaft: Leistung fürs Gemeinwohl
3. Sache:           Fachliche Qualifikation und Qualität als Leistungsmasstab
4. Markt:           Verkäuflichkeit von Leistungs-Ergebnissen
5. Person:          Persönliche Authentizität, Selbstverantwortung, Selbstentwicklung als Leistung,
                          wenn und insofern diese einen Aufwands- und Aktivitäts-Bezug haben

Unterschiedliche Sozialgruppen favorisieren verschiedene Leistungsbegriffe und Leistungsverständnisse.
Somit treten diese in Konkurrenz und Widersprüche oder schliessen sich sogar aus.
In immer mehr Berufen werden Begriffe wie Teamfähigkeit, emotionale Intelligenz, Kreativität und
Selbst-Verantwortung als Leistungsanforderung thematisch
Ausser Fachwissen werden Persönlichkeitseigenschaften immer wichtiger.
Delegitimiert werden Statusgewinne, die als Belohnung für blossen Konformismus erscheinen.

Niedrig Qualifizierte beschränken ihren Arbeits-zentrierten Leistungsbegriff auf die eigene Soziallage.
Eine Verallgemeinerung ihrer Leistungskriterien gelingt ihnen nicht.
Damit fehlt ein Vergleichsmasstab zu anderen Sozialgruppen.
Das Arbeits-orientierte Leistungsverständnis steht vor dem Problem, an Wertschätzung zu verlieren,
wenn/umsomehr es für den Geschäftserfolg irrelevant(er) wird.
Besondere Irritationen löst das bei denjenigen aus, für die Arbeit eine Prozessleistung ist
und die sich von einem reibungslosen und unauffälligen Arbeitsvollzug Anerkennung versprechen.
Wird die Leistungsqualität von Arbeit gar erst/nur durch Beiträge zu Markterfolgen bescheinigt,
fallen Prozess-'Leistungen' potentiell ins ins ökonomische und symbolische Nichts
- und mit ihnen auch ihre Träger.
Der Rahmen der Arbeit wird besonders betont von den Gruppen der Verkäuferinnen und der niedrigqualifizierten Sozialhilfeempfängerinnen.
Sie bringen weder die kulturellen Ressourcen für einen Bezug auf Selbstverwirklichung und Authentizität mit,
noch können sie selbst - adäquate - Markt-Erfolge erreichen.
Sie betonen die harte und aufopferungvolle Arbeit für ihren Begriff von Leistung,
was ihnen in ihrer Lage in der Sozial-Hierarchie Sinn gibt/geben soll.
Erfolge müssen selbst erarbeitet und individuell zurechenbar sein.

Bem Leistungsbegriff, der positive Effekte für die Gesellschaft impliziert,
stehen für die Marktorientierten moralische Selbstverpflichtungen bei der Leistungserbringung
unter dem Vorbehalt, dass sie das wirtschaftlich-rationale, erfolgsorientierte Handeln zumindest nicht stören.

Die Aufwandsdimension und sogar das Fachwissen verliert an normativer Kraft am stärksten bei jenen Sichtweisen,
die sich in der Bewertung von Leistung alllein am Markterfolg orientieren.
Wer auf die sach-liche Qualität einer Tätigkeit als Leistungskriterium wert legt,
der wird eine prioritäre Orientierung am Markterfolg als Entwertung beruflicher Ansprüche empfinden.

Das Markt-orientierte Leistungsverständnis fühlt sich auf der Höhe der Zeit.
Arbeits- und Sach-orientierte Leistungsbegriffe treten immer weiter zurück.
Es kann - wie auch das der Selbstverwirklichung - heute besonders gute Artikulations- und Anwendungsbedingungen finden.

Angehörige höherer gesellschaftlicher Schichten, in denen die Bewertungsmuster Person und Markt
zentrale Bedeutung für das eigene Leistungsverständnis  haben,
verallgemeinern ihre Perspektive mit weit höherer Selbstverständlichkeit.
Vor allem bei jüngeren und höher qualifizierten Personen spielt der Bewertungsrahmen der Person eine wichtige Rolle,
bei älteren und geringer qualifizierten ist dieser von geringer Bedeutung.
Auch hochqualifizierte Arbeitslose beziehen sich oft auf dieses Bewertungsmuster,
indem sie ihre Lage rationalisieren und alibisieren mit dem Hinweis auf konsequente Bemühung um Authentizität.

Voswinkel sieht eine funktional differenzierte Gesellschaft, die verschiedene Teilsysteme aufweist,
welche verschiedenen Logiken/'Codes' folgen:
- In der Wirtschaft ist die Zahlung zentral
- In der Wissenschaft das Kriterium der Wahrheit
- In der Politik Macht, Einfluss, Zustimmung der Mehrheit

Empirisch schwierig, aber normativ wird klar:
Die Orientierung an Logiken, die für das Teilsystem fremd oder unangemessen erscheinen,
wird als nicht akzeptabel oder zumindest nicht als funktionl bewertet:
- An Zahlungen orientiertes Verwaltungshandeln wird als Korruption gesehen
- Wenn Wirtschaft sich an Macht koppelt, wird Wettbewerbsverzerrung befürchtet
- Wenn Politiker sich an Wahrheit orientieren, wird es kaum geglaubt, bzw. für dumm gehalten
- Wenn Wissenschaft sich an Zahungen orientiert, kann es für modern und praxisnah gehalten werden

Dimensionen des Leistungsbegriffs nach Voswinkel:
1. Aufwand
 - Ressource:    Talent, Qualifikation
 - Einsatz:         Anstrengung, Belastung
2. Ergebnis
 - Sachlich:       Menge, Qualität
 - Sozial:          Problemlösung, gesellchaftliches Verdienst
 - Ökonomisch: Ertrag, Gewinn

Wegen der Vielfalt und Umstrittenheit der Dimenionen und Kriterien handelt es sich bei der Leistung
um eine hochkomplexe und unbestimmte Kategorie.
Deshalb sind relativ eindeutige Leistungsindizes notwendig, um die Komplexität zu reduzieren,
und zwar gerade dann, wenn das Leistungs-Prinzip gesellschaftliche Ungleichheitsrelationen
auch miikrosozial, also im Nahbereich sozialen Vergleichs legitimieren soll.

Beispiele: Schulnoten, Tabellen im Sport, Intelligenztests, Ratings, Akkordwerte,
Punkte in Arbeits- und Lesitungsbewertungssystemen, Credit Points,
Mengen-, Produktivitäts- und Umsatzkennziffern,
Accounting, Benchmarking, Ratingagenturen, Analysten und Börsenkurse...

All diese Messverfahren von Leistung beruhen auf hochgradiger Komplexitätsreduktion.
Deshalb wird das, was als Leistung gilt, wesentlich davon bestimmt, wie die Messverfahren ausgestaltet sind.
DiejenigenLeistungsdimensionen, die sich leicht messen lassen,
haben einen strukturellen Vorteil, als Leistungsmass anerkannt zu werden.
Schwerer haben es die sogenannten 'weichen' Kriterien:
Qualität der Arbeit, Problemlösung, gesellchaftlicher Nutzen, Einhaltung profssioneller Normen, usw.

Die Aufmerksamkeit wird also auf quantitativ messbare und in Zahlen auszudrückende Leistungsdimensionen gelenkt, während andere vernachläsigt werden.
Aus der betribelicen Praxis ist dieser Effekt ebenso vertraut wie an der Art, wie Schüler lernen.
Nämlich oft vorrangig im Hinblick darauf, was Noten-förderlich ist.
Daher prüfen Tests und Evaluationen nicht nur eine Leistung, sondern sie definieren eigentlich erst,
was als Leistung zu gelten hat und was nicht.
Zugespitzt: Was nicht getestet wird, das zu leisten lohnt sich nicht.
Effizienz?
Humanität?
Zukunft?


Es sind diverse Themen angeklungen, die noch eingehender erörtert werden müsen:
3.   Zurechnung von Leistung
4.   Das Prinzip Gerechtigkeit
5.   Das Leistungs-Prinzip
6.   Leistung in Bildung und Beruf
7.   Das Prinzip Hoffnung
8.   Leistungs-Motivation
9.   Leistung im Sport
10. Das Prinzip Verantwortung

editiert vom admin wegen "kaputten" Steuerzeichen - wir haben bei einigen Beiträgen immer mal wieder dieses "Phänomen"! Können es im Moment aber noch nicht verhindern, weil es sporadisch auftritt!