Gestern, 08:45
(Gestern, 06:07)Tankward schrieb: Mich würden mal Beispiele aus der Praxis interessieren die aus der Erfahrung der TuT hier bewährt sind um die Prävention zu verbessern.
Habt ihr z.b. sowas wie Athletensprecher? Ansprechpartner für AuA die nicht TuT sind, z.b. beim Verein, Verband oder sogar designierte Eltern? Wie bindet ihr die Eltern sonst generell mit ein? Wie ist das bei nicht mehr jugendlichen AuA wo die Gruppen oft kleiner sind und es auch mal Situationen gibt wo ein TuT mit einem/ einer AuA auf einen Wettkampf oder ähnliches zu zweit fährt etc.
Meine ehrenamtliche Trainererfahrung beschränkt sich auf Fußballjungs im Alter von 6-11 und da waren z.b. immer Eltern dabei. Egal ob Training, Spiel, Turnier oder "Trainingslager". Gleichzeitig haben wir als Trainer darauf geachtet einfach immer zu zweit mit der ganzen Mannschaft unterwegs zu sein und wenn es mal 1 on 1 Gesprächsbedarf gab wurde das unter Anwesenheit der Eltern besprochen.
wir haben sowohl Athletensprecher als auch Ansprechpersonen für das Thema Prävention. Wir klären bei jeder Trainerausbildung und jährlich bei Kadermaßnahmen und nach Möglichkeit bei Jugendfreizeiten auf.
Vielen Dank für die vielen aufrichtigen und engagierten Beiträge hier, die zeigen, dass das Thema durchaus endlich mehr ins Bewusstsein kommt. Nach jahrelangem Verschweigen und Wegsehen und Jahrhunderten patriarchaler Machtstrukturen ist es doch sehr verständlich, dass es - zudem bei einem auch schambehafteten Thema - Zeit braucht, ein gutes Gefühl dafür zu entwickeln, wie wir mit einer gesunden Nähe mit den Schutzbefohlenen umgehen, denn ohne Nähe können wir nicht gut arbeiten. Während dieses Prozesses ist sicher besser, vorsichtiger zu sein als vielleicht nötig. Auch ist völlig verständlich, dass wir einen etwas unterschiedlichen Zugang haben, wenn wir gleichzeitig das ganze Spektrum besprechen: zwischen Unsicherheiten im Spannungsfeld von Nähe und Distanz und der Verfolgung von Wiederholungstätern, die mehrfach insitutuionell geschützt Gelegenheit bekamen, Kinder zu vergewaltigen.
Uns allen wünsche ich, dass wir ohne Angst miteinander und vor allem mit unseren Kindern und Jugendlichen umgehen können. (Ggf. auch körperliche) Nähe ist elementar für jede pädagogische Arbeit und viele verbieten sich aus Angst und Unsicherheit Dinge, die für alle völlig natürlich und für viele Kinder und Jugendliche wichtig wären. Eigentlich ist es nicht so schwer: Wenn Jugendliche Umarmungen, sei es aus Begeisterung oder auf der Suche nach Trost oder freundlicher Nähe, suchen, dann sollte es völlig normal sein, wenn wir diese Nähe geben. Wenn ich unsicher bin, ob eine Umarmung gerade angemessen wäre, dann frage ich oder mache eine entsprechende Geste. Ritualisierte Umarmungen, die von Trainern oder auch Gleichaltrigen ausgehen, sollten reflektiert und ggf. unterlassen werden.
Die oft zitierten Hilfestellungen sind auch gut lösbar, man kann auch hier fragen und Alternativen anbieten.
Kinder und Jugendliche haben ein extrem feines Gespür dafür, aus welchem Motiv sich Menschen ihnen nähern. Wenn die sagen, jemand nähere sich ihnen "komisch", "unangenehm", "eklig", dann stimmt das - von den selten Fällen abgesehen, wo das durch falsche Bezichtigungen gekippte Machtgefälle genutzt wird. Zurück zur Umarmung heißt das, prüfe Dein Motiv, wenn Du umarmen möchtest: bist Du sicher, gerade im Sinne des/r anderen zu handeln oder tut Dir gerade die Nähe gut? Wer sich da ehrlich macht, gewinnt viel Sicherheit zurück.
Wir brauchen eine Übereinkunft, mit welcher Haltung wir einander Begegnen wollen, wie wir unsere Fürsorge wahrnehmen, nicht aber, welche Gesten, Ansprachen, Verhaltensweisen "erlaubt" sein sollen, wie hier ja schon dargestellt wurde. Manches muss sich dabei noch entwickeln. Es wir empfohlen, Autofahrten zu zweit zu meiden, in manchen Instiutionen sollen die verboten werden, woanders müssen Eltern Einverständniserklärungen unterschreiben. Mir scheint, hier sollte ein Gespräch reichen: Schutzbefohlene "müssen" nie alleine mit dem/r Trainer:in sein, aber sie sollten es dürfen, wenn sie und die Eltern das für angemessen halten und Vertrauen besteht.
Aus meiner Praxis als Lehrer, Trainer und Ansprechperson weiß ich, dass sehr viel getan wäre, wenn wir eine bessere Kultur des Hinsehens etablierten und unser Miteinander so gestalteten, dass Sorgen und Wünsche gut besprochen werden können.
Ständiges Wiegen macht die Sau nicht fetter.