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Sprinttechnik - Druckversion

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RE: Sprinttechnik - T-Willy - 04.09.2014

(04.09.2014, 06:44)icheinfachma schrieb: Es ist eine alte Mär, dass die meisten Sprinter mehr oder weniger stark ausgeprägte rechts-links-Dysbalancen haben. In der Regel ist das rechte Bein stärker als das linke, weil zu viele Links- und zu wenig Rechtskurven gelaufen werden. Um das Bein schnell nach vorn zu bringen, braucht man starke Hüftbeuger. Die im starken Bein ziehen das Bein schneller nach vorn und dort werden die Fersen infolgedessen weniger hoch ausgeworfen. Beim schwachen Bein kommt die Ferse höher. Im Übrigen sind die Sprinterinnen im Video auf einem absolut unprofessionellen Niveau, die können wohl kaum als Technikargumente dienen.
ich habe bereits bei sehr jungen Athleten,die so gut wie noch nie bzw. sehr selten (z.B. mal bei einer Staffel)Kurven laufen,  beobachtet ,dass auch da diese Dysbalancen  schon vorhanden
sind !
Wird das nicht auch sogar als evtl. Talentmerkmal gewertet (ist aber wohl umstritten!)?
Ich meine auch gehört zu haben,dass Kinder mit  so einer  Dysbalance oft eine viel schnellere
Schrittfrequenz haben!?

Was meinen sie dazu ?Ist da was dran?

Und weiter stelle ich mir die Frage,warum erwachsene Athleten diese Dysbalance in den Hüftbeugern nicht durch verstärktes (Kraft)Training der schwachen Seite  abstellen,bzw. zumindest verringern?Huh

TWilly


RE: Sprinttechnik - Knueppler - 04.09.2014

(04.09.2014, 06:44)icheinfachma schrieb: Im Übrigen sind die Sprinterinnen im Video auf einem absolut unprofessionellen Niveau, die können wohl kaum als Technikargumente dienen.

Naja, mit 13 Jahren eine Zeit von 12,65 zu laufen, ist nicht ganz so unprofessionell. Das ist mE sogar richtig schnell.
Also, ich bin mit 13 Jahren nicht unter 13 Sek. gelaufen; erst mit 14+ Jahren.


RE: Sprinttechnik - icheinfachma - 04.09.2014

(04.09.2014, 08:14)T-Willy schrieb: ich habe bereits bei sehr jungen Athleten,die so gut wie noch nie bzw. sehr selten (z.B. mal bei einer Staffel)Kurven laufen,  beobachtet ,dass auch da diese Dysbalancen  schon vorhanden
sind!

Natürlich laufen junge Sportler und auch reine 100m-Läufer im Wettkampf meist geradeaus. Aber Dysbalancen entstehen im Training und nicht im Wettkampf. Und im Training läuft man sehr oft Strecken, die länger als 100m sind und darum zwangsläufig eine oder mehr Kurven beinhalten. Und wenn man dann immer nur linksherum läuft, um der Wettkampfsituation nahezukommen, entstehen eben diese Links-Defizite. Allerdings würde ich persönlich im Kinder- und Jugendbereich die Gesundheit in den Vordergrund stellen und für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Links- und Rechtskurven sorgen, während erwachsene Leistungssportler sich selbst entscheiden müssen, ob sie Abstriche in der Gesundheit machen.

Zitat:Wird das nicht auch sogar als evtl. Talentmerkmal gewertet (ist aber wohl umstritten!)?

Dysbalancen als Talentmerkmal? Nie gehört. Stattdessen verbinde ich Dysbalancen mit Fehlbelastungen und darum ggf. Überlastungserscheinungen. Das wirkt sich dann beispielsweise auf Füße/Schienbeine oder Lendenwirbelsäule aus.

Zitat:Ich meine auch gehört zu haben,dass Kinder mit  so einer  Dysbalance oft eine viel schnellere Schrittfrequenz haben!?

Schnellere Schrittfrequenzen entstehen durch verkürzte Bodenkontaktzeiten und nicht durch Dysbalancen. Und verkürzte Bodenkontaktzeiten wiederum entstehen, wenn einerseits durch die richtige Technik die Kraftfähigkeiten effektiv eingesetzt werden und andererseits durch Lauf-, Sprung- und Krafttraining diese Kraftfähigkeiten verbessert werden.

Zitat:Und weiter stelle ich mir die Frage,warum erwachsene Athleten diese Dysbalance in den Hüftbeugern nicht durch verstärktes (Kraft)Training der schwachen Seite  abstellen,bzw. zumindest verringern?

Da sprechen wir von zwei Trainingsformen: Lauftraining, das die Dysbalancen hervorruft (Linkskurven, um der Wettkampfsituation nahezukommen) und dann Krafttraining, welches die Dysbalancen nach deiner Aussage wieder ausgleichen soll. Krafttraining hat aber andere Effekte auf die Muskulatur als Lauftraining. Ersteres führt v.a. zu einem vergrößerten Muskelquerschnitt und mehr willkürlich rekrutierbaren motorischen Einheiten für mehr Maximalkraft, letzteres vor allem zu Anpassungen in der Ausdauer und Schnellkraft/Reaktivkraft. Sicher kann man durch linksgewichtetes Krafttraining ein Stück weit entsprechende Dysbalancen ausgleichen, aber ein Kraftraining kann eben nicht vollständig die durch Laufen verursachten Defizite ausgleichen bzw. schafft es neue. Außerdem trainieren Top-Athleten bereits am Limit. Wenn sie im Krafttraining einen (teilweisen) Ausgleich bewirken wollen, können sie nicht das linke Bein mehr trainieren, sondern müssen das rechte weniger trainieren. Das geht auf Kosten der Gesamtleistungsfähigkeit. Darum vermute ich, dass viele Hochleistungssprinter gar nicht unbedingt den Versuch unternehmen, ihre Dysbalancen auszulgeichen. Allerdings müssen sie das tun, wenn die Dysbalancen gar zu groß werden, weil sie dann vermehrt mit Verletzungen zu tun bekommen. Aber da werden wohl die meisten Sprinter erst, wenn sie die Verletzungsmisere hineingeraten, anfangen, gegen Rechts-Links-Differenzen vorzugehen.


RE: Sprinttechnik - icheinfachma - 04.09.2014

(04.09.2014, 08:38)Knueppler schrieb:
(04.09.2014, 06:44)icheinfachma schrieb: Im Übrigen sind die Sprinterinnen im Video auf einem absolut unprofessionellen Niveau, die können wohl kaum als Technikargumente dienen.

Naja, mit 13 Jahren eine Zeit von 12,65 zu laufen, ist nicht ganz so unprofessionell. Das ist mE sogar richtig schnell.
Also, ich bin mit 13 Jahren nicht unter 13 Sek. gelaufen; erst mit 14+ Jahren.

Mit dreizehn Jahren hat noch niemand eine Lauftechnik auf professionellem Niveau, egal wie schnell er/sie ist. Sicher sind diese Mädchen im Video talentiert, vielleicht mitunter auch Frühentwickler, aber auf keinen Fall professionell (bedenke, dass es mir hierbei um die Technik geht). Wenn es um professionelle Lauftechnik geht, werde ich immer nach erwachsenen Topathleten schauen und nicht nach Dreizehnjährigen.


RE: Sprinttechnik - Knueppler - 04.09.2014

(04.09.2014, 09:00)icheinfachma schrieb: Mit dreizehn Jahren hat noch niemand eine Lauftechnik auf professionellem Niveau, egal wie schnell er/sie ist. Sicher sind diese Mädchen im Video talentiert, vielleicht mitunter auch Frühentwickler, aber auf keinen Fall professionell (bedenke, dass es mir hierbei um die Technik geht). Wenn es um professionelle Lauftechnik geht, werde ich immer nach erwachsenen Topathleten schauen und nicht nach Dreizehnjährigen.

Die Technik von Bolt und Co haben wir ja bereits diskutiert.
Aber egal   ....

Bolt und Lemaitre fersen an - ganz klar - , während Yohan Blake "unterferst". Letzteres hat Ralf Buckwitz entsprechend analysiert und zudem in diversen Zeitungsartikeln veröffentlicht.
Insofern unterscheidet sich das Mädchen in dem Video - zumindest was das Anfersen betrifft - nur unwesentlich von den genannten Leitbildern.

Hier das Video von Bolt und Lemaitre:

https://www.youtube.com/watch?v=4fjC1Oim0UQ

Das Video begginnt zwischen 30 und 40m (ich wusste es mal genauer, habe ich aber wieder vergessen).
Interessant ist hierbei, dass am Anfang Lemaitre  einen Kniehub zeigt, der bis zur Waagerechten geht, evtl. sogar noch höher.


RE: Sprinttechnik - icheinfachma - 04.09.2014

(04.09.2014, 09:15)Knueppler schrieb: Bolt und Lemaitre fersen an - ganz klar - , während Yohan Blake "unterferst". Letzteres hat Ralf Buckwitz entsprechend analysiert und zudem in diversen Zeitungsartikeln veröffentlicht.

Insofern unterscheidet sich das Mädchen in dem Video - zumindest was das Anfersen betrifft - nur unwesentlich von den genannten Leitbildern.

Anfersen ist nicht gleich Anfersen. Schau mal, wie viele professionelle Sprinter ein Anfersen zeigen (hier mal die olympischen Halbfinals von 2012 über 100m - Damen https://www.youtube.com/watch?v=Yvlzhvr1h74, Herren https://www.youtube.com/watch?v=lI0maiTATxw). Allerdings ist Anfersen differenziert zu betrachten.

Die wesentlichen Merkmale einer guten Sprinttechnik zeigt das Mädchen im Gegensatz zu Bolt und Co nämlich nicht.


RE: Sprinttechnik - Gertrud - 04.09.2014

(04.09.2014, 09:15)Knueppler schrieb: Die Technik von Bolt und Co haben wir ja bereits diskutiert.
Aber egal   ....

Bolt und Lemaitre fersen an - ganz klar -

Bei Bolt sind Sie total auf dem Holzweg, weil Sie die Kniegeschwindigkeit unterschätzen. Ich würde es unter "optischer Täuschung" führen. Die Bolttechnik ist in den Einzelheiten schon sehr speziell. Auch die Betrachtung der Schwungbeinseite hier sehe ich noch in einem sehr zwiespältigen Winkel. 

Es freut mich trotzdem, wenn ich den deutschen Sprints etwas "aufgerührt" habe. Bisher ist alles, was ich angeprangert habe, versetzt eingeleitet worden: Veränderung einiger Technikbilder, Drills, Hinwendung zu kürzeren speed-endurance-Programmen und Veränderung von Krafttrainingsprogrammen, auch wenn man es nur ungern zugibt. Auch die Betrachtungsweise der Verletzungen nimmt - wenn auch allmählich - Gestalt an. Ich hatte nie Probleme damit, Denkfehler zuzugeben und umgehend abzustellen.

Ich halte es für sehr gefährlich, die Übungen von internationalen Protagonisten einfach nachzuahmen, ohne sie einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Ich habe sehr früh diese Pfade verlassen.

Gertrud


RE: Sprinttechnik - Knueppler - 04.09.2014

Die Kniegeschwindigkeiten von Bolt und Lemaitre werden sich aber kaum unterscheiden.
Man kann sich zum Beispiel das Video herunterladen und dann mit VLC mit 3% Geschwindigkeit abspielen.
Dann kommt man bzw. ich bin zu dem Ergebnis gekommen.

Die von icheinfachma aufgefürten Videos - insbeondere das Video mit Verena Sailer-  habe ich zwar schon zig-mal gesehen ... nur kann ich im Augenblick - eigentlich muss ich ganz  andere Dinge machen - dazu nichts sagen.
Wenn aber Anfersen nicht Anfersen ist, dann möchte ich schon den Grund dafür wissen.

Die Lauftechnik der Endlaufteilnehmer von London war auch mal Gegenstand einer Studie einer Uni, wie ich von einem renommierten Trainer erfahren habe. Damals hat man wohl festgestellt, dass 6 von 8 Teilnehmerinnen auspendeln, zwei davon allerdings nicht. (Hoffentlich liest der Trainer jetzt nicht mit)

(Anfersen) wie auch immer : Fakt ist, dass Blake "unterferst" und wie R.B. mir gegenüber zugab, dass Bolt anferst.

Wenn Gertrud meint, dass Bolt aus anderen Gründen anferst, dann soll sie mir die Gründe nennen


RE: Sprinttechnik - hkrueger - 04.09.2014

Zitat:Knueppler

Fakt ist, dass Blake "unterferst" und wie R.B. mir gegenüber zugab, dass Bolt anferst.


Was versteht man unter "unterfersen"? Der Begriff wurde auch immer in Hochkommas gesetzt, allerdings kann ich mir darunter nichts vorstellen!

Anfersen wird wohl jeder Sprinter. Aber hier gehts wohl um das aktive Anfersen von Bolt, oder?


RE: Sprinttechnik - icheinfachma - 04.09.2014

(04.09.2014, 10:16)Knueppler schrieb: Wenn aber Anfersen nicht Anfersen ist, dann möchte ich schon den Grund dafür wissen.


Vielleicht verstehst du es besser, wenn ich die Unterschiede zwischend dem Mädchen und einer guten Sprinttechnik herausstelle:

Professionell:
Neutrale Hüftstellung, um die Hüftbeuger in einen optimalen Längenzustand zu bringen für einen guten Kniehub. Außerdem effektiver Arbeitseinsatz der Hüftstrecker in der Vorbereitung des Bodenkontaktes. Schultern fast über der Hüfte (Rumpf zeigt in Gegenrichtung des Kraftvektors, der in den Boden übertragen wird).
 
Das Mädchen:
Anteriore Hüftstellung, dadurch verkürzter Zustand der Hüftbeuger und hinterher Ziehen des Beines, Kniehub wird gehemmt. Hüftstrecker vor dem Bodenkontakt verlängert, darum weniger effektiveres nach-unten-Beschleunigen der Beine. Gut erkennbar auch an der Rumpfvorlage, die mit dem Vorhergeschriebenen in Zusammenhang steht.
 
Professionell:
Oberschenkel während Bodenkontakt nach hinten bewegt, bei Bodenverlust Abbremsen desselbigen, um das Knie sofort nach vorn zu bringen für einen guten Kniehub.
 
Das Mädchen:
Wirft ihre Beine ungehemmt nach hinten, auch nach Bodenverlust noch weitere Hüftstreckung. Dadurch Hinterherziehen des Beines und mehr Arbeit für die Hüftbeuger.
 
Professionell:
Dorsalextension nach Bodenverlust, um Beinbeugung unter dem Körper zu verstärken. Dadurch Pendelverkürzung und besserer Kniehub.
 
Das Mädchen:
Dorsalextension erst kurz vor dem Bodenkontakt, anfersen, aber schnelles Wiederöffnen des Beines unter dem Körper.
 
Professionell:
Guter Kniehub, beim Abstoppen des Oberschenkels an seinem höchsten Punkt übeträgt dieser durch seine Massenträgheit horizontale, vor allem aber vertikale Kräfte auf dem Körper und unterstütz so das Stützbein. Bein wird außerdem aus großer Höhe gen Boden beschleunigt, kräftiger Fußaufsatz.
 
Das Mädchen:
Weniger hoher Kniehub mit entsprechenden Folgen.