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Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - Druckversion

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RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - Robb - 21.03.2015

(21.03.2015, 19:48)W. Kronhard schrieb: Was das Training in der USA betrifft, kann ich nur aus den Gesprächen der Sportler berichten, die da studiert haben. Allgemein war ich auch negativ überrascht: Viel Kraft im Training und wenig Technik, sprich wenig Sinn.
Warum sind amerikanische Leichtathleten dann so erfolgreich? Jeder, der behauptet, drüben würde falsch trainiert, muß diesen Widerspruch erklären.


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - Merica - 21.03.2015

(21.03.2015, 21:23)Robb schrieb:
(21.03.2015, 19:48)W. Kronhard schrieb: Was das Training in der USA betrifft, kann ich nur aus den Gesprächen der Sportler berichten, die da studiert haben. Allgemein war ich auch negativ überrascht: Viel Kraft im Training und wenig Technik, sprich wenig Sinn.
Warum sind amerikanische Leichtathleten dann so erfolgreich? Jeder, der behauptet, drüben würde falsch trainiert, muß diesen Widerspruch erklären.
 
:danke: Danke, Robb! Ich denke, dass dieser Widerspruch dann auftaucht, wenn die Leute Angst haben, Athleten abzugeben oder zu "verlieren", weil sie es oft gleichzeitig als Kompetenzverlust sehen. Dabei sollte doch der Athlet im Mittelpunkt des Denkens stehen und der Schritt in die USA unterstützt werden, falls es im Sinne des Athleten ist. Zumindest sollte man versuchen, sich dort ein paar Anreize zu holen. 

Sicherlich liegt die Wahrheit der vielen guten Amis hinter mehreren Faktoren versteckt. Know-how, Umfeld, Talent (bzw. Masse der Talente), Trainingsstätten, medizinische Betreuung, und und und, sind alles wichtige Elemente. Einer der größten Faktoren, und das wurde auch schon in früheren Beträgen angesprochen, ist das Timing der Hauptunterstützung bzw. des Fokus. In Deutschland sehe ich viele Jugend-Welt- und Europameister, die anschließend untergehen. Niemand kann sich von seinem U20-WM-Titel etwas kaufen. Viel häufiger noch verschwinden potenzielle Spätentwickler nach der U20, da sie keine Unterstützung (z.B. Kader, SpoFö, Bundeswehr, Bundespolizei, Polizei, etc.) mehr bekommen und da das Studium (oder eine berufliche Ausbildung) beginnt. In der Jugend noch C-Kader und die Norm für den B-Kader verpasst: Ende der Leistungssportkarriere.

In den USA fängt in diesen kritischen Jahren die Leichtathletik erst richtig an. Wichtig ist, dass die Unterstützung, wenn auch dort an Leistung gebunden, für 4-5 Jahre gewährleistet wird. Der Zeitraum zwischen 18 und 23 ist wichtig, um den Anschluss an die Weltspitze herzustellen. Die Top-Athleten sind gut genug, um mit Ausrüster- und anderen Sponsorenverträgen nach ihren Uni-Jahren über Wasser zu bleiben und trainieren weiterhin mit ihren "Heimtrainern" der ehem. Uni-Mannschaft, oder schließen sich anderen Unis als freiwillige oder gering bezahlte Trainer an. Natürlich ist dieses System komplett anders als in Deutschland, aber es funktioniert in vielen Disziplinen anscheinend besser. 

Ich finde, der Deutschlandfahnen winkende Smiley passt hier ausgesprochen gut Fahne


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - W. Kronhard - 21.03.2015

(21.03.2015, 20:13)Merica schrieb: Ich bin auch sehr begeistert und verwundert wie jemand so überzeugt von dem, was ihm erzählt wurde, argumentieren kann. Vielen Dank für das Bestätigen meiner Vorahnung von früheren Beiträgen. Ein weiterer Kandidat auf der Liste der USA-Gegner. 
Zur Sache habe ich alles gesagt.
Ich verbiete nur mich im Sport in eine Ecke zu stellen, Farbe anzukleben und Klischees anzuhängen, wem ich Freund bin und wem Feind. Das ist mir zu billig.
Und dass die amerikanische Leichtathleten nicht dopen ist auch allen und überall bekannt. Die großen Namen braucht man gar nicht nennen. 

Dass die Jamaikaner im Sprint die Amerikaner, im Großen und Ganzen, überholt haben, kann man nur den besseren amerikanischen Kontrollen zuzuschreiben. An ein besonderes Wissen der jamaikanischen Trainer glaube ich nicht, denn damit habe ich mich bisschen beschäftigt.
Im Hochsprung sind die Amerikaner momentan technisch genau so schlecht ausgebildet wie die Deutschen, alles nur Zufallsprodukte.
Natürlich alles meine persönliche Meinung. 

Dass das amerikanische Sportsystem in Stufen viel, viel, viel, viel besser organisiert ist, ist für mich ein Fakt. Deutsches habe ich schon längst persönlich für doof erklärt und Vorschläge zu deutlichen Verbesserung vorgeschlagen. Aber politisch ist es gar nicht zu meistern. Innenminister ist Sportminister, international eine Lachnummer, wäre es nicht so traurig.


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - Merica - 22.03.2015

1. Schöner Versuch der Rhetorik, aber er hat leider nicht geklappt. Von Klischees zu tönen und im nächsten Satz das Allzweck-Klischee der Leichtathletik oder des Sports überhaupt zu benutzen überzeugt mich nicht. Soll etwa mit der Abwesenheit des Dopings die Misere des deutschen Hochsprungs erklärt werden? Das würde schließlich die großen deutschen Hochsprungnamen der Vergangenheit, die das ein oder andere Mal in diesem Thema auch genannt wurden, in die besagte "Ecke" stellen. 

Falls wir eine Diskussion über Doping führen wollen, dann sollten wir dabei anfangen, deutsche, Welt- und Europarekorde vor einem gewissen Zeitpunkt zu annullieren. Wobei ich mir sicher bin, dass es diese Diskussion in diesem oder im vorherigen Forum schon gegeben hat. (Ich bin dafür!) Thumb_up

2. Auch wenn es gerade nicht um den amerikanischen Sprint geht, kann ich das Argument in Bezug auf den Dopingpunkt gerne akzeptieren. Über das Wissen der Jamaikaner kann ich mir kein Bild machen und werde es auch nicht probieren. Dass die jamaikanische Kartoffeln magische Kräfte beinhalten, ist mir jedoch bewusst Wink

3. Bei den Zufallsprodukten im amerikanischen Hochsprung hört meine Zustimmung allerdings auf. 16 Athleten in der Halle über 2,20 m - allein bei den Studenten. Davon sprangen 3 Athleten 2,28 m, das finde ich gar nicht mal so schlecht. Sind bestimmt 16 bzw. 3 Zufallsprodukte. Und dabei ist das nur ein Schnappschuss einer einzigen Hallensaison! 

USA-Bestenliste 2014: 6 Zufallsprodukte über 2,30 m! Angeführt von Zufallsprodukt Nr. 1, Erik Kynard. Die Zahl der 2,20-m-Springer in der gleichen Bestenliste (Studenten und Nicht-Studenten), sind mehr als sich Athleten bei den Deutschen Meisterschaften insgesamt für irgendeine Disziplin qualifizieren (Es sind 45!!! über 2,20 m). Diese Liste beinhaltet auch keine nicht-Amerikaner, die aber in Amerika aufgestiegen sind, z.B. Derek Drouin. Wer bei dieser Leistungsdichte von Top-Springern noch von Zufallsprodukten spricht, der sollte sich lieber einmal selber an die Nase fassen. Den Versuch, deutsche Spitzenspringer ("hust") mit amerikanischen Springern zu vergleichen, sollte man bei der jetzigen Statistik lieber von vornherein lassen. 

4. Was das Sportsystem anbetrifft stimme ich in allen Belangen voll und ganz zu. Es bedarf schon eines großen Erdbebens Stärke, um die schlechte Struktur aus ihrer guten Statik zu rütteln. Deshalb schließe ich mich Gertrud (und wahrscheinlich anderen auch) in ihrem Gedanken, Heimtrainer stärker zu fördern, an. Denn Heimtrainer und Athlet sind die kleinstmögliche, aber entscheidende Einheit, um erfolgreich zu sein. Nur die Wenigsten in diesem Forum könnten Strukturen auf Landes- und Bundesebene verändern. Schön wäre das allemal. 


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - W. Kronhard - 22.03.2015

Deine Entschlossenheit gefällt mir. Statistik wahrscheinlich auch gut. Ich befasse mich gar nicht mit Statistiken. Dafür aber mit der Körpersprache, und zwar schon lange davor als ich zum Physiotherapeuten ausgebildet wurde. 
Meine Aussagen zu den Dopern waren immer zutreffend korrekt. Jetzt mach ich die nicht mehr, und versuche dieses Sehen immer auszuschalten.
Doping ist, aus meiner Sicht, in den oberen Etagen gewollt. Sonst hätte man die uralte Methode zur Erkennung genommen, die nur an einer einfachen EKG in Paar Minuten, sogar halbes Jahr zurück, die Doper erkennen erlaubt. 

Zu Erik Kynard sage ich nichts.

Ich kann diese Welt, und will auch nicht, ändern.

Amen!

PS. Doping ist ein Mittel der Doofen, Wissen ersetzt Doping spielerisch.  Und gerade in Hochsprung!


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - Oliver - 23.03.2015

Früher war ja bekanntlich alles besser. Um dies zu untermauern, habe ich mir die Bestenlisten (Freiluft) im Hochsprung der Männer von 2001 bis 2014 angeschaut und war doch ziemlich überrascht von meiner Auswertung. Der Mittelwert der Top5 in den Betrachtungszeitraum lag bei 2,24. Letztes Jahr, für mich gefühlt ein schlechtes Jahr, lag der Durchschnitt bei 2,23. Seit 2012 warten wir allerdings auf einen Sprung über 2,30m.

17% der Leistungen waren Sprünge über 2,30m.

2001: 2,26 (Martin Buß 2,36 Weltmeister; W. Kreißig, 2,31)
2002: 2,20 (Martin Buß 2,30)
2003: 2,22
2004: 2,22 (Roman Fricke 2,30)
2005: 2,25 (Roman Fricke 2,30)
2006: 2,23
2007: 2,25 (Eike Onnen 2,34)
2008: 2,26 (Raul Spank 2,32; Eike Onnen 2,31)
2009: 2,26 (Raul Spank 2,33)
2010: 2,25 (Raul Spank 2,30)
2011: 2,26 (Raul Spank 2,32; Eike Onnen 2,31)
2012: 2,24
2013: 2,22
2014: 2,23


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - skonehj - 24.03.2015

Also, alles halb so wild...auch zu Zeiten als es andere Bundestrainer gab wurde im Mittel nicht höher gesprungen Wink. danke für die Übersicht Oliver!

hier noch ein video, im dem man sehen kann, wie innovativ der derzeit beste Hochspringer im Kraftraum arbeitet:

https://www.facebook.com/video.php?v=827521653963340&set=vb.108930319155814&type=2&theater


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - Robb - 24.03.2015

(24.03.2015, 12:40)skonehj schrieb: Also, alles halb so wild...auch zu Zeiten als es andere Bundestrainer gab wurde im Mittel nicht höher gesprungen Wink. danke für die Übersicht Oliver!

Nene, so einfach ist das nicht, bei den Frauen sieht es ganz anders aus.
Schnitt der zehn besten Frauen:

2000: 1.88m
2003: 1.90m
2014: 1.85m

Man kann die Misere auch anders verdeutlichen: Im Jahr 2003 sprangen sechs deutsche Frauen 1.90m oder höher, seit 2010 (also in den letzten fünf Jahren) sprangen zwei Frauen 1.90 oder höher.


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - lor-olli - 24.03.2015

Solche statistischen Betrachtungen sollte man absichern, zum einen indem man eine nennenswerte Zahlenbasis hat (5 ist zu wenig, EIN Ausreißer nach unten oder oben, kann das gesamte Bild stark verändern, 10 sind besser aber mit einem Ausreißer-Test noch immer schwierig). 

Dies sind dann auch die reinen Zahlenwerte: 5 oder 10 Springerinnen mit 1,90m sind international immer noch zweitklassig, aber wenn EINE 2,00m springt, der Rest weniger als 1,90m sieht das in der "gefühlten Bilanz" schon ganz anders aus.

Das Herrenkugelstoßen ohne David S. wäre nicht Top (mal sehen was mit T.Schmitt wird, vielleicht "toppt" er das Ganze noch Wink), aber EINE Lichtfigur lässt nun mal alles Jammern verblassen - die Welt liebt Sieger…

Im Hochsprung fehlen tatsächlich die Ausreißer nach oben, von der Verletzungsmisere mal ganz abgesehen!


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - Robb - 24.03.2015

(24.03.2015, 14:30)lor-olli schrieb: Dies sind dann auch die reinen Zahlenwerte: 5 oder 10 Springerinnen mit 1,90m sind international immer noch zweitklassig, aber wenn EINE 2,00m springt, der Rest weniger als 1,90m sieht das in der "gefühlten Bilanz" schon ganz anders aus.
Du siehst das falsch, um 2m Springerinnen zu entwickeln, brauchst du eine Basis, wenn du 5-10 1.90 Springerinnen hast, ist die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass es von denen ein paar in höhere Regionen schaffen.