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DVZ und Reaktivkraft - Druckversion

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DVZ und Reaktivkraft - icheinfachma - 27.04.2015

(27.04.2015, 21:12)MZPTLK schrieb: Aber das bleibt meistens im leichten Bereich und ohne Druck auf den Boden, also verhältnismässig unspezifisch.

Da würde ich differenzieren. Der gesamte Vorschwung findet ja auch im Sprint ohne Bodenkontakt statt. Demnach ist auch mein Vorschlag zum exzentrischen bzw. plyometrischen Kraftrraining für diese Phase kein Problem hinsichtlich dessen. Bei den Übungen für den restlichen Rückwärtszug gebe ich dir aber recht, da fehlt dieses Kritierium.

Wir müssen bedenken, dass wir eine lange Phase ohne Bodenkontakt haben: Von der der waagerechten Position des Oberschenkels bis zum Bodenkontakt, bei dem der Oberschenkel schätzungsweise 20° zur Senkrechten stehen. Das macht 70° durch die Luft. Dann erst die Bodenkontaktphase, die bereits bei Winkeln von 20° des Oberschenkels zur Senkrechten wieder endet. Das macht 40°. >>70 : 40. Dazu kommt, dass das Bein während der Bodenkontaktphase noch maßgeblich von der im Vorschwung erzeugten Geschwindigkeit profitiert. Nahezu alle Autoren der Gegenwart heben die Bedeutung der Vorschwungphase (oder im englischen mit dem Begriff frontside mechanics) hervor. Sie scheint einen extremen Einfluss zu haben. Das verdeutlichen auch zwei Studien aus vergangenem Sommer, deren Abstracts ich auf meinem Laptop habe. Insofern ist es vielleicht gar nicht so schlimm, dass wir hier nicht auf dem tranierenden Bein stehen.

Neues Thema aus
Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training
abgetrennt



RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 27.04.2015

Are running speeds maximized with simple-spring stance mechanics?
Kenneth P. Clark , Peter G. Weyand
Journal of Applied PhysiologyPublished 31 July 2014Vol. no. , DOI: 10.1152/japplphysiol.00174.2014
 
Abstract
Are the fastest running speeds achieved using the simple-spring stance mechanics predicted by the classic spring-mass model? We hypothesized that a passive, linear-spring model would not account for the running mechanics that maximize ground force application and speed. We tested this hypothesis by comparing patterns of ground force application across athletic specialization (competitive sprinters vs. athlete non-sprinters; n=7 each) and running speed (top speeds vs. slower ones). Vertical ground reaction forces at 5.0 m•s-1, 7.0 m•s-1 and individual top speeds (n=797 total footfalls) were acquired while subjects ran on a custom, high-speed force treadmill. The goodness of fit between measured vertical force vs. time waveform patterns and the patterns predicted by the spring-mass model were assessed using the R2 statistic (where an R2 of 1.00 = perfect fit). As hypothesized, the force application patterns of the competitive sprinters deviated significantly more from the simple-spring pattern than those of the athlete, non-sprinters across the three test speeds (R2 < 0.85 vs. R2 ≥ 0.91, respectively), and deviated most at top speed (R2=0.78±0.02). Sprinters attained faster top speeds than non-sprinters (10.4±0.3 vs. 8.7±0.3 m•s-1) by applying greater vertical forces during the first half (2.65±0.05 vs. 2.21±0.05 body weights), but not the second half (1.71±0.04 vs. 1.73±0.04 body weights) of the stance phase. We conclude that a passive, simple-spring model has limited application to sprint running performance because the swiftest runners use an asymmetrical pattern of force application to maximize ground reaction forces and attain faster speeds.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 27.04.2015

The Key to speed?
Elite sprinters are unlike other athletes - Deliver a forceful punch to the ground

DALLAS (SMU) —The world’s fastest sprinters have unique gait features that account for their ability to achieve fast speeds, according to two new studies from Southern Methodist University, Dallas.[...]

edit mod: bitte keine vollständigen Artikel fremder Webseiten posten - Teaser und Link müssen genügen!


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 27.04.2015

Ich fasse zusammen: Das Federmodell trifft zu:
-für Ausdauerlaufgeschwindigkeiten
-für Sprinter auf non-professionellem Niveau
-nicht für Sprinter auf professionellem Niveau.

Letztere beschleunigen ihr Bein aktiv gen Boden, sodass sich die Kraft des schnell auf den Boden treffenden Beines mit der Gewichtskraft addiert. Beide Kräfte ergeben im Modell folgende Kurve: siehe Bildanhang (schwarz - Sprinter, rot - nicht zutreffendes Federmodell).

Das bedeutet, dass diese Phase eine signifikante Rolle in der Anwendung großer Kräfte auf den Boden spielt. Große Kräfte sind wichtig im Sprint: Studie "Faster top running speeds are achieved with greater ground forces not more rapid leg movements" - Weyand et al., 2000


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - La Vicu - 27.04.2015

@ Icheinfachma
Bin dir noch eine Menge Antworten (A) zu Ausschnitten deiner Posts (Z) schuldig. Hier wenigstens einige:
 
(Z) „Und zwar so: Durch Nervenimpulse werden motorische Einheiten, bestehend aus mehreren Muskelfasern, zur Kontraktion gebracht. Eine Muskelfaser kann immer nur gar nicht oder mit voller Kraft kontrahieren, null oder eins. Der Krafteinsatz des Muskels wird allein dadurch reguliert, dass mehr oder weniger viele motorische Einheiten innerviert werden.“
 
(A) Eine Muskelfaser kann sehr wohl graduell abgestimmt kontrahieren. Das wird durch die Entladungs-Frequenz der Alpha-Motoneurone gesteuert (Mechanismus der Frequenzierung): Je höher die Frequenz, desto höher die Calcium-Ausschüttung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum in das Sarkoplasma, desto höher die ATP-Spaltungsrate, desto höher die Querbrückenbildung zwischen Aktin und Myosin…
 
(Z) „Die Actin-Mysosin-Einheiten sind stabil genug, dieser Kraft nachzugeben. Die Z-Scheiben sind es, auf die Zugkräfte wirken, wenn einerseits die Muskelfaser kontrahiert, andererseits aber der Muskel stark gedehnt wird.“
 
(A) Ok. Bei einer aktiven Muskelfaser werden die Spannungen über den Actin-Myosin-Komplex von Z-Scheibe zu Z-Scheibe weitergegeben, bei einer Dehnung aber durch die Titinfilamente.
 
(Z) „Reflexartig werden MEHR MOTORISCHE EINEITEN hinzugeschaltet, sodass sich die Belastung auf einen größeren arbeitenden Muskelquerschnitt, also auf mehr Z-Scheiben verteilt. Diese haben jetzt eine geringere Gefahr, zu reißen. Muskelfaserrisse treten immer an den Z-Scheiben auf.“
 
(A) Ob die Rekrutierung zusätzlicher Motorischer Einheiten reflektorisch (durch Dehnungsreflexe, die ja hier zur Debatte stehen) geschieht, weiß ich nicht. Habe auch noch nie gehört oder (auf Darstellungen) gesehen, dass von der Spindelafferenz Kollateralen zu anderen Alpha-Motoneuronen ziehen. Bisher war ich der Meinung, dass die reflektorischen Längenregelung durch Frequenzierung (s.o.) erfolgt und die Rekrutierung supraspinalen Einflüssen vorbehalten bleibt.
 
(Z) Eine Abbildung zeigte: Das bei einer Dehnung des Kernsackteils von den Muskelspindeln über die Afferenz an das Hinterhorn gesendete Signal wird monosynaptisch auf das Gamma-Motoneuron überführt, welches die intrafusalen Muskelfasern innerviert und deren Spannung herabregelt, damit diese sich der Spannung der Arbeitsfasern anpassen. Ein weiteres synaptisches Endköpfchen sei mit dem Alphamotoneuron verbunden, um die extrafusale Kontraktion herbeizurufen. Dieser Zusammenhang ist wohl falsch (oder doch nicht?); ich sollte solches Wissen in Zukunft nur aus verlässlichen Quellen beziehen.


(A) Habe noch nie gehört oder gesehen, dass die Spindel-Afferenz auf ein Gamma-Motoneuron (üblicher Weise Alpha-Motoneuron) geleitet wird. Wenn es das aber wirklich gäbe, könnte diese Rückwirkung aber die Spannung nicht herabregeln, es denn, zwischen Spindelafferenz und Gamma-Motoneuron wäre ein inhibitorisches Interneuron geschaltet. Dann wäre das Ganze aber nicht mehr monosynaptisch. Und warum sollte diese Regelung direkt über das Alpha-Motoneuron nicht ausreichen? Der Umweg Spindel-Gamma-Spindel- Alpha-Arbeitsmuskelfaser würde ja doppelt so lang dauern als der „normale“ Dehnungsreflex und käme für das Abfangen einer Störgröße viel zu spät.
 
(Z) „Aber was ist mit den Informationen zum Dehnungsreflex oder eben Nicht-Dehnungsreflex hinsichtlich der Ischios in der Vorschwungphase?“
 
(A) Das Vorpendeln der Unterschenkels in der Schwungphase beim Sprint ist Teil eines x-mal produzierten Bewegungsautomatismus und wird durch die Koordinationszentren auf dem Wege über die Alpha-Gamma-Koaktivierung der Arbeitsmuskelfasern und der Muskelspindelfasern komplett gesteuert. Da ist nichts von einer Störgröße, die durch einen Reflex abgefangen werden müsste. Statt dessen werden die vom Hirn im Muskel ankommenden Impulsmuster das rechtzeitige Abbremsen des Unterschenkelvorpendels vorausschauend mitenthalten. Nur wenn neben der Laufbahn ein Pfiffikus stehen und dem Unterschenkel des Vorbeisprintenden einen zusätzlichen Schubs geben würde, müsste der Dehnungsreflex der Ischios reagieren.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - W. Kronhard - 27.04.2015

(27.04.2015, 22:18)La Vicu  schrieb: (A) Eine Muskelfaser kann sehr wohl graduell abgestimmt kontrahieren. Das wird durch die Entladungs-Frequenz der Alpha-Motoneurone gesteuert (Mechanismus der Frequenzierung): Je höher die Frequenz, desto höher die Calcium-Ausschüttung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum in das Sarkoplasma, desto höher die ATP-Spaltungsrate, desto höher die Querbrückenbildung zwischen Aktin und Myosin…
 
(A) Ok. Bei einer aktiven Muskelfaser werden die Spannungen über den Actin-Myosin-Komplex von Z-Scheibe zu Z-Scheibe weitergegeben, bei einer Dehnung aber durch die Titinfilamente.
  
(A) Ob die Rekrutierung zusätzlicher Motorischer Einheiten reflektorisch (durch Dehnungsreflexe, die ja hier zur Debatte stehen) geschieht, weiß ich nicht. Habe auch noch nie gehört oder (auf Darstellungen) gesehen, dass von der Spindelafferenz Kollateralen zu anderen Alpha-Motoneuronen ziehen. Bisher war ich der Meinung, dass die reflektorischen Längenregelung durch Frequenzierung (s.o.) erfolgt und die Rekrutierung supraspinalen Einflüssen vorbehalten bleibt.
 
(Z) „Aber was ist mit den Informationen zum Dehnungsreflex oder eben Nicht-Dehnungsreflex hinsichtlich der Ischios in der Vorschwungphase?“
 

Alles sehr schön und auch richtig, nur leider unwichtig. Vertiefungen sind oft einfach verwirrend für die praktische Trainer.
Ein Beispiel: Einmal im Urlaub in Ägypten habe ich einen Doppelprofessor zufällig kenne gelernt. Eimal habe ich mich ziemlich abfällig über die abstrakte Wissenschaft geäussert. Dann hat er angefangen zu erzählen was und wie tief die Wissenschaft von einzelner Zelle kennt. Ich sagte zu ihm: wollen Sie wirklich alles wissen? In einer einzelnen Zelle unseres Körpers finden 100.000 chemischer Prozesse in einer Sekunde statt. Wollen sie wirklich wissen warum das trotzdem gut funktioniert und wie das gesteuert wird?  Kann ich ihnen auch jetzt sagen. Aber es ist doch unwichtig wenn es gut funktioniert. Mir ist ein Gesamtbild wichtiger. Sehen Sie das große Bild auf der Wand. Ja! Sehen Sie das ganze Bild? Ja! Dann gehen Sie mal ganz nah ran und betrachten sehr genau einen Quadratzentimeter vom Bild. Sehen Sie jetzt das Gesamtbild? Nein. Na siehste! Je Tiefer, desto unübersichtlicher! Und.... er hat mir Recht gegeben.

Fazit: Im Sport sind gute Bewegungsabläufe, sprich Technik, absolut wichtig, denn die sparen nachher viel Energie und erlauben bequeme und schnelle Bewegungen. Wen alle das gut beherrschen dann gewinnt der(die) der(die) schnellere Nervenleitgeschwindigkeit hat (Motorische Schnelligkeit). Wenn die das alles gleich haben dann gewinnt der(die) der(die) größere Impulsstärke, also Stromstärke aus dem Gehirn in den motorischen Bahnen, aufbringen kann. Diese motorische Stromimpulsstärke des Gehirns entscheidet den Gewinner im Sprint. Die Muskeln sind primitiv und passen sich an all die Momente an und gehorchen ganz schnell. Das einzige was aus dem beschriebenen praktisch nicht trainierbar ist, ist die NLG (Nerven Leitgeschwindigkeit) Schnell oder langsame NLG ist angeboren. 
Die Trainerkunst ist das alles im Training umzusetzen. Was, wann, wie - die 3 W sind die Trainerkunst.
Wenn die Nerven schnell sind und die Gehirnimpulse sehr stark reagiert der Muskel auch sehr schnell und die Dehnung oder Vordehnung ist dann vollkommener Unsinn.
Denn bevor sie einen heissen Herd unbewusst anfassen, dehnen sie die Muskeln des Armes nicht vor. Und trotzdem ist die Reaktion blitzschnell. Schneller geht es nicht mehr auch mit unsinnigen Überdehnung.
Ich überlasse die Wissenschft lieber der Wissenschft, und die Praxis den Praktikern. 
Ein praktisch geordnetes Wissen ist viel mehr Wert als noch viel mehr ungeordnetes Wissen in der abstrakten Wissenschaft.

In diesem Sinne!
  


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - W. Kronhard - 28.04.2015

(28.04.2015, 09:59)Gertrud schrieb: Da kann ich nur kontern. Ich habe viele Dinge bei meinen Athletinnen ausprobiert. Du nimmst für dich in Anspruch, dass der Weisheit letzter Schluss der Straddle ist und kannst nur auf deine eigene Erfahrung setzen. Demnach liegen alle Weltklassetrainer falsch. Ich gehe persönlich nicht davon aus, dass die Mehrheit immer recht hat.

Ich gebe dir recht, dass mein Anspruch sehr hoch vor allem in der Übungskonstruktion liegt, um den Punkt zu treffen. Ich will Verletzungen vermeiden, die auf Weltklasseniveau nicht gerade gering sind. Genau das ist der Punkt, der mich enorm stört. Das wirft die Frage auf, ob immer die richtigen Trainer am richtigen Athleten sind!!! Wink

Wenn man die Frage nach dem L.P. und der Rolle der Hamstrings stellt, sollte man schon mit Hintergrundwissen an die Sache gehen. Es ist immer ein Spielball zwischen Auseinanderpflücken (Analyse), Zusammensetzen und Automatisieren. Was nun beim Athleten besser ankommt, muss man im Detail als Trainer erkennen. Du bist ein Mensch, der bei biomechanischen Fragen und Antworten sehr präzise vorgeht; also lass mir meine Liebe zum Detail in muskulären Geschichten! Wink

Gertrud

Liebe Gertrud,

ich plädiere nicht für die Wiederbelebubg der Straddletechnik, kann aber trotzdem leicht beweisen dass der Absprung (Kontaktzeit) effektiver ist als beim Flop.
Muss es aber nicht tun.

Als Empfehlung kann ich noch einmal ausspucken: Im Training erst Straddle springen und dann Flop. Habe es mit einem Sportler probiert. Absprung beim Flop wird dadurch effektiver, und ist eine schöne Abwechslung als Tapetenwechsel. 

Gruß 


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - icheinfachma - 28.04.2015

(27.04.2015, 22:18)La Vicu schrieb: (Z) „Und zwar so: Durch Nervenimpulse werden motorische Einheiten, bestehend aus mehreren Muskelfasern, zur Kontraktion gebracht. Eine Muskelfaser kann immer nur gar nicht oder mit voller Kraft kontrahieren, null oder eins. Der Krafteinsatz des Muskels wird allein dadurch reguliert, dass mehr oder weniger viele motorische Einheiten innerviert werden.“
 
(A) Eine Muskelfaser kann sehr wohl graduell abgestimmt kontrahieren. Das wird durch die Entladungs-Frequenz der Alpha-Motoneurone gesteuert (Mechanismus der Frequenzierung): Je höher die Frequenz, desto höher die Calcium-Ausschüttung aus dem sarkoplasmatischen Retikulum in das Sarkoplasma, desto höher die ATP-Spaltungsrate, desto höher die Querbrückenbildung zwischen Aktin und Myosin…
Nein, ein Nervenimpuls löst immer eine maximale Kontraktion der Faser aus. Was du beschreibst ist, dass durch die Erhöhung der Innervationsfrequenz aus einem Zittern eine kontinuierliche Spannung wird. http://vmrz0100.vm.ruhr-uni-bochum.de/spomedial/content/e866/e2442/e4687/e4692/e4775/e4858/index_ger.html

Zitat:(Z) „Die Actin-Mysosin-Einheiten sind stabil genug, dieser Kraft nachzugeben. Die Z-Scheiben sind es, auf die Zugkräfte wirken, wenn einerseits die Muskelfaser kontrahiert, andererseits aber der Muskel stark gedehnt wird.“
 
(A) Ok. Bei einer aktiven Muskelfaser werden die Spannungen über den Actin-Myosin-Komplex von Z-Scheibe zu Z-Scheibe weitergegeben, bei einer Dehnung aber durch die Titinfilamente.

Nein. Ein gedehnter Muskel reagiert mit Kontraktion. Das bedeutet, dass die Spannkraft des Titins der Aktin-Myosin-Verbindung parallelgeschaltet ist. Selbst ein willentlich entspannter Muskel wird ruheinnerviert, sodass auch die Ruhespannung immer die Zugkraft der Titinfilamente mit der aktiven Kontraktion durch Ruheinnervation addiert werden muss. Darauf ist Wiemann natürlich nicht eingegangen, da er sich auf das Titin konzentriert hat. Dementsprechend können auch nicht die Titinfilamente, sondern nur die Z-Scheiben reißen. (siehe Bildanhang zu Verdeutlichung)

Zitat:(Z) „Reflexartig werden MEHR MOTORISCHE EINEITEN hinzugeschaltet, sodass sich die Belastung auf einen größeren arbeitenden Muskelquerschnitt, also auf mehr Z-Scheiben verteilt. Diese haben jetzt eine geringere Gefahr, zu reißen. Muskelfaserrisse treten immer an den Z-Scheiben auf.“
 
(A) Ob die Rekrutierung zusätzlicher Motorischer Einheiten reflektorisch (durch Dehnungsreflexe, die ja hier zur Debatte stehen) geschieht, weiß ich nicht. Habe auch noch nie gehört oder (auf Darstellungen) gesehen, dass von der Spindelafferenz Kollateralen zu anderen Alpha-Motoneuronen ziehen. Bisher war ich der Meinung, dass die reflektorischen Längenregelung durch Frequenzierung (s.o.) erfolgt und die Rekrutierung supraspinalen Einflüssen vorbehalten bleibt.

Das ist ja gerade das Markenzeichen von Reaktivkraft: Durch Reaktivkraft wird eine viel höhere Kraft erzeugt, als willkürlich möglihc wäre. Wir können ja willkürlich nur eine begrenzte Anzahl motorischer Einheiten kontrahieren lassen. Aus diesem Grund spielt die Plyometrie eine wichtige Rolle im Sport und da vor allem im Training. Die Maximalkraft hängt einzig und allein von der IK (hier Anzahl rekrutierter motorischer Einheiten) und vom myofibrillären Querschnitt ab, mitnichten von der Innervationsfrequenz.

Zitat:(Z) „Aber was ist mit den Informationen zum Dehnungsreflex oder eben Nicht-Dehnungsreflex hinsichtlich der Ischios in der Vorschwungphase?“
 
(A) Das Vorpendeln der Unterschenkels in der Schwungphase beim Sprint ist Teil eines x-mal produzierten Bewegungsautomatismus und wird durch die Koordinationszentren auf dem Wege über die Alpha-Gamma-Koaktivierung der Arbeitsmuskelfasern und der Muskelspindelfasern komplett gesteuert. Da ist nichts von einer Störgröße, die durch einen Reflex abgefangen werden müsste. Statt dessen werden die vom Hirn im Muskel ankommenden Impulsmuster das rechtzeitige Abbremsen des Unterschenkelvorpendels vorausschauend mitenthalten. Nur wenn neben der Laufbahn ein Pfiffikus stehen und dem Unterschenkel des Vorbeisprintenden einen zusätzlichen Schubs geben würde, müsste der Dehnungsreflex der Ischios reagieren.

Das Ausdauerlaufen oder Einbeinsprünge oder Sprungläufe oder Niedersprünge oder Kugelstoßen oder Speerwerfen oder Kugelschocken (soll ich noch mehr aufzählen?) ist auch ein zig-mal durchgeführter Bewegungsablauf und trotzdem sind all diese Bewegungsformen plyometrisch. Beim Ausdauerlauf beziehe im mich auf die Wadenmuskulatur bei einem Vorfußläufer. Und wer definiert den Unterschied zwischen einer "Störgröße" und einer von uns zu Trainingszwecken herbeigeführten "Nicht-Störgröße"? Deine Argumentation bezieht sich auf deine Gedankengänge, ich brauche aber literarische Quelleninformationen.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - MZPTLK - 28.04.2015

(28.04.2015, 16:15)icheinfachma schrieb: Das Ausdauerlaufen oder Einbeinsprünge oder Sprungläufe oder Niedersprünge oder Kugelstoßen oder Speerwerfen oder Kugelschocken (soll ich noch mehr aufzählen?) ist auch ein zig-mal durchgeführter Bewegungsablauf und trotzdem sind all diese Bewegungsformen plyometrisch.
Korrekt.
Beim Hammerwerfen ist es ähnlich, vor allem das Umlaufbein arbeitet plyometrisch, wobei die Konzentrik überwiegt/überwiegen sollte.
Dabei wird das Knie nicht gestreckt, aber die Ischios sind voll dabei.
Wer's nicht glaubt, kann es probieren und fühlen.


RE: Lombardsches Paradoxon und Konsequenzen fürs Training - La Vicu - 28.04.2015

@ icheinfachma


(Z) Nein, ein Nervenimpuls löst immer eine maximale Kontraktion der Faser aus. Was du beschreibst ist, dass durch die Erhöhung der Innervationsfrequenz aus einem Zittern eine kontinuierliche Spannung wird.
 
(A) Falsch formuliert: Ein Nervenimpuls löst immer eine Einzelzuckung einer Muskelfaser aus. Das ist nicht gleichzusetzen mit einer „maximalen Kontraktion“. Ein einzelner Nervenimpuls führt an der Kontaktstelle des Nervens zur Muskelfaser (an der motorischen Endplatte meist in der Mitte der Muskelfaser) zu einem Erregungszustand der Muskelfasermenbran (lokales Potential), der in diesem Bereich durch die von mir schon angedeuteten Mechnismen zur Bildung von Querbrücken und zur Verkürzung einiger Sarkomere führt. Diese regionale Sarkomerkontraktion geschieht auf Kosten der bisher nicht kontrahierten Sarkomere der Muskelfaser, die entsprechend gedehnt werden. Von der Fasermitte breiten sich der Erregungszustand und die Sarkomerkontraktionen mit einer Geschwindigkeit von etwa 10m/s bis zu den Enden der Muskelfaser aus (fortgeleitetes Aktionpotential). Zu dem Zeitpunkt, zu dem die Muskelfaserenden Sarkomerkontraktionen zeigen, ist der Mittelteil der Faser in der Regel schon wieder inaktiv und wird von den am Faserende stattfindenden Sarkomerkontraktionen gedehnt. Somit kann ein einzelner Nervenimpuls kaum zu einer mechanisch wirksamen Faserverkürzung führen, geschweige zu einer Maximalkontraktion. Diese Diskussion ist jedoch ziemlich müßig, weil die Motorneurone im physiologischen Zustand nie Einzelimpulse senden, sondern stets Impuls-Salven („bursts“) von 30ms und länger und in unterschiedlicher Entladungsfrequenz. Dies führt dann zu den in der angeführten Quelle dargestellten Überlagerungen der Kontraktionswellen bis (in seltenen Fällen) hin zum vollständigen Tetanus.
(Tut mir leid, dass ich so ausführlich antworten muss, aber besser, als wenn Missverständnisse stehen bleiben)
 
(Z) Nein. Ein gedehnter Muskel reagiert mit Kontraktion. Das bedeutet, dass die Spannkraft des Titins der Aktin-Myosin-Verbindung parallelgeschaltet ist. Selbst ein willentlich entspannter Muskel wird ruheinnerviert, sodass auch die Ruhespannung immer die Zugkraft der Titinfilamente mit der aktiven Kontraktion durch Ruheinnervation addiert werden muss. Darauf ist Wiemann natürlich nicht eingegangen, da er sich auf das Titin konzentriert hat. Dementsprechend können auch nicht die Titinfilamente, sondern nur die Z-Scheiben reißen. (siehe Bildanhang zu Verdeutlichung)
 
(A) Die ersten zwei Sätze habe ich nicht in Abrede gestellt. Der Rest ist falsch, weil die als Beweis beigefügt Abbildung unvollständig ist. Die von den Z-Scheiben ausgehenden Titinfilamente enden nicht am Myosinfilament, sondern ziehen an den Myosinfilamenten entlang (als Strukturgeber) bis zur M-Scheibe und von dort weiter bis zur nächsten Z-Scheibe. Die Ruhespannung der Sarkomere und der Muskelfaser (in Ruhe) ist somit von den Titinfilamenten allein verursacht.
 
(Z) Das Ausdauerlaufen oder Einbeinsprünge oder Sprungläufe oder Niedersprünge oder Kugelstoßen oder Speerwerfen oder Kugelschocken (soll ich noch mehr aufzählen?) ist auch ein zig-mal durchgeführter Bewegungsablauf und trotzdem sind all diese Bewegungsformen plyometrisch. Beim Ausdauerlauf beziehe im mich auf die Wadenmuskulatur bei einem Vorfußläufer. Und wer definiert den Unterschied zwischen einer "Störgröße" und einer von uns zu Trainingszwecken herbeigeführten "Nicht-Störgröße"? Deine Argumentation bezieht sich auf deine Gedankengänge, ich brauche aber literarische Quelleninformationen.
 
(A) Eine plyometrische Bewegungsweise ist nicht identisch mit dem Dehnungsreflex und lässt sich nicht durch die Funktion des Dehnungsreflexes erklären. Bei plyometrischen Sprüngen wird die Muskulatur durch das Nervensystem vorinnerviert und ist im richtigen, vom ZNS vorberechneten Zeitpunkt so stark kontrahiert, wie es zum Erreichen des Zieles notwendig ist. Die Muskelelastizität ergibt sich aus der Elastizität der Myosinhälse bei geschlossenen Querbrücken. Durch die Rekrutierung und Frequenzierung wird der Elastizitätsmodul der Muskulatur auf die gewünschte Bewegungsfrequenz voreingestellt. Bei schnellen Prellsprüngen würde die Laufzeit des Dehnungsreflexes (Zeit zur Vordehnung des Muskels + Rezeptorzeit + Ia-Leitungszeit + Synapsenzeit + alphamotorische Leitungszeit + Entplattenzeit + Muskelfasermembran-Leitungszeit) gar nicht kurz genug sein, um die Aktion rechtzeitig unterstützen zu können. Die Reflexantwort würde viel zu spät kommen.
Eine „Störgröße“ (Begriff aus der Regelungstechnik) im Längenservomechanismus des Muskels hat mit Trainingszwecken welcher Art auch immer nicht zu tun.
Literarische Quellen zum Thema würde ich nicht unbedingt im Internet suchen, und wenn doch, dann mit korrekten Abbildungen. Literatur zur Physiologie habe ich schon bekannt gegeben.