Ich möchte angeregt von Thomas auch ein paar persönliche Erfahrungen zum Besten geben, wobei es mir wichtig ist die Diskussion allgemeingültig zu führen, so daß es für einen weiteren Bereich übertragbar ist.
Wenn ich an meinen Hochsprungbereich denke, dann denke ich auch an meine begrenzten Trainingsmöglichkeiten. Eine Matte jederzeit, Winter und Sommer zur Verfügung zu haben, wenn ich gerade Lust habe ist nicht drin.
Die prinzipielle Ungerechtigkeit, daß Läufer einfach überall, auch an palmenumsäumten Stränden und auch nebenher im Urlaub trainieren können, läßt sich nicht beseitigen. Jeder, der eine Sprunggrube, eine Matte, Speer, Stab, Kugel oder eben Platz für Hammerwurf braucht ist benachteiligt.
Wenn ich dann irgendwo in einem südeuropäischen Feriengebiet eine Treppe am Strand zum Üben mißbrauche, dann immer mit dem unguten Gefühl daß irgendwer mit seinem Handy die Polizei anruft: „Da hüpft so ein älterer Mann auf einem Bein die Treppe hoch und läßt immer 2 Stufen aus, könnten Sie vielleicht mal das Heim benachrichtigen?“
Gut das ist eine extreme Facette, aber um zu einem halbwegs geregeltem Training zu kommen, muß man manchmal schon ganz schön an den Knöpfen drehen. Sich ein paar Gewohnheitsrechte versuchen zu erkämpfen, die mir eigentlich gar nicht zustehen, also z. B. so in der Vereinssatzung gar nicht vorgesehen sind.
Wenn es mir nicht gelingt, leistungsfördernde Trainingsbedingungen zu erreichen nutzt mir die ganze Lust am Sport auch nichts. Ich selber habe das Privileg, daß mein Verein eine (Winter-)Halle mit angeschlossener Muckibude besitzt.
Kommen wir zu den Trainern. Muß man als Trainer die Disziplin, in der man tätig ist, auch selber ausgeübt haben? Ich meine nicht nur mal so nebenher, sondern als jahrelang Suchender immer an sich arbeitend?
Ich habe Tips bekommen von außerhalb. „Du springst zu lasch ab, Du mußt mehr Dynamik in den Absprung legen …!“
Ich meine aber selber drauf gekommen zu sein, daß die Ursache ganz woanders liegt. Ganz andere, von den Beobachtern unbemerkte Komponenten stimmten nicht, und der „lasche Absprung“ war nur eine Konsequenz der anderen Fehler.
Wenn ich jetzt primär auf die Trainer hörte und mich nicht selber auf die Suche mache, besteht da nicht die Gefahr daß alles eher schlechter als besser wird?
Ist es wohl einfach unabdingbar, daß sich jeder Athlet auf den auch auf den eigenen, mühsamen, jahrelangen Weg machen muß trotz aller gelegentlichen Irrwege? Ratschläge von außen können sehr nützlich sein. Können. Es muß aber nicht so sein. Wer sagt mir was richtig ist? Ich muß wohl lernen die Einflüsse von außen richtig zu filtern.
Habe zuletzt mit den Anlaufradien im Kurventeil des Flops herumprobiert. Dachte es liegt am falschen Anlauf daß ich mich am Absprungpunkt so ‚unglücklich fühle‘ und daran gehindert, maximale Sprungkraft zu entwickeln. Die Internet-Literatur ist da sehr nebulös. „Ja, die Frauen müssen wohl schon den engeren Radius um die 7 m laufen, aber Leute wie Stefan Holm kommen eher mit 9 m zurecht. Jeder drückt sich aber darum genau zu erklären, welche Bedeutung die verschiedenen Radien genau haben. Geht es darum, immer die gleiche Kurvenneigung zu haben? Logisch, wer langsamer anläuft muß für die gleiche Neigung einen engeren Radius wählen. Sobald man der Sache auf den Grund gehen will, nach Differenzierungen sucht für Weit-Hochspringer und Hoch-Hochspringer … Fehlanzeige.
Ich habs dann sogar mal mit dem 5 m –Radius probiert. Jeder Schritt eine Änderung von 20° im Kreislauf. Damit es mich endlich durch die Fliehkraft automatisch von selber „rausträgt“.
Das führte alles dazu, daß ich bei Wettkämpfen nur noch an den Anlauf dachte. Und am Absprungpunkt alles Weitere dem Schicksal überließ.
Erst in den letzten Wochen merkte ich, daß ich mich ziemlich fehlorientiert hatte. Mit Hellmuth Klimmer talkte ich kurz hier im Forum darüber. Die richtigen Drehungen einleiten beim Absprung. Das ist das Ding!
Ich war diese Woche wieder mal bei schönen Wetter draußen an der Matte. Mit dem festen Willen nun das Schwungbein energischer einzusetzen. Das Video zeigte hernach, daß sich der Unterkörper tatsächlich mehr gedreht hatte, also waagrechter über der Latte lag. Nur der Oberkörper behielt nach wie vor seine schräge Lage vor. Klar. das Schwungbein „reißt“ die Beinregion und das Becken in die Drehung, aber ab der Taille aufwärts ist Schluß damit wegen der Massenträgheit. Muß ein nun stärkerer Einsatz des Armes der Schwungbeinseite nun dafür sorgen, daß auch der Oberkörper mehr gedreht wird bis zur Waagrechten?
Jedenfalls haftete meinen Verbesserungsbemühungen etwas Fremdkörperhaftes an. Es war gefühlsmäßig erlebt etwa so, daß ins Getriebe zwar das verbesserte Zahnrad eingebaut worden war, aber gleichzeitig eine Handvoll Sand reingeschüttet wurde. Der bisherige Sprungablauf, auch wenn in Schräglage, erschien mir durchgängig harmonischer.
Eines merkte aber ich schon, die Aufmerksamkeit wegzunehmen vom Anlauf hin zum Sprung war offensichtlich ein Gewinn. Ich spürte wie ich plötzlich eine Art innere Kamera hatte, die das Gleiten meiner Körperrückseite über die Latte begleitete. Bisher hatte sich meine Kamera nach dem Erreichen der 2. Anlaufmarke ausgeschaltet.
Ich saß also dieser Tage vor meinem Computer, schaute mir die Trainingsvideos an und grübelte. Einzelne Komponenten umzustellen in einem Sprungverlauf ist schwierig. Ungewohnt. Eigentlich paßt erst mal gar nichts mehr zusammen. Ich sagte mir, ich muß jetzt wohl üben, üben, üben … bis ich die verbesserte Drehung zusammen mit den anderen Komponenten so weit automatisiert habe, daß ich sie schlichtweg vergessen kann und ersetzen kann durch nur einen Befehl ans Großhirn: „Spring jetzt einfach richtig und gewaltig hoch.“
Jedes Denken während des Wettbewerbes an eine einzelne Komponente setzt doch schon wieder den Keim des Mißlingens. Das Eichhörnchen denkt beim Absprung ja auch nicht analytisch. Selbst der Mensch hat einen Computer mitlaufen der weitgehend unbewußt arbeitet. Wenn ich über einen Bach springen will, leitet dieser Computer u. U. eine Notbremsung auf den letzten Schritten ein, weil er (ohne extra beauftragt worden zu sein) vorausberechnet hat, daß so, wie ich das machen wollte, irgendwas schiefgehen wird ohne mir jetzt einen Ausdruck zu liefern, was exakt da nicht stimmt. Dieser innere Computer streut ja bei Anläufen aller Art Korrekturen ein wie Hüpfer, verkürzte Schritte usw. Ganz automatisch, weil er sich sicher ist daß das so nichts wird, wie ich es eingeleitet habe.
Diesen inneren Computer gilt es ja auch noch zu überzeugen. Das heißt auch jeder noch so gut gemeinte Ratschlag von außen kann in Konflikt treten mit dem vom inneren Computer gesteuerten, gewohnten Bewegungsabläufen.
Das ist ein weites Feld. Ich hab mal Hammerwurf probiert vor vielen Jahren und bekam den Wechsel von der Ballen- zur Fersenbelastung nicht richtig hin. Man kann sich auch überall reinsteigern und muß es wohl auch, um weiterzukommen. Jahrelang. Immer im Konflikt zwischen Verbesserungen und der Macht des Gewohnten.
Das alles erfordert Zeit und die entsprechenden Möglichkeiten. Man lebt hier im Forum natürlich in einer etwas heilen Welt, einem Elfenbeinturm. Hier soll’s erst mal um Sport gehen. Sonstige persönliche Probleme haben in der Regel außen vor zu bleiben. Manchmal fragt man sich schon, warum z. B. der oder der plötzlich völlig von der Bildfläche verschwunden ist, der noch bis vor drei Jahren bei der „deutschen“ mindestens Silber holte. Achselzucken. Das wird in der Regel nicht vertieft, mal von engen Freundeskreisen abgesehen.
Im Grunde setzt sich natürlich die Wettbewerbsorientiertheit unserer Gesellschaft fort, was ich ganz neutral also ohne Wertung feststellen möchte.
Derjenige, der sich etwas cleverer, durchsetzungsstärker, zielstrebiger usw. zeigt schöpft eher den Rahm ab. Was wieder Fragen nach der Gerechtigkeit und der Vergleichbarkeit von sportlichen Leistungen aufwirft, wobei meist sich alle auf Gerechtigkeit als Basis und Maßstab berufen wollen.
Daß bei Ü30 die allein sportlichen Voraussetzungen sehr unterschiedlich sind, dürfte klar sein. Jugendliche werden erstmal grundsätzlich gefördert und sein.
bekommen zeitliche wie materielle Zuwendungen ohne Diskussion.
Ich selber klage nicht über meine Situation, sehe sie eher als überdurchschnittlich gut an. Ich werde mich sogar hüten das alles irgendwie bewerten zu wollen. Da kommt man schnell aufs Glatteis. Es soll nur gesagt sein.