(13.04.2015, 17:32)DerC schrieb: 1. Sehe ich komplett anders. Da bist du möglicherweise ein wenig den Manipulationen der Meinungsmacher auf denLeim gegangen.
2. Es ist zugegebener maßen auch alles nicht ganz unkompliziert und viele volkswirtschaftliche Konzepte sind umstritten. Aber ohne ein wenig Ahnung von Ökonomie geht es nicht. Leider haben Leute wie Schäuble oder Merkel davon zu wenig, das Hauptproblem in der Demokratie ist aber womöglich, dass die Wähler das Wissen nicht haben.
3. Deutschland hat als Staat KEIN Schuldenproblem - jetzt nicht, und auch auf absehbare Zeit nicht.
4. Auch ein Land wie Japan hat - obwohl stark verschuldet - kein ernsthaftes Problem mit Schulden. Ergänzung: Ernsthaft verglichen mit den problemen a la Portugal oder Griechenland.
5. Das liegt an der Bonität, an dem Vertrauen, was "der Markt" in die zukünftige Wirtschaftsleistung dieser Staaten hat.
6. Ein Staat muss - damit es wirtschaftlich läuft - immer wieder Schulden machen, jedenfalls in unserem Geldsystem.
7. Das ist für breit aufgestellte, wirtschaftlich starke Volkswirtschaften auch kein Problem. Es kommen immer wieder bessere zeiten, in denen kann man dann weniger Schulden machen, schulden begleichen etc.
8. Auch wenn das in der Vergangenheit nicht immer perfekt funktioniert hat, so ist die Idee, dass Staaten antizyklisch agieren müssen, dennoch grundsätzlich richtig.
9. Derzeit kriegt D das Geld fast zum Nulltarif, teilweise gab es sogar negative zinsen - eigentlich ideal um neue Schulden aufzunehmen10. ...zumindest nicht für D, also es ist Geld und Bonität genug da, D müsste nicht so sparen. Hierzulande ist die Sparpolitik ja teils Ausdruck von Dummheit/Unfähigkeit, teils Mittel zum Zweck um gewisse Klientel zu bedienen oder machtpolitische Ziele zu erreichen.
11. Wichtig ist wie bei fast allen politischen Fragen: Cui bono?
Wem nützt die Sparpolitik?
12....dass die weniger produktiven Länder in der Währungsunion gerade durch die deutsche Politik gar keine Chance haben, an das Niveau heranzukommen. Die deutschen Löhne sind gemessen an der Produktivität viel zu niedrig. Das kann die Union auf Dauer nicht aushalten.
13. Als die Wiederveinigung noch jung war, wurde die (ehemalige) DDR gerne wie ein Entwicklungsland dargestellt. De facto war diese Volkswirtschaft eher auf dem Niveau von Spanien.
1. Wir sind alle Meinungsmacher, zum Beispiel in diesem Forum.
Ich schliesse nicht aus, dass ich mal jemand auf den Leim gehe, das hat sich mit den Jahren aber stark gelegt. Und was dieses Thema angeht, bin ich seit den späten siebziger und erst recht achtziger Jahren nicht nur sehr stark sensibilisiert, sondern habe auch beruflich damit zu tun.
2. Zumindest Schäuble hat Ahnung, er weiss viel mehr als er öffentlich kommuniziert.
Packte er aus, bräche eine Megapanik los, also 'hält er die Klappe', wie unser Schulden-Schmidt(1972-1982 Verdreifachung der Staatsschulden) öfter sagt.
3. Es ist aber mittlerweile auch sehr sehr egal, ob die da oben Ahnung haben oder 'Neolibs' oder Keynesfans sind, sie können eh nur wenigst ausrichten, denn der Anteil des Bundeshaushalts für Investitionen liegt bei unter 20%(2003: 35%), der Rest ist längst für Finanzierung der Vergangenheit(Schulden, Alimentation, etc.) verfrühstückt - mit steigender Tendenz, denn die impliziten Staatsschulden belaufen sich auf ein Mehrfaches der expliziten(offiziellen) von etwas über 2.000 Milliarden.
Eine grosse Gefahr tritt hinzu: Wir sind immer stärker exportabhängig. Wenn der Wind die Devisenschaukel in die andere Richtung pustet, sehen wir viel älter aus.
Und wenn die Fed die Zinsen erhöht, hat das auch in Europa Folgen.
Ich erspare mir, das durchzudeklinieren. Nur soviel: Viele Euroländer könnten ihre Schulden dann nicht mehr so bedienen wie bisher...
4. Das ist der Witz des Jahrhunderts! Japan hat 240% Staatsverschuldung bezogen aufs Bruttosozialprodukt. In den letzten 20/25 Jahren haben etwa 6,7 Keynesprogramme und auf nahe Null runtergeprügelte Zinsen durch verschiedene Regierungen nicht nur nicht nachhaltig gewirkt, sondern haben die Quote hochgeschossen. Alles, um die chronische deflationäre Depression nicht zu schlimm werden zu lassen.
Die letzte Regierug hat nochmal einen kräftigen Keynes draufgesetzt und die Währung runtergequetscht, um zu überleben, anders kann man es nicht ausdrücken.
Wäre Japan nicht zu etwa 70-80% bei den eigenen Bürgern verschuldet, wäre Ende im Gelände.
5. Und schon sind wir bei der Bonität: da gibt es ja vor allem die Moodys, Standard & Poors und Fitchs, die sich bei der Finanzkrise nicht nur nicht mit Ruhm bekleckert haben, sondern m.E. kriminell gehandelt haben, indem sie Schrott viel zu hoch be-'wertet' haben.
Und jetzt kommt's: In den USA(die die letzten Jahre nur durch QE der FED überlebt haben) und in der Eurozone wurde vor einigen Jahren laut darüber nachgedacht, eine staatliche Boni-Agentur zu gründen






6. Der Staat muss keine permanenten und/oder überbordenden Schulden machen, wenn er ein vernünftiges Preis-/Leistungsverhältnis begründet und aufrecht erhält. Historische Beispiele gibt es zuhauf. Zum Beispiel haben die USA nach 1945 sukzessive vor allem kriegsbedingte Schulden abgebaut.
Sogar bei deutschen Kommunen gibt es einige positive Beispiele, und das hat nichts mit plötzlicher Ansiedelung von DAX-Konzernen zu tun.
7/8. Keynes würde im Grab rotieren bis er glüht, wenn er erleben müsste, was heute alles in seinem Namen verbrochen wird. Antizyklische Konjunktursteuerung ist eigentlich nie von Niemandem infrage gestellt worden(nur das Timing in konkreten Fällen), aber die Politiker haben fast immer 'vergessen', dass in Hochs zurückgezahlt werden sollte.
Dazu passt auch wunderbar die Nummer mit dem Soli: der wurde ja schon zweckentfremdet, er soll jetzt - auf ewig? - prolongiert werden, für welche Zwecke auch immer. Das kommt einer Bankrotterklärung gleich.
9. Aha! Da haben wir's! Neue Schulden aufnehmen, aber nicht an die Rückzahlung der alten denken. Dann ist ja alles klar, keine Fragen mehr.
10. Selbstverständlich. Aber ich verrate Dir ein Geheimnis: Wenn die Banken und Versicherungen(also wir Bank-und Versicherungskunden) den Staat nicht finanzieren würden, wäre Schluss. Da die das mittlerweile oft nicht mehr aus freien Stücken tun(Vertrauensschwund in die Bonität), sondern per staatlichem Machtmonopol und EZB dazu gezwungen werden(können), muss man ihnen eine gewisse Marge/Profitrate einräumen, die sich aber nur lohnt, wenn das Geld nicht zu den Unternehmen oder den Konsumenten fliesst, sondern im Inzucht-System bleibt. Das ist ja auch der entscheidende Grund, warum die Inflation trotz Gelddruckens gesunken ist.
Eigentlich sollte man ja annehmen, dass es den Staat freut, wenn seine Gläubiger pleite gehen. Aber wegen der verräterischen, unheilbringenden Publizität und vor allem der Domino-Gefahr hält man in der Wagenburg zusammen. Böse Zungen sprechen auch von Mafia.
Cui bono? Darum geht es schon länger nicht mehr in der Hauptsache. Es geht ums nackte Überleben, um die Verlängerung des Todeskampfes.
12. In einer immer mehr globalisierten Welt ist es immer weniger von Bedeutung, wie produktiv ein Land, eine Volkswirtschaft ist, sondern ob die Produkte und Dienstleistungen seiner Unternehmen auf dem bösen Weltmarkt konkurrieren können und wie gross die Gewinnmarge dabei ist.
Die DDR hatte 1990/91 auch fröhlich weiter Autos produziert, noch nicht einmal die eigenen Werksangehörigen wollten sie haben, geschweige der böse (Welt-)Markt.
Die Löhne sind mal zu niedrig oder manchmal auch zu hoch.
Im Fall DDR war es prinzipiell egal, wie hoch oder niedrig sie waren, der einzige Unterschied bestand bei über 80% der Betriebe darin, dass sie bei höheren Löhnen (etwas) schneller pleite gingen.
Ein relativ schlaues Beispiel ist VW, man führte flexible Beschäftigungsmodelle ein mit u.a. Kurzarbeit und 2/3 Stellen, um die Leute nicht arbeitslos gehen zu lassen und sie als eingearbeitete Produktive im Betrieb halten zu können.
13. Die DDR hatte sich in den Achtzigern als eine der 10 stärksten Industrienationen der Welt hingestellt.
Mir liegen Aussagen und Expertisen von Günter Mittag, dem langjährigen Wirtschaftsminister, vom Vizepräsidenten der Staatsbank, vom Wirtschafts-Staatssekretär Schalck-Golodkowski und von Schürer, dem Leiter der staatlichen Planungskommission vor, wonach die Zahlen erstens gefälscht und zweitens geschönt waren. Unappetitliche Details möchte ich dem geneigten Leser ersparen.
Ein paar Monate nach dem Fall der Mauer waren die 'Werte' eh Makulatur, weil der de facto-Umtauschkurs bei 1:4 bei angekommen war und immer schlechter wurde. Da gab es die meisten DDR-Betriebe noch.
Aber der Wind des Weltmarktes wehte eiskalt und unerbittlich, und die Folge war das Ende von über 85% der Firmen.
Elf Aquitaine musste fürn Appel und ein Ei einspringen, weil sonst niemand die ineffiziente und teilweise marode 'Plasteelaste'-Fabrik haben wollte.
Das Bahnnetz der DDR war marode ohne Ende, es gab massenhaft Langsamfahrstrecken.
Ganze Stadtteile wie Dresden-Neustadt(Innenstadt) waren unbewohnbar wegen Baufälligkeit, usw usf...
Ich möchte Dir nicht allzuviele Schmerzen bereiten, darum höre ich jetzt auf.