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RE: Sprinttechnik - Hesse - 09.04.2019

Über das Technikbild des modernen Sprints ist hier viel Wissen zusammengetragen worden. Wie sind uns darüber einig (nehme ich an), dass die „frontside mechanics“ (Arbeiten vor der gedachten Mittellinie) mehr betont werden sollen als die „backside mechanics“. Der Treffpunkt des Fusses liegt unter bzw. knapp vor dem Körperschwerpunkt. In der Metabolik wissen wir, dass Schnelligkeitstraining Aktionen zu 100% bedeuten, die maximal bis sechs Sekunden dauern dürfen ( 2x3x 4-6Sek. – P: 4 -8 Minuten). Halten wir uns nicht daran, rutschen wir in den „speed endurance“ Bereich. Die Pause zw. 2 Schnelligkeitstagen muss! mind. 48 Std. betragen. Einige verlangen eine flache Fusskurve, andere fordern das Übersteigen des Kontaktbeinknies. Einig sind wir uns über einen relativ großen (>150° - ??°) Kniewinkel in der Stützphase mit möglichst wenig Amortisation. Individuelle Besonderheiten (körperbaubedingt) müssen zugelassen werden. Bolt zeigt ein anderes Pendel als Blake. Ob ein mehr oder weniger ausgeprägter „Wackeldackel“ dienlich ist, kommt sicher auch auf das Körpergefühl des Athleten an. Die Armarbeit dient nicht nur der Balance, sondern spielt eine gewichtige Rolle in der „drive“ Phase.Allen modernen Sprint-Vorstellungen scheint eines gemein zu sein: Alle versuchen mit dem Knie und dem Fuss so schnell und so kraftvoll wie möglich gegen den Boden zu arbeiten und dabei eine gewisse „stiffness“ beizubehalten. Wenn wir darüber übereinstimmen, dann müssen wir auch intensiver über eine Sache reden, die bisher in der Diskussion etwas zu kurz gekommen ist: Krafttraining für Sprinter.Ich habe das Gefühl, dass wir im Krafttraining bisher vor allem im Bereich Konzentrik und Plyo unterwegs sind. Über die Bereiche exzentrisches Training und isometrisches Training finde ich leider herzlich wenig (ich weiss, wer Ohren hat, hätte schon vor 30 Jahren davon hören können…). Für die stiffness sind insbesondere exzentrische und isometrische Kraftwerte von Bedeutung; also müssen wir diese auch trainieren; aber wie? Aus Übersee gibt es nun seit einiger Zeit interessante Entwicklungen. Cal Diez „Triphasic Training“ und Alex Natera (https://www.just-fly-sports.com/modern-speed-training-alex-natera) zeigen neue Ansätze. Ich bin davon überzeugt, dass vieles davon demnächst in DE ausprobiert wird und freu´ mich schon auf die Diskussionen hier.


RE: Sprinttechnik - Gertrud - 09.04.2019

(09.04.2019, 18:41)Hesse schrieb: Cal Diez „Triphasic Training“ und Alex Natera (https://www.just-fly-sports.com/modern-speed-training-alex-natera) zeigen neue Ansätze. Ich bin davon überzeugt, dass vieles davon demnächst in DE ausprobiert wird und freu´ mich schon auf die Diskussionen hier.

Das Schlimme ist, dass alles ausprobiert wird, weil die wissenschaftlichen exakten Hintergründe meistens fehlen. Wink ‌Das Filtern und die Modifikation sind die schwierige Aufgabe!!!

Gertrud


RE: Sprinttechnik - Hesse - 10.04.2019

Ups!  @Gertrud: unterstellst du Dietz und Natera, dass ihren Ansätzen der wissenschaftliche Tiefgang fehlt? Meines Wissens hat zumindest Dietz einen hochwissenschaftlichen Hintergrund (https://gophersports.com/coaches.aspx?rc=1825&path=mhockey). Seine Ansätze scheinen ähnlich der "french contrast method" zu sein, von der wir im Traininng von Meyer einige Ansätze gesehen haben. Wenn wir das Drei-Phasen-Modell um die Komponente erweitern, die Energie speichert und wieder abgibt (Stichwort Titin), ohne dass ATP zerfällt, dann müssen wir uns mit (dem Wissenschaftler) Dietz beschäftigen.


RE: Sprinttechnik - Gertrud - 10.04.2019

(10.04.2019, 09:55)Hesse schrieb: Ups!  @Gertrud: unterstellst du Dietz und Natera, dass ihren Ansätzen der wissenschaftliche Tiefgang fehlt? Meines Wissens hat zumindest Dietz einen hochwissenschaftlichen Hintergrund (https://gophersports.com/coaches.aspx?rc=1825&path=mhockey). Seine Ansätze scheinen ähnlich der "french contrast method" zu sein, von der wir im Traininng von Meyer einige Ansätze gesehen haben. Wenn wir das Drei-Phasen-Modell um die Komponente erweitern, die Energie speichert und wieder abgibt (Stichwort Titin), ohne dass ATP zerfällt, dann müssen wir uns mit (dem Wissenschaftler) Dietz beschäftigen.

Ich habe meine ganz eigenen Kriterien der Übungskonstruktion und Modifikation hinsichtlich der leichtathletischen Disziplinen entwickelt, die ich übrigens je nach neuer wissenschaftlicher Lage verändere. Mein System ist absolut flexibel. Wenn ich nun Übungen wie hier sehe, bewegt sich in meinem Kopf sofort der Fundus an Ausschlusskriterien. Wenn ich Übungen finde, die besser als meine sind, wechsele ich sofort!!! Ich fühle mich bei besseren Lösungen durch eine andere Person überhaupt nicht angegriffen. 

Hier kommt aber immer wieder heraus, dass ein Dr. vor einem Namen die Qualität hinsichtlich Genauigkeit ausmacht. Natürlich sind diese Leute sehr gut; aber es geht für mich immer ganz stark ans Eingemachte. Auch Trainer und Wissenschaftler ohne die beiden Buchstaben vor dem Namen haben den Kopf zum Denken.

Mit der Modifikation geht es wie mit dem Essen. Wenn einer Hülsenfrüchte als sehr gute Eiweißquelle empfiehlt und sich der Proband jeden Tag Hülsenfrüchte einverleibt, dann vergisst er die Auswirkungen der Purine auf die Gelenke. Genauso verhält es sich mit Übungen, bei denen ich peinlich genau auf das Maß und Ausmaß achte. Da bin ich nicht mit allen Vorschlägen einverstanden. Auch bei Mayer habe ich trotz vieler sehr guter Übungen meine Einwände. Ich bin im Detail sehr akribisch und von Gesundheitsgedanken geprägt. 

Gertrud


RE: Sprinttechnik - dominikk85 - 10.04.2019

Ich sehe halt nicht die spezifik von isometrischem Training für die LA, isometrische Belastung kommt  doch in der LA kaum vor, meistens geht es um den direkten Übergang von exzentrisch zu konzentrisch.


RE: Sprinttechnik - Gertrud - 10.04.2019

(10.04.2019, 10:57)dominikk85 schrieb: Ich sehe halt nicht die spezifik von isometrischem Training für die LA, isometrische Belastung kommt  doch in der LA kaum vor, meistens geht es um den direkten Übergang von exzentrisch zu konzentrisch.

Der Umkehrpunkt ist mehr oder wenger isometrisch. Es kommt darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Bewegung man ihn setzt. Auch da sind mir die Übungen viel zu ungenau für unsere leichtathletische Spezifik.

Gertrud


RE: Sprinttechnik - Hesse - 10.04.2019

Um den Umkehrpunkt zwischen exzentrischer und konzentrischer Phase geht es hier. Wenn durch Erhöhung der exzentrischen u. isometrische Kraft anteilig dieser Umkehrpunkt verkürzt wird haben wir das, was wir anstreben: eine kürzere Bodenkontaktzeit. Wir wissen, dass die deutschen Sprinter in der Beschleunigung mithalten können. In der Hochgeschwindigkeitsphase verlieren sie den Anschluss. Die Geschwindigkeit lässt sich vor allem (Frequenz spielt eine untergeordnete Rolle) durch die Schrittlänge erhöhen. Die Kraft in kürzerer Zeit auf den Boden gebracht ergibt den gesuchten höheren Impuls. Dass man hier natürlich die Übungen ob ihrer Ausgestaltung immer kritisch hinterfragen muss bleibt bestehen. Nur wünsche ich mir langsam, dass das Hinweisen auf die Klippen der Bewegungsausführung versickert und konkreten Aussagen, die überprüft und ihrerseits hinterfragt werden können Platz macht.


RE: Sprinttechnik - Jo498 - 10.04.2019

Könnte das nicht auch an der (Kraft)ausdauer liegen? Die meisten aktiven deutschen Sprinter (Ausnahmen wohl Lückenkemper und Mayer, bei den Männern weiß ich gerade keinen) sind über 100m (mitunter deutlich) besser als über 200m, und manchmal über 60m sogar relativ besser als über 100m.


RE: Sprinttechnik - Hesse - 11.04.2019

Die Vmax wird zwischen 50m und 80m erreicht. Die Ausdauer spielt hier metabolische noch keine Rolle. Deutsche Sprinter haben (gemessen in Weinheim 2012) eine leicht höhere Frequenz als die Weltspitze. Die Vmax (gemessen zw. 30m und 60m) liegt im Durchschnitt knapp über 11m/Sek, die der Weltspitze bei über 12m Sek. Das bedeutet: Arbeiten an Vmax. = Bodenkontaktzeit verkürzen bei gegebenen Kraftwerten ergibt eine vergrößerte Schrittlänge.


RE: Sprinttechnik - dominikk85 - 11.04.2019

Gerade bei den Männern ist das zweifelsfrei so. Viele sind über 60m besser als über 100 und fast alle Top 100m Leute fallen über 200 stark ab, während die weltspitze in den letzten 7-8 Jahren oft über 100 und 200m fast gleich stark war (Bild, Blake, lyles, de grasse) auch wenn es natürlich Ausnahmen gibt (powell). Denke mal das erklärt auch teilweise die schlechten 400m Ergebnisse.

busemann Senior hat dazu vor über 10 Jahren mal was geschrieben. Er war der Meinung das läge daran das in Deutschland zu viel antritt und Beschleunigung trainiert werde und die Leute daher keine guten und entspannten Top Speed mechanics hätten und daher ab 50m eher mit Krampf und Kampf laufen was über 100m noch gerade so geht, aber über 200m gar nicht.

Man muss schnell laufen um schnell zu werden, aber einige Ami Trainer betonen auch das man auch möglichst lockere längere sprints im submaximalen Bereich im Fokus auf Technik und entspannung machen muss um den Körper in Entspannung der antagonisten zu trainieren.

busemann hat diese Fähigkeit ebenfalls beschrieben, ein Bolt konnte mit 80% krafteinsatz ab 50m im Vorlauf 10.00 laufen, während deutsche laut busemann wenn sie etwas vom Gas gehen "so langsam wie schüler" werden würden.

diese Fähigkeit mit geringerem krafteinsatz submaximal mit nur geringem tempoverlust laufen zu können ist über 200 und 400m gerade sehr wichtig.

ich denke das sollte man in Deutschland auch mal gezielt trainieren, sprich auch mal 120m fliegend betont locker versuchen nur 2-3 km/h langsamer als der absolute Top Speed zu laufen und dabei die Top Speed mechanics extrem sauber abzurufen.

ich denke Jugend Bereich ist es schon wichtig kurze möglichst maximale sprints zu machen um den Körper auf maximale muskelkontraktion zu Eichen und Schnelligkeit zu entwickeln, aber auf hohem Niveau sollte man auch entspanntes laufen trainieren.

hier ist auch ein interessanter Artikel über "floating" sprich möglichst locker nur wenige kmh langsamer als Top Speed laufen zu können.

https://simplifaster.com/articles/floating-sprints-speed-development/

https://www.completetrackandfield.com/floating/