Leichtathletikforum.com
Leichtathleten als Philosophen? - Druckversion

+- Leichtathletikforum.com (https://leichtathletikforum.com)
+-- Forum: Off-Topic (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=9)
+--- Forum: Plauderecke (https://leichtathletikforum.com/forumdisplay.php?fid=14)
+--- Thema: Leichtathleten als Philosophen? (/showthread.php?tid=61)



RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 13.01.2017

Bald geht es weiter.


Ein paar Philosophen streiten sich, wer der Schlauste ist.
Sie kommen zu dem Ergebnis, dass der Eine schlauer als der Andere.ist.
Jeder ist der Eine.
Alle sind zufrieden.
Alles ist gut.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 22.01.2017

Mist, wollte den nächsten Teil schreiben, aber als ich ihn fast fertig hatte, ist er mir durch eine Unachtsamkeit weggeflogen. Blush Angry
Kommt aber in den nächsten Tagen.. Smile

Zur Entspannung mal wieder ein Philosophen-Witz:
Ein Philosoph streitet sich mit seiner Frau
Irgendwann wird's ihr zu bunt:
Sag' mal, willst du immer recht behalten oder einen netten Abend?


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 25.01.2017

Leistung im Sport
Teil 9/6: Natürlich-Künstlich


'Nichts hindert mehr daran, natürlich zu sein, als das Bestreben, es zu scheinen'
(La Rochefoucault)

'In the year 2525
your legs got nothin' to do
some machine's doing that for you.
You won't need no husband, need no wife
you'll pick your son, pick your daughter too
from the bottom of a long glass tube.
Ain't gonna need to tell the truth, tell no lie
Everything you think, do and say
is in the pill you took today...'
(Zager & Evans 1969)

'...werden die arbeitsfähigen Juden strassenbauend in diese Gebiete geführt,
wobei zweifellos ein Grossteil durch natürliche Verminderung ausfallen wird.
Der allfällig endlich verbleibende Restbestand wird,
da es sich bei diesem zweifellos um den widerstandsfähigsten Teil handelt,
entsprechend behandelt werden müssen,
da dieser, eine natürlich Auslese darstellend,
bei Freilassung als Keimzelle eines neuen jüdischen Aufbaus anzusprechen ist.'
(Protokoll Wannseekonferenz 20.1.1942)

'Er hilft uns, uns zu befreien von unserer unmittelbaren Natur,
um uns wiederzugewinnen in der menschgeborenen und geistig gegründeten Natürlichkeit.'
(Karl Jaspers 1947 über Goethe)

'Wissenschaft wird als solidarische Bemühung von Menschen
in methodisch ausgewiesener und zielbewusster Erkenntnisarbeit
gegen die Irrationalität der natürlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse unternommen,
damit die Erde als der einheitlich gemeinsame Lebensraum einer brüderlichen Menschheit
in Frieden bewohnt und mit Vernunft genutzt wird.'
(Appelt/Berger: Kreuznacher Hochschulkonzept, Reformziele der Bundesassistentenkonferenz,1968)

Unerwünschte oder suboptimale Natur-Zustände sollen per Menschenwerk(künstlich)
in normativ-erwünschte Richtungen manipuliert werden.
Ziel ist immer ein anthropozentrischer Nutzen,ob gut oder böse.

Hat die Natur mit  der Evolution zum Menschen einen Turbo der (eigenen) Destruktion erschaffen?
Ist der Mensch also ein Irrläufer der Evolution, ein Irrtum der Natur
oder ist der Mensch nur ein (notwendiger?)Übergang zu Besserem?

Jedenfalls kann der Mensch natürliche Prozesse beschleunigen und kreieren aber auch bremsen und beenden.
Wer setzt Zweck, Ziel, Sinn?
Kann die Natur das? Oder nur der Mensch?

Eine ex-post-Betrachtung, von den (Zwischen-)Ergebnissen der Evolution her, lässt das vermuten.
Es scheint Natur-inhärente Zwecke/Ziele zu geben:
in der - vor allem organischen - Welt sind überall faszinierende Ergebnisse zu beobachten.
In der Physik hat man auch anorganische Selbstorganisation gefunden.
In der Biologie sind Unmengen von Adaptationen an Umweltbedingungen bekannt.

Aber ist damit schon ein planendes Vorgehen der Natur identifiziert?
Kann man aus Adaptationen Normativität im Sinn einer Handlungsorientierung ablesen?
Fragen wir mal Plessner:
'Auch wenn die Natur zielgerichtete Abläufe kennt, ist sie doch das Reich des blossen Seins, nicht des Sollens.
Erst der Mensch bringt Werte in die Welt, die Idee eines guten Lebens.
Der Mensch wird damit zum Mass aller Dinge, indem er nämlich das Mass überhaupt in die Welt bringt.
Der Mensch, in seine (natürliche) Grenze gesetzt, lebt über diese hinaus.
Er lebt und erlebt nicht nur, sondern er erlebt sein Erleben(exzentrische Positionalität).'

Der Mensch kann als Produkt der Natur auch die Natur zu seinem Produkt machen.
'Künstliche' Natürlichkeit.
Also Zweckhaftes.
Ist damit die von vielen Philosophen vermutete oder postulierte Zweckfreiheit der Natur gebrochen?
MZPTLK behauptet, diese gab und gibt es nicht.

Warum?
Der Mensch ist nicht das erste, einzige und letzte Subjekt der Natur.
Alles was existiert, trägt seinen Zweck und seinen Sinn mit sich.
Hegel: 'Der Zweckbegriff ist eine einfache Bestimmtheit der Dinge und in ihnen selbst angelegt.'
Damit ist kein ethischer Naturalismus gemeint,
der Natürlichkeit als Wert oder Norm postuliert.

Aristoteles geht m.E. zu weit:
'Jede natürliche Entwicklung ist zweckmässig und gut,
denn in der Natur kann nichts ohne Zweck geschehen.
Letzter Zweck ist der Gott oder das Schönste und Beste, angelegt in den Dingen selbst.'

Das Da-Sein ist bereits ein Zweck, sein Zweck.
Und kann Zweck zu, für etwas Anderes sein:
Ohne das frühere Da-Sein von Einzellern gäbe es den späteren Menschen nicht.

Was ist ein Zweck?
Ein Beweggrund für eine zielgerichtete Tätigkeit, für ein Verhalten.
Ein Anlass, eine Final-Ursache.
Auf ein Ziel hin.
Auf dem Weg zum Ziel müssen zweckmässige Mittel eingesetzt werden.
Ein geschlossener, kausaler Prozess.

Aristoteles kannte die Evolutionstheorie natürlich noch nicht, die neue Antworten zu geben versuchte:
- wie sind zweckdienliche Mechanismen organischer/physiologischer Probleme erklärbar?
- wie ist die Vielfalt von Existenzen erklärbar?

Systeme gnügend hoher Komplexität sind in der Lage, ziel-/zweckabhängige Prozesse zu steuern.
Man spricht heute nicht  oder kaum von Teleologie, sondern von teleonomen Prozessen:
1. Homöostatische Teleonomie physiologischer Systeme
2. Programmierte Teleonomie molekular kontrollierter Morphogenese
3. Ökologische Teleonomie natürlicher Auslese
4. Auch soziale Prozesse zeigen homöostatische Interaktionen

Bei der Adaptation spielen Zufall, Notwendigkeit, Zwang, Zielgerichtetheit, Intentionalität  mit.
Einzeln oder in Kombination, jedenfalls im Einklang mit den Naturgesetzen.

Die sehr unterschiedlichen Entwicklungs-Geschwindigkeiten verursachen arge Probleme:
- die technische Entwicklung verläuft rasant
- die kulturelle ist langsamer
- die moralische ist noch träger
- die physische ist am schwerfälligsten

In der Biologie und in der Kybernetik wird erforscht, wie ein Organismus in seinem Verhalten auf ein Ziel hin gesteuert ist.
Das Verhältnis System-Umwelt ist durch Rückkoppelungen von In- und Output gekennzeichnet.
die Umwelt beeinflusst den Input des Systems, der System-Output die Umwelt.

Nach Luhmann bemisst sich die Rationalität der Organisation eines Systems
- nach dessen Fähigkeit zu effizienter Komplexitätsreduktion
- nach dessen Fähigkeit zur schnellen Anpassung an Veränderungen in der Systemumwelt
- nach dessen Fähigkeit zur Vernetzung der in seinen Teilsystemen erbrachten Leistungen

Aus einem System heraus können Zwecksetzungen generiert werden.
Das System qualifiziert sich so als eigenleistend, intentional und zielgerichtet.

In jeder Millionstelsekunde entsteht - auch unabhängig vom Menschen - eine neue Welt.
Jeder lebende Mensch ist ein Mutant.
Jede Zeugung kreiert über 100.000 Mutationen.
In den letzten 10.000 Jahren erfolgten stark beschleunigte Mutationen.
Jede menschliche Zelle enthält den kompletten genetischen Code,
mit dem ein Mensch künstlich-natürlich regeneriert werden kann.

Wäre der Mensch nicht frei, wäre er Sklave seiner natürlichen Triebe und Neigungen,
würde er in dieser Welt früher oder später untergehen.
Auch im Sport stellt sich eine entscheidende Frage:
Welcher Körperentwicklungen und welcher Technologien wollen, sollten, müssen wir uns enthalten,
um unsere Menschenwürde, unser Personsein und uns als Sportler bewahren zu können?

Natur-wüchsige Abnormitäten = Natur-Talente sind dabei ausdrücklich erwünscht als Faszinosum des Menschen-Möglichen.
Aber: das Natürliche ist nicht immer und automatisch das Wahre, Schöne, Gute.
Es ist unmöglich, aus der Natur stringent Werte und Moral abzuleiten.
Dennoch ist die Natur unabdingbar notwendig und wichtig als Beziehungs- und Orientierungssphäre
der Lebensbedingungen des Menschen, seiner Möglichkeiten und Grenzen.

Kant meinte noch, dass Ethik apriorisch und autonom, also ohne Empirie begründet und betrieben werden könne und müsse.
Wir kommen und können an der Natur, vor allem der eigenen, nicht vorbei, wir wollen es genaugenommen auch nicht,
denn ein gutes Leben ist un-natürlich nicht möglich.
Deontologische Moraltheorien unterschätzen oder negieren das.

Genauso wie es falsch wäre, der Natur freien Lauf zu lassen,
wäre es verheerend, dem Menschen freien Lauf zu lassen.
Natürlichkeit ist somit kein Wert per se, ebenso darf die Menschen-gemachte Künstlichkeit nicht per se als ultima ratio gelten.
Sieht man es antropozentrisch, würde man sagen, dass alles, was dem Menschen nützt, gut ist.
Aber auch das hat Tücken, denn: meint man damit alle Menschen, auch die in der Zukunft?

So ist auch Doping nicht wertfrei zu definieren und schon gar nicht über einen (unmöglichen) positiven Natürlichkeitsbegriff*,
sondern nur über einen perpetuierenden normativen Diskus präskriptiver Begrifflichkeiten.

'Das Sein ist nichts Statisches , sondern unterliegt Veränderungen.
Wahrheit ist historisch.
Sie ereignet sich vom Sein selbst her.
Seinsvergessenheit aber lässt die technische Weltbeherrschung als letzten Sinn der Menschheit erscheinen.'
(Heidegger)

'Sein und Nicht-Sein sind nur Abstraktionen ohne Wahrheit, ohne weitere Bestimmung.
Das erste Wahre ist nur das Werden.
Der Verstand isoliert beide als wahr und geltend,
hingegen die Vernunft erkennt das Eine in dem Anderen,
dass in dem Einen sein Anderes enthalten ist,
und so ist das All, das Absolute zu bestimmen als das Werden.'
(Hegel)

'Der Mensch ist immer mehr, als er von sich weiss.
Er ist nicht, was er ein für allemal ist, sondern er ist Weg.'
(Karl Jaspers)


*Bedeutungsdimensionen des Begriffs der Natürlichkeit nach Schramme:
  (kein Anspruch auf Vollständigkeit oder Trennschärfe)
1. Das Biologische: alles, was die Natur hervorbringt,
    also auch der Mensch und seine Handlungen, die er mit den Mitteln der Natur leistet
2. Das Selbstverständliche: das gewohnte, das Konventionelle, das Unhinterfragte.
     Hier können Vorgänge in der Natur als unnatürlich und hochartifizielle Tätigkeiten des Menschen als natürlich gelten.
     Entscheidend ist nur deren Geläufigkeit, das Normale, das statistisch Verbreitete
3. Das Nicht-Artifizielle: das Authentische, Ungezwungene, Ungekünstelte, Nicht-Affektierte, Unverstellte.
     Der Mensch in Harmonie mit sich selbst
4. Das Nicht-Kulturelle: das Ursprüngliche(wo und wann fängt das an?) das Belassene, Unkultivierte.
     Aber: wo in der heutigen Welt spielen kulturelle Einflüsse keine Rolle? Sogar in der Genetik gibt es solche.
     Letztlich sind nachteilige Lebensumstände nicht wegen ihrer Unnatürlichkeit, sondern wegen ihrer Nachteiligkeit unbeliebt.
     Das Ursprüngliche ist nicht zwangsläufig wegen seiner Ursprünglichkeit hochwertiger als das vom Menschen Manipulierte.
     MZPTLK: Kann das Ursprüngliche als Wert an sich gelten? Normatives Prinzip der Natürlichkeit?
5. Das Nicht-Technische: das Selbst-Organisierte. (Das Künstliche ist bestimmt durch von aussen auferlegte Zwecke)
    Selbstorganisierte, natürliche Vorgänge scheinen Zwecke zu verwirklichen,
    die völlig unabhängig von menschlichen Interessen ablaufen.
     Die zielgerichteten Vorgänge in der Natur bestimmen nach dieser Deutung das Gute und Richtige.
    Schramme sieht hier den Schlüssel zu einem angemessenen Verständnis eines normativen Gebrauchs:
    Das Natürliche als das Selbst-Organisierte.
    (Es ist dann natürlich nach Zielgerichtetheit der Natur und  stringent abletbarer Normativität zu fragen - wie weiter oben geschehen)


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 14.02.2017

Der nächste Teil 'Vorbild' kommt nächste Woche.
Zum Trost ein typischer MZPTLK-Schabernack:

Donald Trump sucht heimlich Rat bei einem Philosophen:
Weiser Mann, kannst Du mir sagen, wie man weise Politik macht?
- Gern, wenn du mir verrätst, wie man mit wenig Weisheit Politiker werden kann!


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 23.02.2017

Leistung im Sport
Teil 9/7: Vorbild


'Man braucht Kinder nicht zu erziehen, sie machen Einem sowieso alles nach'
(Karl Valentin)

'Man muss die Kinder richtig verwöhnen, nur so werden richtige Räuber aus Ihnen'
(Räuberhauptfrau aus dem russischen Märchen: Die Schneekönigin 1966)

'Es gibt Zeiten, die kommen der Ruhmesgier grosser Eroberer zustatten'
(Friedrich 2 - 'Der Grosse' - vorm 1. Schlesienkrieg)

'Eines weiss ich, was nie vergeht: Der Ruhm, den der Tote errang'
(Inschrift auf Soldaten-Massengrab 1945)
Klingt einfach, man muss gar nicht viel tun, nur abkratzen, und schon ist man ein 'Held'!
Doping-Tote waren auch mal 'Helden', aber dafür mussten sie alles Mögliche tun

'Kriminalität verändert sich, wird digitaler, vernetzter und internationaler.
Genauso muss sich Polizeiarbeit auch weiter entwickeln.'
(BKA-Präsident Münch)

'Anders als noch vor 20 Jahren scheitern die meisten Karrieren nicht mehr an mangelhafter Leistung,
sondern an der öffentlichen Wahrnehmung einer Leistung als mangelhaft.
Reputation musss also aktiv durch Kommunikation gemanagt werden.'
(Sandra Navidi)

'Es dauert Jahre, um sich einen guten Ruf aufzubauen - und 5 Minuten, um diesen zu zerstören'
(Warren Buffet)

'Wenn es nur eine einzige Wirklichkeit gäbe,
könnte man nicht 100 Bilder über dasselbe Thema(dieselbe Person/MZPTLK) machen'
(Picasso)

'Kunst ist ein besonders wichtiges Medium für die Entwicklung von Selbstverständnissen'
(Hegel)

'Welche Person man ist oder sein kann, ist ein offener, schöpferischer Prozess der Selbst-Aktualisierung'
(Brüntrup)

'Sportler eignen sich deshalb so gut als Rollenmodell,
weil sie sehr willensstarke Personen sind mit phantastischem Zeitmanagement und unglaublicher Selbstdisziplin.
Leider bringt der Sport gar nicht so rüber, welche imponierenden Lebensläufe er hat'
(Gebauer)

'Sport ist symbolische, konzentrierte Darstellung der Grundprinzipien der Leistungsgesellschaft,
wie sie z.B. in den Prinzipien der Objektivität, Chancengleichheit, Messbarkeit, Vergleichbarkeit,
Allgemeinverständlichkeit, in der Durchsichtigkeit der Leistungsdifferenzierung,
in der klaren Zuweisung von Rangpositionen aufgrund von erbrachter Leistung gegeben ist.
Leistung, Konkurrenz, Gleichheit ist das, was dem Sport seine besondere Faszination verleiht.
Vor allem Idealität.
Der Sport ist das bessere Bild, das die Leistungsgesellschaft von sich hat, im Grunde ihr geheimes Ideal.
Sport ist also nicht nur ein Produkt der Leistungsgesellschaft, sondern auch ihr Modell,
worin ihre hervorstechenden Grundprinzipien vergegenständlicht und positiv verstärkt werden.'
(v. Krockow)

'Vorbilder geben Lebensorientierung
Deshalb gibt es im Spitzensport heute so gut wie keine Vorbilder mehr,
denn Spitzensport kann kaum noch Lebensorientierung bieten.
Spätestens in den 80er Jahren hat der Sport jede Form von Vorbildwirkung verloren.'
(Gebauer)

Ojeoje, wer soll sich da noch auskennen?
Es gibt gute und böse Vorbilder,
Rollenmodelle, in die man rein- oder rausfallen kann,
trügerische Ideale und Idole
bis hin zu Fanatismus und (Selbst-)Zerstörung.

Verführer haben besonders bei jungen Menschen Erfolg mit Instrumentalisierung, die diese später bitter bereuen.
Gebauer war als junger Mann enttäuscht von seinem Vorbild/Idol Hary(obskure Immobiliendeals),
als Reiferer von Boris Becker(im 'richtigen' Leben einige Irrungen und Wirrungen) und Jan Ulrich(Doping)
Macht-, Ruhm- und Geldgier kann vermeintlich hehre Vorbilder korrumpieren.

War das je anders?
Und: lässt sich das überhaupt grundsätzlich, vollständig und für alle Zeiten ändern?
Nö.
Was ist zu tun?
Aufklärung, Analyse,

Precht nennt - in Anlehnung an die Hirnforschung - 8 Ichs,
die dabei helfen können, wo wir ansetzen sollten:
1. Körper-Ich(mein eigener Körper)
2. Verortungs-Ich(wo ich gerade bin)
3. Perspektiv-Ich(Ich bin Zentrum der von mir erfahrenen Welt)
4. Erlebnissubjekt-Ich(Es sind meine Sinneseindrücke)
5. Autorschafts-/Kontroll-Ich(Ich bin ursächlich und verantwortlich für meine Gedanken und Handlungen)
6. Autobiographisches Ich(Ich erlebe mich als der Eine, Bestimmte)
7. Selbstrefklektives Ich(Ich als Objekt von Betrachtung und Kritik meines Subjekt-Ichs)
8. Moralisches Ich(Gewissen/was ist gut oder schlecht)

Hätten die Massenmörder Alexander 'der Grosse', Karl 'der Grosse' und Friedrich 2 'der Grosse'
mehr an 7 und 8 gearbeitet, hätte es viel weniger Tote gegeben,
aber auch viel weniger 'Ruhm' der Nachwelt durch viele Generationen verblendeter 'Historiker' und verblödeter Geschichtspauker.
Übrigens auch deswegen hatte sich Hitler(bei dem auch alles gross sein musste) alle Drei zum Vorbild genommen.

Wir sind heute etwas schlauer, auch wenn wir immer wieder nach Vorbildern hecheln,
die sich früher oder später als wenig geeignet oder schlecht herausstellen.

Vorbilder sind unvollkommene Menschen in Wandlung.
Wenn man sich das auf der Zunge zergehen lässt, kann man - im Gegensatz zu Gebauer -
auch heute und künftig Freude und Gewinn mit ihnen haben:
- Hary, Becker, Ulrich hatten einiges falsch gemacht, aber sie können in Vielem ein Vorblld bleiben.
- Der Laufstil eines Geparden oder die Bewegungskonfigurationen gedopter Weltrekordler sind  nicht Menschen-möglich,
   man kann aber in die Richtung arbeiten.
- Der Pianist Horowitz hat oft  ein weniger gutes  fremdes kompositorisches Vorbild anders, nach eigenem Vorbild  interpretiert.
   und so auch aus Sch... Gold gemacht.
- Man kann in vielen Bereichen etwas entdecken, rausholen, veredeln, vervollkommnen,
   was das Vorbild Urheber oder Erstinterpret  nicht intendiert, nicht so gut arrangiert oder interpretiert hatte.
- Und man wäre schön blöd, würde man nicht sogar von den genannten Massenmördern Dinge lernen
   wie z. B. Strategie oder Rhetorik, auch und gerade um deren Machenschaften zu durchschauen
   und entgegen zu wirken
- Sport soll und kann anders sein als der Alltag der Akteure und Zuschauer
   (unter Bedingungen, unter denen sie nicht immer moralisch sein können oder wollen):
   gerecht(er), sauber(er), moralisch(er)
  
Damit Sportler Vorbild werden und bleiben können, verlangt Gebauer eine untadelige Persönlichkeit,
auch im menschlichen Miteinander.
Natürlich wäre das wünschenswert, aber übermenschlich.
Selbst wenn das objektiv möglich oder der Fall wäre,
müsste immer erst jemand kommen, der Diesen zum Vorbild erwählt.
Man kann sich - ohne Hybris - auch selbst zum Vorbild nehmen.

Vorbilder können also fremd sein, imaginär oder in einem selbst liegen.
Man kann auch nicht beschliessen, ein Vorbild zu sein, dazu gehört immer jemand anderes,
der sich - aus welchen erfindlichen oder unerfindlichen Gründen auch immer -
'sein' Vorbild 'ausguckt'.

Ob man das Vorbild(subjektiv nachahmenswert), Rollenmodell, Idol oder Projektionsobjekt für Fanatismus nennt,
ist nicht so entscheidend, ausserdem sind die Übergänge fliessend.
Ein Rollenmodell wird uns vor allem im Berufsleben oft begegnen und mehr oder weniger freiwillig abverlangt.
Ein besonders krasses Beispiel für freiwilliges Rollenspiel war Ferdinand Waldo Demara,
der Schiffsarzt, Ingenieur, Hilfsscheriff, Gefängniswärter, Psychologe, Krankenpfleger, Anwalt, Kinderbetreuer,
Benediktinermönch, Herausgeber, Krebsforscher und Lehrer verkörperte, um vor allem Anerkennung zu erheischen.
Das funktionierte natürlich nur mit einem extrem hohen IQ und einem fotografischen Gedächtnis.

Hier wird besonders deutlich, dass Menschen in der Lage ist, ihr Selbst,
ihre Authentizität breit aufzustellen und zu modifizieren.
Authentizität ist nichts fixes, finales,
sondern eine Momentaufnahme der freiwilligen ökologischen Nutzung/Ausschöpfung unserer Potentiale.
Also das werden zu können, was einem ohne Zwang möglich ist.
Das gilt auch für freiwillige Handlungen ausserhalb der Komfortzone,
denn nur so ist aussergewöhnlicher Erfolg möglich.

Grupe spricht von einer Dimension der Seins-Wahrheit,
in der Leistungssteigerung sich zum Mass maximierter innerer Existenz entwickelt.
Lenk vom Sport als Existenzial des aurtthentischen Selbst und fragt:
'Wer könnte unter Zwang Höchstleistungen erbringen?'
Der Sportler ist sellbst Auftraggeber und Auftragnehmer,
Leistung-Geber und Leistung-Nehmer,
Produzent und Nutzniesser.

Das  Selbst ist sein eigenes Vorbild, dazu muss es aus seinem momentanen Status herauskommen,
um zum Ziel, zum erstrebten Selbst gelangen zu können.
Es handelt sich um eine expressive, individuell emanuierte Verfassung des Selbst,
die im Lebenslauf möglichst kohärent nach Selbstverwirklichung sucht.

Dabei kann/darf sich natürlich nur im Rahmen von Physik und Regeln bewegt werden.
Ansonsten gestattet Authentizität sehr grosse Flexibilität.
Bereits Freud sah einen psychodynamischen Prozess,
eine Angleichung, eine Transformation des Ich(Authentizität) an das zum Vorbild genommene Muster oder Beispiel.
Die Affinität zum Vorbild, dessen Erfolg und die Überzeugung, ihm nacheifern zu können,
ermöglicht und erleichtert die Transformation.

Und: die Kennungen von Authentizitat wie
Ungezwungenheit, Ungekünsteltheit, geradeheraus, spontan, nicht-affektiv, ehrlich, unverstellt, in Harmonie,
im Einklang mit eigenen Übezeugungen, Selbstregulierung, etc.
lassen das oft ohne grosse Reibung zu.
Aber: Authentizität kann, muss nicht moralisch sein
Vorbilder können, müssen nicht moralisch sein.
Wird nicht automatisch mitgeliefert,
Ist nun mal leider so.
Ohne Freiheit zum Guten und Bösen ist Authentizität, sind auch Vorbilder(siehe Massenmörder) nicht zu haben.

Ist der Doper Vorbild?
De facto ja, solange er nicht erwischt wird.
Aber auch dann gibt es Einige, die trotzdem oder gerade deswegen zu ihm halten.und ihm nacheifern.
Ist der Doper authentisch?
Wenn er ein gespaltenes Bewusstsein hat, nur in der einen Abteilung.
Hat er ein kohärentes Bewusstsein, ist er diesbezüglich authentisch,
physisch natürlich in keinem Fall.

Doper zeigen Doping-Doppelmoral:
Schein und Sein
Echt - unecht
Authentisch - nicht authentisch
Lüge - Wahrheit
Show - Substanz
In welcher Welt will er leben, wer will er sein, wie will er sein?
Doping generiert neue (Vor-)Bilder.
Vorbilder der Über-Menschlichkeit, der Ausser-Menschlichkeit, der Un-Menschlichkeit.
Der Un-Moral.

Jedenfalls:
Wir können unser Leben ändern,
wir müssen unser Ändern leben.
'Der Idiot' von Dostojewski ist nicht menschlich, weil er sich nicht ändern kann.
Weil er sich nicht dafür entscheiden kann, nicht authentisch zu sein.
Ein Selbst habe, gewinne ich nur, wenn es mir um etwas geht,
wenn ich ein - für mich lohnendes - Ziel verfolge

Das ist auch und gerade genetisch möglich, wir sind unserem Erbgut nicht ausgeliefert.
Der Aktivierungszustand von Genen kann beeinflusst werden.
Wir können unseren epigenetischen Schaltplan ändern.
Erworbene Eigenschaften können vererbt werden.
Gene steuern nicht nur, sie werden auch gesteuert.

Es gibt kein fixes Arsenal von Eigenschaften, wo ich längere Zeit oder für immer authentisch bin.
Menschen sind reflektierende, kalkulierende Wesen.
Es besteht objektiv, aber zumindest subjektiv oft oder immer eine Diskrepanz zwischen dem,
was man ist,
was man zeigt,
wie man sein könnte
und wie man sein wollte.

Vorbilder können aus der Realität, aber auch aus der Fiktion genommen werden.
Vorbilder sind spätestens seit der Aufklärung einem Diskurs unterworfen.
Im Sport haben die Akteure eine besondere Verantwortung gegenüber vor allem den jungen Adressaten,
deren Einsichts- und Urteilsfähigkeit noch nicht so weit entwickelt ist.

Denn wird ein Vorbild nicht nur als solches wahrgenommen, sondern wird es auch nachgespielt,
verschmelzen Vorbild und Nachahmer:
Ich bin Messi, Bolt, Nowitzki...

Vergessen wird dabei oft, dass diese Leute auf dem Weg zum Erfolg
nicht den Lift, sondern die Treppe genommen haben.

Wenn dann der eigene Erfolg zu sehr hinter dem Vorbild herhinkt,
wirft man allzuschnell die Flinte ins Korn(daher auch die allzuvielen Leichtathletik.Dropouts)
und wendet sich anderen Betätigungen zu, wo es Hebelwirkungen zum schnellen, leichten  'Erfolg', zum Kick gibt:
- Sportarten, die wenig Anstrengung, aber schnelle Belohnung bieten
- Leichtes Erhaschen von vielen Likes in 'social' media, usw...

Die Leichtathletik hat hier eine grosse, wichtige, entscheidende Baustelle.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - lor-olli - 23.02.2017

Zwei Dinge die mir spontan einfallen:

- jemand der einem "Dopinghelden" auch nach seinem Sturz noch huldigt, offenbart viel mehr seinem eigenen sportlichen Selbstverständnis als ihm lieb sein müsste - nicht Fairness, allein der temporäre Erfolg zählt (und allein das Hoffen darauf nicht ertappt zu werden)

- Vorbilder habe heute das Problem, dass sie ECHTE Heilige sein müssen, denn die permanente Wissensverfügbarkeit (vulgo Klatsch und Tratsch) und die Unkontrollierbarkeit der gezielten Fehlinformationen, gepaart mit einer zunehmend unreflektierten Rezeption, oder besser Perzeption (auch als Folge der medialen Überflutung), überlassen die gesellschaftliche Wahrnehmung zu vielen Zufällen und Einflüssen.

Vorbild war gestern, kurzfristiger Idolstatus mit entsprechender Honorierung reicht völlig Wink (anders kann ich mir die selbst "geleakten" Eskapaden einiger nicht erklären - wo Leute zu IT-Ikonen werden die praktisch keinerlei gesellschaftlichen Nutzen oder Leistung erbringen), Precht hat zwar nicht unrecht, aber wer möchte schon den neuzeitlichen Don Qiujote geben ? (wer mag auch Don Quixote oder Don Quichotte Wink)


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 23.02.2017

Ich sehe es anders als Gebauer, der heutzutage weit und breit keine Vorbilder nehr sehen kann, sondern wenn überhaupt, nur Idole.
Der Mensch kommt ohne Vorbild(er) nicht aus, und das ist auch gut so.
Entscheidend dabei ist - wie gesagt - das Wissen, dass es sich um imperfekte Menschen in Wandlung handelt.
'Echte' 'Heilige' oder andere schwachsinnige Medien-Kreationen kann man natürlich vergessen.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 25.02.2017

Zum Wochenende mal wieder ein typischer MZPTLK-Schabernack:

Schopenhauer, Nietzsche und Wittgenstein grübeln:
Warum ist die Banane krumm?
- Schopenhauer: Weil sie es kann. Sie kann es, weil sie es will. Sie will es, weil sie es muss.
- Nietzsche: Der Quatsch ist doch von Kant.  Ausserdem ist die Banane kein Übermensch!
- Wittgenstein: Worüber man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.

Da kommt der genervte MZPTLK, steckt alle Drei in einen Sack und haut zu.
- Schopenhauer: Aua!
- Nietzsche: Wie meinst du das?
- Wittgenstein: Wie er das gesagt hat!

Der Hedonist Oscar Wilde mischt sich ein:
Stellt euch nicht so an.
Euren Mist zu lesen ist eine viel schlimmere Strafe als ein paar Prügel.
Zu MZPTLK: Darf ich auch mal?

Angelockt vom Schmerzgeschrei kommt ein Masochist vorbei:
Ich will auch verhauen werden!
MZPTLK: Bitte sehr, aber Vorsicht, das ist eine illustre Gesellschaft:
Schopenhauer ist ein Frauenfeind, Nietzsche ist des Wahnsinns fette Beute und Wittgenstein ist schwul.
- Ich will sofort in den Sack!

Da kommt ein kleines Kind und schimpft:
Ich will endlich meine Banane wieder haben!
Ihr seid ja doch alle zu blöd, meine Frage zu beantworten!

Seneca, der Lehrer Kaise Neros, kommt zu Hilfe:
Stoizismus ist universale Frustrations-Prophylaxe
durch Monopolisierung der Sinn-Kompetenz beim Individuum
Das Ideal des Stoikers ist der Lebenswelt-unabhängige Weise,
autark und souverän durch die Ver-Gleichgültigung des Un-Verfügbaren.

Begeistert schenkt das Kind Seneca die Banane:
Endlich mal jemand, bei dem man was fürs Leben lernen kann!


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 26.02.2017

Leistung im Sport
Teil 9/8: Fairness


'Wenn man sich entscheidet, diese Art Lärm zu machen, hat man eine gewisse Verantwortung,
Nur andere Menschen zuzudröhnen und sich selbst fein rauszuhalten, gilt nicht.
Ohrenstöpsel sind unfair.'
(Lemmy von Motörhead im Spiegel 2014)

'Wenn man sich entscheidet, Wettkampfsport zu machen, hat man eine gewisse Verantwortung.
Saubere Athleten zu betrügen und sich mit Stoff zuzudröhnen, ist unfair.'
(MZPTLK - in Anlehnung an Lemmy)

'Werner Heisenberg hatte einen agonalen, fairen, unbezähmbaren Leistungs-Ehrgeiz.
Sein Ehrgeiz war eben nicht auf Ehre gerichtet, er war ohne irgendeine Form von Eitelkeit.
Lob, Huldigungen, Beifall und Bewunderung waren ihm relativ unwichtig.
Ihn freute die Anerkennung von Menschen, die er hoch schätzte.
und er war bereit, andere um ihrer Leistung willen zu bewundern..'
(Nachruf  von Weizsäcker)

'Eine Handlung ist dann als gerecht anzusehen,
wenn wenn sie jedem das gibt, was er verdient'
Ernst Tugendhat)

'Machiavelli interessiert nicht, aus welchen mehr oder weniger ehrenwerten Moriven ein Politiker handelt,
sondern wie er etwas erreicht.
Er kommt zu dem Ergebnis, dass möglicherweise auch das Gegenteil des moralisch Geforderten,
also Lügen, Grausamkeit, physische Gewalt die unverzichtbare Voraussetzung sein kann,
dieses Ziel zu erreichen.'
(Herfried Münkler)

'Chirurgen bekommen keinen Bonus, wenn sie Leben retten.
Und Polizisten und Feuerwehrmänner wenn sie ihr Leben riskieren,  um Andere zu schützen,
verdienen einen Bruchteil der Gehälter, die in der Finanzindustrie gezahlt werden.
Diese Vergütungsstrukturen lassen den Rückschluss zu,
dass wir als Gesellschft Geld einen grösseren Stellenwert als dem Leben beimessen.

In der Kultur der Finanzwelt zählen bis heute als einzige Erfolgsparameter
allein die Ausnutzung von Opportunitäten und Profit,
während jegliche andere Erwägungen, wie die der Ethik oder des Allgemeinwohls,
immer noch weithehend auf der Strecke bleiben.'
(Sandra Navidi 2016)

'Wir sind mehr als permanent die Kosten und den Nutzen abwägende Menschmaschinen.
Wirtschaftsethik braucht Mut und starke Nerven,
sie schult aber auch den Charakter, fördert integre Manager
und sichert so den nachhaltigen Geschäftserfolg.'
(Ernst von Kimakowitz, Hochschule St. Gallen)

'Der Sport ist eine wichtige Säule unserer Gesellschaft
und es geht dabei um viel mehr als um Gewinnen und Verlieren:
Grundtugenden wie Fairness und Respekt auch den Konkurrenten gegenüber.'
'Das Schöne an den beiden Szenen auf Hawaii ist, dass sie  - auch an den Nachwuchs -
ein Verhalten signalisieren, das mich stolz macht, ein Triathlet zu sein.'
(Raelert und Kienle nach dem Ironman)

'Die IAAF braucht ein ganz neues Erscheinungsbild.
Junge Menschen wollen von einer Organisation heute wissen:
Wofür steht ihr? Für welche Werte?

Ich will Trainer, die auch die Persönlichkeit des Sportlers formen,
mit ihnen über Moral im Sport, Fairplay reden.
Meine Vorstellung ist, dass wir in Zukunft Athleten haben,
die mit 18 gar nicht erst über Doping nachdenken,
weil sie gelernt haben, dass es falsch ist,
dass sie sich damit schaden,
dass sie gegen alle Werte des Sports verstossen.

Es geht nicht nur um Zahlen und Statistiken.
Wir besitzen Werte wie Fairness und Respekt,
ohne die wir keine 3 Wochen überleben würden.'
(Sebastian Coe im Spiegel 18/2016)

'Alles Käse.
Was hat denn Ethik mit Leistungssport zu tun?
Es geht um Leistung.
Dieser viel strapazierte Begriff Ethik.
Das ist doch ein fürchterliches Gewabbel und Geschwabbel.'
(Rolf Danneberg, Olympiasieger 1984, im Jahr 1989)

'Nehmen sie die Menschen, wie sie sind.
Es gibt keine anderen.'
(Alt-Bundeskanzler Adenauer)

' Was wir brauchen, sind ein paar verrückte Leute.
Seht Euch an, wohin uns die 'normalen' gebracht haben.
(George B. Shaw)


Gar nicht so einfach mit der Fairness.
Warum?
Weil die meisten Menschen in Bedingungen leben,
in denen sie nicht oder nur bedingt oder nur eingeschränkt moralisch sein können.
Es gibt nicht selten Situationen, in denen Menschen nicht überleben können,
wenn sie moralisch handelten.

Auch und vor allem in der Wirtschaft scheinen Werte und Profit zumindest in einem Spannungs-,
wenn nicht Ausschliesslichkeitsverhältnis zu stehen.

Das ist ein uraltes, bis heute nicht zufriedenstellend gelöstes Problem.
Darum haben sich auch schon viele Ethiker daran versucht, normativ Abhilfe zu schaffen:

- Was Du nicht willst, dass man Dir Tu, das füg' auch keinem Anderen zu.
   Oder: Verhalte Dich so, wie Du willst, dass Andere sich verhalten.
   Verlasse das Klo so, wie Du es vorzufinden wünschst, usw....
   Uraltes Moral-Prinzip, auch goldene Regel genannt.
   Man kann 3 Varianten unterscheiden:
   1. Singulär: Behandele Jeden so, wie Du willst, dass man Dich behandelt, wenn Du an seiner Stelle wärst
    2. Negativ-Singulär: Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg' auch keinem Anderen zu
    3. Universal: Behandele Jeden so, wie Du willst, dass Andere im gleichen Fall handeln

- 'Alles, was Ihr von Anderen erwartet, das tut auch Ihnen.'
   (Matthäus7/12)

- 'Behandelt die Menschen so, als ob sie schon so gut wären, wie Ihr sie haben wollt-
    Es ist der einzige Weg, sie dazu zu machen.'
    (Goethe)

- Handle so, dass Du die Menschheit, sowohl in Deiner Person(intra-personal/MZPTLK)
   als auch in der Person eines Jeden Anderen(inter-personal/MZPTLK)
   jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloss als Mittel gebrauchst(Instrumentalisierungs-Verbot/MZPTLK)
   (Kants 3. Version des kategorischen Imperativs)

- 'Handele nur nach derjenigen Maxime,
    nach der Du zugleich wollen kannst,
    dass sie eine Verhaltensregel für alle Mitspieler sei.'
    (Gerhardt 1991)

- 'Handele nur nach derjenigen Maxime, nach der jeder Andere bereit sein könnte,
   im Wettkampf gegen Dich anzutreten.' (Subsystem soziale Gemeinschft/MZPTLK)
   (Gerhardt 1991)

- 'Handele so, dass Du die Wiederkehr des gelebten Lebens
   und Deines gelebten Denkens wollen kannst.'
   (Caysa 2007)

- 'Handele so, dass Du die verwendete Körperpraktik immer wieder wollen kannst
    und die Anderen und Du selbst niemals bloss Mittel, sondern auch Zweck sind.
    (Caysa 2004)

- 'Handele so, dass Du in Deinem Tun oder Unterlassen die Risiken der Aktiven möglichst minimierst
    und deren personales Wachstum  in psychischer, moralischer, sozialer, emotionaler
    und gesundheitlicher Hinsicht möglichst maximierst.'
    (Meinberg 2012 - Trainerethik)

- 'Handele so, dass die Wirkungen Deiner Handlungen niemandem unnötige Schmerzen zufügen.
    die Selbstentfaltung in den unterschiedlichen potentiellen Richtungen  nicht gefährden
    und mit der Permanenz echten menschlichen Lebens verträglich sind.'
    (?? - Sorry)

Es ist viel einfacher, diese Imperative zu formulieren,
als die Menschen zur tatsächlichen Anwendung zu motivieren
Wir wollen das im nächsten Teil versuchen, auch wenn die Birne rauchen wird.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 01.03.2017

Leistung im Sport
Teil 9/8: Fairness


Der Sport hat Fairness, Moral und entsprechende Regeln nicht zuerst und allein 'erfunden' und implementiert.
Natürlich ergibt sich Fairness auch und vor allem aus der Logik des Sports,
denn Teilnahme am Sport setzt nicht nur Kenntnis der Regeln voraus,
sondern auch das Verständnis und den Willen, den Regeln aus eigener Einsicht freiwillig zu folgen.
Jeder Teilnehmer erwartet die Beachtung der Regeln(formelle Fairness) von allen Anderen,
sonst würde er nicht teilnehmen wollen und auch nicht können.

Sozusagen 'von aussen' kam die Fairness in den Sport durch englische 'Gentlemen'  im 19. Jahrhundert.
In einigen von gehobenen oder höheren Schichten betriebenen Sportarten
vereinbarte man Regeln, die man aus den privaten und beruflichen Verhaltensnormen 'importierte'.
Niederschlag fand das aber auch z.B. in der English Schools Football Association:
1. Beat opponents by skill and not by unfair methods
2. Accept victory modestly and defeat cheerfully.
3. Keep your selfcontrol all times and do not retaliate.

Das englische Sportkonzept wurde massgebend für den olympischen Sport seit 1898,
auch weil Coubertin die Public School Education schätzte.

Es dauerte nicht lange, und Fairplay und Solidarität gerieten unter die Räder von Parteien, Staaten und Kommerz
Instrumentalisierung, Ausbeutung, Pervertierung und In-Humanität drängten mehr oder weniger ins Spiel.

Konnte sich der Sport nicht wehren und alle Anfechtungen, Korrumpierung und 'feindliche' Okkupation abwehren?
Die Gentlemen konnten es sich noch leisten, einen elitären Schutzwall zu pflegen,
sie betrieben ihren Sport als Amateure, sie konnten ihn sich locker leisten.
Aber wer seinen Sport als soziale Aufstiegschance sieht und wahrnehmen will,
begibt sich mehr oder weniger freiwillig in die obengenannten Verlockungen, Abhängigkeiten und Zwänge.
Infolgedessen wäre es unfair,
Athleten allein für bestimmtes Verhalten oder bestimmte Begleiterscheinungen verantwortlich zu machen..
Und darum kann man ohne institutionelle Hilfe in diesem System kaum vollkommen integer bleiben

Je höher der Leistungsanreiz und je bedeutsamer ein Erfolg ist,
desto schwerer ist es, der Versuchung zu widerstehen,
im Interesse eines als prioritär anerkannten Ziels(Sieg, Erfolg, Ruhm, Geld, Aufstieg, Belohnung, Glück)
zu betrügen, zu foulen, zu dopen.
Seel dazu 1995: 'Glückorientierung und moralische Orientierung
sind begrifflich aufeinander weder rückfürhrbar noch voneinander trennbar.'

Gebauer sieht kaum noch extreme Leistungsfähigkeit
gepaart mit fairem und respektvollem Verhalten gegenüber den Gegnern
und ein konsequentes Sich-Heraushalten aus den 'dreckigen Praktiken des Spitzensports'.
Krockow und die Sportverbände kommen sMn.
mit einer Lebenslüge einer besseren (Sport-)Welt mit Fairness und Regeln daher.

Beim Fussball geht es um (zu) viel.
Darum wird auch schon mal in Schlüsselszenen gefoult,
denn dann gibt es 11 Lamborghinis für die eigene Mannschaft.
Wird nicht gefoult, gibt es 11 Maseratis für den Gegner.
'Du Idiot, warum hast du nicht gefoult?

Es wird in der 1. Liga kaum bestochen, um Wettgewinne zu erzielen.
Warum? Ganz einfach: die Bestechung wäre zu teuer,
weil die Schiris, bzw. die Spieler zuviel zu verlieren hätten.
Oder haben die in der 1. Liga einen besseren Charakter? Wer weiss.

War das je anders?
Nö.
Kann Aristoteles, der mit der nikomachischen Ethik, uns als Orientierung und Leitbild dienen?
Nach heutigen Masstäben jedenfalls nicht,
denn zu seiner Zeit kam auf jeden Griechen 1 oder mehrere Sklaven(Platon hatte 5, Reiche Dutzende),
requiriert durch Krieg, Raub und Kauf.
Der Mensch als Handelsware, als Sache.
O-Ton Ari:
Der Sklave ist zwar einfacher Vernunft zugänglich,
aber unfähig, eigene Entscheidungen zu treffen.
Ari  sah dieses Herr-Knecht-Institut als natürlich und gerecht an.
Fair ist was anderes.

Hier entstanden  also Gewinne des Einen durch Ausbeutung des Anderen.
In der Sklavenhaltung.ist das eindeutig.
Un-eindeutig aber bei Managergehältern, denn  eine auch nur entfernt exakte Zurechnung,
ob und inwieweit sie für den Erfolg des Unternehmens ürsächlich sind, ist meistens unmöglich.
'Wir hatten mal sehr günstige Vorstände.
So günstig, dass Porsche fast pleite gegangen wäre.'
(Betriebsratschef Höcke)
Wäre unfair gegenüber den hart arbeitenden Mitarbeitern gewesen.

Für Firmen besteht das Motiv für ethisches Handeln heute immer mehr(Transparenz v.a. durch Medien und Internet) darin,
Reputation und damit Unternehmenserfolg nachhaltig zu sichern.
Es gibt vor allem 2 Methoden, wie man Moral und Wettbewerb vereinbaren kann:
1. Bestrafung unfairen, unethischen Handelns durch z.B. Sanktionen,
    die so teuer sind, dass es sich nicht lohnt, gegen den formellen oder informellen Codex zu handeln.
2. Belohnung, wordurch die Akteure des Unternehmens insgesamt (Wettbewerbs-)Vorteile erzielen(können).
Beides sind Strategien, die auf das wohlverstandene Eigeninteresse der Akteure zielen.

Fairness, Integrität, moralisches, soziales Handeln
muss sich im Rahmen eines implementierten Anreizsystems für alle Akteure lohnen,
das heisst, alle müssen voll in das Belohnungs- und Bestrafungssystem eingebunden sein.

Aber was ist mit der unmoralischen Konkurrenz?
Die hat ja nun Wettbewerbsvorteile....
Noch teilweise ja, in der Zukunft immer mehr nein.
Denn immer mehr Öffentlichkeit und immer mehr Verbraucher
verlangen immer mehr Transparenz, Compliance, Vertrauenswürdigkeit und Fairness ,
ansonsten kostet es immer mehr Geld(VW-Beschiss) und sogar das Verschwinden vom Markt,
und das wäre auch gut so.

Adam M. Grant hat in seinem Buch: 'Geben und Nehmen' gezeigt,
ob und inwieweit sich Altruismus im Berufsleben auswirkt.
- Nehmer geben mehr als sie nehmen
   und gehören sowohl zu den schlechtesten als auch zu den besten Performern.
   Sie bauen permanent weitreichende Netzwerke, sind überall hilfreich  und setzen sich für Andere ein,
   ohne Gegenleistungen zu erwarten oder aufzurechnen.
   Die zu gutmütigen Geber werden zu oft ausgenutzt und gehören zu den schlechtesten Performern.
   Die erfolgreichsten Geber wollen zwar für alle Beteiligte win-win-Situationen schaffen,
   setzen aber auch konsequent Grenzen
   Sie erhalten wegen ihrer Kooperations- und Hilfebereitschaft auch selbst Unterstützung, auch unaufgefordert.
   Hinzu kommt der Vorbild- und Nachahmungseffekt,
   so dass viele Andere motiviert werden, auch zu Gebern zu werden.
- Nehmer nehmen mehr als sie geben,
   Sie sind zwar oft schneller erfolgreich, machen sich aber auch viele Feinde
   und werden dadurch mit Rufschädigung bestraft.
   Daher schaffen es auch ganz wenige dieser Spezies nach oben.
   Falls doch, kommt der Absturz schneller, wenn sie ihr egozentrisches Handeln nicht bessern.
- Tauscher haben eine ausgeglichene Geber-Nehmer-Bilanz,
   sie bewegen sich wie die Nehmer meistens im Mittelfeld.

Es gibt sicherlich Altruismus ohne bewusses Eigennutz-Kalkül,
aber kaum Altruismus ohne positive intra- oder inter-personale Effekte.