04.07.2014, 15:40
(04.07.2014, 13:24)At anvarno schrieb: Zwischen gemäßigtem Umfang und dem was Coe laut seiner veröffentlichten Trainingsprotokolle (früher auf mariusbakken.com) trainiert hat, ist noch ein deutlicher Unterschied.
Cram und Ovett haben auch nicht getrödelt im Training (Dauerläufe unter 5:00/Meile), sind aber trotzdem an und über die 100 Meilen/Woche gekommen.
Mein Problem mit "Training distance runners" ist daher, dass aerobe Grundlagen in der vorgestellten Trainingsmethode vielleicht konzeptionell vorgesehen sind, in Coes Trainingsbeispielen dann aber nicht deutlich werden. Wenn man sich daran orientiert, ist schnell die Gefahr da, dass eintritt, was Du im zweiten Absatz des obigen Zitats beschreibst.
Von Ovett gibt es ja auch das nette Zitat (aus dem Kopf, habe grade keine Quelle gefunden): "If someone runs a 3:48 mile and says he doesn't do 100 miles a week, he's a bloody liar". Dürfte wohl klar sein, auf wen das gemünzt war
Ich verstehe, was du meinst. Trotzdem gibt es Positionen, die nicht an ein Normativ von 160km pro Woche als Bedingung für Weltklasseleistungen auf der Mittelstrecke glauben. (Oder glaubten. Das Buch von Coe/Martin ist ja nicht mehr das Jüngste) Coe/Martin bezogen sich in wissenschaftlicher Sicht ja auf eine Untersuchung von Sjodin/Sevedenhag (1985). Diese „haben den Nutzen von mehr als 115-120km pro Woche (...) für Langstreckler, die ihre VO2 max Werte verbessern wollen, ernsthaft in Frage gestellt.“ Oder mit dem Verweis auf Costill (1986): „In Abhängigkeit vom ST-Faseranteil (...) wird bei Spitzen-Mittel- und – Langstrecklern durch ein aerobes Ausdauertraining von mehr als 96-145km /Woche keine messbare kardiorespiratorische Verbesserung (...) mehr zu erreichen sein.“
Wie verbindlich solche Äußerungen für das Training von Seb Coe genommen wurden, kann ich natürlich nicht sagen. Für Coe und auch für Cram sind in der VP selten mehr als 100km dokumentiert. (Wie zuverlässig kann ich nicht sagen) Ovett lag wohl deutlich drüber. An dokumentierten Protokollen über Coe’s WP habe ich in Martin/Coe das Sommertraining als 16-Jähriger betrachtet (40-50km/Woche). Oder die letzten fünf Wochen vor Los Angeles (1984), in denen auch nie mehr als knapp über 60km zusammenkamen. Aber nahezu jeden Tag im Tempobereich gearbeitet wurde. (Nicht nur anaerob! Und als 2. Trainingseinheit öfters 5-9km lockerer DL) Das ist natürlich nicht mal repräsentativ für die Gesamtgestaltung der WP. Aber als unmittelbare Vorbereitung für den Saisonhöhepunkt halte ich das für nicht mal für ungewöhnlich abstinent in aerober Hinsicht. Eher für ungewöhnlich risikoreich.
Es könnte also sein, dass du dich auf andere Protokolle beziehst. Dennoch halte ich die Auffassung auch im Allgemeinen für bezweifelbar, dass ein Mittelstreckler selbst in der VP auf 160km kommen sollte. Dieses Normativ hatte übrigens schon mal ein gewisser Lydiard (Neuseeland) in den 60er Jahren aufgestellt - und für seinen berühmtesten Schützling Peter Snell reklamiert. Aber der sagte nach seiner Karriere, dass er niemals auf diese Umfänge im Winter kam. Und im Sommer wurde ohnehin nur noch auf Tempo gebolzt. Aber das sind natürlich alte Hüte. Dennoch: Es gab bei den Briten sogar sehr erfolgreiche Marathonläufer, die dieses Km-Kontingent in den 80ern überhaupt nur ganz selten überschritten haben.