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Leichtathleten als Philosophen? - Druckversion

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RE: Leichtathleten als Philosophen? - Atanvarno - 13.12.2017

(13.12.2017, 09:49)lor-olli schrieb: Das Finden des Higgs Bosons etwa war ein intellektueller, finanzieller und arbeitstechnischer Kraftakt  einer großen Forschergruppe. Genial auch wenn keiner der Beteiligten als Genie bezeichnet würde?)

Die Genies waren in diesem Fall Higgs und Englert, die das Higgs Boson vorhergesagt haben. Die experimentelle Bestätigung war aus meiner Sicht dann kein genialer Akt mehr.
Ähnlich bei den Gravitationswellen. Die Detektoren und die Auswertung der Messergebnisse sind praktische Meisterleistungen, aber das Genie war Einstein.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - Jo498 - 13.12.2017

Nun hat Peter Higgs von dieser einen Sache abgesehen, keine illustre Karriere oder andere aufsehenerregende Ergebnisse vorzuweisen. Das mag insgesamt eher der Normalfall sein, aber vgl. mit Einstein oder auch Feynman, Gell-Mann, Weinberg u.a. war Higgs insgesamt kein herausragender Physiker des 20./21. Jhds.

Diese Einordnung Higgs' ist unabhängig von der Frage, ob "Genie" ein besonders hilfreicher Begriff in der Geistes- oder Wissenschaftsgeschichte ist. Aber es gibt schon ein paar Kandidaten, denen man anders kaum beikommen kann, wie Einstein. Als Angestellter im Patentamt noch ohne Doktorgrad oder gar Lehrstuhl und Mitarbeiter in einem Jahr drei nobelpreiswürdige Erkenntnisse (Lichtquanten/Photoeffekt, Spezielle RT, Brownsche Molekularbewegung) rauszuhauen, hat es nicht so oft gegeben.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - lor-olli - 13.12.2017

Das war eigentlich gar nicht meine Absicht… (die Naturwissenschaftler hier herein zu bringen)

Ich wollte lediglich die Subjektivität des Begriffes Genie illustrieren - bei reinen Zahlen- und Faktenmenschen (Mathematiker, Naturwissenschaftler) bedarf es des Begriffs Genie gar nicht, ihre Leistung ist mess- bzw. nachvollziehbar. (wird aber trotzdem unterschiedlich gewürdigt, es gab große indische Mathematiker, hier eher nur Fachleuten bekannt)

Bei einem Künstler macht erst die wohlwollende Rezeption des Werkes den Künstler zum "Genie", weil seine Qualität nicht unmittelbar gemessen werden kann. Ist ein Werk technisch perfekt kopiert, unterscheidet sich kaum nachweisbar vom Original, ist der Künstler ein handwerklicher Macher oder ein Betrüger Wink

Philosophen sind mit dem Begriff Genie oder nicht ebenfalls nur unzureichend zu erfassen, eine Idee, ein Postulat (wie das Higgs Boson) reicht da nicht und die "Arbeit" der Argumentation würde ich eher im nicht kreativen Bereich einordnen.

Wenn wir den Begriff Genie verwenden, wie er umgangssprachlich verwendet wird, ist ein Genie vielleicht einfach jemand mit außergewöhnlicher Begabung, da kann sogar ein Fußballer zum Genie werden (sorrry den konnte ich mir nicht verkneifen… Teufel )
Ich möchte mich hier auch gar nicht festlegen, dazu ist der Begriff zu volatil/subjetiv/beliebig (?) Das Wittgenstein in die Reihe der außergewöhnlichen Denker gehört, werden aber wohl die wenigsten bestreiten, Genie oder nicht. Philosophie ist eben nicht unabhängig vom Zeitgeist, vom Rezipienten und oft sogar (heutzutaga) von der Persönlichkeit. Das große Publikum erreicht der Denker im Elfenbeinturm nicht und möchte jemand behaupten alle Philosophen wären uneitel (Bücher und Fernsehsendungen mögen keine großen geistigen Werke sein - aber sie bringen Geld und Prestige, wenn auch vielleicht nicht in der Fachwelt)


RE: Leichtathleten als Philosophen? - Jo498 - 13.12.2017

Es gibt normalerweise keine reinen Zahlen und Fakten, die aus dem Nirgendwo eine Bedeutung hätten. Die Bedeutung eines Naturwissenschaftlers hängt in ähnlicher Weise vom Hintergrund, Tradition und der (scientific) community ab wie die eines Philosophen. Damit will ich die eigenen Leistungen dieser Personen nicht schmälern, aber die Leistungen sind eben nur in einem bestimmten Kontext verständlich und zu würdigen.
Und es gibt auch keinen quantitativen Vergleich wie zwischen zwei Versicherungsvertretern.
Wenn ich oben schrieb, dass Einstein drei oder mehr Nobelpreise hätte kriegen können, weil Spezielle, Allgemeine RT und Photoeffekt jeder für sich einen wert gewesen wären klingt das nur quantitativ, aber es ist natürlich keine exakte Messung.
Wieviel ist eine Lichtquantenhypothese wert gegenüber einer Vorhersage des Gravitationslinseneffekts? Das kann man vielleicht irgendwie bewerten, aber genauso objektiv wie man Tractatus gegenüber Philosophische Untersuchungen oder Sein und Zeit oder was weiß ich bewerten kann.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 13.12.2017

@Lor-Olli: Ich habe das mit Wittgensteins Faulheit nicht von ungefähr geschrieben.
Er hat ziemlich lange 'Kunstpausen' eingelegt.
Das mag verschiedene Ursachen haben: Desinteresse, die ebenso ignorante wie arrogante Ansicht,
dass er die Philosophiegeschichte(die er niemals einigermassen genügend zur Kenntnis genommen hatte)
ad absurdum oder nichtsnutzig gemacht hätte und es nach ihm nichts mehr zu philosophieren gäbe, usw...

Mag auch sein, dass er nach einer gewissen Zeit der durchaus intensiven Beschäftigung
einfach die Schnauze voll und was ganz anderes gemacht hatte...

Jedenfalls ist er eigentlich nie richtig zu Potte gekommen, den Tractatus zu renovieren
geschweige denn ein sytematisches opus magnum abzuliefern.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - lor-olli - 14.12.2017

Oha…
Zuerst: Einwände sind ALLE akzeptiert, ich würde auch nie behaupten, dass eine Person wie Wittgenstein eine einfache oder angenehme Persönlichkeit war… (aus persönlicher Erfahrung weiß ich, wie herausfordernd der Umgang z.B. mit einer Asperger Persönlichkeit sein kann - monothematisch hochbegabt aber so kanalisiert, dass allein ein alltägliches Gespräch beinahe unmöglich ist)

Faulheit lasse ich in Bezug auf den angestrebten fachspezifischen Erfolg gelten - hat der Betreffende untätig rum gesessen, völllg andere, fachfremde Gedanken verfolgt, oder wurde er durch seine eigenen psychischen Probleme gebremst? Wenn dem so wäre gilt dann der Begriff Genie nicht mehr? Genie lässt sich wie Jo schon anmerkte, nicht in Katagorien pressen oder vergleichen, in der Regel handelt es sich um Personen, die aufgrund außergewöhnlicher Fähigkeiten völlig neue Gedanken wagen, neue Wege finden, undenkbares Denkbar machen (zu Zeiten der Aufklärung natürlich einfacher ).

Genies in der Musik, Literatur oder Kunstwelt gehorchen anderen Kriterien als in den faktenbasierten Wissenschaften? (und gehört die Philosophie dann nicht dazu?). Ist die Größe des interpretativen Spielraums hier eine Größenordnung? Ich bin nicht genial genug um hier eine Skala zu erdenken Big Grin , belasse es also ruhig bei der Undefinierbarkeit des Begriffes und verwende ihn eher nicht. (Hat aber auch den Vorteil, dass ich Kritik verstehe, nachvollziehen und sogar zulassen kann, Wittgenstein wohl eher nicht…)

Das Wittgenstein bei ausschließlichen und ungestörten Fokussierung auf seine philosophischen Themen "mehr" hätte leisten können, bestreite ich sicher nicht (er hat auch interessante neue Gedanken zur Linguistik gehabt). Das die Betrachtung einer Persönlichkeit immer im zeitlichen Kontext gesehen wird, gilt ebenso uneingeschränkt. Hätte Mozart ähnliches erreicht, wenn er ein paar Jahrhunderte früher geboren wäre, oder heutzutage Musik machen würde? Hätte Einstein seine Gedanken zu Zeiten der Inquisition geäußert ,wäre er nicht als "Genie" geendet sondern auf dem Scheiterhaufen. Usain Bolt hätte vor 300 oder 400 Jahren so flott sprinten können wie heute, dass hätte niemanden interessiert. (auch wenn das mit Genie nichts zu tun hat, dafür aber mit Leichtathletik!)

@Jo vielleicht noch: Zahlen und Fakten werden nicht erdacht, ABER das Erkennen und Nachweisen von Zusammenhängen durch ungewöhnliche Überlegungen unterscheidet den Begabten vom harten Arbeiter - Erfolg können beide haben, den Status "Genie" wird letzterer aber so nicht erreichen. In einigen technischen und wissenschaftlichen Bereichen tun sich Solisten auch zunehmend schwerer. (Beispiel CERN)


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 15.12.2017

(14.12.2017, 09:33)lor-olli schrieb: Genie lässt sich wie Jo schon anmerkte, nicht in Katagorien pressen oder vergleichen, in der Regel handelt es sich um Personen, die aufgrund außergewöhnlicher Fähigkeiten völlig neue Gedanken wagen, neue Wege finden, undenkbares Denkbar machen (zu Zeiten der Aufklärung natürlich einfacher ).

Genies in der Musik, Literatur oder Kunstwelt gehorchen anderen Kriterien als in den faktenbasierten Wissenschaften? (und gehört die Philosophie dann nicht dazu?). Ist die Größe des interpretativen Spielraums hier eine Größenordnung? Ich bin nicht genial genug um hier eine Skala zu erdenken Big Grin , belasse es also ruhig bei der Undefinierbarkeit des Begriffes und verwende ihn eher nicht.


Oha, hätte nicht erwartet, dass soviele Beiträge kommen.

Wenn hier über Genie diskutiert wird,
muss zwangsläufig eine wenn auch oft diffuse, unscharfe Vorstellung davon mitschwingen,
wobei jeder andere aus-, bzw. un-ausgesprochene Kriterien oder Qualitätsansprüche im Sinn hat.

Man könnte sich dem Begriff vielleicht so nähern:
Eine Person, die eine für die Meisten nicht nachvollziehbare,
für nur Wenige nachahmensmögliche Leistung
auf welchem Gebiet auch immer erbringt,
die sich weit vom bisher Erreichten abhebt,
Neuland erschliesst
oder einen komplexen Wissensfundus einfach und allgemeinverständlich runterbricht,
ohne oder nur minimale Verluste dabei zu verursachen.

Man sieht, dass hier objektive und subjektive Kriterien einfliessen,
wodurch und wobei die Kriterien notwendig relativ und schwammig sind.


Z.B. hat Nietzsches Postulat: 'Gott ist tot!'
somit aus mehreren Gründen nichts geniales an sich.
Es gab seit Beginn der Menschheitsgeschichte solche oder ähnliche Ansichten,
mit oder ohne Begründung.

Thomas Hobbes ging 250 Jahre vor Nietzsche bei der Grundlegung seiner Morallehre
von keiner dem Menschen übergeordneten Instanz aus.

Wenn man also vorhat, ein Genie werden zu wollen, sollte man vorher gucken,
was Andere schon längst geleistet haben, sonst könnte man sich blamieren.


RE: Leichtathleten als Philosophen? - lor-olli - 17.12.2017

Zustimmung - UND als Genie wird man nicht geboren oder macht sich selbst dazu. Weltrekordler kann ich aus mir selbst heraus werden (Talent, Training und ein wenig Glück vorausgesetzt), zum Genie machen mich andere und dieses "zum Genie machen" ist nur bedingt durch mein Zutun bewusst steuerbar. Selbstverständlich wird man erst zum Genie, wenn man genug Menschen mit einer Leistung beeindruckt hat, je weniger vergleichbar ein solches Tun ist - ein Künstler wir ja durch seine Einzigartigkeit zum Genie - desto größer die Wahrscheinlichkeit zum Genie erkoren zu werden, Zeitgeist, Gesellschaft etc. vorausgesetzt.

Letztlich läuft es daruaf hinaus, dass der Begriff Genie ein Substitut für die Anerkennung einer Leistung ist, die ich nicht direkt messen kann. Das diese Subjektivität die Möglichkeit bietet sein eigenes Bild (bewusst oder unbewusst) überzubewerten, ist sicher auch der Funktionweise unsere Gehirns geschuldet. Denker - egal ob Naturwissenschaftler oder Philosophen - erbringen ihre Leistung aber nachvollziehbar, auch wenn sie ungewöhnliches erdacht haben. Ihre Gedanken tragen erst Früchte, wenn andere sie nachvollzogen haben. Einen Picasso kann man eher nicht nachvollziehen, egal wie lange ich mich mit seiner Maltechnik auseinandersetze.

Der umgangssprachliche Gebrauch des Begriffs Genie, für die bewundernde Anerkennung einer außergewöhnlichen Leistung, scheint mir dagegen unproblematisch. Er wird intuitiv verstanden, selbst wenn ich ihn persönlich im selben Fall vielleicht nicht anwenden würde oder so sehe.

Kann man Wittgenstein (um zum Ausgangspunkt dieser Diskussion bzgl. "Genie" zurückzukehren) messen? Seine Gedanken kann man nachvollziehen, aber auch anders bewerten, seine Schlüsse sind soweit logisch, dennoch lässt sich ihre Bedeutung je nach eigener Einschätzung anders beurteilen - das trifft aber auf die Philosophie generell zu (Nietzsche, Adorno, Heidegger, V. Hösle…). Beispiel Vittorio Hösle: Er wird den wenigsten etwas sagen (Promotion mit 22, Habil. mit 26, zahlreiche Bücher und Tätigkeiten über sein Fachgebiet hinaus), vielleicht kennen einige noch am ehesten das Buch "Cafe der toten Philosophen". Die Leichtigkeit mit der er sein Pensum erbrachte hat schon etwas sehr "geniales" . Die Öffentlichkeit nimmt ihn aber nur indirekt wahr, wohl auch weil er seine Person nicht in den Vordergrund drängt, eher bescheiden rüber kommt?

Zum "Genie" taugen in der Sicht vieler wohl eher die großen Egomanen, gibt es dewegen vielleicht so wenige weibliche Genies? Kann jemand eine nennen? Teufel


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 17.12.2017

(17.12.2017, 08:41)lor-olli schrieb: Beispiel Vittorio Hösle: Er wird den wenigsten etwas sagen (Promotion mit 22, Habil. mit 26, zahlreiche Bücher und Tätigkeiten über sein Fachgebiet hinaus), vielleicht kennen einige noch am ehesten das Buch "Cafe der toten Philosophen". Die Leichtigkeit mit der er sein Pensum erbrachte hat schon etwas sehr "geniales" .

Zum "Genie" taugen in der Sicht vieler wohl eher die großen Egomanen, gibt es dewegen vielleicht so wenige weibliche Genies? Kann jemand eine nennen? Teufel


Hösle hat sicher was geniales an sich, das hast Du gut beschrieben.
Er wird als ener der hoffmungsvollsten Hegelianer gesehen,
hat allerdings bis heute nicht ganz das geliefert,
was er zu versprechen schien.

Aber kann man ihm einen Vorwurf daraus machen,
erst recht dann nicht, wenn das Erwartete grundsätzlich nicht lieferbar ist?

Ein Genie muss auch Gelegenheit haben, sich zuindest entfalten zu können, von Förderung nicht zu reden.
Dies wurde Frauen während der längsten Zeit der Menschheitsgeschichte nicht ermöglicht.

Dass Frauen/Mädchen höchstintelligent sein können,
zeigen IQ-Tests in England(Mensa-Test):
Nicole Barr(12) und Lydia Sebastian(12) erreichten kürzlich 160.
Sie spielen damit in der Einstein-Liga.

Goethe soll noch schlauer gewesen sein,
auch eine von Bildung relativ unberührte Striptease-Tänzerin vor ein paar Jahrzehnten(175).

2009 soll eine gewisse Elise Roberts(2 1/2!!!!) 156 erreicht haben.

MZPTLK hat mal nur 128 beim Mensa-Test geschafft
und schämt sich... Blush

IQ-Tests sind sehr unterschiedlich, bauen meistens ein beträchtliches Stück weit auf erlernbaren Kulturtechniken auf
und berücksictigen wichtge Skills wie emotionale und soziale Intelligenz vergleichsweise wenig oder gar nicht.
Es werden hauptsächlich kognitive Fähigkeiten erfasst, diese sind - im Gegensatz zu früheren Ansichten - tranierbar.
MZPTLK hat also noch Hoffnung... Fahne


RE: Leichtathleten als Philosophen? - MZPTLK - 22.12.2017

Ein Philosoph übernachtet im Schloss.
Da kommt das Schlossgespenst:
Hui Buh!

P.: Nett Dich zu sehen, liebes Schlossgespenst.
     Aber ich verstehe nicht ganz, könntest Du das nochmal für mich in verständlichen Worten ausdrücken?
     Du musst nämlich wissen, ich bin Philosoph!
S.: Hui Buh!
P.: Ich glaube, ich weiss, was Du sagen willst.
     Jedenfalls willst Du Komplexes einfach ausdrücken,
     habe ich recht?
S.: Hui Buh!
P.: Danke, das nehme ich jetzt mal als Zustimmung.
     Schön, dass wir uns so gut verstehen.
S.: Hui Buh!
P.: Hui Buh!

Preisfrage: Wer war der Philosoph?