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Leichtathleten als Philosophen? - Druckversion

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RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 21.07.2017

(21.07.2017, 13:43)Atanvarno schrieb: Der Mathematiker hat im Gegensatz zum Philosoph verstanden, dass selbst Ereignisse mit Wahrscheinlichkeit 0 eintreten können. Idea

Der Philosoph weiss, dass Wahrscheinlichkeiten Menschen-gemacht sind.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 11.08.2017

Zwei Philosophen gucken Leichtathletik.

P1: Sag' mal, warum rennen die alle so? Wo ist der praktische Nährwert?
P2: Schnell laufen zu können ist sehr nützlich, wenn die Steuerfahndung hinter einem her ist!

P1: Naja, schräges Beispiel. Aber was ist mit den Speerwerfern, wo bleibt da der Utilitarismus?
P2: Jedenfalls müssen die nie verhungern, zur Not gibt es bei denen immer selbsterlegten Hasenbraten.

P1: Na gut, aber Stabhochspringen ist doch wohl völlig ohne Mehrwert!?
P2: Sag das nicht, als Knastologe wärst du gerne Stabhochspringer, bei den hohen Mauern!

P1: Zum Hammerwerfen fällt dir aber bestimmt nichts Vernünftiges ein, son Quatsch aber auch!?
P2: Was ist, wenn die Abrissbirne kaputt ist? Sollst mal sehen, wie schnell das ein paar Hammerwerfer erledigen!

P1: Das sind doch alles mehr oder weniger an den Haaren herbeigezogene Beispiele.
       Typisch Philosoph eben!
P2: So? Und was ist mit den Astralkörpern? Könntest du auch  gut gebrauchen, damit du endlich mal eine Frau abkriegst!

P1: Wann ist das nächste Training?


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 29.09.2017

Da wir stramm auf 200.000 Klicks zugehen,
werde ich zum Jubiläum eine Flasche Sekt kaltstellen
und doch schon was zum 10. und letzten Kapitel
'Das Prinzip Verantwortung' schreiben.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 22.10.2017

Leistung
Teil 10: Das Prinzip Verantwortung


    10 Gebote für junge Cracks
1. Trainiere selten, so wirst du Meister.
     Wenn schon, komme eine halbe Stunde zu spät. Pünktlichkeit ist spiessig.
2. Habe immer eine Ausrede.
     Du hast z.B. zuhause helfen müssen, die Sportsachen waren noch in der Wäsche, etc.
3. Fummele recht viel.
     Das erfreut deine Mitspieler, denn sie bekommen dann nicht so oft den Ball.
4. Laufe niemals frei, dies ist unvornehm.gegen den Gegner,
     weil er sonst nie an den Ball kommt. Bleib stehen und döse!
5. Wenn dein Kamerad einen Ball vermasselt hat,
     lass dir das nicht gefallen und sag ihm die Wahrheit. Du Idiot zum Beispiel.
6.  Wenn du selbst eine todsichere Sache neben die Kiste setzt,
     sage: so'n Pech! und greife zum Schenkel. Er war schuld!.
7.  Vom Abseits brauchst du nichts zu verstehen.
     Es genügt, wenn dass du Abseits schreist, wenn der Gegner vorgeht.
8.  Am Schiedsrichter lass kein gutes Haar.
      Er ist bestochen, ein Schieber und allein schuld, wenn ihr verliert.
9.  Mit sauberen Sachen zum Sport zu kommen, wer wird so eingebildet sein!
      Mit Dreck und Speck, so ist's richtig!
10. Wenn Bälle zu holen, Trikots wegzubringen sind
       oder sonst was zu helfen ist, verschwinde unauffällig. Helfen ist doof!
(Aus einem brasilianischen Umkleideraum von 1958)


'Wir haben es teilweise mit Kindern zu tun, die komplett verwöhnt sind,
und nur das Nötigste tun.
Sie würden am liebsten keine Verantwortung übernehmen,
genau das muss aber auf dem Platz passieren.

Für Sportler ist nichts bequemer, als bei unkonstanten Klubs zu spielen.
Sie wissen, wenn sie keinen Bock mehr auf den Trainer haben,
lassen sie einfach die Leistung weg.
Sie brauchen nie Verantwortung übernehmen.'
(Matthias Herzog, Sportpsychologe, 2017)

'Der Einzelne erwartet, dass der Organismus handelt,
auch wenn er nicht tätig wird.
Und er überlegt nicht, dass gerade deshalb, weil seine Einstellung sehr verbreitet ist,
der Organismus notwendig untätig ist.'
(Antonio Gramsci)

'Handele immer so, dass du ernsthaft wollen kannst,
dass die Handlung und seine Folgen sich wiederholen möge.'
(Bernd Magnus' aus Nietzsches ewiger Wiederkehr des Gleichen herausdestillierter kategorischer Imperativ)

Wenn man diesen Imperativ zu Ende denkt,
kann er in der Me First!-Variante auch für Egomane, Asoziale, Kriminelle, Wiederholungstäter, Despoten und Terroristen gelten.

Schon in der Urzeit und in Stammesgesellschaften hätte ein solcher Imperativ nicht funktioniert,
erst recht nicht in der vernetzten Globalgesellschaft. des 21. Jahrhunderts(World first!)
mit ihren interdependenten Risiken und Folgen - auch für spätere Generationen.(Children first!)
Die klassischen Ethiken verfügen heute nicht mehr über die erforderlichen Handlungsreichweiten.

Damit sind wir bei Hans Jonas' universalem, zukunftorientiertem. ethischem Imperativ:
'Handele so, dass die Wirkungen  Deiner Handlungen
verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.'


Wie im ersten Kapitel dargestellt, hat Gott(wenn es ihn gab oder gibt)
seit der Vertreibung der Menschen aus dem Paradies bis heute
jegliche Einflussnahme in den physischen Verlauf des Weltgeschehens unterlassen.

Sogar auch dann, wenn die Menschen Allerschlimmstes verbrochen oder erlitten haben.
Das ist der Preis für die menschliche (Handlungs-)Freiheit.
Der Verzicht einer übermenschlichen Macht(Gott, Schöpfer, Schicksal, etc),
menschliches Handeln zu bestimmen,
gibt den Menschen (Handlungs-)Freiheit, untrennbar verbunden mit Verantwortung.

Durch den Menschen entsteht Gutes und Schlechtes in der Welt
Die 2. Sure des Korans betont die menschliche Freiheit, die auch das Schlechte hervorbringen kann.
Es geht für den Menschen immer um ein Wählen auch in Bezug auf Religion(Sure 2/256).
Zwang und Glauben gehen nicht zusammmen,
weil der Glaube nur durch die freiwillige Einwilligung entstehen kann.

So entsteht notwendig evolutionär-empirisch Pluralismus in der Welt,
weil der Mensch immer wieder Differenz schafft und verkörpert.
Aber alle Menschen eint der Wunsch nach Rat, Trost, Vergebung
und Übernahme von (zu)schwerer Verantwortung durch wen auch immer:
durch eine metaphysische Instanz, durch mächtige(re) Institutionen und Personen oder durch Zuständige(re).

Hans Jonas war durchaus bewusst, dass sein Imperativ hochanspruchsvoll ist,
er verlangt eminentes Wissen, Verzicht, oft mit Nachteilen verbundenes Engagement,
eine Balance von Freiheit und Gerechtigkeit zugunsten vor allem auch derer,
die keine Verantwortung tragen können, weil sie ungeboren, unmündig oder unwissend sind.
Dafür muss notwendig individuelle Freiheit, Hedonismus, Egoismus
zugunsten eines kollektiven, globalen Besser- und Über-Lebens eingeschränkt werden.
(Wir erinnern uns an die örtlichen und zeitlichen Weit-weg-Teufel im Kapitel Motivation...)

Es lässt sich aber kein Imperativ der Betroffenheit installieren,
der Mensch ist auf der momentanen Evolutuionsstufe immer noch ein Wesen der Nähe,
und für Betroffenheit ist Nähe eine wichtige, entscheidende Voraussetziung.
Der Mensch hat mittels seines Geistes und der durch ihn geschaffenen Kommunikations- und Mobilitätstechnologien
zwar einerseits Instrumente des Schaffens von Nähe zur Verfügung,
er ist aber sogar auch beim besten Willen und bei bester Einsicht meistens überfordert,
weil er nicht sicher wissen kann, was er tun muss, um das Ziel zu erreichen.

Hans Jonas: 'Die Menschen können sich nicht freimachen von Sachzwängen,
in die sie sich mit dem technologischen Anschlag auf die Natur begeben haben.
Der Raubbau an der Natur ist übergegangen in die Lebensgewohnheiten der Menschen,
besonders in der westlichen Industriegesellschft.
Die Fernperspektive, besonders wenn sie erst künftige Generationen betrifft,
bringen die Menschen offenbar nicht zu Verhaltensänderungen(zeitlicher Weit-weg-Teufel).

Darin liegt die Paradoxie der Rolle des Geistes in der Welt:
dass um seinetwillen sich dieses ganze Abenteuer Menschheit lohnt ,
dass er aber gleichzeitig auch die Bedingungen für die Fortsetzung dieses Abenteuers zerstört.

Die Philosophie muss sich auf neues, unbekanntes Terrain begeben.
Das Verhältnis von Mensch zur Natur ist noch nicht ernsthaft Gegenstand sittlicher Überlegung gewesen.
Da treten Fragen der Psychologie auf, der Anthropologie, auch der Realzwänge,
Selbstverständlich ist, dass Freiheit nur existieren kann, indem sie sich selber beschränkt.
Eine unbegrenzte Freiheit des Individuums zerstört sich dadurch ,
dass sie mit den Freiheiten der vielen Individuen nicht vereinbar ist.

Welche Macht hat Einsicht?
Erstens ist sehr grosse Kundigkeit nötig, sehr viel Sachverständnis.
Zweitens ist sehr viel Freiheit von persönlichen Interessen nötig, ein gewissen Mass an Selbstlosigkeit
und die Hingebung an die sozusagen wahren Interessen der Menschen.
Ich weiss nur eines. Man darf die (Macht-)Frage nicht zur Ruhe kommen lassen,
sonst werden die Stärksten, die Mächtigsten im Endkampf um Ressourcen und ums Überleben die Regeln bestimmen.
Dann geht wirklich unsere Kultur, die Menschlichkeit des Menschen, zum Teufel.
Die Philosophie muss eine neue Seinslehr erarbeiten.'

Eine beträchtliche Schwierigkeit besteht darin, dass künftige Generationen
als ein moralisches Subjekt-Konstrukt mit hypothetischen Interessen antizipiert werden müssten,
um durch legitime Interessenvertreter der Gegenwart an Gerechtigkeitsdiskursen
einer zeitunabhängigen, virtuellen  sozialen Gemeinschaft 'teilnehmen' zu können.

Warum kann Jonas Verantwortung als Prinzip etablieren?
1. Jonas sieht die Immanenz der Welt, unabhängig von Gott,
     jedenfalls geht er bis auf den Beweis des Gegenteils von der Immanenz
     als der grundlegenden und höchsten Determinante des Menschen aus.
     Zeitlich- und Endlichkeit menschlichen Daseins sind mit der Immanenz der Welt verknüpft.
2. Jonas' Philosophie des Organischen, sein ontologisch-teleologischer Ansatz
     geht von einer intrinsischen Werthaltigkeit des Lebens insgesamt aus.
     Da die Folgen menschlichen Handelns weit in die Zukunft hineinreichen,
     muss Verantwortung zu einem perspektivischen Vorsorgeprinzip gemacht werden,
     das die Determinierung des zu-Tuenden bertrifft.
3. Denker und Handelnde sind Verantwortliche,
    das Denken hängt wesentlich und entscheidend von der Auffassung seiner Verantwortlichkeit ab.
4. Freie und wirkungsmächtige Wesen wie der Mensch sind zur Verantwortung 'verurleilt'.
   
Somit ist Jonas' Prinzip Verantwortung unhintergehbar.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 29.11.2017

Sylvia Schenk in ADH 3/2017:

''Leitbild des ADH 2014/Grundlegende Werte:
- Konstruktive Diskussionskultur
- Transparente Entscheidungspriozesse
bilden die Basis für:
- Fair Play
- Respektvoller Umgang miteinander
- Chancengleichheit
- Manipulationsfreier Sport

...Integrität muss sich im Alltag beweisen
Zudem haben sich in den letzten 2 Jahrzehnten die Erwartungen
hinsichtlich Transparenz, Objektivität, Verantwortlichkeit und Partizipation deutlich erhöht,
der Kommunikationsbedarf hat zugenommen.

...Ein Ethik-Code mit dem grundlegenden Werte-Gerüst
- noch etwas detaillierter als im ADH-Leitbild -
sind das Minimum, um allen Beteiligten und Verantwortlichen
eine Richtschnur für transparentes und integres Verhalten zu geben.

...Eine solche Ausrichtung des Hochschulsports
(vom Leitbild zu Good Governance),
verbunden mit einer Debatte über Umfang und Inhalt globaler Verantwortung des Sports in heutiger Zeit,
wäre auch ein weiterer wesentlicher Beitrag des ADH
zur im Leitbild propagierten Vermittlung von Wissen und sozialen Kompetenzen
auf einer breiten und zukunftsweisenden Basis.''


Dies und mehr wurde in diesem Thread intensiv behandelt,
auch und vor allem, um sich bewusst(er) zu machen,
dass (sportliche) Leistung nicht nur als physikalisches Phänomen aufzufassen ist,
sondern dass auch ethische Werte wie z.B. Fair Play eine unabdingbare Leistung darstellen.
Und nur in diesem Zusammenwirken kann von wünschenswertem und akzeptablem Sport gesprochen werden.

Dass Verantwortung selbstverständlich ebenso eine wichtige,
wenn nicht die übergeordnete Leistung darstellt, wird hier noch eingehend besprochen.

Wenn Verantwortung keine Leistung wäre,
würden sie nicht Soviele vermeiden oder gar verachten.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 10.12.2017

Hegel und Wittgenstein beim Wein.

W: Weisst Du, Georg Wilhelm Friedrich, was das schönste aller Gefühle ist?
H:  Du wirst es mir gleich verraten.
W: Ein Genie zu sein und es als Einziger zu wissen!
H:  Um das sagen zu können, müsstest Du
     1. ein Genie sein. Das kannst Du aber nicht wissen.
     2. wissen, dass alle Anderen das nicht wissen. Das kannst Du erst recht nicht wissen.
W: Doch! Ich weiss, dass ich ein Genie bin weil ich weiss,
     dass alle Anderen nicht begreifen, was ich begreife. Auch Du!
H:  Bei mir ist das anders.
     Von mir sagen alle, dass ich ein Genie bin.
     Aber das ist mir egal. denn wäre ich eins,
     wäre ich es auch ohne Bestätigung oder Verneinung Anderer.
W: (Nimmt den Regenschirm, um Hegel zu verdreschen)
      Du Klugscheisser!


RE: Leichtathleten als Philosophen? - lor-olli - 11.12.2017

Interessanter Aspekt! Wann ist man ein Genie, ein großer Künstler oder großer Athlet? (die anderen Kategorien spielen auf anderen Wiesen, die Bedingungen sind aber ähnlich abhängig)

Ich kann die 85m  in absoluter Top-Zeit laufen, wenn ich mich nicht über 60m oder 100m mit anderen messe, interessiert das keine S…. Ein Künstler dessen Werke sein Atelier nie verlassen, wird nie als großer Künstler anerkannt, ganz abgesehen vom finanziellen Aspekt, der für viele / die meisten die "Größe" bestimmt.

Wäre Wittgenstein jenes Genie geworden wenn nicht Betrand Russell sein Förderer gewesen wäre? Zumindest IHN hat er ja von seinem Genie, beabsichtigt oder ohne Absicht überzeugen können, ansonsten hätte dein Dialog / Parabel keine Pointe.

Genius oder ingenium gilt unabhängig von der Wahrnehmung durch andere? Im Kant'schen Verständnis wäre also Wittgenstein kein Genie?


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 11.12.2017

Das Beispiel Wittgenstein/Hegel sollte zeigen, wie ein arroganter Egozentriker, der sich für den genialsten hält,
auf einen seriös und hart arbeitenden Denker trifft und von diesem ausgebremst wird.

Dabei kann man natürlich auch an viele andere Personen denken, die einem so unterkommen im Leben.

Wittgenstein würde ich nicht als Genie sehen.
Er hat zum Beispiel sein Erstwerk Tractatus später zu recht in nicht wenigen Punkten kritisiert/geändert wissen wollen.
Er hat danach sehr wenig publiziert, mMn ist er einer der überschätzesten Philosophen des 20. Jahrhunderts.
Auch sein Sprachspiel gibt nicht sehr viel her.

Russell hat W. promoviert, wohl auch weil er sein durchaus nicht geringes Potential gesehen hat,
aber W. hat - aus Faulheit, Desinteresse oder warum auch immer - zuwenig draus gemacht.

Das Genie-sein ist eine Angelegenheit der Zuschreibung.
Hegel kann sich nicht dagegen wehren, unabhängig vom Wahrheitsgehalt.
Wittgenstein dagegen fordert von Anderen, ihn gefälligst als Genie zu sehen.
Tun sie das nicht, sind sie eben zu blöd dafür, so einfach ist das für ihn.

Das Genie-sein ist auch eine Frage des Zeitgeistes, der Zufälle und der Konjunktur.
Hitler könnte man als Genie des Bösen bezeichnen, viele würden dem zustimmen.
Es gibt auch unzählige unbekannte oder verkannte Genies und noch viel mehr Möchtegern-Genies.

Es werden Viele zu Genies aufgeblasen, wenn bestimmte Leute, Medien, etc. ein Interesse daran haben.
Fazit: Vorsicht bei Inflationierung und manipulativer Zuschreibung.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - RalfM - 12.12.2017

Ich komme jetzt nur alls billiger Klackör zur Seite, aber ich habe mich mit dem Tractatus auch mal abgemüht, bis ich dann zum Schluss kam, dass Wittgenstein vor allem ein genialer Poser war.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - lor-olli - 13.12.2017

@MZ,

ich denke, ganz so einfach darf man es sich nicht machen, "fauler Sack", "Genie" etc. sind überaus subjektive Kategorien - reicht da die Betrachtung einer hinterlegten Leistung allein? RalfM spricht vom Poser Wittgenstein, seine Persönlichkeit würde heute vermutlich differenzierter betrachtet. Ein vermutlich sehr hoher IQ, gepaart mit einer problematischen Psyche (Depressionen, Verfolgungswahn, unterdrückte Homosexualität, drei seiner ebenfalls hochbegabten Geschwister begingen Selbstmord, bei ihm gab es nur einen ungeklärten Versuch) die sich nicht zuletzt auch in seiner nahezu vollständigen Abkapselung von der Umwelt äußerte. Er ernährte sich die letzten Jahre (mind. 5) ausschließlich von Cornflakes, aus der Überzeugung man wolle ihn vergiften…

Einiges in seiner Persönlichkeit lässt  Asperger-Symptome stark vermuten - in der Konsequenz, dass soziale Interaktionen, auch Veröffentlichungen, Diskussionen etc. einfach nicht ins Profil passen. Für solche Menschen zählen Kategorien wie Fleiß und Erscheinung nicht, eine Erkenntnis die für sie selbstverständlich ist, wird nicht erklärt, wozu sollten sie? Ansehen (Poser) oder harter Arbeiter (Hegel?) ist bei ihnen kein Handlungskriterium - am Tractatus scheiden sich die Geister. Zurecht? Ist wie bei vielen anderen Aspekten, nicht alles mag man in der Konsequenz so nachvollziehen.

Ich persönlich meide den Begriff Genie, weil so subjektiv / nicht eindeutig. War etwa Van Gogh ein Genie? Zu seinen Lebzeiten dachte kaum jemand so, genau wie bei einigen anderen die stur ihrem eigenen Sinn folgten. Was macht aus einem "Spinner" (posthum) ein "Genie"? Auch Scharlatane schaffen es hin und wieder in diesen "Status" Wink Wir kennen auch Philosophen die durchaus nicht nur "geniale Ansichten" in ihrer Zeit zu Papier brachten, macht sie das zu weniger guten Philosophen?

Bei einem Philosophen halte ich den Begriff auch deswegen für unangebracht, weil hier eine Idee nicht reicht - ein Künstler erschafft ein Werk und "fertig" (im Sinne einer eiligen Skizze), ein Philosoph wird damit nicht zum "Genie", dazu bedarf es schon ein wenig mehr Anstrengung / Arbeit / Überzeugungskraft.

Die Schönheit, das Geniale zeigt sich in den Geisteswissenschaften anders als in den Naturwissenschaften nicht unabhängig vom Rezipienten. E=MC^2 erreicht Akzeptanz auch ohne Claqueure  (bei einer mehrere Seiten umfassenden Beweisführung, sieht es bei Nichtfachleuten schon anders aus… Kann ein Forscher am CERN zum "Genie" werden? Allein die Erklärungen zur Quantenmechanik…  Das Finden des Higgs Bosons etwa war ein intellektueller, finanzieller und arbeitstechnischer Kraftakt  einer großen Forschergruppe. Genial auch wenn keiner der Beteiligten als Genie bezeichnet würde?)

Sorry für den Schnellschuss, lor-olli durfte gerade ein paar Tage über die Qualitäten des deutschen Verkehrs- und Transportwesens belastend nachdenken - erschöpfende Kilometer ohne großes Vorwärtskommen, dazu noch durch einfache Witterung ausgebremste "fortschrittliche" Technik machen denkfaul. (oder einfach nur müde?)