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Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - Druckversion

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RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - Solos - 12.03.2015

(12.03.2015, 10:03)Atanvarno schrieb: Es gab mal eine Zeit, da haben sich DLV-Verantwortliche explizit gegen internationale U18-Meisterschaften ausgesprochen und es gab eine Zeit ohne  Deutsche Schüler-Einzelmeisterschaften.
Beide Entscheidungen wurden (aus meiner Sicht leider) revidiert. Dadurch werden für einige Trainer die äußeren Zwänge geschaffen, die solos anspricht.
Das ist sicher nicht der alleinige Grund, warum oft das Dach vor dem Fundament gebaut wird, aber es trägt bei einigen durchaus dazu bei, weil der schnelle Erfolg in der U16/U18 für wichtiger erachtet wird als die langfristige Leistungsperspektive.

Ein sehr guter Punkt, den ich noch um den Aspekt der "Entlohnung" erweitern würde:

In vielen Anstellungsverhältnissen im Trainerbereich besteht neben einer (oftmals bescheidenen) Grundvergütung die Möglichkeit, über "Erfolge" zusätzliche "Bonuszahlungen" zu erhalten. Leider wird Erfolg in diesem Zusammenhang fast ausschließlich im Sinne von Platzierungen/Punkten bei wenigstens nationalen, meist sogar internationalen Meisterschaften definiert. Insbesondere im Nachwuchsbereich fördert das meines Erachtens das Vorgreifen auf spezifische Trainingsmittel und eine gewisse "nach mir die Sinnflut" Einstellung.

Viel sinnvoller wäre es, die Bonussysteme an der Erfüllung bestimmter Ausbildungs-/Etappenziele des langfristigen Leistungsaufbaus zu orientieren und nicht (nur) auf spezifische Wettlampfleistungen auszurichten.


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - Drizzt - 12.03.2015

(12.03.2015, 10:03)Atanvarno schrieb:
(12.03.2015, 09:49)Solos schrieb: Es ist absolut nicht nachvollziehbar, warum offenbar immer noch an (zu) vielen Stellen mit der Errichtung des Dachs begonnen wird, bevor ein entsprechendes Fundament mit tragendem Mauerwerk gelegt wurde. Was sind die Gründe? Fehlen die Mittel? Gibt es äußere Zwänge die zu diesem Handeln veranlassen?
Es gab mal eine Zeit, da haben sich DLV-Verantwortliche explizit gegen internationale U18-Meisterschaften ausgesprochen und es gab eine Zeit ohne  Deutsche Schüler-Einzelmeisterschaften.
Beide Entscheidungen wurden (aus meiner Sicht leider) revidiert. Dadurch werden für einige Trainer die äußeren Zwänge geschaffen, die solos anspricht.
Das ist sicher nicht der alleinige Grund, warum oft das Dach vor dem Fundament gebaut wird, aber es trägt bei einigen durchaus dazu bei, weil der schnelle Erfolg in der U16/U18 für wichtiger erachtet wird als die langfristige Leistungsperspektive.

Und wenn man dann den Eltern und Sportlern zu erklären versucht,dass man der Meinung ist,dass 4x Vereinstraining,2x Verbandstraining und 2x Training an einer Eliteschule des Sports für einen 15jährigen vielleicht doch etwas viel sein könnte, erntet man Unverständnis... 


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - Gertrud - 13.03.2015

(12.03.2015, 22:03)Drizzt schrieb: Und wenn man dann den Eltern und Sportlern zu erklären versucht,dass man der Meinung ist,dass 4x Vereinstraining,2x Verbandstraining und 2x Training an einer Eliteschule des Sports für einen 15jährigen vielleicht doch etwas viel sein könnte, erntet man Unverständnis... 

Es hängt immer von der Mentalität ab. Man sollte dem Schützling nicht etwas aufpfropfen, was er (noch) nicht will. Die Jugendlichen müssen auch noch Zeit für soziale Kontakte neben dem Sport haben. 

Ich halte es für sehr vorsorglich, in jungen Jahren entsprechende physische und psychische Schwachstellen zu stärken und nicht alles durch die Brille des kurzfristigen Erfolges zu sehen. Ich halte auch überhaupt nichts von unheimlich langen Programmen in jungen Jahren. Ich trainiere momentan einen 14jährigen Jugendlichen, der im letzten Jahr anfangs um 45,50/ 300m gesprintet ist. Er absolviert bei mir manchmal Programme, die in einer Dreiviertelstunde erledigt sind. Er hätte nie das Argument, dass der Sport ihn zu viel Zeit für Hausaufgaben oder Freunde kostet. Der Sport muss primär Spaß machen und nicht den „Stallgeruch“ von Arbeit bekommen. Die Konzentration im Punkt wird durch kurze Programme vielmehr geschult. 

Ich halte zudem sehr viel von sehr ausgeprägtem Individualtraining, um von Jugend an vernünftig und sehr gezielt auszuprägen und nicht Schwachstellen mitzuschleifen. Ich weiß bei dem Schützling ganz genau, wo die Problemzonen sitzen und kann sehr frühzeitig gegensteuern. Das verhindert in der Regel diese vielen Ausfälle später. Ich bin aber auch sehr konsequent irgendwann, wenn ein Schützling permanent schlampt oder aus meiner Sicht absolut kein Talent für den Spitzensport hat.

Ich glaube einfach, dass man auf Dauer Erfolg hat, wenn man versucht, entsprechende Kriterien in den Disziplinen einzuführen. Ich bin auch davon überzeugt, dass sich Heimtrainer sicherlich beeinflussen lassen, wenn sie merken, dass "von oben" sehr brauchbare Hinweise kommen. Das sehe ich nicht zu blauäugig.

Gertrud 


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - W. Kronhard - 13.03.2015

(13.03.2015, 08:39)Gertrud schrieb: Ich halte zudem sehr viel von sehr ausgeprägtem Individualtraining, um von Jugend an vernünftig und sehr gezielt auszuprägen und nicht Schwachstellen mitzuschleifen. Ich weiß bei dem Schützling ganz genau, wo die Problemzonen sitzen und kann sehr frühzeitig gegensteuern. Das verhindert in der Regel diese vielen Ausfälle später. Ich bin aber auch sehr konsequent irgendwann, wenn ein Schützling permanent schlampt oder aus meiner Sicht absolut kein Talent für den Spitzensport hat.
Genau das ist es, Gertrud. Ich sag mal ganz ehrlich, wem es nicht interessant ist bitte wegschauen: Wir trainieren 4 Mal die Woche, Drei davon bin ich anwesend. Stabhochsprung ist eine sehr zeitaufwendige Disziplin trotz allem. Wir verzichten auf´s Turnen weitgehend. Machen ab und zu kurz leichte Akrobatik. Benutzen selten lange Hanteln. Kraft üben wir an turnerischen Übungen. Viele selbstgebaute Geräte für wichtige Bewegungen. Machen eingebunden spezielle Sprintübungen. 
So falsch kann unser Konzept auch nicht sein, nach 2,5 Jahren Training im Stab von 0 auf 5.17
Wichtig: Julius hat sich praktisch keine Fehltage geleistet und ich habe dafür gesorgt dass keine Fehlzeiten durch Verletzungen entstehen. Richtig schön kontinuierlich durchgezogenes Training 2,5 Jahre. Erstaunlich dass in der Schule auch alles deutlich besser geworden ist. Warum? Disziplin im Üben und Lernen macht es.
Einmal wollte ich nicht nur abstrakt sein, sondern deutlich konkret.
Viel Spaß Allen beim gut organisierten Sport! 


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - ThomZach - 13.03.2015

Ich kann nicht aufhören zu forschen und stolpere nur noch über Schrott, zumindest aber Belangloses.
https://www.youtube.com/watch?v=2HSoNPaTP-0&list=PLK1hT9mtB3KEqTOMSj3Ia5-mYe5E9xW1Q&index=1
Wunderbares Dokument dafür, dass Könner nicht wissen wovon sie reden, wenn sie versuchen ihr Können zu erklären. Er kann es aber er weiß offensichtlich (für Wissende) nicht wie es geht. Und das gilt aus meiner Sicht für alle alten Praktiker und leider noch mehr für die meisten Theoretiker. So ist es kein Wunder, dass das Deutsche Hochsprungwunder sein Ende gefunden hat. Ein neues muss her. Und das scheitert an der Unbelehrbarkeit der Menschen, die glauben, schon alles zu wissen.
Wer lernen will, der macht hier mit. Er hört nicht auf zu suchen und sich auszutauschen. Aber die eingebildeten Experten sind sich dafür zu hoch. Verrotten werden sie in ihrem eigenen geistigen Müll.
(Zu der unlängst aufgeworfenen Frage: Ich war von 1973 bis 79 Trainer im USC-Mainz,  75/77 Ladestrainer wjB und "Bundestrainer Straddle". Meine damaligen Erfolge bestätigten all meine Ansätze, Erkenntnisse und Ansichten. Sonst würde ich sie hier und heute nicht vertreten.)


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - ThomZach - 13.03.2015

Achso. Wollt sagen: Tolle Diskussion hier. Mit Inhalt und Stil. Also: Nicht überall herrscht Dekadenz. Thumb_up


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - ThomZach - 13.03.2015

Manchem mag „geistiger Müll“ stillos klingen. Es ist aber der stilgerechte Ausdruck für das was gemeint ist. Ich kann verstehen, dass die nachrückende Generation keine Lust darauf hat, dasselbe zu machen wie ihre Vorgänger. Wenn aber etwas ausgereift, bewährt und nahezu perfekt ist, und man macht anstatt dessen was Neues, also was anderes, dann kann es nicht besser sein sondern ist zwangsläufig schlechter. Je weiter es von der Perfektion abweicht, ja wegführt, desto falscher und schlechter ist es eben.
Wenn die Helden der goldenen Ära mit dem was sie gemacht haben so erfolgreich waren – warum greift man nicht spätestens wenn alles schief läuft darauf zurück? Können Wissenschaftler nicht auch irren? Ist nicht die Geschichte der Wissenschaft zu 90% die Geschichte der akademisch mehrheitlich gesicherten Irrtümer?!
Spank hat sich bei Thränhardt Rat geholt und ihn verworfen. Warum – das werden er und sein Team schon wissen. Woran sie scheitern, das wissen sie nicht. Eben an besagtem Müll im Kopf.
Müll, welcher sicher nicht der besagten Helden-Ära Pate stand.
Verraten sie heute nicht geradezu ihre Herkunft? …


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - Gertrud - 13.03.2015

(13.03.2015, 16:44)ThomZach schrieb: ...
Spank hat sich bei Thränhardt Rat geholt und ihn verworfen. Warum – das werden er und sein Team schon wissen. Woran sie scheitern, das wissen sie nicht. Eben an besagtem Müll im Kopf.
Müll, welcher sicher nicht der besagten Helden-Ära Pate stand.
Verraten sie heute nicht geradezu ihre Herkunft? …

Es gibt natürlich immer viele Wege, die zu demselben Resultat führen. Man sollte dann schon vergleichen, welcher "Schuh dem Athleten am besten passt". Außerdem achte ich nicht nur auf das Ergebnis, immer auch die Schwere der Verletzungen innerhalb einer Karriere. Verletzungen können individuell, aber auch natürlich durch die Methoden bedingt sein. Didi hatte wohl enorme Knieprobleme, so dass man die Philosophie manchmal eingrenzen sollte. Nicht überall, wo Gold glänzt, überleben die Gelenke unbeschadet.

Gertrud


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - W. Kronhard - 13.03.2015

(13.03.2015, 16:44)ThomZach schrieb: Manchem mag „geistiger Müll“ stillos klingen.
Können Wissenschaftler nicht auch irren? Ist nicht die Geschichte der Wissenschaft zu 90% die Geschichte der akademisch mehrheitlich gesicherten Irrtümer?! 
So gut getroffen Thomas, dass es böse klinkt. Geist ist das was uns Menschen führt, leider auch bei mangelnden Logik sehr gut irreführt. Und gerade bei Wissenschaftlern. Die Behauptungen und Gegenbehauptungen lösen sich permanent in Abständen ab.
Einstein, meine Lieblingszunge, sagte mal wieder: Wenn wir was entdeckt haben, dann entspricht es der Realität. Wenn wir die Entdeckung wissenschaftlich belegt habe, dann entspricht die nicht mehr der Realität. Typisch gutes Jüdisches Denken. 
Wenn man den Sowjetischen-Russischen Hochsprung unter die Lupe nimmt, sieht man dass alles Beste aus der Praxis heraus entstanden ist. Genau so wie in Deutschland. Nirgend wo habe ich Vorschläge aus der theoretischen Wissenschaft gesehen, die hinweise auf neue Bewegungen in der Technik beinhalten. Dabei ist es echt kurios dass die nicht verstandene theoretische Wissenschaft in der Bewegungslehre voller gute Dinge ist. Mein Wissen habe ich genau da entdeckt. Seitdem lese ich nichts mehr, mache nur noch nach Bedarf Entdeckungen. Und die Trennung zwischen den Theoretikern und realem Sport ist enorm. Wenn aber Vorschläge kommen, wie im Falle der Kinderleichtathletik, dann nur Spinnereien, natürlich aus meiner Sicht. Dann ist man noch stolz, dass diese Spinnereien im Ausland aufgenommen sind.
Zum Thema Team im Sport, auch im Hochsprung: Eine Kette besteht bekanntlich aus vielen Einzelzeilen, also Teams. Und die Kette ist so stark wie das schwächste Team-Stück dieser Kette. Wird auch niemand bestreiten. Nur das jede einzelne Teil-Team der Kette wird immer individuell gefertigt und die Kette eingebunden. Also bestimmt die Qualitet der Einzelarbeit an einem Team die Stärke der Kette. Es wird auch im Sport nie anders sein.
Prost liebe Sportsfreunde! 
  


RE: Deutsche Hochsprungmisere - Woran liegt's? - ThomZach - 13.03.2015

(13.03.2015, 18:00)Gertrud schrieb: Es gibt natürlich immer viele Wege, die zu demselben Resultat führen.  Nicht überall, wo Gold glänzt, überleben die Gelenke unbeschadet.
Der Begriff Philosophie wird schon immer und heute immer achtloser benutzt und dann eben missbraucht. Philosophie ist die Liebe zum Wissen, also der Wille, nach der Wahrheit zu suchen. Wenn man die Wahrheit gefunden zu haben glaubt, ist das bereits eine Ideologie. Das Wort Ideologie ist aber negativ konnotiert. Zu Unrecht, denn jede Überzeugung bezieht sich auf eine Ideen-Lehre.
Die Demokratie ist eine Ideologie. Die Religionen sind mystische, oder mythische oder esoterische oder rituelle Ideologien. Die Lehre, dass der Flop die beste aller denkbaren Hochsprung-Techniken sei, ist eine Ideologie. Keine Philosophie. Die Philosophie heißt, dass man nicht weiß aber wissen will.
Sie ist offen für das Lernen aus Erfahrung, Belehrung, Experiment, auch wenn man schon noch so viel gelernt hat und zu wissen glaubt.
Wenn man entschlossen handeln will, muss man wissen was man will und wie man es zu erreichen versuchen will. Dazu braucht man eine verbindliche Annahme, mehr als Thesen und Hypothesen. Ein Glaubens-Konstrukt, eben eine Ideologie.
Die kann beim Hochsprung die Überzeugung enthalten, dass nur mit ausgeprägten Schwungelementen maximale Höhen erreicht werden können.
Sieht man also Springer die solche nicht zeigen, schließt man daraus, dass sie höher springen würden, wenn sie sie einsetzen würden. Aus der Sicht der Philosophie weiß man, dass das ein Irrtum sein kann. In einer Ideologie hat dieser Zweifel keinen Platz. Die meisten Menschen handeln also nach Ideologien, weil man mit einer philosophischen Haltung nur schwer entschlossen handeln kann.
Was ich sagen wollte ist, dass man eine Lehre nicht als Philosophie bezeichnen darf, auch wenn das, aus den USA stammend, auch bei uns leider üblich geworden ist. In den USA sagt man auch style anstatt technique. Was genau so daneben ist.
Philosophie ist letztlich die Wissenschaft, die die Aufgabe hat, Ideologien (Lehren) hervorzubringen, also Ansichten und Methoden, die in der Praxis zum Wohl von Mensch oder/und Natur beitragen. Dazu gehören als erstes Ethik und Moral. Der Rest ergibt sich daraus.
Als Hochspringer stehe ich nicht für eine Lehre oder Ideologie, weil ich dafür zu viel weiß. Ich stehe staunend vor dem Wunder, dass Menschen aus eigener Kraft soooo hoch fliegen können. Und ich nehme an, sie haben es geschafft ihr Talent zur vollen Entfaltung zu bringen. Das geht nur, wenn sie nicht von Trainern in die Irre geführt worden sind. Wenn ich Verstöße gegen die Biomechanik und Technikprinzipien sehe, muss ich die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass sie diese auch bei bester Anleitung nicht überwinden können, weil damit ihr Talent überfordert ist. Wo ein Menschen seine Grenzen hat, kann man nur sondieren.