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Gesamtschule, Gymnasium, Schulpolitik - Druckversion

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Gesamtschule, Gymnasium, Schulpolitik - lor-olli - 10.04.2015

Einige englische und amerikanische Studenten hätte ich auch gern aus dem Uni-Betrieb genommen, bei dem was ich da so an ENGLISCHEN Texten zu lesen bekam…
Nicht nur in Deutschland beklagt man das abnehmende sprachliche Niveau (Rechtschreibung, Grammatik häufig selbst die Semantik), dass man damit an manchen Schulen eine "Hochschulreife" bescheinigt bekommt ist mir unverständlich. (Und ich meine keine kleinen Flüchtigkeitsfehler!)

Gesamtschule: Ich habe eine besucht, sie ist vor 3 Jahren zur besten Schule des Landes gekürt worden, VOR lauter Gymnasien! (50% Leistung der Schüler, der Rest dieser Wertung setzt sich aus den Schulangeboten, der geringen Zahl der Schulabbrecher, der Qualifikation und Motivation des Personals / der Lehrer, Ausstattung der Schule und noch einigen anderen Aspekten zusammen). An einem Gymnasium der selben Stadt muss das Abi in einigen Fächern komplett wiederholt werden, zu viele Schüler bestanden nicht…


RE: Wenn die Eisdiele mehr abwirft als Olympiagold - Astra - 11.04.2015

Ich finde es auch etwas anmaßend, zu meinen, dass die Leistungen am Gymnasium immer besser sind als an Gesamtschulen. Auch ich kenne hier eine Gesamtschule, die bundesweit mit Preisen ausgezeichnet wurde.
Da ich selbst ein Gymnasium besucht habe, weiss ich was für "Fachwissen" mir dort vermittelt wurde, während auf den Gesamtschulen oft mehr Wert auf Vermittlung und Fachsuche gelegt wird.
Aber es gibt natürlich überall gute und schlechte Schulen.


RE: Studium in den USA und Englischkenntnisse - DerC - 12.04.2015

Es gibt in Fachkreisen einen Spruch, der lautet: Das Gymnasium ist die neue Gesamtschule. Bezieht sich darauf, dass eben längst nicht mehr nur eine kleine Elite aufs Gymnasium geht und dementsprechend auch auf den Gymnasien ein recht breites Leistungsspektrum zu finden ist.

Mittlerweile vermute ich, dass das Personal ein viel stärkerer Faktor ist als viele Parameter, um die ein den vergangenen Jahrzehnten heftig diskutiert wurde, gerne auch mit ideologisch verhärteten Fronten: Frontalunterricht vs offenere Formen, Gesamtschule vs dreifach getrennt,  integriert vs additiv/kooperativ.

Es gibt mittlerweile ja auch einige Untersuchungen, die bestätigen, wie sehr es auf die Qualität der Lehrer ankommt. Und eben auch auf die Schulleitung. Wenn an einer Schule gut gearbeitet wird, lockt das auch wieder gute und engagierte Lehrer an. Im anderen Extrem kann es durch entscheidende Personalwechsel zu einer Abwärtsspirale kommen.

Leider wurde das gerne durch die Parteipolitik beeinflusst ... ein gutes Gymnasium kann man durch eine unfähige Schulleitung und leichte Mittelkürzung kaputtmachen, falls es nicht gut sein darf .... ebenso möglich mit der guten Gesamtschule, falls das nicht in das aus ideologischen Gründen gewünschte Bild passt.

Ntürlich gibt es Schüler die trotz relativ hoher Bildungsabsichten nicht nur mit Fremd- sondern auch mit der eigenen Sprache Probleme haben. In den USA wie hier. Das hängt auch oft zusammen, weswegen man heute bei Migranten zusätzlichen  muttersprachlichen Unterricht anbietet. Vielleicht sollten wir das auch für die dt Muttersprachler tun. Teufel

Gruß

C


RE: Studium in den USA und Englischkenntnisse - lor-olli - 12.04.2015

@ DerC

volle Zustimmung!
Das fähige Lehrkörper einen großen Einfluss auf die Leistung der Schüler haben, war aber schon in der Antike so Wink

Zur bewussten Steuerung des Schulerfolges kann ich noch beisteuern: Die von mir erwähnte Gesamtschule wurde politisch gewollt, SEHR großzügig mit Raum, Personal (fast alle sehr jung und engagiert!) und Mitteln (anfang der 70er ein eigenes Fernsehstudio…) ausgestattet, der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Egal ob Jugend forscht, "Abschließerquote", oder Abidurchschnitt immer Top. Dann kam der Politikwechsel, es gab einen neuen Schulleiter, der als erste Maßnahme die "offenen Türen" zumauern ließ (wörtlich zu nehmen!), sprich mal eben zum "Direx" rein ging nur noch über eine bisher nicht vorhandene Vorzimmerdame… auch hier ließ der "Erfolg" nicht lange auf sich warten, die Schule sank vom Niveau extrem ab. Nach erneutem politischen Wechsel drehte sich das Spielchen wieder komplett um, die Schule steht wieder top da!

Aber auch ohne die politische Einflussnahme (hier war sie aber extrem und massiv) zeigt ein Gymnasium am Ort eine ähnliche Leistungskurve, als nämlich ein neuer, aufgeschlossener und experimentierfreudiger Schulleiter die Schule "umkrempelte".

Da wir ja hier alle Leichtathleten sind, möchte ich hier den Bezug zum Vereinserfolg herstellen, hier steht sich Erfolg und Misserfolg noch viel intensiver im Zusammenhang mit gutem und engagierten Personal (=Trainer, aber auch Vereinsführung), hier erkenne ich leider einen ziemlich weitgreifenden Trend in Deutschland, dass sich eben nicht mehr viele ohne vernünftige Bezahlung engagieren - DAS sah z.B. in den 70ern noch vollkommen anders aus! Ich selbst bin aus anderen Gründen nicht mehr "voll" dabei, auch weil mein häufiger Wohnortwechsel eine kontinuierliche Arbeit sehr erschwert hat und auch weiter würde. Ich bin auch nicht der einzige, denn die gesellschaftliche Entwicklung in der Ausübung solcher Tätigkeiten sehr einschränkt - die "Leistungsgesellschaft" fordert heute mehr als in den 70ern…

Wir sehen eine Entwicklung eher wie in GB und den USA, wo die "Individualisierung" auch vor den Schulen nicht halt macht, statt wie in Skandinavien wo gezielt die schwachen Schulen gefördert werden! PISA zeigt uns ob man aus Fehlern lernen WILL…


RE: Studium in den USA und Englischkenntnisse - DerC - 13.04.2015

(12.04.2015, 11:30)lor-olli schrieb: @ DerC

volle Zustimmung!
Das fähige Lehrkörper einen großen Einfluss auf die Leistung der Schüler haben, war aber schon in der Antike so Wink
Ja. nur ist weder das Schulsystem noch die Lehrerbildung gut vergleichbar. Man könnte bei unserem System theoretisch ja schon auf die Idee kommen, das alle Lehrer gut genug ausgebildet wären, es müssen ja alle an die Uni vorher Wink. Es gab auch erhebliche Verbesserungen in der Lehrerbildung, allerdings bleiben mindestens drei große Probleme die mir spontan einfallen:

- es werden zu viele zu schlecht geeignete Lehrer angestellt oder gar verbeamtet

- die Praktika und der Vorbereitungsdienst (Referendariat) sind zu wenig an den realen, aktuellen Anforderungen des Lehrerberufs orientiert

- das Weiterbildungssystem ist stark verbesserungsbedürftig

(12.04.2015, 11:30)lor-olli schrieb: Nach erneutem politischen Wechsel drehte sich das Spielchen wieder komplett um, die Schule steht wieder top da!
Genau das meinte ich, ähnliche Beispiele kenne ich auch.


(12.04.2015, 11:30)lor-olli schrieb: Ich bin auch nicht der einzige, denn die gesellschaftliche Entwicklung in der Ausübung solcher Tätigkeiten sehr einschränkt - die "Leistungsgesellschaft" fordert heute mehr als in den 70ern…
Ja. Diese Einschränkungen sind auch mit ein Grund warum heute z. B. das Niveau in der Breite auf der Langstrecken so schlecht ist. Durch Sozialabbau, Reallohnverluste etc. haben zu viele zu viel Druck im Berufsleben, um die nötigen Umfänge/Trainingsbelastungen bewältigen zu wollen und zu können.

Es läge in dem Umbrauch auch eine Chance, wenn Sportverbände und Schulträger zusammen die richtigen Schlüsse ziehen und entsprechend handelten. Und der Sportverband, der da zu erst den großen Schritt auf die Schulen zu macht und vielleicht auch Geld über Sponsoren mitbringt, hat die besten Karten. Allerdings wird das womöglich dennoch an idiotischer "Sparpolitik" scheitern. und warum vermute ich nur, dass dieser Verband nicht der DLV sein wird?

Es ist natürlich auch kein Zufall, dass auch der Schwimmverband Probleme hat. Auch eine Individualsportart, in der die Leistung klar messbar ist und sehr viel Training notwendig ist, um mitzuhalten.

Für die Schwimmer wirkt sich eine Sache noch stärker aus: Die Kommunen werden so kaputt gespart, dass sie die Bäder nicht mehr finanzieren können oder wollen. Für die LeichtathletInnen ist der Sparwahn aber auch schon schlimm genug.

Wenn ich jetzt weiter schreibe, sieht das fast aus wie ein Fall für den Jammertal thread. Aber nein, es ist doch  mehr der hilfreiche Zorn (siehe Schramms Pabstzitat im Kabarettfaden). Man muss den Zorn nur eben auch umsetzen - mindestens in Wahlentscheidungen.

gruß

C


RE: Gesamtschule, Gymnasium, Schulpolitik - t.win.ning snail - 14.04.2015

Was mich am Meisten am klassischen, dreigliedrigen Schulsystem stört ist die Manifestierung der Herkunft: Eltern in der Hauptschule = Kinder in der Hauptschule sowie Eltern auf dem Gymnasium (ggf. mit Studium) = Kinder auf auf dem Gymnasium/auf der Privatschule mit anschließendem Studium.

Selbst Freundschaften unter Kindern finden nach der Grundschulaufteilung größtenteils mit Seinesgleichen (gleicher Schultyp) anstelle mit den Nachbarn aus der Grundschule statt.

Folgendes "Risiko" beinhaltet die Gesamtschule - siehe dazu auch zwei Themenberichte der Süddeutschen: Soziale (Un-)Gerechtigkeit in Deutschland und keine Chancengleichheit für Arbeiterkind:

Zitat:Das Gymnasium als Hort der Elite ist in Gefahr.
 


RE: Gesamtschule, Gymnasium, Schulpolitik - lor-olli - 14.04.2015

Die Gesamtschule egalisiert nicht, man erkennt aber bei konsequenter Umsetzung des integrierten Prinzips, dass die Ungerechtgkeit kleiner wird - die "fähigen" Unterschichtskinder haben eine etwas größere Chance (siehe Skandinavien). Allerdings werden Eltern der intellektuellen und sozialen Oberschicht  IMMER versuchen ihrem Nachwuchs einen Startvorteil angedeihen zu lassen (Nachhilfe, Förderung, Umgang, Musikunterricht, vorschulische Bildungsmaßnahmen…), von der Sprache der Kinder bei Schulbeginn ganz zu schweigen (auch Lehrer sind nur Menschen und ganz sicher nicht vorurteilsfrei, wenn sich ein Kind gut artikulieren kann).

Es ist auch extrem bedauerlich, dass Sport in der Schule mittlerweile so eine untergeordnete Rolle spielt, wenn man sich z.B. Sportanlagen in Schulen in anderen Teilen der Welt anschaut. Sport hat eine große integrative Kraft, denn hier zählt nicht Herkunft, sondern Leistung, dass erkennen vor allen die "unterpriveligierten" schnell und steigern dadurch ihre Chancen auf Bildung. Sehen wir ja auch in einen thread hier im Forum, dass ein Schüler erst durch einen Schulbesuch in den USA mit der Leichtathletik richtig in Berührung kam und Spaß daran fand. Da fragt man sich natürlich, warum geht das hier nicht? Medaillen fordern, aber keine Möglichkeiten schaffen ist … (ich halte mich mal zurück Wink)


RE: Gesamtschule, Gymnasium, Schulpolitik - Hellmuth K l i m m e r - 14.04.2015

"Keine Chancengleichheit für Arbeiterkinder" - das berührt und betrifft  m i c h !  Auch deshalb, weil ich tatsächlich auch als Sohn eines Molkereifachmanns aufwuchs ( --->  Artikel der "SZ"), und weil ich später dann dennoch in der DDR eine Chance für ein Hochschulstudium erhielt.

Wie ging das in den 50er Jahren in der armen DDR?

In allen größeren Städten hatte man sog. "Arbeiter- und Bauernfakultäten" geschaffen (s. KANT: "Die Aula"); diese sollten den Akademikernachwuchs in der entnazifizierten DDR aufbauen.
Dabei wurden (anfangs) vor allem (klassenbewusste!?) Kinder aus der Arbeiterklasse gesucht und gefördert. (Zeitraum: 1953 b. ca. 1967, in wenigen Städten noch bis 1980 [z.B. Halle, zur Vorbereitung des Auslandsstudiums]).

Diese Bemühungen fruchteten; ja, es wurde den Akademikerkindern sogar schwerer gemacht, zu studieren. Angry (Manch Studienwilliger musste erst "Abitur mit Berufsausbildung" machen (z.B. Gysi) oder sich an der BAM (= "Baikal-Amur-Magistrale") bewähren.)

I c h  hatte es als noch nicht 18-jähriger, mittelloser Arbeiterjunge jedenfalls toll gefunden, von meinem Betrieb nach meiner Lehrzeit, an die ABF der DHfK "delegiert" zu werden...Thumb_up

Fakt ist, noch immer: In Deutschland gibt es keine gleichen Bildungschancen. "Manch einer ist etwas gleicher ..."  Sad

H. Klimmer / sen.


RE: Gesamtschule, Gymnasium, Schulpolitik - MZPTLK - 14.04.2015

(14.04.2015, 18:52)lor-olli schrieb: Es ist auch extrem bedauerlich, dass Sport in der Schule mittlerweile so eine untergeordnete Rolle spielt, wenn man sich z.B. Sportanlagen in Schulen in anderen Teilen der Welt anschaut. Sport hat eine große integrative Kraft, denn hier zählt nicht Herkunft, sondern Leistung....Medaillen fordern, aber keine Möglichkeiten schaffen ist … (ich halte mich mal zurück Wink)
Warum? Weil Du der HarmoniebeauftragteRolleyesAngel hier im Forum bist?
Bitte an die Admins*: wäre es nicht langsam an der Zeit, Lor-Ollis Avatar mit diesem Atribut zu versehen?

Ich vervollständige den Satz mal: ...ist eine schizophrene Sauerei!


* Und bei der Gelegenheit bitte auch bei mir einfügen(Formulierung von Hellmuth):
'Ewig philosophierender neunmalkluger belesener Besserwessi'


RE: Gesamtschule, Gymnasium, Schulpolitik - lor-olli - 15.04.2015

Zitat:MZPTLK schrieb:
…Harmoniebeauftragter…
Danke für die Blumen, aber nach zwei Schulverweisen (und einigen anderen Konflikten) hat es mich echt "gekitzelt".

Die Zurückhaltung ist einfach aus der Tatsache erwachsen weil ich gelernt habe, dass die Taktik des Verschweigens manchmal angebracht ist, wenn es einem wirklich um die Sache geht. Gerade in der politischen Debatte ist das "Einlullen" des Gegners die erfolgreichere Strategie, Pöbeln dagegen so gut wie nie.

Es gibt Situationen in denen muss man den Dummschwätzern zur Not auch mal laut Einhalt gebieten, aber die "Lautheit" als erster starten? Man sollte auch differenzieren gegen was oder wen man antritt, gegen den Populismus laut/heftig zu werden ist doch Wasser auf die Mühlen der Populisten, denn genau das ist IHRE Sprache.

Medaillen fordern, aber keine Möglichkeiten schaffen ist vor allem Populismus und dieser wird immer gern angewandt, wenn die träge Masse nach "schönen Worten" verlangt. Worte vernommen und schon vor dem Satzende vergessen… Anderes Beispiel wo man diese "Technik" beobachten kann ist die Dopingdiskussion.

Ich stimme Hellmuth zu es gibt keine Chancengleichheit, weder in der Bildung noch in anderen Aspekten der Lebenswirklichkeit - zum einen ist sie höchtens von den Unterpriveligierten gewünscht, zum anderen widerspricht sie dem Darwinistischem Prinzip, welches letztlich JEDES politische / gesellschaftliche System dominiert. "Survival of the fittest" als ultimative Erkenntnis…