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RE: Sprinttechnik - gera - 26.04.2019

je größer der Landewinkel des Beines ist, um so mehr vertikalen Impuls muss der Sprinter wieder ausgleichen um die nötige Schritthöhe zu halten.
weniger Bremsstoß in horz.Richtung heißt mehr Verlust an vert.Impuls, die verhalten sich umgekehrt proportional.
Der Einsatz auch vert.Kraft bei jedem Schritt ist sicher auch von der athletischen Bereitschaft in Fußgelenk und Hüfte abhängig.


RE: Sprinttechnik - MZPTLK - 26.04.2019

Der Sprinter ist wie ein Wurfgerät, ein Geschoss,
Der Unterschied ist, dass er sich selbst beschleunigt,
auch in der Höchstgeschwindigkeitsphase
und danach, wenn die Geschwindigkeit leicht nachlässt.

Ein Diskus hat z.B. seinen Hochpunkt bei 40 m, fällt dann bei 60 m runter
Eine Milchkanne von ebenfalls 2 Kg, die genau der gleichen Erdanziehung ausgesetzt ist,
hat ihren Hochpunkt bei 25 m, fällt aber schon bei 30 m runter.

Schuld ist die Aerodynamik, die anfangs gleich hohe Beschleunigung der Milchkanne
wird durch den viel höheren Luftwiderstand viel schneller aufgebraucht.
Aber auch beim Diskus gibt es eine beträchtliche Verlangsamung.,
so dass die Erdanziehung überhand gewinnt.

Genauso läuft es beim Sprint, die Erdanziehung bleibt immer gleich,
nur ihre Wirkung ist unterschiedlich, je nachdem wie schnell der Sprinter unterwegs ist.
Grund ist die Massenträgheit, die umso grösser wird, je schneller man läuft.

Und umso schneller man läuft, desto mehr Gegenwind hat man,
bei Topsprintern sind das über 11 m/sek.
Eine schreiende Ungerechtigkeit gegenüber den lahmeren Enten, oder?

Jedenfalls haben wir es mit 3 Kräften zu tun:
2 davon wirken horizontal und werden mit steigender Geschwindigkeit immer grösser,
die vertikale bleibt immer konstant.

Ein auf dem Fleck stehender Mensch muss - von Balancearbeit abgesehen -
100 % seiner mobilisierten Kraft gegen die Erdanziehung aufwenden.
Ein leicht trabender 100 minus x
Ein schnell laufender 100 minus x minus x
Ein mit Höchstgeschwindigkeit sprintender 100 minus x minus x minus x.
Umso höher also die Horizontalgeschwindigkeit,
desto geringer im Verhältnis dazu die Wirkung der Vertikalkraft.

Der Luftwiderstand steigt proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit.
Bei Radfahrern mit 33,6 Km/h sind etwa 190 Watt erforderlich,
aber zusätzliche 110 Watt, um nur 6,4 Km/h schneller fahren zu können.

Simples Beispiel bei Gegenwind:von 10 Km/h(2,78 M/Sek):
Ein Jogger ist mit 9 Km/h unterwegs und benötigt dann 43 Watt anstatt nur 5 Watt bei Windstille.
Ist er mit 19 Km/h unterwegs wie sehr gute Marathonläufer, muss er ebenfalls 43 Watt leisten.
Der Effekt des Windschattenlaufens wird auch im Marathon immer noch unterschätzt.
Die Berechnungen basieren auf einer angenommenen Körperauftreffläche von 0,6 qm.

Umso schneller man also unterwegs ist, desto schlimmer wird man von der Physik 'bestraft'. Angry


[geteilt] David Corell - Gertrud - 02.05.2019

Die Sache mit der hohen Intensität und den langen Pausen (dem Gepard gleich) ist uralt und wird in den USA seit über 30 Jahren trainiert. Auch die US-Literatur habe ich damals auf Hansjörg Holzamers Anraten schon gelesen. Es ist nur hier erst sehr spät allgemein angekommen. Ich habe mir damals bereits eine entsprechende Energiesystem-Tabelle mit den entsprechenden Sprintprogrammen erstellt. Auch die Mach-Drills gibt es z.B. seit etlichen Jahren. Selbst die hier jetzt erst relativ spät eingeführte Schiene der Neuroathletik gibt es in den USA durch Dr. Cobb seit einigen Jahren. 

Ich habe Linford Christie auf Lanzarote nur solche intensiven Einheiten machen sehen. Manchmal hat er nur einen intensiven Sprint gemacht und seine Sachen gepackt. Er hat aber auch unheimliche Einbein-Sprünge an Hürden unter den Augen seines älteren Trainers absolviert. Mir sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen. 

Gertrud


RE: David Corell - dominikk85 - 02.05.2019

Vor 15 Jahren oder so gab es mal einen Artikel dieser Art über die griechischen Sprinter (lange Pausen, geringe umfänge). Damals waren die Griechen mit kenteris und thanou halt gerade "in".

natürlich stellte sich später raus das sie noch ein anderes Geheimnis hatten....


RE: David Corell - MZPTLK - 02.05.2019

Wird langsam off-topic, aber grundsätzlich sollte man vorsichtig sein, wenn man erzählt oder vorgemacht bekommt,
was die Topleute so trainieren. Der Tag hat 24 Stunden, und was machen die, wenn man nicht hinguckt?

Was man in jedem Fall dingfest machen kann, ist die Oberkörper-/Armarbeit  vor allem der Amerikaner seit Jahrzehnten.
Mag sein, dass sich Einige etwas zu oft zu den Bodybuildern 'verirrt' hatten,
aber die guten Zeiten kamen/kommen nicht nur aus den Beinen.


RE: David Corell - Hesse - 03.05.2019

Ich glaube wir haben als Trainer von Sprintgruppen ein "Luxusproblem". Auch durch das Internet fliegen uns so viele qualifizierte Informationen zu, dass es schwer wird diese vernünftig zu analysieren, abzuwägen und in die eigene Philosophie gewinnbringend zu integrieren. Gertrud hat recht, die meisten Erkenntnise liegen seit 20- ,30- Jahren vor. Die angesprochenen Energiesystem-Tabellen werden in den Leistungskursen der Oberstufe behandelt (+ -). Das Sprinttraining der Griechen mit ihren langen Pausen konnte man damals in Dortmund sehen bevor angekündigte Doping Fahnder die Gruppe aus der Halle vertrieben Thumb_down. Ohne klare eigene Zielvorstellungen (und Wissen) läuft man Gefahr, seine Trainingspläne zu voll zu packen. Gerade diese scheint bei uns Deutschen  (viel hilft viel) latent vorhanden. Corell scheint einer zu sein, bei dem diese Gefahr nicht besteht. Weiter so!


RE: David Corell - dominikk85 - 03.05.2019

Das stimmt. Das moderne zeitalter hat vor und nachteile. Einerseits kommen so dinge wie trends in der lauftechnik schneller an als früher wo es vielleicht nach 5-6 Jahren mal im einer Fachzeitschrift stand, andererseits gibt es im Internet auch viele scharlatane und Leute ohne Erfahrung die sich aus gelesenen eigene Theorien basteln. Man muss filtern was Sinn macht und was Blödsinn ist.

und dann muss man beim integrieren darauf achten das man zwar Abwechslung hat aber dennoch strukturiert ist und die Athleten nicht überlädt.

als ich das erste mal Kinder trainiert habe habe ich viel zu viel erzählt und korrigiert und die Leute nur verwirrt, jetzt konzentriere ich mich auf wenige Basics die dafür aber richtig eingeschliffen werden.


RE: Sprinttechnik - Hesse - 05.05.2019

Noch eine Klippe: Es gibt eine Hierarchie nach der die für den Sprint maßgeblichen Muskeln feuern. Zuerst die Gluteus gefolgt von den Ischios, dann die Muskeln der Unterschenkeln und der Sprunggelenke (Zündmuster von proximal nach distal). Dieser Hierarchie sollte wenn möglich auch im Krafttraining Beachtung geschenkt werden. Begründung: neuromuskuläres Lernmuster lehnt sich an das „Zündmuster" an. Also: Komplexübungen vor Einzel-Curls (Aufsteiger +; Leg-Curls -). Neuromuskuläre Lernmuster lassen sich durch Utilisation festigen.Gefunden: Überlegungen von Dan Pfaff zur Hüftarbeit.
https://www.youtube.com/watch?v=-ThBv0GCGfY&list=RDSpLa5YKrHk8&index=11


RE: Sprinttechnik - Gertrud - 06.05.2019

(05.05.2019, 16:04)Hesse schrieb: Noch eine Klippe: Es gibt eine Hierarchie nach der die für den Sprint maßgeblichen Muskeln feuern. Zuerst die Gluteus gefolgt von den Ischios, dann die Muskeln der Unterschenkeln und der Sprunggelenke (Zündmuster von proximal nach distal). Dieser Hierarchie sollte wenn möglich auch im Krafttraining Beachtung geschenkt werden. Begründung: neuromuskuläres Lernmuster lehnt sich an das „Zündmuster" an. Also: Komplexübungen vor Einzel-Curls (Aufsteiger +; Leg-Curls -). Neuromuskuläre Lernmuster lassen sich durch Utilisation festigen.Gefunden: Überlegungen von Dan Pfaff zur Hüftarbeit.
https://www.youtube.com/watch?v=-ThBv0GCGfY&list=RDSpLa5YKrHk8&index=11

Es ist erschreckend, wie wenig solche Tatsachen frühzeitig nach Deutschland durchdringen. Als ich beim letzten Lehrgang in Kienbaum beim Vortrag von L. Seagrave anwesend war, war ich eine der ganz wenigen, die diese Tatsachen kannte. Da besteht immer wieder meine Forderung bei Übungskonstruktionen nach dem Ausschlussverfahren. Wer diese wichtigen Dinge nicht kennt, kann keine geeigneten neuen Übungen punktgenau konstruieren. Andernfalls knallt es in den Hamstrings. 

Auch diese Aussage ist nur die halbe Wahrheit, weil auch die Hüftstrecker ohne geeignete Präparation teilweise nur eingeschränkt und "halbherzig" arbeiten können. Deutschland "fischt" meistens erst 20 Jahre später und vorher im Trüben. Es fehlt hier sehr oft das antizipierende Denken. Wie in der Sportmedizin bewegen wir uns meistens bis auf ganz wenige Ausnahmen im nachziehenden, aber nicht im antizipierenden Procedere. Dann wird es hier oft von einigen Sprinttrainern "als Neuigkeit verkauft". Ich gebe immer wieder das Beispiel mit dem Regeneinströmen durch ein Loch im Dach. Das Loch kann oft ganz woanders als beim Regeneindringen sein. Hier gibt es oft nur ein "Picking", die Zusammenhänge sind aber sehr oft nicht klar, weil das Wissen nur rudimentär ist. Segmentale Zusammenhänge werden erst durch übergreifende Gebiete klar. Es gibt auch in diesen Bereichen eindeutige und beweisende Studien. Man muss sie halt nur kennen.

Gertrud


RE: Sprinttechnik - Hesse - 06.05.2019

Hamstrings:
Ich hab mir nochmal den Artikel (Tidow/Wiemann;Zur optimierung des Sprintlaufs,1995) angesehen. Die Autoren stellen fest, dass die Ischios weit vor Fussaufsatz zu feuern beginnen und schreiben daher den Ischios in Verbindung mit dem G.maximus den Hauptanteil am Vortrieb zu. In einem US-Artikel habe ich jetzt einen weiteren Aspekt gelesen, weshalb die Ischios so früh feuern. Ihre Aktivität beginnt dann, wenn, durch das Schwungknie beschleunigt, der Unterschenkel sich nach vorn bewegt. In dem Artikel wird den Ischios in der noch bodenkontaktlosen Phase des Fusses eine abbremsende (exzentrische) Wirkung auf den Unterschenkels zugeschrieben damit dieser nicht überstreckt. (Kennt jemand ähnliche Veröffentlichungen?)
Dies ist für mich wieder ein Hinweis darauf, dass wir uns verstärkt mit exzentrischem Krafttraining befassen sollten, zumal ex.K. die Ischios vor Verletzungen zu schützen scheint (eig. Erfahrung, toi,toi,toi).