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Leichtathleten als Philosophen? - Druckversion

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RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 18.07.2016

Das Kapitel : 'Die Teufelchen der (Selbst-)Sabotage' kommt bald.
Der Verzug liegt nicht an Folgendem:

'Wer, ehe er zu handeln, besonders zu schreiben beginnt,
vorher untersuchen zu müssen glaubt,
ob er nicht vielleicht durch seine Handlungen und Schriften
hier einen Schwachgläubigen ärgern,
da einen Ungläubigen verhärten,
dort einen Bösewicht, der Feigenblätter sucht
dergleichen in die Hände spielen werde,
der entsage doch nur gleich dem Handeln, allem Schreiben.'

(Gotthold Ephraim Lessing 1778)


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 21.07.2016

(Leistungs-)Motivation
Teil 8/2: Teufel der (Selbst-)Sabotage


Ich kenne Sie besser, als Sie denken!
Sie brauchen die Zuneigung und Bewunderung Anderer,
dabei neigen Sie zu Selbstkritik.
Zwar hat Ihre Persönlichkeit einige Schwächen,
doch können Sie dies im Allgemeinen ausgleichen.

Sie haben beträchtliche Fähigkeiten, die brachliegen.
Äusserlich diszipliniert und kontrolliert, fühlen Sie sich ängstlich und unsicher.
Mitunter zweifeln Sie an der Richtigkeit Ihrer Entscheidungen.
Sie bevorzugen ein gewisses Mass an Veränderung
und  Sie sind unzufrieden, wenn Sie von Verboten und Beschränkungen eingeengt werden.

Sie sind stolz auf Ihr unabhängiges Denken und nehmen anderer Leute Aussagen nicht unbewiesen hin.
Sie erachten es als unklug, sich Anderen freimütig zu öffnen.
Manchmal verhalten Sie sich extrovertiert, leutselig und aufgeschlossen,
manchmal auch introvertiert, skeptisch und zurückhaltend.
Ihre Wünsche erscheinen mitunter etwas unrealistisch.

Wie genau trifft das auf Sie zu - bei einer Skala von 0(unzutreffend) bis 5(voll zutreffend)?

Der Psychologe Forer gab diesen Text(den er aus den Horoskopen diverser Zeitungen zusammenkomponiert hatte)
seinen Studenten zur Selbsteinschätzung - mit dem Hinweis, dass es seine persönliche. individuelle Analyse jedes Studenten sei.
1948!!
Die Studenten bescheinigten eine Zutrefferquote von 4,3, also 86 %.
Der Text wurde noch viele Jahre mit anderen Probanden und fast gleichen Ergebnissen wiederholt.

Wie kann das sein?
- Aussagen, die unserem Selbstbild entsprechen oder nahekommen, werden angenommen
  Andere werden oft unbewusst verdrängt
- Aussagen allgemeiner Art, die meistens oder immer zutreffen
- Aussagen, die nicht zutreffen, aber das Ego streicheln, werden meistens angenommen
- Negativ-Aussagen wie fehlende positive Charaktereigenschaften werden vermieden(was nicht da ist, gibt es nicht, s.u.)

Der Selbstbild-Teufel hat zugeschlagen!

So verar..... uns z.B auch Astrologen, Kartenleger, Glaskugelgucker, manche Anlageberater und manche Politiker.

Aber: zum Betrug gehören immer mindestens zwei.
Darum steht oben auch /Selbst-)Sabotage.
So gibt es auch andere Berufsgruppen, die uns übervorteilen können, wenn wir uns nicht wehren.
Solche, die wir fahrlässigerweise nach Zeit und weniger nach Leistung bezahlen wie
Therapeuten, alle möglichen Berater, Fahrlehrer, etc.
Dabei prallen verschiedene Anreizsysteme aufeinander:
der Anbieter hat Interesse daran, möglichst viel Zeit zu schinden. der Zahler will das Gegenteil.


Fachidioten-Teufel
Ein Unternehmer kann seine Kredite nicht mehr bezahlen, wird depressiv und erschiesst sich.
Wie denken die Experten darüber?
- Der Sozialist: Ein weiteres Opfer des kapitalistischen Systems
- Der Kapitalist: Der Sozialismus hat versagt: zu hohe Steuern und Löhne, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, usw.
- Der Finanzexperte überlegt, ob der Kredit richtig war oder Finanzierung aus dem Cashflow besser gewesen wäre.
- Der Unternehmensberater: sicher war die Strategie falsch, die Führung schlecht, der Vertrieb zu schlapp, usw.
- Der Marketingmanager vermutet falsche Zielgruppenansprache
- Der Journalist freut sich, dass es einen Toten gab, die Story wäre sonst längst nicht so spannend.
- Der Drehbuchautor überlegt, wie er die Story für eine Krimiserie ausbauen und ausschmücken kann
- Der Arzt macht einen zu niedrigen Serotoninspiegel verantwortlich
- Der Psychologe vermutet frühkindliche Seelenverwerfungen
- Der Religionsfanatiker ist völlig sicher: Das war die Strafe Gottes

Es wimmelt also nur so vor Vorurteilen, Ignoranz, kognitiven Dissonanzen und divergieren Motivationslagen.
Die sogenannten Experten kommen mit den Erklärungsmodellen ihres Faches daher
und versuchen damit, auch fachfremde und hochkomplexe Probleme zu analysieren.
Mit einem Hammer kann man keine Schraube lösen.

Historiker-Irrtum-Teufel
Eine Spezialform des Fachidioten-Teufels.
Entscheidungen von historischen Personen werden mehr anhand des Ergebnisses beurteilt
und weniger auf Basis der damaligen Lage und Entscheidungsoptionen.

So hätte der Unternehmer im obigen Beispiel alles richtig machen und trotzdem Pleite gehen können.
1/3 aller Konkurse sind Folge-Konkurse, wenn Geschäftspartner nicht zahlen.
Oder es lag an Regulationsänderungen der Politik.
Oder an schwarzen Schwänen(unerwarteten oder unerwartbaren Ereignissen).

Rückschaufehler-Teufel
Eng verwandt mit dem Historiker-Irrtum-Teufel.
Das war doch klar, das musste ja so kommen, das habe ich schon immer gewusst.

Klassischer Fall: Trennung eines Paares.
Das konnte ja nicht gutgehen, weil:
- zu unterschiedliche Charaktere, Zwist also vorprogrammiert
- zu ähnlich, gehen sich auf den Wecker, (nur) Gegensätze ziehen sich an, ergänzen sich
- sahen sich zu selten, haben sich auseinander gelebt
- klebten wie die Kletten aneinander und gingen sich so auf den Geist

Dogma-Teufel
Philanthrop: Menschen sind gut
Misanthrop: Menschen sind schlecht

Beide hauen sich unzählige Beispiele für ihre Theorie um die Ohren.
Beim Stand von 50:50 schlafen sie todmüde ein.
Am nächsten Tag geht es so weiter.
Pingpong. Nullsummenspiel.

Beide filtern fahrlässig und/oder vorsätzlich gegenteilige Evidenz untern Tisch.
Das Motiv zur Wahrheitsfindung ist verkümmert, das zum Rechthaben hypertrophiert.
Das gleiche Phänomen kann man sehr gut in Gruppen von Gleichdenkenden,
Blogs von Verschwörungstheoretikern und religiösen Fanatikern beobachten.
Dort flüchten oft Diejenigen hin, die mit Fakten und guten Argumenten schlecht umgehen können
und Anerkennung bei Ihresgleichen suchen.

Es dominiert die Suche nach Bestätigung, nicht nach Wahrheit.
Fakten und bessere Argumente werden weggeblendet.
Blender finden Verblendete.
Kluge Menschen brauchen kein Dogma.
'Ideologie ist Ordnung auf Kosten des Weiterdenkens.'
(Dürrenmatt)

Fanatismus-Teufel
Enger Verwander des Dogma-Teufels.
Hier geht es um Übersteigerung bis zur Destruktion.
Gewalt ist die Sprache der Dummheit.

'Der Fanatismus ist die einzige ''Willensstärke''(Strichelchen von MZPTLK),
zu der auch die Schwachen und Unsicheren gebracht werden können.'
(Nietzsche, Lieblingszitat von Goebbels)

Nicht-da-Teufel
Wenn es etwas nicht gibt oder uns nicht gegenwärtig ist,
juckt es uns auch nicht oder es hat weniger Bedeutung als das, was da ist.
- Friede ist uns selbstverständlich, Krieg abwesend oder weit weg.
   Die Motivation, Krieg zu vermeiden, ist also unterentwickelt.
   'Der Friede ist der Ernstfall, im Krieg ist es zu spät' (Gustav Heinemann, Ex-Bundespräsident)
.  Gesundheit ist uns selbstverständlich. Verletzungen, Unfälle, Dopingschäden haben nur die Anderen.
   Die Gesundheit ist der Ernstfall. Bei Verletzung ist es zu spät!
- In der Wissenschaft wird die Verifikation von Hypothesen viel mehr belohnt als die Falsifikation,
   obwohl diese ähnlich wichtig ist.
- Kulturelle Leistungen, die nicht zustande gekommen sind oder unbekannt sind, interessieren Niemand.

Was es - unserer sehr beschränkten Wahr-Nehmung nach - gibt,  stellt unsere persönliche Welt dar.
Gleichzeitig ist das uns Unbekannte viel relevanter als unsere winzige Welt.
Das Universum ist zum allergrössten Teil unerforscht.
Das Nicht oder Noch-Nicht hat eine immense, aber uns (noch) unbekannte Bedeutung für uns.
Unsere Motivation und unsere Leistung kann sich also nicht auf die relevanteren Dinge der Welt beziehen.

Montaigne: 'Mein Leben war voller Unglücke, von denen die meisten zum Glück nicht eingetroffen sind.'

Weit-weg-Teufel(örtlich)
Enger Verwandter des Nicht-da-Teufels.
Hätte der Bomberpilot von Hiroshima die Bombe geworfen,
wenn er nur ein paar Bekannte, Freunde und Verwandte in der Stadt gehabt hätte?
So aber waren es abstrakte, anonyme, fremde, feindliche Ameisen.
Hinzu kommt, dass der Abwurf rational begründbar war und ist.
Zusammen ergab das eine Motivations-Gemengelage, die zur Handlung führte.

Warum geben wir dem Hartz 4-versorgten Bettler Geld,
während es ein paar hundert oder tausend Kilometer viele Leute gibt, denen es sehr viel schlechter geht??

Weit-weg-Teufel(zeitlich)
Enger Verwandter des Nicht-da-Teufels.
In der Urzeit war schnellsmöglciches Handeln oft lebensnotwendig
Gründliches, analytisches, strategisches, zeitaufwändiges Denken führte auf den Friedhof, heute zur Karriere.
Wir sind aber die Nachkommen der Primaten.
So steigt unser emotionaler Zinssatz(Dobelli) an, je näher eine Entscheidung, ein Ergebnis, eine Belohnung liegt.
Heute ist die Fähigkeit zum Belohnungsaufschub ein verlässlicher Indikator für späteren Erfolg,
aber sehr oft reitet uns der Teufel des schnellen Genusses, obwohl wir die spätere Rechnung kennen.

Mit zunehmenden Alter wird es - oft auch aus der Not eine Tugend machend - leichter, Belohnungen aufzuschieben.
Weisheit und Selbstkontrolle spielen dabei durchaus eine wichtige Rolle.
Wir wissen dann eben, dass Konsumentenkredite, Horoskope, Glücksspiele, Puffbesuche, Drogen und Doping Mist sind.
Das Steinzeit-Belohnungssystem ist gut fürs Überleben im Dschungel, aber anfällig für Süchte.

Uns fällt die Umstellung immer noch sehr schwer.
Das alte spontane, schnelle, intuitive Denken und Handeln ist in unserer DNA noch so stark,
die damals überlebenswichtige Gruppenzugehörigkeit lässt uns heute noch 'Gruppenzwang' mitmachen.
Wir sind viel stärker auf äusserliche Rituale der Leute orientiert als auf die Analyse situativer Zusammenhänge.
Wir sollten stärker darauf achten, welchen Einfüssen und welchen Interessen die Leute folgen, als auf deren Haarschnitt.
Wir denken zu oft linear(wenn der Neandertaler doppelt so lange Beeren pflückte, hatte er die doppelte Menge)
anstatt exponentiell. Viele Gefahren, die aus der Ressourcenvernichtung resultieren, sind uns darum nicht bewusst.

Motivation ist, wenn wir den Haarschnitt sofort ändern, die Ressourcenvernichtung später - oder?
Und das Endlager kann noch 100.000 Jahre warten
Wenn Primaten mit Atom hantieren... Angry


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 22.07.2016

Fortsetzung: Teufel der (Selbst-)Sabotage

Narration-Teufel
Wenn etwas laut,  pompös und protzig daherkommt, steigt unsere Aufmerksamkeit.
Wenn etwas leise, zurückhaltend und bescheiden ist, beachten wir es kaum.
Wir achten mehr auf Dramatik, auf Spektakuläres, auch wenn nicht viel dahinter steckt.
Steinzeit-Festplatte eben.

Viele Wiederholungen erwirken Gewohnheit, ja Vertrautheit und sogar Identifikation bis hin zur Normativität des Faktischen.
Qualität, Wahrheit, Niveau fällt unter den Tisch oder wird vernachlässigt.
Für uns wichtige Dinge beachten wir also nicht oder zuwenig.
Jeder kennt das von den Medien, aber kaum Einer gibt zu, dass er darauf abfährt.

Die Verblödungsindustrie wird den Teufel tun, uns mit wichtigen, aber nüchternen Wirklichkeiten zu piesacken.
Die Umsätze steigen erst mit Geschichtchen, Skandalen, Katastrophen, Mord und Totschlag.
Wie soll da mehr Niveau im öffentlichen Diskurs aufkommen?

'Stress'-Teufel
Ob wir was dafür tun oder nicht, wir kommen immer wieder in Überforderungs-Stuationen.
Werden wir von äusseren Umständen in Zeitnot und Druck gezwungen,
reagieren die Einen mit Hektik und Stress, Andere werden konzentriert, fokussiert.

Die Vermeidung von Stress-Situationen führt zu Vermeidung von Lebens-Chancen, Lernprozessen und Erfolgen.
Wenn wir hingegen 'wohltemperierte' Aufgaben zwar ambitionierten, aber machbaren Niveaus bewusst und motiviert angehen,
kommen wir - auch bei gelegentlichen Misserfolgen unterwegs - auf eine ansteigende Lebensbahn.
Durch die Lern- und Erfolgserlebnisse kommen wir in eine positive Verstärkung
und können die Aufgaben künftig leichter und schneller schaffen.

Wir empfinden immer mehr Situationen dann nicht mehr als stressig, sondern herausfordernd, euphorisierend, motivierend.
Wir haben, was uns  früher leistungsmindernder 'Stress' bedeutete, in erfrischende Energie gewandelt.
Wir gewinnen durch die Erfolge  Wohlbefinden, das Belohnungssystem stimuliert uns zu Wiederholungen und höheren Aufgaben.
Aufgaben heisst nicht mehr: Aufgeben. Blush

Eine Untersuchung der Columbia University ergab, dass es Vielbeschäftigten meistens besser geht als Passiven.
Die Aktiveren schaffen mehr, sind zufriedener und haben ein besseres Selbstwertgefühl.
Die weniger Aktiven sind weniger effizient, haben weniger Erfolgserlebnisse und neigen zu Vermeidungsverhalten.

Die Whitehall-Studie untersuchte 30.000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes in Grossbritannien.
In den unteren Hierarchien gab es wesentlich häufiger Stress und Krankheiten,
die Sterblichkeitsrate war doppelt so hoch wie in den obersten Hierarchien.
Man sah in Kontrolle und Autonomie die Verantwortlichen dafür:
3 mal darf man raten, wer mehr Autonomie und Kontrolle ausübte und wer mehr darunter litt.

Der mündige Athlet mit hoher Selbstbestimmung wird sicherlich weniger Stress haben als der instrumentalisierte.

Angst-vor-Fehler-Teufel
Wer immer versucht, Fehler zu vermeiden, limitiert sich in seinen Möglichkeiten.
In der Schule lernen wir oft, und es kommt  bei der Benotung meistens darauf an, Fehler zu vermeiden.
Zu starke Betonung von Fehlervermeidung ist aber motivations- und noch mehr leistungsfeindlich.

Beim Ski fahren lernen wird sich meistens zuwenig und/oder falsch vorbereitet.
Zuallererst sollte das Fallen gelernt werden.
Hat man das nicht drauf, hat man - berechtigterweise - Angst vor Stürzen.
Dass das den Lernprozess und den Spass an der Sache sehr stark hemmt, liegt auf der Hand.

Hat man beim Sex Angst vor Fehlern...Katastrophe!
Soll man einen Vortrag  halten und denkt daran, was alles passieren kann...Desaster!

Denkt ein Sportler an die Erwartungen der Zuschauer, an die Konkurrenz, an die Medien, usw, versagt er vor Hypernervosität.
Hilfe geht nur über
- Verdrängen, Ausblenden, Fokussierung(Tunnell)
- Visualisieren der Aufgabe, dabei das 1.000mal Gekonnte und die Freude dabei vergegenwärtigen

Je mehr man versucht, Fehler zu vermeiden, desto eher passieren sie.
Wie kommt das?
Unser Unterbewusstsein kann Negationen nicht verarbeiten.
Wir können nicht nicht an einen schwarzen Eisbären denken.
Wenn wir denken, keine Fehler zu machen,
denken wir, Fehler zu machen.

Wenn wir Wortfindungsschwierigkeiten haben, klappt das angestrengte Such-Denken meistens nicht.
Man kann nicht nicht denken,
aber man kann auch nicht an zwei Dinge gleichzeitig denken.
Wenn man an das Richtige denkt, kann man nicht im selben Moment an das Falsche denken.
Darum klappt der obige Tipp so gut.

Aristoteles hatte ein wenig unrecht:
'Ziel ist nicht, Glück zu erlangen,
sondern Unglück zu vermeiden.'

Neil de Grasse Tyson weiss es besser:
'Wenn Du niemals Fehler machst, bist Du nicht an der Spitze der Forschung.
Denn dort werden die ganze Zeit Fehler gemacht.'


RE: Leichtathleten als Philosophen? - Atanvarno - 22.07.2016

(22.07.2016, 17:43)MZPTLK schrieb: Viele Wederholungen erwirken Gewohnheit, ja Vertrautheit und sogar Identifikation bis hin zur Normativität des Faktischen.

Zufälligerweise gestern ein passendes Video dazu gesehen




RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 22.07.2016

(22.07.2016, 17:49)Atanvarno schrieb:
(22.07.2016, 17:43)MZPTLK schrieb: Viele Wederholungen erwirken Gewohnheit, ja Vertrautheit und sogar Identifikation bis hin zur Normativität des Faktischen.

Zufälligerweise gestern ein passendes Video dazu gesehen
Klasse!
Passt exakt!
Spitzen-Präsentation!


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 23.07.2016

Fortsetzung: Teufel der (Selbst-)Sabotage

Verlust-Amgst-Teufel
Wir sind die Nachkommen der Überlebenden, der Vorsichtigen.
Die Unvorsichtigen konnten sich wegen Frühablebens meistens nicht fortpflanzen.
Das steckt noch in uns, wir bewerten Verluste als viel erheblicher als Gewinne.

Es ist auch richtig: Verluste ausgleichen geht viel langsamer und mühsamer als leichte und schnelle Destruktion
Diese Asymmetrie macht sich vor allem auch der Terrorismus zunutze
Die Konstruktion von Gebäuden, die Entwicklung von Demokratie und die Aufzucht  Erziehung und Bildung von Menschen
ist sehr viel aufwändiger als deren Zerstörung.

Die Deutschen investieren kaum in Aktien, obwohl es sich langfristig wesentlich mehr lohnt als Festverzinsliche Papiere.
Die allermeisten Hochschulabsolventen wollen zum Staat, weniger zu Grossunternehmen,
ganz Wenige zu Mittel- und Kleinunternehmen, obwohl dort die Chancen am grössten sind.

Lotto-Teufel
Der Gegenspieler zum Verlust-Angst-Teufel.
Jede Woche geben zig Millionen Geldgierige ihren Berechtigungsschein auf Reichtum ab.
(Offizielle) Gewinnchance: 1;14 Millionen.

Warum machen die Id...äh Idealisten das?
- Der Urmensch in uns kann 1:14 Mio nicht entfernt fassen, er schätzt seine Chance viel günstiger ein.
- Die Blöd-Zeitungen berichten nur von den paar Gewinnern. Würden sie die Millionen Verlierer bringen,
   wären die Käseblätter so dick wie das Telefonbuch von New York.
- Gier frisst Hirn - auch das von Studienräten
- Man muss nur ein paar Euro 'investieren, um für den Rest seines Lebens reich und glücklich zu werden

So überlistet man den Verlust-Angst-Teufel.
Wenn das kein Paradebeispiel für Motivation ist!

Der (Un-)Wille-Teufel
Ich will ja mit dem Rauchen aufhören.
- Aber mein Wille ist stärker.

Moment mal, was ist denn da los?
Ich und mein Wille sind zwei verschiedene Instanzen?
Die sogar gegeneinander arbeiten können?
Und der Wille, der eigentlich mein Wille sein  und für mich eintreten siollte, trickst mich aus?

Dann ist es doch wohl nicht wirklich mein Wille, oder?
Es muss der Wille von jemand anders sein:
von der Tabakindustrie, den Lungenärzten, oder was weiss ich.

Der Wille ist dem Verstand/der Vernunft gegenüber anscheinend autonom,
der Verstand kann nichts ausrichten, wenn der Wille nicht mitmacht oder nicht durchschlägt.

Der Verstand/die Vernunft gehört zum Selbst, was ist mit dem Willen? Mal macht er mit, mal nicht.
Ich will ja trainieren. Aber mein Wille ist stärker...äh zu schwach... ja was denn nun?

Der unmittelbare Genuss und das unmittelbare Vergnügen sind uns meistens näher, wichtiger
als ein möglicher zukünftiger Nutzen
Und wohin geht der Wille? Na eben.

'Viele wollen Medaillen. Aber nur Wenige sind bereit, das dafür Notwendige auch zu tun.'
(Mark Spitz, 8facher Olympiasieger)

Verschieberitis-Teufel
Eng verwandt mit dem (zeitlichen)weit-weg-Teufel.
Wer Andere frustrieren will, kann dazu auch Prokrastination sagen.
Es gibt dicke Ausreden-Bücher und sogar Ausreden-Agenturen.
Andauernd sind irgendwelche Omas gestorben, Staus allerorten, etc.

Warum verschieben wir auch Wichtiges bis zum Geht-nicht-mehr?
- Weil zwischen Aufwand und Ertrag/Belohnung eine (längere) zeitliche Kluft liegt.
   Motivation, Disziplin, Planung, Kontrolle, Willenskraft kostet Kraft.
   Doktorarbeiten kosten viel Kraft, mehr als Kneipenbesuche.
- Wenn die Vernunft schwächer ist als das kurzfristige Begehren
- Aus Strategie: Aussitzen. leerlaufen lassen, sabotieren
- Angst vor Folgen(Mahnbescheide bleiben ungeöffnet, dann sind sie 'erledigt')
- Prioritätensetzung: 1. wichtige, dringende Aufgaben
                                      2. wichtige, aber nicht (so) dringende
                                      3. Zeitfresser
                                      4. Papierkorbkandidaten

Ab Neujahr wird alles besser. Gut, dass Neujahr noch weit weg ist!

Träumer-Teufel
Träume, Fantasien ohne Realitätsbezug bleiben Illusionen.
Es fehlt Imagination für Motivation und Energie für Volition, um Aufgaben nicht aufzugeben.
Das blosse Schwelgen in schönen Affirmationen gaukelt Erfüllung, Vollzug vor
und verstellt den Blick für realistische, erfolgsträchtige Umsetzungsstrategien.

Nur als Realist kann man Optimist sein, ansonsten bleibt man Illusionist.
Wer oft und intensiv von einer besseren Zukunft lediglich träumt(a greater day)
und nicht ins Handeln kommt, suggeriert sich oft, er sei schon am Ziel
Positive Fantasien können Kräfte absorbieren.
Herausforderungen sind vor allem auch Forderungen.
Hindernisse werden schnell zu Hinderungsgründen.
Aufgaben werden zum Aufgeben.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 25.07.2016

Teufel der (Selbst-)Sabotage: Schluss

Schönfärberei-Teufel
- Soldaten 'fallen' im Krieg statt elend zu verrecken
- Es heisst (ethnische) 'Säuberung' statt (Völker-)Mord

- Aktien fallen nicht, es handelt sich um eine Korrektur
- Man wird nicht gefeuert, man richtet sein Leben neu aus
- Man war auch nicht in der Kreipe zum Saufen,
  sondern hat an einer hochkarätigen Diskussionsrunde zu bedeutenden Themen teilgenommen

Viele Sachverhalte  werden - bewusst oder unbewusst - rhetorisch in die gewünsche Richtung designt,
um die Adressaten(und sich, bis man selber dran glaubt)) zu manipulieren.

Sympathie-Teufel
Wer ist uns sympathisch?
1. Äusserlich attraktive Personen, das müssen nicht unbedingt Schönlinge sein, Ausstrahlung entscheidet
2. Uns ähnliche Personen, was Herkunft, Interessen, Habitus, Mentalität, Persönlichkeit und Ansichten angeht
3. Wer uns sympathisch findet. Das kann auch vorgegaukelt werden von Heiratsschwindlern, Betrügern, Verkäufern aller Art...
   Techniken sind Heucherei, Schauspielerei, Spiegelei(Anpassung an Uns, siehe 2.)

Allmende-Teufel
Überall da, wo der Nutzen beim Einzelnen anfällt, aber  die Kosten bei der Gemeinschaft(Allmende),
kommt es leicht zu Versicherungsbetrug, Abholzung, CO2, Verschmutzung, Vandalismus,
Bankenrettung, Doping.
Richtig gehört: Der Doper privatisiert die Gewinne für sich und sozialisiert den Schaden.
Er kündigt damit der sozialen Gemeinschaft, deren Regeln er vorher unterschrieben hat.

Wenn Sozialsysteme zu gross, zu anonym werden(In der Urzeit nur wenige Dutzend Personen),
gilt für Allzuviele: enrichez-vous, mir doch egal, etc.
Egoverhalten fiel in der Urzeit sofort auf, wurde sofort sanktioniert.
In heutigen Gross-Gesellschaften kann man sich leichter und oft folgenlos  unverantwortlich und unsozial verhalten.

'Es ist schwierig, jemanden etwas verstehen zu machen,
wenn sein Einkommen davon angängt, es nicht zu verstehen.'
(Upton Sinclair)
Das gilt auch besonders für Doper.

Team-Teufel
Verwandt mit dem Allmende-Teufel.
Wir neigen oft dazu, uns in Gruppen mit Leistung und Verantwortung zurück zu halten nach dem Motto:
TEAM = toll, ein Anderer macht's!

Keiner ist schuld an schlechten Ergebnissen, der Miss-Erfolg ist ein Waisenkind.
Am 9. Mai 1945 war Deutschland Nazi-freie Zone, Angel
Niemand ist verantwortlich für Geldvernichtungsprojekte wie Opernhäuser, Flughäfen und Atomklos.
Man versteckt sich in  Anonymität und Intransparenz.
Die individuelle Leistungsmotivation mindert sich, je mehr Leute beteiligt sind.
Faulheit, Inkompetenz und Unverantwortlichkeit fällt bis zu einem gewissen Mass nicht auf.

Wie ist dem abzuhelfen?
Transparenz, Verantwortlichkeiten(Zurechnung) und Haftungssanktionen installieren.
Richtig organisierte Teams können sehr produktiv sein.

Neid-/Schadenfreude-Teufel
Schadenfreue wird vor allem ausgelöst durch Neid, das wusste schon Platon.
Neid als Motivator für Leistung ist gern gesehen, aber wenn es unsozial und destruktiv wird(Fanatismus),
und die Schadenfreude dazu dient, die eigenen Defizite kompensieren zu sollen, ist der Bogen überspannt.
(Futter-)Neid war in der Urzeit oft überlebenswichtig, wer den Kampf um das knappe Happahappa verlor,
nahm an der Evolution nicht länger teil.

Unsere Schadenfreude ist heute umso grösser,
desto höher der gesellschaftliche Status und desto unsympathischer uns der Gestrauchelte ist.
Darum muss man sich als Doper vorher einen hohen Sympathiestatus erarbeiten, damit man nachher nicht so tief fällt.

Schadenfreude dient der kurzfristigen - vermeintlichen - Aufwertung des eigenen Selbst.
Man muss garnichts tun und kann sich am Elend Anderer erbauen. Sehr preiswertes, 'positives' Ego-Gefühl.
Takahashi meint, dass das Belohnungssystem im Gehirn durch Schadenfreude ebenso aktiviert wird
wie durch Schokolade, Sex und Kokain.

Strack: Vor allem Menschen, die mehr Misserfolge haben, und die mit einem geringen Selbstwertgefühl ausgestattet sind,
reagieren mit besonderer Schadenfreude auf das Scheitern Anderer.
Die Leute fühlen sich dadurch- natürlich nur kurzzeitig - besser.
Die Medien verdienen damit Milliarden.

Je zufriedener jemand ist, desto weniger neidisch verhält er sich.

Wenn der Erfolg eines Anderen als ungerechtfertigt erscheint,
wollen wir wieder Gerechtigkeit herstellen.
Denn jede Gesellschaft strebt nach Gemeinsinn.
Allzu abweichendes Verhalten wird sanktioniert - und das auch schon mal mit gewisser Lust.

Runterzieher-Teufel
Den gibt es viel häufiger, als man denkt.
Er richtet unemesslichen Schaden an.

Es gibt immer mindestens zwei Beteiligte:
Einer, dem geholfen werden soll(te), und Einer, der hilft, hochzieht.
Leider gibt es allzuoft Fälle, in denen der im Sumpf steckende zwar seine Hand hochreicht,
aber nicht viel mehr tut - obwohl er könnte -  so dass der Hochzieher es nicht schafft.

Es gibt viele Fälle, wo es der Runterzieher lieber hätte, wenn der Helfer zu ihm in seinen Sumpf käme,
weil da seine Komfortzone ist, er sich nicht abstrampeln muss und er gern neue Kumpels zu sich runterzieht.
Leider geschieht das immer wieder.
Man muss sich auch helfen lassen wollen, sonst hat der Helfer keine Chance.

In der Leichtathletik gibt es viele Raufzieher.
Das fängt bein gegenseitigen Motivieren beim Training und Wettkampf an
und hört bei der Siegerehrung auf,
wenn der Erste die beiden Anderen zu sich hochbittet.



Sollte Frank Zappa recht haben? 'The ugliest part of you - it's your mind!!'
Wie wird man die Teufel los?
Viel harte Arbeit, manche Teufel lassen sich schnell verscheuchen, andere schwieriger oder garnicht.
Das Gehirn tickt oft in Richtung schnellen Genuss und selten(er) in Richtung Wahrheitsfindung.
Besonders bei komplexeren Entscheidungsfindungen wird das: was denke ich darüber?
oft überlagert oder verdrängt vom: wie fühle ich mich dabei?

Ohne sich der Wahrheit zu stellen und ohne Erkenntnis der Relativität
der eigenen Überzeugungen, Lebenslügen und Vor-Urteile wird man keine Chance haben.
Um den Teufeln entgegen zu wirken, muss der Geist in Aktion treten, der Geist des Selbst;

Wir haben die Vernunft und den freien Willen zur Verfügung,
die  können viel wirkungsmächtiger sein, als wir gemeinhin annehmen.
Motiviert können wir nur sein, wenn es möglich ist, 
ungewollte Ist-Zustände in erhoffte Soll-Zustände zu wandeln.
Solche Soll-Zustände, die für unser Selbst Sinn machen.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 31.07.2016

(Leistungs-)Motivation
Teil 8/3: Zielfindung und Handeln


'Keinen bestimmten Platz habe ich Dir zugewiesen, Adam,
damit Du alle die Gaben, die Du Dir selber wünschst,
nach Deinem eigenen Willen und Entschluss erhalten und besitzen kannst...
damit Du wie ein Former und Bildner Deiner Selbst nach eigenem Belieben
und aus eigener Macht zu der Gestalt Dich ausbilden kannst, die Du bevorzugst.

Du kannst nach unten hin ins Tierische entarten,
Du kannst aus eigenem Willen nach oben ins Göttlche.

(Pico della Mirandola/Renaissance-Philosoph: oratio de hominis dignitae)


Der Mensch wird in die Freiheit entlasen.
Im Paradies gibt es keine Freiheit, keine Wahlfreiheit,
somit auch keine Würde und keine Un-Würde.

Der Mensch muss erwachsen, souverän, würdig für die offene Welt werden,
er ist für die Folgen seines Tuns oder Nicht-Tuns verantwortlich.
Und die vielen Teufel stecken zum Teil in ihm selbst - noch!?
Er ist auf sich selbst gestellt, er muss sich klar darüber werden,
wer er ist, wer er sein will und kann und was er dafür zu tun bereit ist.

Er muss Selbst-Bewusstsein entwickeln: Selbst-Reflexion Selbst-Vertrauen, Selbst-Sicherheit, Selbst-)Heraus-)Forderung...
Es ist ein Müssen, aber auch ein Dürfen, ein Können. ein Wollen.
Das ist es meistens Alles zugleich, seltener nur Eines davon.

Darum ist eine eindeutige Trennung intrisische/extrinsische Motivation oft nicht möglich.
Das spielt aber für unsere Thematik keine entscheidende Rolle.
Das Thema Motivation bringt sehr viele Implikationen mit sich,
die hier nicht alle behandelt werden können
- auch deshalb nicht, weil noch sehr viel Forschungs- und Klärungsbedarf besteht.

Motiviert kann man nur sein, wenn es einen Unterschied macht, ob und wie man handelt oder nicht.
Erste Voraussetzung ist also Handlungsfreiheit.
Erst dann macht Willensfreiheit Sinn.
Der Wille ist immer subjektiv, er richtet sich immer auf ein Ziel eines Subjekts.
Von Subjekt zu Subjekt können sich diese Ziele unterscheiden, und das tun sie auch oft.
Auch im Zeitablauf können sich Ziele, Prioritäten, Präderenzen  eines einzigen Subjekts ändern.

Ein Subjekt will immer eine Verbesserung seiner Ist-Situation in Richtung auf einen erwünschten Sollzustand seiner Selbst.
Also ein persönliches(Handlungs-)Ziel.
Was könnte das alles sein?
Jeder kann es sich aussuchen:
- Was fasziniert mich?
.. Womit würde ich mich gern lange, auch jahrelang beschäftigen?
- Worin bin ich besonders gut?
- Wovon träume ich?
- Worauf bin ich stolz?
- Woran habe ich Spass, kann gar nicht aufhören?
- Was würde ich tun, wenn ich finanziell unabhängig wäre?
- Was macht mich zufrieden, glücklich?
- Mit welchen Tätigkeiten kann ich mehr aus mir machen, meine Ziele erreichen?
- Welche Aufgaben würde ich gern mit Anderen angehen?
- Mit welchen Themen oder Aufgaben beschäftige ich mich in der Freizeit?
- Welche Projekte würde ich mit voller Überzeugung und vollem Engagement angehen?
- Welche Tätigkeiten machen wirklich Sinn für mich  - und Andere?
usw.

Die Maslowsche Bedürfnispyramide wird hier vorausgesetzt,, sie ist später noch ergänzt worden.
An oberster Stelle steht die Selbst-Verwirklichung.
Die Ziele sind nicht nur solche, die die Verbesserung der Welt zum Nutzen des Subjekts meinen,
sondern vor allem oder zuallererst auch solche, die die Verbesserung des Subjekts, der Person, des Selbst meinen.
Das Subjekt will sich besser fühlen: erfolgreich, erfüllt, glücklich, anerkannt, gelobt, geliebt.
Dafür muss es sich ändern, verbessern, sein Potential entwicheln.

Schopenhauer sah es sehr skeptisch: bei Lebewesen gebe es kein erreichbares Ziel
des stetigen Strebens  des ziellosen, ausser Raum und Zeit stehenden Willens.
Somit oszilliere der  Mensch  zwischen Langeweile und Leid und sei keines wirklichen Glückes fähig.
Nietzsche hingegen sieht keinen alles Seiende determinierenden Willen,
sondern in einzelnen Lebewesen wirkende Willen, die Macht über das Selbst gewinnen wollen.
Dies soll hier nur angezeigt sein, wir müssen die Sache mit dem Selbst noch eingehend erörtern.

Neef geht davon aus, dass die Bedürfnisse im Laufe der Evolution entstanden sind
und sich in ihrer Gewichtung verschoben haben,
In der neueren Zeit und in der Zukunft kommen höherwertige Bedürfnisse/Ziele ins Spiel:
wie Kreativität, Identität und Transzendenz.
Bedürfnisbefriedigung wird von ihm gesehen als ein dynamischer Prozess
der Gleichzeitigkeit, Komplementarität und Kompensation.

Immer geht es darum, a better day zu erreichen, idealerweise Glück.
Um subjektives Wohlbefinden
- emotional: Verhältnis positiver/negativer Gefühle im Tagesdurchschnitt
- kognitiv: wie bewerte ich mein Ist-Leben bezüglich Ziele, Wünsche, Erwartungen?

Glücksfaktoren können sein:
- Gelingende soziale Beziehungen
- Physische und psychische Gesundheit
- Engagement, befriedigende Tätigkeit(en)
- Möglichst weitgehende persönliche Unabhängigkeit
- Grundbedürfnisbefriedigung gewährleistet
- Lebenseinstellungen wie Optimismus, Dankbarkeit, usw.

Welche Glückskonzepte kann man nennen?
- Ästehetischer Glücksbegriff: unmittelbare sinnliche Wahrnehmung eines Zustandes.
                                                      Die Vernunft hat nur eine funktionale Rolle als Mittler zum Lustgewinn.
- Moralischer G.B.:: Wichtige, aber nicht immer notwendige Voraussetzung glücklichen Lebens.
                                    Kant schloss eine Konvergenz von Glück und Moral zumindest für seine Zeit aus.
- Universalistischer G.B.: Kontingenz des menschlichen Daseins. Unlust und Unvernunft werden ausgeblendet.
                                               Individuelles Glück im Einklang mit globalem Guten. Naiv-idealistisch.
- Holistischer G.B.: Glück entwickelt sich über die gesamte Biographie und lässt sich nicht unabhängig
                                   von einer vernünftigen und narrativen Organisation des Lebens denken.
                                   Vernunft als zentraler Baustein und Inhalt der Selbstverwirklichung.
                                   Harmonisches Bei-sich-selbst-sein.

Es kristallisieren sich hauptsächlich 3 Fragen heraus:
1. Welche Ziele machen - nachhaltig - Sinn für uns?
2. Welche Aufgaben, Tätigkeiten machen uns zufrieden, glücklich?
3. Welche Kompetenzen müssen und wollen wir dafür haben, bzw. (weiter-)entwickeln?

Kurz: Es geht um die autonome Entwicklung des Selbst
Was könnte mehr motivieren als die Perspektive, das Selbst zu finden und so zu grösserer Freiheit gelangen zu können?
Das Selbst beinhaltet mehr als Grundbedürfnisse, Lust-Unlust-Gefühle, Willenskraft oder Verstand.
Auch Dispositionen, Erinnerungen, Unbewusstes, spontane Stimmungen, Affekte, endogene Opiate, Hormonpegel, usw.
Und sogar eine 3. oder 4 Komponente: die soziale Abhängigkeit/Enbindung, Solidarität und Verantwortung.
Es reicht also nicht, wenn  man - wie manche Individualpsychologen zu meinen scheinen -
das Individuum o.k. schraubt, und dann würde  die ganze Welt o.k. und alles wäre gut.
Dazu mehr im letzten Kapitel.

Bevor ich zu einer der mMn wichtigsten und wirkungsmächtigsten Motivationskonzeptionen überhaupt komme,
möchte ich kurz auf Phasen der volitiven Handlungsregulation eingehen,
also wie wir über den Rubikon des zwar motiviert seins, aber noch-nicht-handeln kommen.
Heckhausen(1989) und später Höner et al konzipierten:
- Prädezisionale Motivation,
- Wünschbarkeit, Realisierbarkeit abwägen und  klären(Risikowahrnehmung, Änderungsdruck, Konsequenzerwartungen)
- Aufwandkalkulation(Individuelle Fähigkeiten, fördernde/hemmende externe Faktoren, Aufwandbereitschaft, Koste-Nutzen-Kalkulation)
- Herausbildung der Zielintention
- Rubikon:: Absichtsstärke
- Präaktionale Volitionsphase: Volitionsstärke a) Entschlossenheit b) Planung, Realisierungs-Intentionen
- Aktionakle Volitionsphase: Handeln, Initiierung
- Bewerten


Wille zum Sinn nach Viktor E. Frankl

Wer nach dem Sinn des Lebens fragt, fragt am besten sich selbst.
Denn wir sind es selbst, die diese Frage täglich immer wieder neu zu beantworten haben, niemand sonst.
Jedes Individuum, jedes Selbst, jedes Leben hat seinen eigenen Sinn
und muss und will seinen eigenen Weg/Sinn finden.
Und im (Lebens-)Zeitablauf eines Selbst  kann und wird sich der Sinn ändern. ändern müssen und ändern können.

Wir können diese Lebens-Fragen nur beantworten, indem wir unser Leben selbst verantworten.
Wenn wir nach dem Sinn von Allem fragen, dem Über-Sinn oder Meta-Sinn, von dem alles abhängt,
kommen wir an die Grenze unseres Fassungsvermögens, wir können nur noch glauben.

Während Freud(reduktionistisch) die Lust und Adler(reduktionistisch)
die Macht als Hauptantriebskräfte menschlichen Handelns vermuteten,
sieht Frankl den Willen zum Sinn als Hauptmotivator des Menschen an.
'Wir haben die Triebe - aber die Triebe haben nicht uns.'
Der Mensch ist nicht (nur) Getriebener, sondern auch Angezogener, Hingezogener zu Etwas.
Der Mensch ist ein geistiges Wesen, er kann gemäss der  Normativität des Faktischen leben
oder das Faktische mit seinen normativen Ansprüchen ändern.

Der Geist ist die Errungenschaft des Menschen, die ihn befähigt,
Widerspruch gegen den Lauf des Rades der Geschichte einzulegen,
und das Rad mit seiner Phantasie und seinem  Willen in eine von ihm gewünschte Richtung zu bewegen.

Dazu kann der Mensch Werte-und Prioritäten entwickeln, er kann sogar 'Trotzakte des Geistes'  vollbringen,
indem er gegen seine Triebe, Affekte, Wesensart, Pläne handeln kann.
Der Mensch ist das Sinn(Werte, Prioritäten) suchende geistige Wesen,
dem seine Freiheit und seine Verantwortlichkeit bewusst ist.
'Der Wille zum Sinn ist die primäre Motivationskraft des Menschen.'

Auch und sogar Grenzsituationen können dann mit dieser Einstellung bewältigt werden,
auch wenn ein Sinn oder Meta-Sinn für den Handelnden nicht identifizierbar ist.
Der W.z.S. macht Menschen nicht nur leidensfähig(er),er ermöglicht oder erleichtert auch,
auf schnelle Bedürfnisbefriedigung zugunsten späterer, aber höherwertiger Ziele zu verzichten.

Der Mensch ist kein Wesen des Nun-einmal-so-und-nicht anders-sein-Müssens,
sondern des Immer-auch-anders-werden-Könnens.
Der menschliche Geist hat vor allem zwei Eigenschaften: Vernunft und freier Wille.
Wenn dieser Geist ein lohnenswertes Ziel sieht, welches in einem nachvollziehbaren Sinnzusammenhang steht,
kann er eine ungeahnt grosse Motivationskraft generieren,



Was sind die wichtigsten (Leistungs-)Motivatoren?
1. Autonomie/(Willens.)Freiheit, Unabhängigkeit, Selbst-Bestimmung
2. A greater day, Weiterentwicklung zum Besseren, Schöneren, Glücklicherem
3. Anerkennung, Bestätigung, Lob, Bewunderung
4..Soziale Einbettung und Sicherheit, Kooperation, Unterstützung, Solidarität
5. Fairness, Gerechtigkeit, Ethik, Moral
6. Sinn. Mit dem Geist zu seinem Recht und seinen Möglichkeiten kommendes Selbst

Zielkonflikte?
Ja und nein, mehr im 10. Kapitel.

Zum besseren Verständnis von Geist und Selbst mehr im nächsten Teil.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 06.08.2016

(Leistungs-)Motivation
Teil 8/4: Geist und Selbst


Der Papst fragte Michelangelo:
Verrate mir das Geheimnis Deines Genies.
Wie hast Du die Statue von David erschaffen - dieses Meisterwerk aller Meisterwerke?

- Ganz einfach: Ich entfernte alles, was nicht David ist!

Damit hatte Michelangelo in die Mitte der Zielscheibe des Selbst Davids getroffen
Zumindest äusserlich.
Er hatte das momentane, aktuelle äussere Selbst Davids modelliert.
Wie sähe das Selbst Davids mit 50 oder 80 Jahren aus?
Nicht nur sein Äusseres, auch sein Charakter, seine Motivation, seine Stärken und Schwächen?

Das Selbst ist das Ganze seines aktuellen Seins,
seines Könnens und Nicht-Könnens
Seiner Mäglichkeiten und Un-Möglichkeiten.
Das Selbst ist in der nächsten Sekunde ein anderes, ob es was dafür tut oder nicht.

Wir können unser Selbst wie Michelangelo in allen Belangen modellieren.
Die Einen basteln nur am Körper(Bodystyling, -Shaping...), oder an den Likes im Netz,
Andere an der Bildung, dem Charakter, der Karriere, den sozialen Beziehungen...
Das Selbst ist nichts statisches, irreversibles, finales.

Es sucht Erfolg, Vervollkommnung, Erfüllung, das Einmalige, das Höchste, das Beste für sich.
In jeder Lebenssituation, in jedem Alter.
Das Beste seiner Selbst.
Das ist dem Doper versagt. Er versagt es sich, indem er dopt.
Er findet sein Selbst nicht, er weiss nicht,  wie das Beste seines Selbst ohne Doping aussieht, wie es sich anfühlt.

Intelligent betriebener Sport führt immer zum Erfolg.
Auf jedem Niveau, in jedem Alter.
- Erfolg durch Gesundheit
- Erfolg durch Ästhetik, Spass an der Sache, Freude am Können
- Erfolg auch in der 'Niederlage' , denn mein Selbst hat in jedem Fall gewonnen.
   Ich bin der - momentan - Beste meiner Selbst.

Der Doper will der Bessere/Beste unter Anderen sein.
Er verliert immer, auch wenn er mal 'gewinnen' sollte.
Darum ist bei ihm die Furcht vor Misserfolg wesentlich grösser.
Er ist nur Objekt seiner Selbst

Der intelligente Sportler kann dagegen nur gewinnen.
Darum überwiegt bei ihm die Hoffnung auf Erfolg.
Er ist gleichzeitig Subjekt und Objekt seines Selbst.
Er ist das Schwarze der Zielscheibe seines Selbst

Was unter Ziele, Erfolg, Glück verstanden wird,
hängt vom Wertesystem, vom Selbst-Konzept des Beurteilenden ab.
Hier kommt der Geist ins Spiel:
'Never let your success go to your head.
 Never let your failure go to your heart.'
(Andre de Grasse)

Das Selbst ist ein Wandlungsprozess:
- Selbst-Erhalt
- Selbst-Entwicklung, Selbst-Steigerung, Selbst-Verwirklichung, Selbst-Aktualisierung
- Selbst-Erkenntnis, Selbst-Bild, Selbst-Bewusstsein

Diese Wandlung wird vom Geist initiiert, interpretiert,, korrigiert.
Er ist nicht - wie Schopenhaer meinte - nur das Werkzeug des Willens.
Der Wille ist auch nicht immer das Werkzeug des Geistes.
Beide können kooperieren, sich aber auch ignorieren.

Der Geist kann zum Beipiel fragen:
Mit welcher Entscheidung kann das Selbst später besser leben, als Doper oder Integrer?
Wie denke ich als Person in 10, 20 Jahren über mich, wie Andere?
Bin ich später mit mir und der Welt im Reinen?
Bin ich das Schwarze der Zielscheibe meines Selbst?

Der Geist holt Inspiration nicht nur aus der Vergangenheit und aus der Wirklichkeit,
sondern auch aus der Fiktion.
Er grübelt, resümiert, spekuliert, phantasiert, antizipiert, hat Ideen, denkt, erkennt, nimmt wahr, kombiniert, abstrahiert,
konzipiert, wertet, sieht Wünsche, Ziele, Prioritäten, ist kreativ, schöpferisch, sucht Wahrheit, Überzeugungen, Schönheit, Sinn.
Er sieht Chancen, aber auch Risiken.
Er ist offen für die Zukunft, weil er frei ist.
Er bietet Normativität, die vieles Faktische ändern kann.

Searle: Das bewusste Selbst ist eine kausal wirksame Systemeigenschaft des Gehirns,
die sich aufgrund der Quantenmechanik indeterministisch entwickelt.
Whitehead: Perspektivität ist grundlegend in die Wirklichkeit eingebaut.
Freiheit ist in der Natur verortet.

Die epistemische Offenheit der Welt wird von Vielen unterschätzt.
Darum mangelt es Vielen an Optimismus, Energie, Ehrgeiz und Integrität.
Richtig gelesen: Integrität.
Wenn mein Selbst un(ter)entwickelt bleibt,
kann das  an meinem interdependenten Selbst-Konzept(freiwilliges Zulassen starken Einflussses anderer Interessen)
oder an objektiven Zwängen liegen.
Ich habe dann kein integriertes Selbst.

Jorge Angel Livraga beklagt:
'Das Traurigste auf der Welt sind für mich Friedhöfe.
Nicht Friedhöfe für unsere physischen Körper,
sondern die Friedhöfe unserer Träume:
- die Verse, die wir uns nie getraut haben, zu Papier zu bringen
- die Musik, die wir nie gesungen,
- den Kuss der Freundschaft, den wir nie gegeben
- die klare Meinung, die wir nie ausgesprochen haben.'

Bei einem independenten Selbst-Konzept kommt es mehr auf Persönlichkeitsmerkmale des Einzelnen und seine Leistungen an.

Das Selbst steht in seinem Ist und Soll also immer im Bezug zur Aussenwelt. zum Sozialen, Globalen.
Narzismus  Hedonismus ist nur soweit gut, wenn es nicht zum Narrzismus, Autismus und Ego(Horror)Trip kommt.
Habermas hat natürlich recht, wenn er die Dominanz oder Herrschaft eines possesiv-individualistischen Scheins
einer als Selbst-Besitz  vorgestellten Autonomie ablehnt, weil damit die intersubjektive Konstituierung der Freiheit  ignoriert wäre.

Es gibtt also nicht nur
1. den archaisch-animalischen Drang, den Trieb, das Verlangen, den Wusch nach einer Handlung
     wo der Geist noch kaum im Spiel ist oder reingrätschen kann
2. die bewusste, begründete, absichtliche Entscheidung zum Handeln,
     wobei der Geist eine wichtige oder entscheidende Rolle spielt,
sondern auch
3. die - auch im weitsichtig-wohlverstandenen Eigeninteresse des Individuums -
    soziale, globale und generationenübergreifende Verantwortung(siehe 10. Kapitel)

Nur ein Geist auf der Höhe der Zeit kann ein solches integriertes Selbst antizipieren.
Frankfurt begnügte sich noch mit den ersten beiden Ebenen, um Selbstkongruenz zu attestieren.
MZPTLK versteht unter Selbstkongruenz die Einbeziehung aller 3 Ebenen,
denn  nur mit den ersten zwei könnte man auch Egomanen, Narrzisten Autisten, Despoten und Terroristen beschreiben.
Die Implementierung ist und wird sehr schwierig, wie wir wissen oder zumindest ahnen.
Das haben die unzähligen Teufel uns nur allzu anschaulich gezeigt.

Ist der Geist ein emergentes oder ein fundamentales Phänomen?
Brüntrup; keine funktionale Beschreibung dessen, was im Gehirn einer Person vor sich geht,
kann jemals den qualitativen Gehalt der Empfingung erfassen.
Wir können zwar das Gehirn einer Fledermaus erforschen,
wir werden aber nie genau herausfinden, wie es sich anfühlt, eine Fledermaus zu sein(Beispiel von Nagel).

In der Natur tauchen auf höheren Ebenen der Komplexität plötzlich völlig neuartige Phänomene auf,
die auch aus einer vollständigen Kenntnis der unteren Ebene(n) nicht ableitbar sind.

MZPTLK:: Das erinnert an die Fulgurationssprünge  von Konrad Lorenz.
Im Sport sind wir ewig auf der Suche nach der  - für uns, unser (momentanes)Selbst - perfekten Bewegung.
Das (Körper-)Gefühl, das man bei Erreichen dieses Ziels hat, ist nicht zu übertreffen.
Für Aussenstehende kaum zu beschreiben und nicht wirklich nachvollziehbar.
Ich glaube, dass dieses (Glücks-)Gefühl disziplinspezifisch in unterschiedlicher Qualität und Intensität auftritt.

Geist als fundamentales Phänomen?
Annahme, dass das Mentale, der Geist bereits auf einer so fundamentalen Ebene im Universum präsent ist,
dass der Aufstieg zu höheren, neuartigen mentalen Phänomenen nur noch eine schwache Emergenz erfordert.
Warum sollte eine Vernetzung höherer Komplexität keine Qualitätssprünge erbringen?
Die These, dass die Natur einen fundamental geistig-mentalen Aspekt hat, ist so alt wie die Philosophie.

MZPTLK: Eine Trennung oder ein Gegensatz natürlich-unnatürlich(künstlich) machte auch dann keinen Sinn,
wenn das Geistig-Mentale erst spät(er) in die Welt(Natur) gekommen wäre.
Alles, was es gibt, ist Natur, Der Mensch ist Natur.
Wandlung ist Natur.
- Anthropozentrisch Gutes oder Schlechtes.
- Physiozentrisch Gutes  oder Schlechtes.
Der Mensch kann für sein Selbst und gegen die (äussere)Natur handeln oder im Einklang.
Die ganze Natur ist ein kreativer, offener Prozess.

Chalmers: Das ontologisch Grundlegende ist Information, die sich in 2 Aspekten zeigt:
physisch-funktional und 2. mental-phänomenal.
Stapp: Die Welt ist bipolar material und mental,
wobei die Schrödinger-Gleichung den deterministischen und den materiellen Aspekt beschreibt,
der indeterministische Kollaps(Disruption/MZPTLK) den perspektivischen, mentalen Aspekt.
Damit können Phänomene der Bewusstheit erklärt werden.

Brüntrup: Wir wissen aber immer noch nicht, wie das Gehirn bewusste Aufmerksamkeit erzeugt.
Jedenfalls ist ein Verständnis des Gehirns im Kontext des klassisch-physikalischen Weltbildes nicht möglich.
Auch ist die Freiheit des Willens experimentell nicht widerlegt
(nicht verwechseln mit Handlungsfreiheit = Freiheit von extrapersonalen Begrenzungen,
Willensfreiheit = Abwesenheit von intrapersonalen Limits/MZPTLK).
Das bewusste Selbst kontrolliert nicht alles, sondern greift nur von Fall zu Fall ein,
delegiert Vieles, wird auch von Vielem beeinflusst.

Das Selbst ist dem diskursiven Verstand nicht sehr offenkundig.
(Es gibt zuviele schräge Selbst-Bilder, Selbst-Täuschungen, Teufel/MZPTLK)
Kant wollte, dass man mit der Etablierung von Verhaltensmaximen Verstand, Willen und Handeln beeinflussen und bestimmen könne.
Aber Verstand, Motivation und Volition/Handlungskompetenz bilden keine Einheit, sind zumindest teilweise autonome Instanzen(MZPTLK).

So ist das Finden des Selbst mit dem Verstand alleine nicht zu machen.
Brüntrup: Ein rein willentlich gesteuerter Mensch ist in seiner Gefühlswelt, in seinem Körper nicht zuhause.
Die Vorstellung eines Homunkulus ist neurophysiologisch nicht plausibel und philosophisch fragwürdig,
auch wenn der präfrontale Cortex/das Stirnhirn) mit allen Hirnregionen bidirektional verbunden zu sein scheint.

MZPTLK: So ist es auch sehr fragwürdig, z.B. die Sprintbewegung von einer lokal verorteten Steuerungsinstanz initieren und kontrollieren zu wollen.
Der Flow kommt aus dem ganzen Selbst, dem ganzen Organismus, dem ganzen neuromuskulären Orchester,
nicht allein aus einer nur  lokal bewussten Willensanstrengung, dies wäre reduktionistisch-mechanistisch.

Brüntrup: Das integrierte Selbst, die Persönlichkeit, der Charakter
moderiert und entscheidet das Zusammenspiel mit dem Geist und dem Willen.
Die Energie und Kraft, die man in dauerhaft motivierten Menschen spürt, ist meist nicht per willentlicher Ich-Kontrolle erreichbar.
(Zu) starre Volition kann auf Dauer kontraproduktiv werden:
(auch mentale)Erschöpfung, Sinnverlust, vermindertes Vermögen, sich plastisch anzupassen.
Das, weil ein im Verstand konstruiertes, hypothetisches Ideal die reale Fülle und Gänze der Person nicht zureichensd integrieren kann.

Das Selbst ist viel umfassender als das bewusste Ich des Verstandes.
Die Fülle an Informationen, die über das Selbst verarbeitet werden(können),
ist weit grösser, als was der Fokus bewusster kognitiver Aufmerksamkeit verarbeiten kann.
Bieri plädiert hier für eine narrative Methode des Erzählens, des Schreibens einer Geschichte,
um sich authentisch mit der eigenen Motivlage auseinander zu setzen.
Dafür müssten die inneren Filter(Teufel/MZPTKL) durchlässig(er) werden, um das unbewusste Selbst zutage zu fördern.
Insbesonders erinnerte Erlebnisse, Stimmungen, körperliche Empfindungen gehen in das Selbst ein.
Die narrative Bewusstwerdung sei wesentlich besser als eine rationale Konstruktion von Handlungsmustern.

Brüntrup: Eine motivierte, handlungsfreudige Lebenseinstellung wird mit zunehmendem Selbst-Bewusstsein erleichtert.
Die obengenannten beiden Motivationseben konkurrieren dann weniger, sondern ziehen mehr in die gleiche Richtung.
Ein reflektierter, kritischer Mensch gibt sich nicht mit impulsiven Wünschen erster Ordnung für seine Lebensgestaltung zufrieden.
Er entwickelt ein Wertesystem, von dem her er er seine Selbst-Entwicklung kritisch hinterfragen, vorantreiben und begründen kann.
Wer sich nicht an (reflektierten) Werten, Idealen und Zielen orientiert,
hat entscheidende, höherwertige Motive für seine Weiterentwicklung verloren.

Nichts motiviert mehr als die Aussicht auf Entdeckung und Entwicklung des wahren Selbst
und damit die Aussicht auf die Entdeckung und Entwicklung der Freiheit.


Nach Rio geht es weiter mit den beiden letzten Kapiteln.
Das ist für Viele wie Weihnachten,
für Einige eine Drohung Teufel


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 05.09.2016

Leistung im Sport
Teil 9/1: Statements


'Es gibt Leistung ohne Erfolg - aber keinen Erfolg ohne Leistung'
(La Rochefoucault)

'Unsere Körper sind unsere Gärten.
Unsere Willen sind unsere Gärtner'
(Shakespeare)

'Stark sein gehört zum Gutsein.
Erstrebe statt des Beifalls der Zuschauer das Lob Deines Gewissens.
Halte Dich rein an Körper, Geist und Gesinnung.'
(Diem 1948)

Das sportliche Erfolgsstreben fördert(und fordert/MZPTLK) eine Reihe von positiven Eigenschaften wie
Willenskraft, Härte, Konzentrationsfähigkeit, Nervenstärke, Wagemut...'
(Wischmann 1955)

'Leistung muss nicht bloss physisch, psychisch oder egoistisch sein.
Sondern auch moralisch-ethische Leistungen sind darin einbegriffen.'
(Karl Adam)

'Mal gewinnt man, mal verliieren die Anderen.'
(Ungenannter arroganter Athlet)

'Der Sport spricht eine sinnfällige, Jedem verständliche Sprache.
So kann im Gegensatz zur unübersichtlichen Welt ein direktes Feststellen von Siegern und Platzierten erfolgen.
Soziale oder persönliche Anerkennung, um die es im Sport geht,
kann auch mit einem achtbaren Platz oder einer ehrenvollen Niederlage erreicht werden.

Nur aus dem Ganzen des Sports erwächst Sinnhaftigkeit.
Man kann sich im Sport umso mehr als Subjekt, als Handelnder, Verantwortlicher begreifen, erleben und bewähren,
je grösser die Möglichkeit und die Bereitschaft ist, zum Scheitern zu kommen.
Jede Niederlage hat eine kathartische Funktion und kann so zur Bedingung eines authentischen Seins werden.
Auch und gerade Niederlagen können so zu Erfolgen menschlicher Existenzführung werden.'
(Plessner)

'Gerade wegen seiner Reduktion von Komplexität kann der Sport zu einer Eindeutigkeit und Transparenz in der Aussage
und damit zu einer informativen Kommunikation , d.h. einer eigenen Sprache gelangen.
Eben hieraus bezieht der Sport seine Popularität und Faszination,
und dies macht ihn zu einem sozialen Phänomen sui generis.'
(v. Krockow)

'Sport ist vitales Leben, besteht aus Handlungen und Leistungen, die ein Mensch selbst zu vollbringen hat.
Die nicht erschlichen, vorgetäuscht und letztlich nicht delegiert oder bloss
- durch Erlasse etwa - organisiert werden können
Also aus freiwillig erstrebten und erbrachten und als wertvoll beurteilten Eigenhandlungen und Eigenleistungen.

Diese sind übrigens auch nicht zu kommandieren.
Zum Marschieren kann man Jemand zwingen, nicht zum Rekord.
Sport ist ein exemplarisches Beispiel für freiwillig erbrachte Eigenleistung,
für persönliche, selbstmotivierte, eigene Handlung, die unter Beurteilungsmasstäben steht:
als besser oder schlechter, als hervorragend oder misslungen gewertet wird
- vom Handelnden selbt wie von Anderen.'
(Lenk)

'Selbst wenn uns Hitler zwingen würde, die Atombombe doch zu bauen,
ich bin der Meinung, dass man einen Menschen gar nicht zwingen kann,
Erfindungen oder neue wissenschaftliche Entwicklungen(und sportliche Hochleistungen/MZPTLK) zu schaffen,
wenn er das nicht will. Schöpferisches Denken braucht einen gewissen Freiheitsraum,
in dem er sich allein entfalten kann, und jeder Zwang und jede Gewalt wird sich hemmend,
wenn nicht sogar blockierend auf diese schöpferische Kraft auswirken
unf führt weiter ab vom Ziel.'
(Werner Heisenberg gegenüber seiner Frau 1942)

'Sport ist eine Gegenwelt der Eigenleistung, wie sie in den meisten Bereichen der der Gesellschaft nicht(mehr)  anzutreffen ist.
Es zählt in solchem Sport nur jene Leistung, die die AthletInnen mittels eigener Kraft
auf der Grundlage der schriftlich niedergelegten Regeln hervorbringen.
Will der Sport sein eigenes Leben erhalten, so hat er keine andere Möglichkeit, alles zu tun,
um sich seiner eigenen Grundlagen zu versichern, die des Fair Play.
Werden diese dem Sport entzogen, so findet er nicht mehr statt.'
(Helmut Digel)

'Nur ein Leistungssport, der nicht den Maximen der Unterhaltungsbranche und den politischen Vorgaben folgt,
sondern seine eigenen Erlebnis- und Erfahrungsformen entwickelt,
bleibt seiner pädagogischen Idee treu.'
(Ommo Grupe)

'Man muss sich überlegen, ob nicht der Sport inzwischen in einen Rang gerückt ist,
was öffentliche Aufmerksamkeit, was Leistungsfähigkeit, Symbolkraft angeht,
dass er auch als ein Kulturgut angesehen werden kann.'
(Gebauer)

' Was man am Spitzensport lernen kann, ist so etwas wie Selbstdisziplin,
eine Form von athletischem Leben, einer hohen Konzentration auf ein selbst gesetztes Ziel,
Zeitmanagement und den Einsatz aller Kräfte für ein Ziel....
Man erlebt sich als Hochleister, als jemand, der die Zügel, in der Hand hat.
Das ist ein starkes Erlebnis.'
(Gebauer)

:Na Jungs, wer von euch wird denn heute Zweiter?'
(Ungenannter arroganter Athlet)

'Wettkampfsport ist ein besonderes ethisches Handlungssystem:
Einerseits schafft es in weitem Masse die Möglichkeit, persönliche Leistungen zum Nachteil Anderer
(explizit) herauszustellen und favorisiert damit den Eigennutz.
Andererseits nimmt es  für sich in Anspruch,
weitgehend Chancen.Gleichheit und -Gerechtigkeit für jeden Teilnehmer garantieren zu können.
und verlangt damit soziale Verantwortung.

Das agonale Prinzip ist ein wesentliches ethisches Konstitutionsmerkmal Wettkampf-sportlicher Eigenwelt.
Es zeigt sich als (Pseudo-/MZPTLK)Paradoxon zwischen Überbietungsgebot(und Sieg-Postulat/MZPTLK)
und Gleichheitsgebot(besser: Postulat Chancengerechtigkeit/MZPTLK).'
(Elk Franke)

'Sport ist, funktionalistisch gesehen, die künstliche Kompensation der durch die Kulturentwicklung
verlorenen Leistungsanforderungen an natürlicher Bewegung.
Eigenbewegungen werden immer mehr durch Fremdbewegungen kompensiert.
Leistungsoptimierung bereitet auf Situationen vor, die in der Evolution aller Lebewesen alltäglich sind:
nämlich unter den Bedingungen der Konkurrenz um knappe Ressourcen
besser als Andere sein zu wollen(oder zu müssen/MZPTLK).
Überlebensgemeinschaften können nur durch Leistung überdauern.'
(Treml)

'Welche Form von Sport wollen wir in einer offenen Gesellschaft haben?
Ein junger Mensch muss nach seiner Sportkarriere sagen können: es hat sich auch ohne Medaille gelohnt.
Wir müssen die Frage beantworten, was humaner Leistungssport ist, bzw. sein soll...

Unsere Gesellschaft sozialisiert die Imagegewinne durch sportliche Erfolge,
belässt das Risiko aber beim Athleten.
Der Sportler unterhält, schafft Freude, Identifikation.
Aber wenn er sich verletzt, ist er aus dem Spiel und vergessen...

Volkswirtschaftlich betrachtet hatte Doping, dass nicht entdeckt wird, aber die Höchstleistung steigert,
bisher eine steigende Sportnachfrage und damit positive Effekte für Alle zur Folge.
(MZPTLK: aber was ist z.B. mit den Vielen, auch den sehr Talentierten, die wegen der Doperei aus- oder gar nicht erst einsteigen?)
Es hatte für Niemand negative Effekte
- ausser für die Hochtalentierten, die nicht dopen und trotzdem unter Generalverdacht kommen.

Das System benachteiligt also nur ganz Wenige, stiftet aber bei allen Anderen Nutzen
(MZPTLK: Nö, Emrich hält hier den  Postitivismus-Filter des Empirikers vor die Wirklichkeit).
Wenn man das zu Ende denkt, scheint das der Grund zu sein,
warum das bestehende System bisher so stabil ist(MZPTLK: Das System hat arge Schwierigkeiten!).'
(Eike Emrich)


Was sagen die SportlerInnen?

' Leistungssport ist ein Abenteuer mit den eigenen Möglichkeiten.'
(Bodo Tümmler)

'Jeden Dienstagnachmittag lasse ich einen Schwimmer das Trainingsprogramm gestalten und auf die Tafel schreiben.
Er bildet normalerweise den härtesten Trainingsabschnitt der ganzen Woche.'
(Counsilman)

' Die Anabolika waren für mich eine Verheissung:
Die Brücke zwischen dem, was ich konnte und dem, was ich wollte.'
(Gerhard Steines)

' Du hältst den Mund, wenn du etwas nimmst  und du hältst den Mund, wenn du krank wirst..
Denn wenn es herauskommt, bist du erledigt.'
(Claudia Lepping)

'Im Sport ist vor allem auch die eigene Fitness ein wichtiges Motiv, nicht zuletzt deshalb,
weil sie unmittelbar mit Gesundheit , unserem höchsten Gut und wichtigstes Element der Lebensqualität , verbunden ist.
Leistungsorientierter Sport ist aber auch eine Quelle der Lust an sich, denn nichts ist authentischer als die Leistung,
die man allein erbracht hat, die ausschliesslich auf auf eigene Anstrengungen zurück geht,
die Selbstdisziplin abverlangt hat und für die man selbst verantwortlich ist.

In keinem anderen Leistungsbereich werden diese Zusammenhänge so unmittelbar deutlich wie im Sport.
Die durch Sport induzierten positiven Erlebnisse und Emotionen sind der Lohn der Anstrengungen.'
(Rolf Geese)

'Für Erfolg ist wichtig: Aufmerksamkeit, Motivation, Visualisierung der bevorstehenden Aufgabe,
Fähigkeit, sich selbst Mut zuzusprechen und seinen eigenen Fähigkeiten zu vertrauen.
Beim Wettkampf mus man geistig ausschliesslich im Hier und Jetzt sein.'
(Frank Busemann)

'Der psychologische Faktor gibt bei wachsender Leistungsdichte den Ausschlag.''
(Sabine Braun)

'Mir ging es immer um Anschluss, um Anerkennung.
Ich habe mit dem sportlichen Erfolg das erzwungen, was ich nicht hatte.'
(Robert Harting)

'Ich gehe in jedes Spiel mit dem Gefühl, dass ich (es) gewinnen kann.
Das ist die Bedingung für Spitzenleistungen.
Ohne dieses Selbstvertrauen brauchst Du gar nicht rauszugehen.
Satt? Nein, nie(Stay hungry/Arnold Schwarzenegger).

Wenn  Du einen Titel geschafft hast, willst Du den nächsten.
Du willst diesen Moment immer wieder erleben.
Der Thrill eines grossen Sieges, der geht nie weg.
Es ist wichtig, immer den Kopf oben zu behalten, nicht zu zweifeln und offen zu bleiben für Neues.

Du musst das Lampenfieber nur in positiove Energie umsetzen.
Mich beflügelt jeden Tag, wie mich die Leute anfeuern.
Wie sie schätzen, was ich tue. Wie ich es tue.

Ich fahre nicht einfach zu einem Turnier und spiele Larifari-Tennis.
Ich gebe immer mein Bestes, ohne Kompromisse. Ohne wenn und aber.
(Roger Federer)

'Ich habe kein klassisches Talent zum Turnen.
Ich war immer eine Stunde vor allen Anderen in der Halle,
und wenn die nach Hause gingen, bin ich noch eine Stunde geblieben.
Dieser Wille, das war mein grösstes Talent.'
(Andreas Toba)

'Ich glaube, ich suchte nach der besten Möglichkeit, meine Karriere als Schwimmer zu beenden und ein neues Leben anzufangen.
Ich habe dabei gelent, mich selbst zu sehen und zu erkennen, wer ich in Wirklichkeit bin und mit mir selbst glücklich zu sein.
Also in den Spiegel zu sehen und zufrieden zu sein mit dem, was ich sehe.
Ich fühle mich jetzt viel freier.'
(Jim Phelps)

'Alle Menschen sollen ihre Träume leben.
Es war ein unbeschreibliches Gefühl, hier bei Olympia schwimmen zu dürfen.
Es ist cool, die ganzen Champions zu sehen.
Es zählt nicht, ob Du Flüchtling bist, Syrer oder Deutscher.
Es gibt nur das Wasser, Dich und Deine Konkurrenten.'
(Yusra Mardini)

' Dass Doping für mich überhaupt nicht infrage kommt, sehe ich einerseits in meiner Erziehung und andererseits darin,
dass ich durch Betrug nie Freude an meinen Erfolgen hätte empfinden können.
Ich hinterfrage ausserdem iimmer alles und will mir selbst stets treu bleiben.
Das war wohl auch ein Grund, weshalb mir erst gar nicht geraten wurde, zu Dopingmitteln zu greifen.
Vermutlich hiess es, die brauchst du erst garnicht zu fragen.

Ich konnte ohne Doping grössere Rennen gewinnen und immer wieder sehr namhafte Profis auf die Ränge verweisen.
Entgegen anders lautender Meinungen in den Medien und in der Öffentlichkeit über Spitzensportler im Allgemeinen
und im Radsport im Besonderen sehe ich mich als lebender Beweis,
dass Spitzenleistungen im Hochleistungssport auch ohne Doping möglich sind.
Ich bin sehr dankbar, dass ich bereits in meiner Kindheit und Jugend ein Umfeld hatte,
das mir die wirklich wichtigen Werte für den Sport und auch für das Leben vermittelt hat.

Mich hat die Arbeit an meiner eigenen Leistung, das Optimieren der einzelnen Abläufe und Systeme am meisten fasziniert.
Für mich war genau diese Arbeit der grösste Gewinn.
Das hat mir Gänsehaut bereitet und mich voll erfüllt.
Wenn ein Sieg dabei herausgesprungen ist, war das noch die letzte Bestätigung,
eine Bestätigung von aussen, durch das Umfeld.
Aber allein diese Bestätigung hätte mir nie dieses Glücksgefühl bereiten können.
Manchmal habe ich den Druck von aussen, der mit einem Sieg verbunden war,
weil man das Trikot x verteidigen musste oder einen Titel, sogar als störend, ja als Last empfunden.

Ich betrachte die Doper nicht als meine Feinde,
sondern empfinde sogar ein gewisses Mitleid mit ihnen.
Dass sie dieses Glück nicht für sich erleben können!
Dass sie sich Zwängen von aussen so unterwerfen.
Dass diese Sportler vielleicht auch nicht diese Werte mitbekommen haben
und somit gar nicht erst die Chance hatten, es besser zu machen!'
(Christiane Soeder-Richter in: Fair gewinnt 2012)


Was sagen Funktionäre?

'Der Fokus sollte weniger auf Metall, sondern mehr auf Charakter, Herzblut und Leidenschaft liegen.'
(Alfons Hörmann)

' Ich finde es bemerkenswert und der individuellen Leistungsbewertung unserer Spitzenathleten angemessen,
den Medaillenspiegel nicht mehr als Symbol eines sekundären Wettbewerbs von internationalen Dachorganisationen zu sehen.
Ein olympischer Medaillenspiegel addiert doch lediglich die Medaillenleistungen
aus den unterschiedlichsten Sportarten, ohne die Wettbewerbsdichte, die Konkurrenzsituation, den Stellenwert
die öffentliche Reputation einer Sportart oder den Verlauf eines Wettbewerbs zu betrachten.'
(Thomas Kurschilgen)

'Wir Leichtathleten lieben eine Paradoxie ganz besonders:
Wir trainieren wie die Verrückten, wir bereiten uns vor, wir planen alles.
Wir versuchen, uns so berechenbar in unserer Leistung  zu machen wie möglich,
um uns dann in eine Situation zu begeben, die höchst unsicher im Ausgang ist

Und die geniessen wir umso mehr, je unsicherer der Ausgang ist
und je fairer die Bedingungen verteilt sind.
Und genau sozusagen der Versuch einerseits, Unsicherheit zu reduzieren,
damit wir Unsicherheit bevorzugterweise aufsuchen können,
die wir umso mehr geniessen können, je unsicherer das Ergebnis wird.
Das ist das Wesen der Leichtathletik-

Damit einher geht das Recht auf Gegenwart:
In diesem Moment, in dem Sie sich in völliger Unsicherheit in Perfektion bewegen,
verschmelzen Gegenwart und Zukunft, und Sie haben ein anderes Zeitbewusstsein,
das nennen die Psychologen Flow..'
(Eike Emrich)


Was sagt der Kommerz?

'Der Mensch wächst am Widerstand.'
(Fitnesskette)

'.(andere Fitnesskette) hilft Dir:
- gesundes Leben mit weniger Stress und mehr Energie
- Kontakt zu Dir selbst zu intensivieren und ganzheitlich stark zu werden
- die Fähigkeit, Dich zu entwickeln, Dich selbst zu akzeptieren, zu schätzen und zu lieben

Sei Du selbst
. nur glücklicher
- nur fitter
- nur entspannter
- und noch schöner

' Ich liebe es, mit meinen Kunden Ziele zu erreichen, ob im Job oder beim Marathon.'
(Bank-Werbung)

'Wir laufen Marathon zum Spass.
Andere zum Brunnen.
Viele Menschen in Äthiopien müssen für Trinkwasser kilometerweit laufen.
Wir setzen uns dort für den Bau von Brunnen ein.
Denn wer sich selbst versorgt, führt ein Leben in Würde.'
(Brot für die Welt)


Sport ist freiwillig.
Man kann jederzeit rein und raus.
Ist man drin, gelten zumindest im organisierten und Wettkampf-Sport Regeln, die prinzipiell und jederzeit änderbar sind.

Die partikuläre (Eigen.)Welt des (Wettkampf.)Sports mit seinem agonalen Prinzip
des Chancengleichheits-Gebots und gleichzeitigen Überbietungs-Prinzips
kann sich somit teil- und zeitweise einem ethischen Universalismus entziehen.
(Eingehender in: Makro-Ethik und Sport-Ethik im Kapitel 10)

Chancengleihheit und Überbietungspostulat schliessen sich nicht nur nicht aus, sondern sind absolut kompatibel.
Wie soll (Wettkampf-)Sport ohne Konkurrenz-Prinzip und Überbietungsziel funktionieren?
Die Leute wollen sich vergleichen und möglichst weit nach oben kommen.

Kann im Sport Chancen-Gleichheit oder zumindest -Gerechtigkeit hergestellt werden?
Sicherlich niemals vollständig, aber in grösserem Mass und Umfang als in vielen anderen Lebensbereichen.
Das dürfte auch ein wichtiger Grund für Viele  sein, den Sport aufzusuchen,
weil sie dort adäquater. leistungsgerechter 'belohnt' werden..
Umgekehrt scheinen nicht wenige Leistungssportler gerade deswegen Probleme zu haben,
sich im 'normalen (Berufs-)Leben'  zurecht zu finden.

Der Wettkampfsport zeigt sich komplexitätsreduziert, überschaubar, transparent, eindeutig.
Es gibt einen Zusammenhang, sogar eine Einheit von Aktion und Präsentation, die sonst seltener ist.

Lügen und Betrügen ist keine (Wettkampf-)Sport-konstitutive Handlung.
Die Vertragspartner der sozialen Gemeinschaft Sport wollen und sollen sich
dezidiert von geistig-moralischer Dekadenz abheben, wie sie in diversen unsozialen, gemeinen Schaften grassiert.
Im (Wettkampf-)Sport soll man nicht die (Wahl-)Freiheit haben,
durch Leistungsbetrug besser zu scheinen als zu sein.

Verschiedene Zeiten und verschiedene Menschen können und müssen verschiedene Antworten darauf geben,
was Sport ist und wie er sein soll.
Was ist (Wettkampf-)Sport?
Mehrere Personen handeln in Konkurrenz, um ihre Reihenfplge zu ermittel.
- in einer freiwillig gewählten Sportart/Disziplin
- gemäss freiwillig akzeptierter Regeln
- in einer freiwillig gewählten (Druck-)Stuation einer Konkurrenz

Voraussetzungen: Keine. Alter, Grösse, Gewicht, Intelligenz, Reloigion, Herkunft, sozialer Hintergrund: ..etc. egal.
Ergebnis, Reihenfolge: un-egal.
Keine Verteilungs-Gerechtigkeit.

Sportliche Handlungen sind(immer):
- individuell(Fitness, Motivation, Präsentation, Leistung...)
- authentisch, real-körperlich
- zurechenbar
- unwiederholbar, einmalig, singulär
- gezielt auf Verbesserung, Vervollkommnung, Glück

Der Kern des Sports ist nicht blosses Wachstum,
sondern Selbst-Herausforderung und -Entwicklung(idealerweise des ganzen Selbst).
Sport ist eine Lebenskunst, sein Leben selbst zu bestimmen.
Mit Doping bin ich nicht mehr ich selbst.
NoGoZone Doping.

In einer selbst-entfremdeten Sport-Welt kommt es zu  - lange bekannten -
unrealistischen, inhumanen und unsozialen Auswüchsen, Pervertierungen und Instrumentalisierungen.
(Sport-)Philosophie steht gegen verkürzendes, simplifizierendes Denken
in (zu) einfachen Alternativen, Dualismen und Dichotomien.
Nicht nur die polyvalente Wirklichkeit  steht dem entgegen,
vor allem auch das Wollen und das Müssen der Zukunft


Ich werde nicht alle Gesichtspunkte, die in den Statements zu Sprache gekommen sind, behandeln.
Vier halte ich aber für sehr wichtig:
1. Talent, Natürlichkeit-Künstlichkeit
2. Vorbild, Idol, Rollenmodell
3. Kommerzialisierung
4. Fairness