(08.07.2014, 08:29)Hellmuth K l i m m e r schrieb: Jetzt sollen die Jungen, wie Zölkau, Lemme, Lang, ... ihr Geld verdienen, das Zepter übernehmen. Und sie sind klug genug, sich ggf. Ratschläge bei ihren "Altvordern" zu holen ...
Wenn es um Rückstände im Sprintbereich geht ist die Argumentation mit Wurftrainern irgendwie unpassend, Hellmuth.....
Zum inhaltlichen:
Gertrud liegt natürlich genau richtig, wenn sie anprangert, dass im deutschen Sprint der Anschluss an die Weltspitze verschlafen wurde. Es ist aber keinesfalls so, dass nicht auch hierzulande rechtzeig und mehrfach auf die Entwicklungen im internationalen Sprintbereich sowie deren Ursachen hingewiesen wurde.
Bereits seit den 90ern ist klar, dass sich die Leistungsentwicklung im internationalen Sprintbereich nahezu ausschließlich durch eine höhere Pick-Up Beschleunigung und durch das Erreichen einer höheren Maximalgeschwindigkeit vollzieht, während sich die Gestaltung der Start- und Beschleunigungsphase kaum verändert haben. Wie in der angehängten Grafik zu erkennen, zeigt sich dies in den Geschwindigkeitsverläufen unterschiedlicher Top-Sprinter durch ein auseinanderscheren der Kennlinienverläufe, welches ab etwa 25 Meter zunehmend einsetzt (die gefitteten Kurvenverläufe stellen Bolt (durchgezogen) und Lewis (gestrichelt) dar). Analog dazu verhalten sich die Unterschiede zwischen elite und nicht elite Sprintern. Im Klartext heißt das also, dass bessere Sprinter länger und damit auf eine höhere vMax beschleunigen können.
In D ist es aber offenbar nicht gelungen, aus diesen, auch im deutschsprachigen Raum schon seit den 90ern verfügbaren Analysen, die richtigen trainingsmethodischen Schlüsse zu ziehen. Gertrud hat hier ja bereits viele Erklärungsansätze ins Spiel gebracht, die mit Sicherheit ineinandergreifen und im Komplex für den Rückstand verantwortlich sind.
Für mich in diesem Kontext bislang noch zu wenig diskutiert ist dabei die bestehende Lernmethodik, also die Art und Weise, wie wir junge Sportler an den Sprint heranführen.
Obwohl sie wie oben aufgezeigt für Spitzenleistungen nicht das entscheidende Kriterium darstellen, ist der Fokus dabei zunächst fast ausschließlich auf das Erlernen des Start- und Beschleunigungsabschnittes gerichtet. Die hierfür erforderlichen Bewegungsmuster (hoher Anteil von Beuge-/Streckbewegung in den entscheidenden Gelenken) unterscheiden sich jedoch deutlich von denen während der Pick-Up-Phase und vor allem von denen während des (aufrechten) Sprintlaufs in der der Hochgeschwindigkeitsphase (kaum Beuge-/Streckbewegungen in Knie-/Fußgelenken, hüftdominante Arbeit). Unterstützt wird dieses vorgehen durch das hiesige Wettkampfsystem, in dem vom jungen Schüleralter an bis in den Jugendbereich vornehmlich kürzere Strecken gelaufen werden. Erst mit zunehmender Streckenlänge und der damit steigenden Bedeutung der Höchstgeschwindigkeit wird sich vermehrt dem aufrechten Sprintlauf zugewandt. Dann ist das Bewegungsmuster jedoch schon stark verfestigt, ein aufbrechen dessen ist offenbar schwer bis unmöglich.
Man könnte also sagen, dass die gängige Lernmethodik offenbar nicht an der aus Spitzenleistungen ableitbaren Leistungsstruktur des Sprints ausgerichtet ist, und sich zu sehr auf vermeintlich "unwichtiges" konzentriert wird. Um eine überspitzte Analogie zum Wurf zu bemühen:
Das was die Sprinter machen ist im Prinzip so, als würden die Werfer zunächst ausschließlich Angleiten, Andrehen oder Anlaufen, um dann festzustellen, dass der Abwurf auch eine wichtige Rolle spielt.....

Gruß
P.S. @ Mods:
Falls die in der anghängten Grafik sichtbare Quellenangabe nicht ausreicht bitte ich um entsprechende Editierung.